BFH Beschluss v. - IX B 51/03

Keine Wiedereinsetzung bei nicht rechtzeitiger Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I. Gegen das am zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) betreffend Einkommensteuer 1994 hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und diese erst am begründet.

Er beantragt die Zulassung der Revision sowie Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsbegehrens trägt er im Wesentlichen vor, seine Prozessbevollmächtigte habe am während eines Krankenhausaufenthalts einen Fristverlängerungsantrag diktiert, der allerdings im Zusammenhang mit dem Transport der Diktatbänder vom Krankenhaus in die Praxis abhanden gekommen sei. Nach Rückkehr in die Praxis am sei die Vorfristnotierung ( - Gründonnerstag) wohl wegen der Vielzahl der in den Frist- und Terminkalender aufzunehmenden Vorgänge versehentlich nicht ausgeführt worden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Insbesondere sei Wiedereinsetzung schon deshalb nicht zu gewähren, weil die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht durch Führung eines Postausgangsbuchs sichergestellt habe, dass ausgehende Schreiben, wie im Streitfall der Fristverlängerungsantrag, auch tatsächlich abgesandt würden.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen FG-Urteils begründet wurde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordung —FGO—) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO nicht gegeben sind.

Der Kläger, der sich das Verschulden seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; , BFH/NV 1993, 427), hat nicht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Beschwerdebegründungsfrist zu wahren.

a) Ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden ist schon anzunehmen, wenn ein Antrag, die Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zu verlängern, nicht rechtzeitig gestellt wurde (vgl. , BFH/NV 1988, 99, m.w.N.).

b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Bevollmächtigte einen solchen Fristverlängerungsantrag diktiert sowie dessen Fertigung und Absendung hinreichend überwacht hat. Ohne eine solche Überwachung ist von einem Organisationsverschulden der Bevollmächtigten daran auszugehen, dass die fehlende Absendung des Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist nicht vor Ablauf der Frist zur Begründung am von ihr festgestellt werden konnte.

aa) Für die Behauptung der Bevollmächtigten, noch während ihres Krankenhausaufenthalts einen Fristverlängerungsantrag gestellt zu haben, fehlt jede Glaubhaftmachung.

Weder trägt der von ihr vorgelegte Ausdruck des Fristenkalenders einen entsprechenden Bearbeitungsvermerk noch ist ein wie auch immer geartetes Beweismittel dafür vorgelegt oder benannt worden, dass ein solcher Antrag in Erledigung der Fristvorlage gefertigt worden ist (z.B. eine zeitnah gefertigte schriftliche Notiz über den Vorgang, vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 132/99, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom VII B 174/01, n.v.). Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Bevollmächtigte organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, um eine Rückmeldung über die Absendung des behaupteten Fristverlängerungsantrags zu gewährleisten. So wird ersichtlich in der Kanzlei der Bevollmächtigten kein Postausgangsbuch geführt, das regelmäßig bei Bevollmächtigten, welche Rechtsberatung berufsmäßig ausüben, zur Glaubhaftmachung behaupteter Absendevorgänge —wie hier des Fristverlängerungsantrags— für erforderlich gehalten wird (vgl. u.a. , BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266, und , BFH/NV 1995, 1002) und das bei Einsichtnahme der Bevollmächtigten nach Rückkehr in die Kanzlei —noch vor Fristablauf— die Feststellung ermöglicht hätte, dass der Antrag nicht abgesandt worden war.

bb) Darüber hinaus ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Bevollmächtigte hinreichende büroorganisatorische Maßnahmen zur Überwachung der Absendung des Fristverlängerungsantrags wie auch zur Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist für den Fall einer ausbleibenden Fristverlängerung getroffen hat.

Die Überwachung der Absendung und die in diesem Zusammenhang erforderliche Überwachung der Begründungsfrist lag nach ständiger Rechtsprechung in der Eigenverantwortung der Prozessbevollmächtigten, nachdem ihr die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Handlung vorgelegt worden war (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 81/98, BFH/NV 1999, 1614; vom III B 51/99, BFH/NV 2000, 575).

Spätestens ab diesem Zeitpunkt traf die Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die fristgerechte Bearbeitung der Sache, die sie nach Rückkehr aus dem Krankenhaus und damit noch vor Fristablauf auch uneingeschränkt wahrzunehmen in der Lage war: Sie musste deshalb selbst prüfen, wann die Begründungsfrist —ggf. wie im Streitfall auch im Hinblick auf eine beantragte, aber noch nicht bewilligte Fristverlängerung— ablief und alle erforderlichen Vorkehrungen treffen, um eine Versäumnis der Begründungsfrist zu vermeiden (vgl. z.B. , BFHE 73, 499, BStBl III 1961, 447; Beschluss in BFH/NV 1999, 1614, m.w.N.).

Solche hinreichenden büroorganisatorischen Vorkehrungen sind aus dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich. Schon das Fehlen von Bearbeitungsvermerken auf den vorgelegten Ausdrucken des elektronisch geführten Fristenkalenders begründet nachhaltige Zweifel an einer wirksamen Fristenkontrolle. Dass der Bevollmächtigten selbst der Ausdruck mit der Notierung der Vorfrist am vorgelegt worden und nur durch ihr —nicht entschuldbares— Versehen unberücksichtigt geblieben ist oder dass sie keine Anweisung erteilt hat, ihr den Ausdruck —im Hinblick auf ihre Pflicht zur eigenverantwortlichen Überwachung der Begründungsfrist— vorzulegen und deshalb die Begründungsfrist versäumt wurde, führt gleichermaßen zur Annahme eines Verschuldens der Bevollmächtigten.

Fundstelle(n):
GAAAB-13808