Beschwerdekammerbeschluss: Erfolglose Verzögerungsbeschwerde bzgl der Dauer eines Normenkontrollverfahrens zur Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung in Schleswig-Holstein - lange Verfahrensdauer von über sieben Jahren durch Sachgründe gerechtfertigt
Gesetze: §§ 80ff BVerfGG, § 80 BVerfGG, § 97a Abs 1 S 1 BVerfGG, § 97a Abs 1 S 2 BVerfGG, § 97b Abs 1 S 1 BVerfGG
Instanzenzug: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 12 A 69/18 Vorlagebeschluss
Gründe
1 Die Verzögerungsbeschwerde der Beschwerdeführerin richtet sich gegen die Dauer eines konkreten Normenkontrollverfahrens, welches die Besoldung der Besoldungsgruppe A 7 in Schleswig-Holstein zum Gegenstand hat.
I.
2 1. In dem beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht anhängigen fachgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrt die Beschwerdeführerin mit ihrer am erhobenen Klage die Feststellung, dass sie im Jahr 2007 verfassungswidrig unteralimentiert worden sei. Mit Beschluss vom - 12 A 69/18 - setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, welche die Besoldung der Beschwerdeführerin für den dem Streit zugrundeliegenden Zeitraum regeln, mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar gewesen sind. Der Normenkontrollantrag ging am beim Bundesverfassungsgericht ein.
3 2. Als Berichterstatter wurde zunächst der damalige Präsident Prof. Dr. Voßkuhle bestimmt. Nach dem Ende der Amtszeit und dem Ausscheiden des damaligen Präsidenten aus dem Bundesverfassungsgericht am wurde Richter Dr. Maidowski mit Verfügung vom zum Berichterstatter bestimmt. Auf Veranlassung des Berichterstatters stellte die Vorsitzende des Zweiten Senats den Beteiligten des Normenkontrollverfahrens sowie dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, allen Landesregierungen (außer Schleswig-Holstein) und dem Landtag des Landes Schleswig-Holstein den Normenkontrollantrag mit Verfügung vom zu und gab diesen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum . Auf Antrag der Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein wurde die Frist bis zum verlängert. Die Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein, der dbb beamtenbund und tarifunion schleswig-holstein und der dbb beamtenbund und tarifunion reichten fristgerecht Stellungnahmen ein.
4 3. Mit Schreiben vom und vom nahm der Berichterstatter zu Sachstandsanfragen der Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein und des dbb beamtenbund und tarifunion schleswig-holstein Stellung. Nach den Ausführungen des Berichterstatters empfehle es sich, zur effizienten Bearbeitung der hohen Anzahl an Normenkontrollverfahren zu besoldungsrechtlichen Vorschriften solche Verfahren vorrangig zu bearbeiten, die durch mehrere gerichtliche Instanzen bis zur Ebene des Revisionsgerichts eine besonders gründliche Vorbereitung erfahren hätten und im Bereich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf vorhandene Daten zurückgreifen könnten. Zwar seien die Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung seitens des berichterstattenden Dezernats und des zur Entscheidung berufenen Senats begrenzt. Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten - insbesondere die Aufteilung der Besoldungsverfahren auf zwei Dezernate, die Erhöhung der Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die mit diesen Verfahren befasst seien, und die frühzeitige Zustellung an die Verfahrensbeteiligten sowie an sachkundige Dritte - seien jedoch ergriffen worden. Zudem wies der Berichterstatter auf die komplexen rechtlich-dogmatischen Grundlagen der Besoldungsverfahren hin. In diesen Verfahren müsse in besonderem Maße auf die Praxistauglichkeit der erarbeiteten Prüfungsansätze geachtet werden, um die folgenden Normenkontrollvorlagen schneller bearbeiten zu können und der Fachgerichtsbarkeit eine schnellere Erledigung der dort anhängigen Verfahren zu ermöglichen.
5 4. Mit am eingegangenem Schriftsatz rügte die Beschwerdeführerin die Dauer des Normenkontrollverfahrens. Zur Begründung führte sie an, dass bereits die zehnjährige Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter dem Gesichtspunkt des Gebotes effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht hinnehmbar sei. Zudem dauere das Normenkontrollverfahren bereits mehr als sechs Jahre an. Die lange Verfahrensdauer sei nicht gerechtfertigt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der im Jahr 2020 getroffenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Besoldungsfragen und angesichts der Nähe der Besoldung der Beschwerdeführerin zur Grundsicherung.
6 5. Am hat die Beschwerdeführerin die vorliegende Verzögerungsbeschwerde erhoben. Zur Begründung führt sie unter Verweis auf die Ausführungen ihrer Verzögerungsrüge an, dass die Verfahrensbeteiligten bereits seit siebzehn Jahren auf eine Entscheidung warteten. Die Dauer des Normenkontrollverfahrens von über sieben Jahren sei nicht nachvollziehbar und nicht gerechtfertigt. Aufgrund der langen Verfahrensdauer sei der Beschwerdeführerin ein finanzieller Schaden in Höhe von ca. 4.500 Euro und ein immaterieller Nachteil entstanden.
7 6. Der Berichterstatter hat am eine Stellungnahme gemäß § 97d Abs. 1 BVerfGG, § 62 Abs. 1 Satz 1 GOBVerfG abgegeben.
8 Im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts seien derzeit weit über 60 Normenkontrollverfahren aus den Jahren seit 2016 anhängig, die besoldungsrechtliche Vorschriften zum Gegenstand hätten. Die Verfahren seien mittlerweile auf zwei Dezernate aufgeteilt. Seit dem Jahr 2021 sei eine konzeptionelle Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit und Methodik der Überprüfung von Besoldungsvorschriften im Gange, die aufgrund ihrer Komplexität viel Zeit in Anspruch nehme. Die Bedeutung der konzeptionellen Überarbeitung werde daran deutlich, dass allein im Land Berlin weit über 100.000 besoldungsrechtliche Widerspruchsverfahren sowie mehrere Tausend anhängige Klageverfahren im Hinblick auf das kurz vor dem Abschluss stehende Normenkontrollverfahren 2 BvL 5/18 u.a. zum Ruhen gebracht worden seien.
9 Im Hinblick auf das Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts sei es von erheblicher Bedeutung, die anstehende Überarbeitung so zu gestalten, dass eine an die Arbeitsunfähigkeit des Gerichts heranreichende Überlastung durch weitere Normenkontrollverfahren vermieden werde. Vor diesem Hintergrund sei im Zweiten Senat entschieden worden, zunächst diejenigen Verfahren zu verbinden und zu bearbeiten, die durch das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht vorgelegt worden seien. Es werde sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren abzuschließen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme auf einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlage aufwürfen. Aus diesem Grunde seien sieben Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden (2 BvL 5/18 bis 2 BvL 9/18, 2 BvL 20/17 und 2 BvL 21/17). Die Entscheidung, zunächst die aus dem Land Berlin stammenden Verfahren zu entscheiden, habe allerdings dazu geführt, dass andere Normenkontrollvorlagen - zeitlich frühere wie auch spätere, darunter das Anlassverfahren - zurückgestellt worden seien.
10 Dem Grundsatz der zeitnahen Erledigung sei unter Berücksichtigung des Verfahrenseingangs und der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen. Dies gelte im öffentlichen Dienstrecht bei Besoldungsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum deutschen Streikverbot in besonderem Maße. Weiterhin nehme die Notwendigkeit, jegliche beschleunigend wirkenden organisatorischen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, mit der Gesamtdauer der betroffenen Verfahren an Dringlichkeit zu. Die Möglichkeiten des berichterstattenden Dezernats und des zur Entscheidung berufenen Senats, Belastungen durch lange Verfahrensdauern zu reduzieren, seien jedoch begrenzt. Dazu gehöre etwa die Verteilung der Gesamtheit der betroffenen Normenkontrollverfahren auf mehrere Dezernate und die frühzeitige Zustellung der Vorlagen und Einholung von Stellungnahmen auch in Verfahren, die sich nach dem Arbeitsplan des Dezernats noch nicht in der unmittelbaren Bearbeitung befänden. Auch sei der Umstand relevant, dass im Senat wie auch im für das Anlassverfahren zuständigen Dezernat zahlreiche Eilverfahren in anderen bearbeiteten Rechtsgebieten anfielen, die keinen Aufschub duldeten.
11 7. Mit Schriftsatz vom hat sich die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme des Berichterstatters geäußert. Zwar sei eine Neuausrichtung der Alimentation dogmatisch komplex. Gleichwohl sei die siebenjährige Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nicht gerechtfertigt. Die geänderte Priorisierung der Verfahren sei nicht hinreichend transparent. Da die Beschwerdeführerin nicht zu den "Spitzenverdienern" im Besoldungsbereich zähle, sei eine frühere Entscheidung des Verfahrens zu erwarten gewesen.
II.
12 Die zulässige Verzögerungsbeschwerde ist unbegründet.
13 1.Nach § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht als Verfahrensbeteiligter oder als Beteiligter in einem zur Herbeiführung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Verfahren einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts.
14 a) Bei der Ermittlung und Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer gelten die durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für fachgerichtliche Verfahren entwickelten Maßstäbe zur Beurteilung überlanger gerichtlicher Verfahren dem Grundsatz nach auch für das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvR 289/10 - Vz 10/16 -, Rn. 11, vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 13 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 17). Hiernach sind insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeiten der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere von ihnen zu verantwortende Verfahrensverzögerungen, sowie die gerichtlich nur begrenzt zu beeinflussende Tätigkeit Dritter zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 20, 65 <71 f.>; BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 13 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 17). Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvR 289/10 - Vz 10/16 -, Rn. 9 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 17).
15 b) Diese Maßstäbe werden allerdings durch die speziellen Aufgaben und die besondere Stellung des Bundesverfassungsgerichts mit den daraus folgenden organisatorischen und verfahrensmäßigen Besonderheiten modifiziert (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 -, Rn. 31, vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 14 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 18). So ist es bei der Bewertung der Dauer verfassungsgerichtlicher Verfahren in besonderem Maße geboten, auch andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge ihrer Eintragung in das Gerichtsregister (vgl. BVerfGK 20, 65 <72 f.>; BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 14 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 18). Denn beim Bundesverfassungsgericht ist etwa eine Kapazitätsausweitung - wie bei den Fachgerichten - als Reaktion auf Eingangszahlen grundsätzlich nicht möglich, seine Aufgabe der verbindlichen Auslegung der Verfassung erfordert zudem grundsätzlich in jedem Verfahren eine besonders tiefgreifende und abwägende Prüfung, und es kann, wenn Verfahren für das Gemeinwesen von besonderer Bedeutung sind oder ihre Entscheidung von dem Ergebnis eines sogenannten Pilotverfahrens abhängig ist, geboten sein, mit der Bearbeitung einzelner Verfahren zuzuwarten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 14 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 18). Auch eine längere Verfahrensdauer ist daher für sich gesehen nicht ohne Weiteres unangemessen; hierfür bedarf es jedoch in der Regel besonderer Gründe (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16 -, Rn. 25, vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 14 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 18).
16 c) Bei der Entscheidung darüber, welches Verfahren aufgrund welcher Maßstäbe als vordringlich einzuschätzen ist, besteht zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verfassungsrechtsprechung ein erheblicher Spielraum. Eine Überschreitung dieses Spielraums ist nur anzunehmen, soweit sich nach den maßgeblichen Kriterien aufdrängt, dass dem Verfahren hätte Vorrang eingeräumt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16 -, Rn. 26, vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 15 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 19).
17 2. Nach diesen Maßstäben ist die Dauer des Normenkontrollverfahrens nicht als unangemessen lang zu beanstanden. Zwar ist die verfassungsgerichtliche Verfahrensdauer von mittlerweile über sieben Jahren als lang zu bewerten (vgl. BVerfGK 20, 65 <74>; BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 1 BvR 99/11 - Vz 1/15 -, Rn. 38 und vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 17). Besondere Gründe, die zur Unangemessenheit dieser Verfahrensdauer führen, liegen jedoch nicht vor. Vielmehr war die lange Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts durch Sachgründe gerechtfertigt.
18 Das beanstandete Normenkontrollverfahren ist Teil eines umfangreichen und politisch sowie sozial bedeutsamen Gesamtkomplexes, welcher aus über 60 weiteren Normenkontrollverfahren zu besoldungsrechtlichen Fragen aus den Jahren seit 2016 besteht. Bei der Bearbeitung dieser Verfahren wurde der erhebliche Gestaltungsspielraum, welcher dem Bundesverfassungsgericht bei der Ausübung verfahrensgestaltender Befugnisse zusteht, nicht überschritten. Ausweislich der Sachstandsmitteilungen und der Stellungnahme des Berichterstatters vom ist die Bearbeitung des Gesamtkomplexes durch eine strukturierte, verfahrensökonomische und nachvollziehbare Vorgehensweise geprägt.
19 a) Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Zurückstellung des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bis zur Entscheidung über die ausgewählten Pilotverfahren, die unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen der Beteiligten gerade von dem Bemühen geleitet war, die zahlreichen anhängigen besoldungsrechtlichen Verfahren und damit auch das beanstandete Verfahren einer zügigen Erledigung zuzuführen.
20 Dabei konnte der Berichterstatter aufgrund der sachdienlichen Kriterien, nach denen die Auswahl der Pilotverfahren erfolgte, vernünftigerweise erwarten, dass diese Auswahl und die Zurückstellung anderer Normenkontrollverfahren der effizienten Bearbeitung aller weiteren Vorlagen dient. Die Auswahl erfolgte insbesondere danach, welche der anhängigen Normenkontrollverfahren zu besoldungsrechtlichen Fragen möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme auf einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlage aufwerfen. Die Pilotverfahren sollten dabei eine besonders gründliche Vorbereitung aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren haben und im Bereich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf vorhandene Daten zurückgreifen können.
21 Anhaltspunkte dafür, dass die verfahrensleitende Entscheidung, andere Verfahren dem hier gegenständlichen Normenkontrollverfahren vorzuziehen, entgegen der Stellungnahme des Berichterstatters nicht alleine auf diese nachvollziehbaren Sachgründe gestützt wurde, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig wäre oder gar von sachfremden und zweckwidrigen Erwägungen getragen worden sein könnte (vgl. BVerfGK 20, 65 <75>; BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom - 1 BvR 99/11 - Vz 1/15 -, Rn. 50 und vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 20), hat die Beschwerdeführerin weder aufgezeigt, noch sind solche Erwägungen sonst ersichtlich.
22 b) Besondere Gründe, die eine vorrangige Bearbeitung des vorliegenden Normenkontrollverfahrens vor der Auswahl der Pilotverfahren oder vor den besoldungsrechtlichen Normenkontrollverfahren geboten hätten, die durch Beschlüsse vom (BVerfGE 155, 1; 155, 77) entschieden wurden, sind nicht ersichtlich.
23 (1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin angeführte Nähe ihrer Besoldung zur Grundsicherung. Zwar ist für die Entscheidung, ob einem Verfahren eine besondere subjektive Bedeutung zukommt, die einer Zurückstellung des Verfahrens entgegenstehen kann (vgl. BVerfGK 20, 65 <76>), relevant, ob Geldleistungen im Streit stehen, welche zur Finanzierung des laufenden Lebensunterhalts benötigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom - 1 BvR 2256/10 - Vz 32/12 -, Rn. 18). Eine vorrangige Bearbeitung des beanstandeten Normenkontrollverfahrens drängt sich jedoch bereits deshalb nicht auf, weil sich die Normenkontrollanträge der ausgewählten Pilotverfahren und die Beschlüsse des (BVerfGE 155, 1; 155, 77) ebenfalls auf eine Unterschreitung des gebotenen Mindestabstandes der unteren Besoldungsgruppen zur sozialrechtlichen Grundsicherung stützen.
24 (2) Ein Vorziehen des vorliegenden Verfahrens war auch nicht aufgrund der Dauer des fachgerichtlichen Verfahrens erforderlich. Zwar kann mit zunehmender Gesamtdauer des fachgerichtlichen Verfahrens ein nachhaltiges Bemühen um eine Beschleunigung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren geboten sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der Beschwerdekammer vom - 2 BvR 289/10 - Vz 10/16 -, Rn. 9 und vom - 2 BvC 25/23 - Vz 1/25 -, Rn. 17). Hieraus folgt jedoch kein genereller Vorrang vor anderen verfassungsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, Rn. 18).
25 c) Das aufgrund der Gesamtdauer des Verfahrens gebotene nachhaltige Bemühen um eine Beschleunigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens liegt ausweislich der Sachstandsmitteilungen und der Stellungnahme des Berichterstatters vor. Zwar ist die Struktur des Gerichts durch seine Funktion bedingt und in der Verfassung und dem BVerfGG vorgegeben. Organisatorischen Maßnahmen zum Zwecke einer Verkürzung der Verfahrensdauer sind damit strukturbedingte Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGK 20, 65 <72>; BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom - 1 BvR 99/11 - Vz 1/15 -, Rn. 30).
26 Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung wurden jedoch ergriffen. Insbesondere wurden die Verfahren zu besoldungsrechtlichen Fragen auf zwei Dezernate innerhalb des Zweiten Senats aufgeteilt. Zudem wurde die Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die sich mit den Normenkontrollverfahren zu besoldungsrechtlichen Fragen befassen, zwischenzeitlich erhöht. Weiterhin veranlasste der Berichterstatter eine möglichst frühzeitige Zustellung der Vorlagen und Einholung erforderlicher Stellungnahmen, um zu einem späteren Zeitpunkt keine Zeit mit dem Warten auf derartige Stellungnahmen zu verlieren.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:lk20251117.2bvl001318
Fundstelle(n):
IAAAK-07309