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Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern
I. Definition
Kommt der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde, Gläubiger oder Zahlungsempfänger von Schulden und anderen Lasten zu benennen, nicht nach, sind die Schulden usw. steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen (§ 160 Abs. 1 Satz 1 AO).
Die Vorschrift dient primär der Verhinderung von Steuerausfällen beim Geschäftspartner des Steuerpflichtigen, die dadurch entstehen, dass der Empfänger von geltend gemachten Ausgaben usw. diese nicht als Einnahmen steuerlich erfasst. Ziel ist die Feststellung und Erfassung der korrespondierenden steuerbegründenden oder steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen beim Vertragspartner des Steuerpflichtigen. Auch wenn feststeht, dass Ausgaben getätigt wurden oder Schulden bestehen, ist die Anwendung des § 160 AO daher nicht ausgeschlossen.
Zugmaier/Nöcker/Jansen, § 160 AO, NWB
von Wedelstädt, Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern, AO-StB 2007 S. 325
II. Benennungsverlangen
1. Voraussetzungen
Das Benennungsverlangen nach § 160 AO setzt voraus, dass der Steuerpflichtige Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben steuermindernd geltend macht. Dies betrifft alle Arten von steuerrechtlich relevanten Belastungen oder Aufwendungen ohne Rücksicht auf die Steuerart, gleichgültig auch ob sie als Betriebsausgaben sofort abgesetzt werden können oder z.B. als Anschaffungskosten aktiviert und gewinnmindernd werden müssen. Auch wenn die Ausgaben geschätzt wurden, ist für die weitere Feststellung des oder der Empfänger § 160 AO anwendbar.
Ein solches Verlangen ist nicht gerechtfertigt, wenn sich Aufwendungen oder Belastungen nicht steuermindernd auswirken, weil dessen Höhe oder sein Zusammenhang mit der steuerlichen Sphäre nicht nachgewiesen ist oder die Schulden oder Ausgaben aufgrund anderweitiger steuerlicher Vorschriften beim Steuerpflichtigen nicht steuermindernd zu berücksichtigen sind (AEAO zu § 160, Nr. 1 m.w.N.)
wie durchlaufende Posten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG) oder bei nicht abzugsfähigen Lasten oder Aufwendungen wie z.B. solchen nach § 4 Abs. 5 EStG oder im Rahmen von Scheingeschäften (§ 41 Abs. 2 AO) oder
bei solchen Aufwendungen, von denen die Finanzbehörde zwar erfährt, die der Steuerpflichtige aber nicht geltend macht, oder bei denen die betriebliche Veranlassung verneint wird.
Keine Anwendung findet § 160 AO ferner bei Bauleistungen, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG) oder eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat.
Gläubiger ist der wirtschaftliche Eigentümer einer Forderung (AEAO zu § 160, Nr. 1.1 Abs. 1).
Empfänger der Lasten oder Ausgaben usw. ist derjenige, dem der in den Lasten oder Ausgaben enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist und bei dem er sich demzufolge steuerlich auswirkt, also die Person, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die vom Steuerpflichtigen durch seine Zahlung entgoltene Leistung erbracht hat (AEAO zu § 160, Nr. 1.1 Abs. 2 m.w.N.). Nimmt die Person, die unmittelbar als Empfänger auftritt, den Wert erkennbar für einen anderen entgegen – sei es, dass sie als Bote oder als Vertretungsberechtigter oder aber im eigenen Namen aber für Rechnung des anderen handelt –, so ist dieser andere »Empfänger« i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO. Bei zwischengeschalteten Personen sind dies die dahinterstehenden Personen (AEAO zu § 160, Nr. 1.1 Abs. 2). Dies gilt auch bei Zahlungen an Domizilgesellschaften (auch Basis- oder Briefkastengesellschaften), die keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten und im Ansässigkeitsstaat regelmäßig keiner oder nur einer niedrigen Besteuerung unterliegen (AEAO zu § 160 Nr. 3). Es reicht nicht aus, dass die in das Leistungsverhältnis zwischengeschaltete Domizilgesellschaft benannt wird. Bei ausländischen Domizil- oder Basisgesellschaften ist der Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO nur erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen entweder im Inland nicht steuerpflichtig ist oder im Inland seine steuerlichen Pflichten erfüllt hat.
Steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Empfänger im Inland nicht steuerpflichtig ist, kommt ein Benennungsverlangen nicht in Betracht, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine straf- oder bußgeldbewehrte Bestechungshandlung vor (AEAO zu § 160 Nr. 1.5). Die bloße Möglichkeit mangelnder Steuerpflicht reicht allerdings nicht aus. Vgl. hierzu auch AEAO zu § 160, Nr. 4 Satz 1 - 4.
Ist sowohl streitig, ob dem Grunde oder der Höhe nach Werbungskosten vorliegen, als auch, ob die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug entgegensteht, ist zunächst festzustellen, ob Werbungskosten vorliegen. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger gemäß § 160 AO dem Abzug der Zahlungen als Werbungskosten entgegensteht.
2. Ermessensentscheidung
Ob ein Benennungsverlangen geboten ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts (AEAO zu § 160, Nr. 1 m.w.N.). Das Benennungsverlangen ist gerechtfertigt, wenn die Vermutung nahe liegt, dass der Zahlungsempfänger den Bezug nicht versteuert hat oder wenn der Steuerpflichtige den Empfänger oder einen tatsächlichen Leistungsträger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Zahlung dessen Namen und Anschrift unbekannt waren , und zwar auch, wenn die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zweifellos entstanden sind . Liegen Anhaltspunkte für straf- oder bußgeldbewehrte Bestechungshandlungen vor, hat das Finanzamt die Benennung des Gläubigers oder Zahlungsempfängers stets zu verlangen (AEAO zu § 160 Nr. 1.5).
Der Steuerpflichtige ist ggfs. verpflichtet, die Identität des Gläubigers oder Empfängers festzustellen und zu prüfen. Die Benennung des Empfängers muss für den Steuerpflichtigen zumutbar sein; dies hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles im Zeitpunkt der fraglichen Zahlung ab. Das Verlangen darf nicht unverhältnismäßig sein, d.h. die Nachteile für den Steuerpflichtigen (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z.B. geringfügige Steuernachholung beim Empfänger) stehen. Unzumutbar ist ein Benennungsverlangen insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Opfer einer undurchschaubaren Täuschung geworden ist und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seines Geschäftspartners aufdrängen mussten. Die Feststellung ist nicht bereits deshalb unzumutbar, weil „ungewöhnliche Marktbedingungen vorliegen, insgesamt eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen zu erfassen ist oder hierdurch Umsatzeinbußen und Nachteile gegenüber anderen Wettbewerbern entstehen“ (AEAO zu § 160, Nr. 1.3 Satz 1). Zur Zumutbarkeit einer solchen Identitätsprüfung s. ferner AEAO zu § 160, Nr. 1.3., Wackerbeck, NWB 25/2021 S. 1790, 1791.
Grundsätzlich ist es aber dem Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Zahlung zumutbar, sich über die Identität seines Geschäftspartners zu vergewissern, und zwar auch bei einer Vielzahl von Vorgängen (AEAO zu § 160, Nr. 1.3).
Bei Sachverhalten im Ausland hat der Steuerpflichtige nach § 90 Abs. 2 AO eine verstärkte Mitwirkungspflicht. Dies gilt insbesondere bei der Einschaltung von Domizilgesellschaften (AEAO zu § 160 Nr. 3). Nach Auffassung des BFH besteht eine Vermutung dafür, dass diese Gesellschaften eingeschaltet werden, um inländische Einkünfte der Besteuerung zu entziehen. Es besteht regelmäßig Anlass für den Steuerpflichtigen und ist für ihn zumutbar, sich bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen über den Vertragspartner oder bei der Zahlung von Geldern über die tatsächlichen Empfänger, die regelmäßig nicht die Domizilgesellschaft und oft auch nicht die Anteilseigner sind, zu erkundigen . Ausländische Vorschriften führen nicht dazu, dass ein Offenlegungsverfahren unterbleiben kann (AEAO zu § 160 Nr. 3). Ungewissheiten hinsichtlich der Person des Empfängers gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (AEAO zu § 160 Nr. 3).
Nur „in Ausnahmefällen kaum zu bewältigender tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten” kann das Benennungsverlangen unzumutbar sein.
Zur Frage der Unzumutbarkeit eines Benennungsverlangens im Fall von Cyber-Erpressungen s. Wackerbeck, NWB 25/2021 S. 1790, 1792
Das Benennungsverlangen wird vom BFH und der Verwaltung (AEAO zu § 160 Nr. 1 Abs. 3) als Vorbereitungshandlung für die Steuerfestsetzung und nicht als Verwaltungsakt - wie herrschend in der Literatur - angesehen.
Das Benennungsverlangen nach § 160 AO und auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen, die erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides geschehen, sind keine nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen; eine Änderung ist aber möglich, wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden.