Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) sind im Inland wohnende Eheleute, die für die Streitjahre 1997 bis 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als Berufskraftfahrer bei verschiedenen in Luxemburg ansässigen Speditionen angestellt. Nach seinen Erklärungen hat er sich im Rahmen seiner Fahrtätigkeit in 1997 zu 88,98 v.H., in 1998 zu 41,15 v.H., in 1999 zu 42,15 v.H. und in 2000 zu 47,29 v.H. in Luxemburg aufgehalten. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) ermittelte die Anteile der in Luxemburg erzielten Arbeitseinkommen mit 75 v.H. in 1997, 34,8 v.H. in 1998, 30,2 v.H. in 1999 und 40 v.H. in 2000, die das FA dem Progressionsvorbehalt unterwarf. Die restlichen Arbeitseinkommen wurden im Inland besteuert. Bei der Berechnung der inländischen Anteile ging das FA einerseits von den tatsächlich in Deutschland und in Drittstaaten verbrachten Arbeitstagen sowie andererseits von der Anzahl der jährlich vereinbarten Arbeitstage, jeweils unter Einschluss von Urlaubs- und Krankheitstagen, aus.
Dagegen wandten die Kläger sich mit ihrer Klage. Sie streiten mit dem FA um den Umfang der abkommensrechtlichen Zuordnung der Besteuerung des Arbeitslohnes: Das FA habe zu Unrecht arbeitsfreie Urlaubs- und Krankheitstage in vollem Umfang der deutschen Besteuerung zugeschlagen, obwohl auch Luxemburg auf den entsprechenden Anteil der Löhne Anspruch erhoben habe. Das führe zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung. In Deutschland dürften die gezahlten Arbeitslöhne deswegen lediglich anteilig in Höhe von 3/365 in 1997, 114/365 in 1998, 111/365 in 1999 sowie 99/365 in 2000 besteuert werden. Zumindest sei das FA gehalten, ein Verständigungsverfahren mit der luxemburgischen Finanzverwaltung einzuleiten und dessen Abschluss abzuwarten.
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz wies die Klage durch Urteil vom 1 K 2749/02 ab, ohne die Revision zuzulassen. Die Besteuerung richte sich nach dem Arbeitsortsprinzip. Der im Inland hiernach zu besteuernde Anteil am Arbeitslohn sei vom FA zutreffend geschätzt worden: Zur Ermittlung des anteilig in Luxemburg und im Inland zu versteuernden Arbeitslohns sei im Ausgangspunkt von den vertraglich vereinbarten Arbeitstagen im Kalenderjahr ohne Berücksichtigung der Urlaubs- und sonstigen arbeitsfreien Tage auszugehen. Das gezahlte Entgelt für die Nichtarbeitstage müsse aber bei den anteilig freizustellenden Bezügen berücksichtigt werden. Das FG bezieht sich dazu auf das Senatsurteil vom I R 22/85 (BFHE 146, 132, BStBl II 1986, 479) sowie auf Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer (Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 MA Rz. 107, 147).
Ihre dagegen gerichtete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützen die Kläger auf Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FA ist dem entgegengetreten.
Wegen derzeit laufender Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA haben die Kläger Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide beantragt.
II. 1. Das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision und das Aussetzungsverfahren werden gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Revision gegen das angefochtene Urteil des FG war zuzulassen. Insoweit ergeht dieser Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.
3. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist lediglich zu einem geringeren Teil begründet. Die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide ist nur in jenem Umfang auszusetzen, in dem die Arbeitslöhne des Klägers, soweit diese auf Urlaubs- und Krankheitstage entfallen, nicht nur anteilig, sondern vollständig der deutschen Besteuerung unterworfen worden sind. Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen.
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschlüsse des , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom VIII B 85/95, BFH/NV 1998, 969). Solche Zweifel sind im Streitfall aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung gegeben.
b) Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte ausgenommen, die nach dem Abkommen in Luxemburg besteuert werden können. Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg können Einkünfte, die eine in einem der Vertragsstaaten ansässige Person aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, nur in dem anderen Staat besteuert werden, wenn die Arbeit in dem anderen Staat ausgeübt wird. Nur in den Fällen des Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg bleibt es bei einer ausschließlichen Besteuerung im Wohnsitzstaat, wenn der Arbeitnehmer sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Kalenderjahres aufhielt, wenn er für seine in dieser Zeit ausgeübte Tätigkeit von einem Arbeitgeber entlohnt wurde, der nicht in dem anderen Staat ansässig war, und wenn seine Tätigkeit nicht zu Lasten einer in dem anderen Staat befindlichen Betriebsstätte oder ständigen Einrichtung des Arbeitgebers entlohnt wurde. Bei dem Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates verbleibt es auch, wenn eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte bezieht, für die das Doppelbesteuerungsabkommen keine Regelung getroffen hat (Art. 16 DBA-Luxemburg). Dies ist der Fall bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Drittstaat.
c) Nach den Feststellungen des FG war der Kläger in den Streitjahren in Luxemburg für einen dort ansässigen Arbeitgeber als Berufskraftfahrer tätig. Die Ausnahme des Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg war also nicht einschlägig (vgl. Nr. 2 der Vorschrift). Die Besteuerung richtet sich nach Art. 10 Abs. 1 und Art. 16 DBA-Luxemburg. Im Einzelnen wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Senatsbeschlüsse vom I B 79/01 (BFH/NV 2002, 902) sowie vom I B 80/01 (BFH/NV 2002, 1423) verwiesen.
d) Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang bei der Berechnung der anteiligen Gehälter, die nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg in Deutschland von der Besteuerung ausgenommen werden, arbeitsfreie Tage, insbesondere Urlaubs- und Krankheitstage, zu berücksichtigen sind. Die Kläger wollen die betreffenden Einkünfte hinsichtlich sämtlicher arbeitsfreier Tage —solcher infolge Urlaubs und Erkrankung als auch solcher infolge von Wochenenden— unterschiedslos der luxemburgischen Besteuerung unterwerfen. Das FA geht demgegenüber davon aus, dass jedenfalls die Urlaubs- und Krankheitstage in vollem Umfang in Deutschland zu besteuern seien (so jetzt auch Lux- 8/02, BStBl I 2002, 485). Danach sind die deutschen Besteuerungsanteile im Streitfall berechnet worden. Das FG hat dieses Vorgehen des FA nicht beanstandet, sondern ausdrücklich für zutreffend erachtet, im Ergebnis womöglich allerdings auch missverstanden.
e) Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft, dass die Berechnungsweise des FA uneingeschränkt rechtmäßig ist. Nach summarischer Prüfung der Abkommenslage fehlt für eine vollständige Zuordnung der besagten arbeitsfreien Tage in die inländische Besteuerung die Rechtsgrundlage. Vielmehr ist danach anzunehmen, dass auch diejenigen Bezüge, die für Urlaubs- und Krankheitstage gezahlt werden, nur anteilig der deutschen Besteuerung unterfallen und im Übrigen von dieser freizustellen sind. Eine vollständige Einbeziehung solcher Tage in die deutsche Besteuerung erscheint hingegen nicht gerechtfertigt, da der Lohn für die gesamte tatsächlich erbrachte Tätigkeit, aber auch für die arbeitsfreien Zeiten gezahlt wird, gleichviel, ob diese Zeiten sich auf das In- oder auf das Ausland beziehen (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 MA Rz. 102, 147 f.). Dementsprechend ist der Anteil der der deutschen Besteuerung unterfallenden Einkünfte in der Weise zu ermitteln, dass nur jene Arbeitstage, in denen der in Deutschland wohnende Steuerpflichtige sich tatsächlich in Deutschland oder in Drittstaaten aufgehalten hat, in ein rechnerisches Verhältnis zu den vereinbarten Arbeitstagen gesetzt werden und der hiernach berechnete Quotient auf die Gesamteinkünfte bezogen wird. Dabei ist im Hinblick auf die zugrunde zu legenden vereinbarten Arbeitstage allerdings zu unterscheiden: Urlaubstage sind nicht anders als vergleichbare arbeitsfreie Tage wie Wochenend- und Feiertage aus dem Aufteilungsmaßstab auszuscheiden; solche Tage sind nicht als Arbeitstage vereinbart. Hingegen sind Krankheitstage in diese Bemessungsgröße einzubeziehen, soweit sie auf vereinbarte Arbeitstage entfallen. Denn das Kranksein ist in diesem Umfang wie eine tatsächlich ausgeübte nichtselbständige Arbeit zu behandeln; der hierfür fortgezahlte Lohn wird ebenso wie für erbrachte Arbeit geleistet (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 MA Rz. 147 f.).
Da das FA nach Aktenlage im Streitfall von dieser Berechnungsweise abgewichen ist, war die Vollziehung der angefochtenen Bescheide in entsprechendem Umfang auszusetzen.
f) Soweit die Kläger sich darüber hinaus auch gegen die anteilige Einbeziehung der Urlaubs- und Krankheitstage wenden und diese gleichermaßen wie die auf die Wochenenden entfallenden arbeitsfreien Tage ausschließlich der luxemburgischen Besteuerung unterworfen wissen wollen, bleibt der Aussetzungsantrag hingegen ohne Erfolg. Für eine derartige Zuordnung des Besteuerungsrechts fehlt aus den genannten Gründen ebenfalls die Rechtsgrundlage. Dass die luxemburgische Besteuerungspraxis diesem Abkommensverständnis möglicherweise widerspricht, ändert daran nichts. Auch das Ergebnis eines Verständigungsverfahrens gemäß Art. 22 DBA-Luxemburg musste vor Ergehen der Einkommensteuerbescheide nicht abgewartet werden; § 175a der Abgabenordnung ermöglicht es, dem (positiven) Ausgang eines solchen Verfahrens durch Änderung bereits ergangener Steuerbescheide Rechnung zu tragen.
g) Dem FA wird die Berechnung übertragen, in Höhe welcher (Teil-)Beträge nach Maßgabe der vorstehenden Entscheidungsgründe die Aussetzung der Vollziehung geboten ist (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstelle(n):
YAAAB-13721