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Grundlagen - Stand: 10.08.2022

Ermessen

Peter Gerlach

I. Definition des Ermessens

Eine Entscheidung steht im Ermessen der Finanzbehörde, wenn diese bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts in gewissen gesetzlichen Grenzen einen (Ermessens-) Spielraum bei der Wahl der Rechtsfolgen hat, d.h. verschiedene Rechtsfolgen ziehen kann. Im Unterschied dazu hat die Finanzbehörde bei einer sog. gebundenen Entscheidung die von dieser Norm festgelegten Rechtsfolgen zwingend herbeizuführen.

Die Finanzbehörden müssen Entscheidungen nach Ermessen treffen, sofern sie im Gesetz hierzu ermächtigt werden (s. II.1.).

§ 5 AO schreibt der Behörde vor, wie sie ihr Ermessen auszuüben hat: entsprechend dem Zweck der im Gesetz eingeräumten Ermächtigung unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens. Die Ermessensentscheidung ist dabei zu begründen.

Jede Entscheidung, die sich im Rahmen dieser Grenzen hält, ist grundsätzlich rechtmäßig, auch wenn mehrere Möglichkeiten denkbar sind. Fehlerhafte Ermessensentscheidungen liegen dagegen vor, wenn die für die Ausübung des Ermessens vom Gesetz gezogenen Grenzen nicht beachtet werden (sog. Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung) oder wenn das Ermessen innerhalb der Grenzen fehlerhaft ausgeübt worden ist (sog. Ermessensfehlgebrauch), s. III.

Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung des Finanzamts unterliegt den Grenzen des § 102 FGO, d.h. sie kann von den Gerichten nur hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Grenzen des Ermessens überprüft werden (s. IV.).

II. Allgemeines

1. Ermächtigung zur Ermessensausübung

Die Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung muss sich aus dem Gesetz ergeben.

„Soll-Vorschriften” stellen gebundene Vorschriften dar, von denen die Finanzbehörde nur in atypischen Fällen abweichen darf (z.B. § 80 Abs. 3 Satz 1, § 91 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 3, § 122 Abs. 1 Satz 3, § 197 Abs. 2, § 200 Abs. 3 Satz 3, § 259 Satz 1 AO).

Spielräume für den Steuerpflichtigen stellen Wahlrechte und keine Ermessensvorschriften dar (z.B. § 80 Abs. 1 Satz 1, § 102 Abs. 1 AO).

2. Arten des Ermessens

Der Finanzbehörde ist zum einen Entschließungsermessen eingeräumt, d.h. Ermessen, ob überhaupt eine Rechtsfolge getroffen wird, z.B.

Des Weiteren besteht u.U. zusätzlich ein Auswahlermessen, d.h. Ermessen darüber

  • wen das FA in Anspruch nehmen soll, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gesamthänderisch geschuldet werden (z.B. Auswahl unter mehreren potentiellen Haftungsschuldnern);

  • welche von mehreren Rechtsfolgemöglichkeiten gewählt wird (z.B. Höhe des Verspätungszuschlages, Auswahl unter verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen).

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