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BSG Urteil v. - B 1 KR 18/24 R

(Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Kodierung - Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB 5 - Korrektur der Hauptdiagnose - teleologische Reduktion der Regelung über Datensatzkorrekturen nach der Prüfverfahrensvereinbarung vom )

Gesetze: § 7 Abs 5 PrüfvVbg vom , § 17c Abs 2 KHG, § 17b KHG, § 275 Abs 1c SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 7 KHEntgG

Instanzenzug: SG Duisburg Az: S 46 KR 713/20 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 16 KR 304/22 KH Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung und in diesem Zusammenhang über die Berechtigung zur nachträglichen Änderung der Hauptdiagnose.

2Das Krankenhaus der Klägerin behandelte vom 12. bis einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vollstationär. Die Klägerin rechnete den Behandlungsfall gegenüber der Beklagten am nach Maßgabe der Fallpauschale (DRG) F69A in Höhe von 4705,13 Euro ab. Dabei kodierte sie - unter Anwendung des ICD 10-GM - als Hauptdiagnose I35.0 (Aortenklappenstenose) und als Nebendiagnosen unter anderem I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und I21.4 (akuter subendokardialer Myokardinfarkt). Die Beklagte beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Mai 2018 mit der Überprüfung der Hauptdiagnose. Dieser kam nach einer Prüfung vor Ort zum Ergebnis, dass die Hauptdiagnose in I50.01 zu ändern sei (Gutachten vom ). I35.0 sei mangels Ressourcenaufwandes weder Haupt- noch Nebendiagnose. Daraus ergebe sich die geringer vergütete DRG F49E. In der Folge verrechnete die Beklagte einen Erstattungsbetrag iHv 1051,75 Euro mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin.

3Nach dem Ergebnis des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens waren als Hauptdiagnose I21.4 und als Nebendiagnosen und I35.0 und I50.0 zu kodieren. Daraus folgt die DRG F41B; I35.0 ist als Nebendiagnose in dieser Konstellation nicht vergütungsrelevant. Daraufhin hat die Klägerin die Klage in Höhe von 150,44 Euro teilweise zurückgenommen. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 901,31 Euro verurteilt (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht durch § 7 Abs 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 (PrüfvV 2016) an der Nachkodierung der zur DRG F41B führenden Hauptdiagnose I21.4 gehindert gewesen. Zwar sei der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Norm eröffnet gewesen; ihr Zweck gebiete vorliegend aber eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts. Die materielle Präklusion gelte nicht, wenn nach Abschluss einer auf die Hauptdiagnose gerichteten MDK-Prüfung vor Ort eine Ersetzung der zunächst übermittelten Hauptdiagnose durch die vom gerichtlichen Sachverständigen genannte, zunächst im Ursprungsdatensatz als Nebendiagnose übermittelte Diagnose erfolge. Ein materieller Ausschluss im Sinne der Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf das zwischen den Beteiligten Unstreitige bzw das bei Streichung der fehlerhaften Daten Verbleibende komme in diesen Fällen nicht in Betracht. Selbst wenn man auch die Änderung der Hauptdiagnose den Fristen des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 unterwerfen wollte, wäre die Beklagte nach § 242 BGB an der Beschränkung der Vergütung auf den vom MDK als zutreffend erkannten Betrag gehindert (Urteil vom ).

4Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 5 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2016. Gerade die Änderung der Hauptdiagnose stehe dem Ziel der Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens entgegen. Hieran ändere nichts, dass die im Streit stehende Diagnose als Nebendiagnose bereits im Datensatz der Schlussrechnung enthalten gewesen sei. Das Krankenhaus verfüge für die Erteilung einer ordnungsgemäßen, verlässlichen Abrechnung - anders als die Krankenkasse - umfassend über alle den Behandlungsfall betreffenden Informationen. Es sei auch nicht dem Risiko ausgesetzt, den Vergütungsanspruch vollständig zu verlieren. Sie, die Beklagte, sei auch nicht nach Treu und Glauben an der Beschränkung der Vergütung auf den vom MDK als zutreffend erkannten Betrag gehindert. Zumindest aber stehe die vom LSG getroffene Kostenentscheidung nicht mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG im Einklang.

7Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Gründe

8Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG ihre Berufung gegen das stattgebende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen.

9Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) und begründet. Ihr stand der noch strittige Vergütungsanspruch wegen der Behandlung des Versicherten vom 12. bis zu. Die Beklagte konnte daher nicht wirksam mit einem Erstattungsanspruch von 901,31 Euro als Gegenforderung gegenüber anderweitigen - dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen - mit der Klage geltend gemachten Vergütungsansprüchen (Hauptforderung) aufrechnen (vgl zur Zugrundelegung von Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise - juris RdNr 11 mwN; zur Aufrechnung - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 und - SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Die Aufrechnung der Beklagten ist ins Leere gegangen. Die mit der Klage geltend gemachte Hauptforderung hat die Beklagte, soweit sie noch rechtshängig ist, nicht erfüllt.

10Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der stationären Behandlung vom 12. bis geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG und § 7 KHEntgG. Der Anspruch wird durch Vereinbarungen auf Bundes- und Landesebene konkretisiert (vgl - SozR 4-1500 § 65d Nr 1 RdNr 16). Die Krankenhausvergütung bemisst sich nach Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (vgl dazu - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 14 ff).

11Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - abgesehen von einem Notfall - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11 mwN). Diese Grundvoraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegend erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist (vgl zur Zugrundelegung unstreitiger Anspruchsvoraussetzungen - juris RdNr 11 mwN).

12Nach den von den Beteiligten unwidersprochenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war I21.4 die Diagnose, die nach Analyse hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Versicherten verantwortlich war. Hiernach war für die Behandlung des Versicherten unter Berücksichtigung der Nebendiagnose I50.01 als Hauptdiagnose I21.4 mit der Folge zu kodieren, dass DRG F41B abzurechnen war. Dies führt zu der streitigen, im Vergleich zu der von der Beklagten angenommenen DRG F49E um 901,31 Euro höheren Vergütung.

13Die Klägerin war nicht durch § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 gehindert, ihre Abrechnung unter Nachkodierung der Hauptdiagnose I21.4 zu korrigieren.

14Nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs 2 PrüfvV an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich (Satz 3). In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist (Satz 4).

15§ 7 Abs 5 PrüfvV 2016 bewirkt eine materielle Präklusion mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (siehe hierzu eingehend - RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; vgl ferner - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 16; zur PrüfvV 2014 vgl - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 10, RdNr 14).

16Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach einschlägig (hierzu 1.). Dennoch greift die materielle Präklusion des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 vorliegend nicht ein (hierzu 2.).

171. Die mit Wirkung zum in Kraft getretene PrüfvV ist zeitlich auf die im Jahr 2018 durchgeführte Krankenhausbehandlung des Versicherten anwendbar (siehe § 13 Abs 1 PrüfvV 2016). Die Klägerin hat eine Korrektur des Datensatzes der Diagnosen vorgenommen (hierzu a). Dieser Datensatz war Gegenstand der MDK-Prüfung (hierzu b).

18a) Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren, und damit nach Abschluss der Prüfung durch den MDK vor Ort, im Datensatz der Diagnosen (siehe dazu eingehend - RdNr 39 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) die Hauptdiagnose korrigiert. Dabei kann dahinstehen, ob sie einen neuen - geänderten - Datensatz und eine geänderte Rechnung an die Beklagte übermittelt hat oder ob die Korrektur lediglich im gerichtlichen Verfahren selbst erfolgt ist, indem die Klägerin dem Gutachten des Sachverständigen zugestimmt und sich das Ergebnis zu eigen gemacht hat. Denn ab diesem Zeitpunkt war sie nach Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) rechtlich so gestellt, als habe sie zugleich eine neue Rechnung mit abweichenden Diagnosen über den Behandlungsfall erstellt (vgl - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3, RdNr 22). Auch eine fehlende Fälligkeit der (geänderten) Forderung wäre im Übrigen in der hiesigen Aufrechnungssituation aufgrund von § 813 Abs 2 BGB unschädlich, wonach Leistungen auf eine noch nicht fällige, im Übrigen aber einredefreie Verbindlichkeit nicht zurückverlangt werden können (vgl - BSGE 134, 193 = SozR 4-5560 § 19 Nr 1, RdNr 39). Beides gilt freilich nur, soweit die Rechnungskorrektur nach Maßgabe der PrüfvV noch zulässig ist und die betreffenden Daten nach § 301 SGB V rechtmäßig noch übermittelt werden durften (siehe hierzu RdNr 26, vgl außerdem - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 10, RdNr 16; - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 18; - juris RdNr 16). Anderenfalls schiede das Stellen einer geänderten Rechnung dauerhaft aus und bereits zur Erfüllung geleistete Zahlungen könnten nach Maßgabe des § 813 Abs 1 BGB zurückgefordert werden (zur Differenzierung zwischen vorübergehenden Einreden und solchen auf Dauer siehe Retzlaff in Grüneberg, BGB, 84. Aufl 2025, § 813 RdNr 2, 3).

19b) Gegenstand der von der Beklagten veranlassten MDK-Prüfung war vorliegend die Hauptdiagnose. Maßgeblich für die Auslegung des Prüfgegenstandes ist für den - hier nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG vorliegenden - Fall der Direktbeauftragung des MDK dessen Prüfanzeige (siehe hierzu ausführlich - RdNr 26 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Nach den Feststellungen des LSG ergab sich daraus als Prüfgegenstand die Frage, ob die Hauptdiagnose korrekt ist. Der Prüfgegenstand wurde damit hinreichend konkretisiert und das Prüfverfahren wirksam eingeleitet (vgl ausführlich BSG, aaO, RdNr 29 ff).

202. § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 ist aber teleologisch zu reduzieren, wenn die Krankenkasse die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose beanstandet und diese in der Folge streitig bleibt. Die gerichtliche Prüfung des streitigen Vergütungsanspruchs ist nicht auf die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose beschränkt. Die Regelung über Datensatzkorrekturen ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass im gerichtlichen Verfahren sich der Vergütungsanspruch unter voller materieller Prüfung nach der sich danach ergebenden Hauptdiagnose bestimmt (hierzu a). Der Anspruch des Krankenhauses kann aber nicht über den Rechnungsbetrag hinausgehen, der sich aus der ursprünglich erfolgten Kodierung oder in zulässiger Weise nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 bis zum Abschluss des Prüfverfahrens erfolgten Nachkodierung ergibt (hierzu b).

21a) Der Senat hat - im konkreten Fall auch in Bezug auf die Hauptdiagnose - bereits entschieden, dass die materielle Präklusion des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 nicht greift, wenn der MDK im Prüfergebnis eine Änderung des überprüften Datensatzes für geboten hält und das Krankenhaus dem MDK folgend seinen Datensatz in vollem Umfang ändert. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 gebietet insoweit eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016. Denn hierdurch wird weder das bereits abgeschlossene Prüfverfahren verzögert noch ein neues Prüfverfahren im Hinblick auf den Prüfgegenstand ausgelöst. Die - durch den Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 nicht getragene - Unzulässigkeit der Datenänderung wäre insofern reiner Selbstzweck (vgl dazu im Einzelnen - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 34 ff).

22Im Falle einer dritten - bislang weder vom Krankenhaus noch vom MDK ausgewählten - erst vom Gericht für zutreffend erachteten Hauptdiagnose greifen diese Erwägungen zwar nicht. Das Prüfverfahren wird mit Übergang ins Gerichtsverfahren weder im Falle der Hauptdiagnose noch der der Nebendiagnose verlängert. Im Falle der Nebendiagnose verbleibt es aber bei der materiellen Präklusion, wenn das Gericht sich nicht die zuletzt vom Krankenhaus zulässig kodierte Diagnose bei seiner Entscheidungsfindung zu eigen macht. Dagegen ist auch für den Fall einer erst im gerichtlichen Verfahren als zutreffend erkannten Hauptdiagnose eine ermächtigungskonforme teleologische Reduktion des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 aufgrund der besonderen Funktion der Hauptdiagnose geboten (ausdrücklich offengelassen in - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 19; ferner - zur PrüfvV 2014 - - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 10, RdNr 16).

23Ermächtigungskonform ist nur eine Auslegung, die berücksichtigt, dass § 17c Abs 2 KHG weder zur Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist ermächtigt (so bereits - BSGE 132, 143 = SozR 4-2500 § 275 Nr 33, RdNr 25) noch zur Vereinbarung einer solchen Regelung, die in ihren faktischen Auswirkungen einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist entspricht. Dies gebietet eine teleologische Reduktion des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 dergestalt, dass im Falle einer dritten - bislang weder vom Krankenhaus noch vom MDK ausgewählten - zutreffenden Hauptdiagnose, es dem Krankenhaus vergütungsrechtlich nicht verwehrt werden darf, überhaupt eine Hauptdiagnose vergütungsrelevant zu kodieren. Wäre eine Hauptdiagnose aufgrund einer materiellen Präklusion (unter Einschluss der Nachkodierungsmöglichkeit der Hauptdiagnose bei Übernahme des MDK-Prüfergebnisses) nicht mehr erneut kodierbar, hätte dies dieselbe Folge als wäre die davon betroffene Vergütungsforderung materiell-rechtlich ausgeschlossen.

24Für die teleologische Reduktion ist dabei Folgendes zu beachten: Regelungen der Vertragsparteien der PrüfvV sind in den durch den Wortlaut eröffneten und durch die Entstehungsgeschichte sowie das Regelungssystem und den Regelungszweck gezogenen Grenzen ermächtigungskonform auszulegen (zur Anwendung der allgemeinen, für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden auf die PrüfvV vgl - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 20, RdNr 21). Soweit eine ermächtigungskonforme Auslegung möglich ist, spricht auch eine Vermutung dafür, dass der Normgeber einen solchen Regelungsgehalt gewollt hat (ebenso zu Regelungen des GBA bereits - juris RdNr 32, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). So liegt der Fall hier.

25aa) Die PrüfvV 2016 zielt auf die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens, das nicht durch wiederholte und unzeitige Datenänderungen in die Länge gezogen werden soll. Der gesamte Abrechnungsfall soll zügig seinen Abschluss finden (vgl - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 29). Dieser Regelungszweck würde in sein Gegenteil verkehrt und die Vorschrift weitgehend funktionslos, wenn das Krankenhaus den Umstand, dass der MDK dabei die von ihm gemeldeten Daten zugrunde legen muss, nach dem Abschluss des Prüfverfahrens wieder zunichtemachen könnte (vgl BSG, aaO, RdNr 30). Auf der anderen Seite ist es gerade Ziel der Abrechnungsprüfung, auf eine ordnungsgemäße, also richtige Abrechnung hinzuwirken. § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 dient vor diesem Hintergrund mit der Möglichkeit und gleichzeitigen Begrenzung von Datensatzkorrekturen dem Ausgleich zwischen der Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens einerseits und dem Ziel einer ordnungsgemäßen Abrechnung andererseits (vgl BSG, aaO, RdNr 28).

26Im Falle der Prüfung und Korrektur der Hauptdiagnose würde eine enge Wortlautauslegung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 jedoch dazu führen, dass das Krankenhaus unter Umständen überhaupt keine Hauptdiagnose mehr kodieren könnte. Dies wäre der Fall, wenn sowohl die vom Krankenhaus gewählte Hauptdiagnose als auch die vom MDK für zutreffend erachtete und vom Krankenhaus übernommene Hauptdiagnose sich im Gerichtsverfahren als falsch erweisen. Dies hätte nach dem maßgeblichen, von der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) in Bezug genommen Algorithmus des Groupers (siehe § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2018) zur Folge, dass kein berechenbarer Anspruch vorliegen würde, also ein Anspruch vollständig ausgeschlossen wäre. Zwar handelt es sich bei § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 nicht um eine materielle Ausschlussfrist, die zu einem vollständigen Anspruchsverlust führt (siehe RdNr 23); das Krankenhaus könnte jedoch keine fällige Rechnung mehr stellen. Denn Voraussetzung für die Fälligkeit des Anspruchs ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung. Rechtmäßig übermittelte Daten müssen zutreffend sein. Unzutreffende, nicht mehr änderbare Daten fallen als Berechnungselemente grundsätzlich ersatzlos weg und können grundsätzlich keinen Vergütungsanspruch begründen (vgl - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 18). Zwar kann eine Fälligkeit des Vergütungsanspruchs auch dann eintreten, wenn das Krankenhaus seine ursprüngliche Rechnung hinsichtlich der als falsch erkannten Daten nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 nicht mehr korrigieren kann. Dies gilt jedoch nur für denjenigen Teil der fehlerhaft abgerechneten Vergütung, der ohne Berücksichtigung der fehlerhaften Daten verbleibt (vgl BSG, aaO, RdNr 27; vgl zur früheren stRspr - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3, RdNr 22 ff mwN). Obwohl auch eine solche Abrechnung streng genommen falsch ist, wenn beispielsweise die Kodierung einer anderen als der vom MDK monierten Nebendiagnose möglich und geboten wäre, kann im Falle des Ausschlusses der Korrektur die "Rumpf"-Rechnung gestellt werden, damit das Krankenhaus die Fälligkeit seiner Forderung überhaupt herbeiführen kann. Im Falle des Wegfalls der Hauptdiagnose verbleibt jedoch überhaupt keine abrechenbare DRG mehr, die Beschränkung auf den richtigen Teil der Rechnung käme einer Reduzierung des Vergütungsanspruchs auf Null gleich.

27bb) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Vertragsparteien der PrüfvV etwas anderes wollten, als ermächtigungskonform lediglich Nachkodierungen einzuschränken. Es ist ferner nichts dafür ersichtlich, dass sie einen dem Grunde nach unstreitig bestehenden Vergütungsanspruch vollständig beseitigen wollten. Eine solche Lösung vermag auch einen Ausgleich zwischen den Zielen der Richtigkeit der Abrechnung und der Beschleunigung des Prüfverfahrens nicht zu erreichen. Vielmehr würde sie das Risiko eines Fehlers bei der Kodierung der Hauptdiagnose einseitig und mit erheblichen Folgen dem Krankenhaus auferlegen, obwohl keinerlei Zweifel daran besteht, dass dieses eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung durchgeführt hat. Das Krankenhaus könnte der Gefahr eines vollständigen Anspruchsverlusts im Falle der Überprüfung der Hauptdiagnose durch den MDK nur dadurch entgehen, dass es sich dem Prüfergebnis der Krankenkasse anschließt, mag es auch offensichtlich falsch sein. Dabei ist die Krankenkasse nicht an die Einschätzung des MDK gebunden, sodass das Prüfergebnis noch nicht einmal zwingend einer medizinischen Expertise entsprungen sein muss. Ein solches Ergebnis wäre - gemessen an dem mit der Ermächtigungsgrundlage des § 17c KHG verfolgten Regelungszweck und seiner Umsetzung durch die PrüfvV - jedenfalls im engeren Sinne der Zweck-Mittel-Relation unverhältnismäßig.

28cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Krankenhaus über sämtliche notwendigen Informationen verfügt und es daher in seiner Verantwortungssphäre und auch in seiner Hand gelegen habe, vollständig und korrekt abzurechnen. Denn ein solches Verständnis unterstellt, dass das Krankenhaus absichtlich eine Falschabrechnung vornimmt. Die richtige Kodierung der Diagnosen, insbesondere der Hauptdiagnose hängt mitunter aber von der Beantwortung komplexer medizinischer und rechtlicher Fragen ab, die teilweise über mehrere gerichtliche Instanzen geklärt werden müssen (vgl etwa den Fall von - SozR 4-5562 § 9 Nr 25; und dazu die Anmerkungen von Schifferdecker, NZS 2024, 790 f und Baller/Liebel, f&w 2024, 345). Auch im vorliegenden Verfahren konnte die von beiden Beteiligten falsch beantwortete Frage nach der zur Aufnahme führenden Diagnose erst durch ein Sachverständigengutachten beantwortet werden. Es greift daher zu kurz, das Risiko einer beidseitig unzutreffenden Auswahl der Hauptdiagnose allein aufgrund der umfassenden Kenntnis des Behandlungsfalls einseitig dem Krankenhaus zuzuweisen.

29dd) Die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur der Hauptdiagnose - in Fällen wie dem vorliegenden - benachteiligt die Krankenkasse auch nicht unangemessen. Die teleologische Reduktion bleibt auf den Fall beschränkt, dass die Hauptdiagnose vom Prüfauftrag der Krankenkasse erfasst ist und das Vertrauen in den Fortbestand der kodierten Diagnosen zumindest reduziert ist (vgl zu möglichen Änderungen zugunsten des Krankenhauses aufgrund des Ergebnisses des MDK-Gutachtens - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 40). Das Erfordernis der Kodierung einer weiteren - dritten - Hauptdiagnose setzt zudem denknotwendig voraus, dass nicht nur dem Krankenhaus bei seiner ersten Rechnungsstellung, sondern auch der Krankenkasse und/oder dem MDK bei der Überprüfung ein Fehler unterlaufen ist, der im gerichtlichen Verfahren korrigiert wird. In diesem Fall hat das Krankenhaus auch kein überlegenes Wissen kraft nur ihr allein bekannter Patientenunterlagen (mehr). Denn der MDK hat seine Prüfung auf Grundlage der von ihr angeforderten und ggf vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen durchgeführt. Sollte das Krankenhaus hier Unterlagen zurückbehalten oder ersichtlich erforderliche Teile nicht selbstständig ergänzt haben, kann es hiermit - auch im gerichtlichen Verfahren - aus anderen Gründen präkludiert sein, nämlich nach Maßgabe des § 7 Abs 2 Satz 6 PrüfvV 2016 (vgl dazu - SozR 4-2500 § 275 Nr 34).

30In Rückführung der Regelung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 auf den ihr nach Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm zugedachten Anwendungsbereich (siehe hierzu auch bereits - SozR 4-2500 § 301 Nr 11, RdNr 36) war die Änderung der Hauptdiagnose für die Klägerin daher vorliegend auch im gerichtlichen Verfahren noch zulässig.

31b) Die hier im Vergleich etwa zur Nachkodierung von Nebendiagnosen weitergehende teleologische Reduktion beruht allein auf der besonderen Funktion der Hauptdiagnose bei der Berechnung der Fallpauschale. Da die Klägerin lediglich vor den unverhältnismäßigen Folgen einer Nichtvergütung geschützt, nicht jedoch durch die verspätete Nachkodierung besser gestellt werden soll, ist der ihr aus der Rechnungskorrektur zustehende Vergütungsanspruch auf den ursprünglichen bzw den fristgerecht korrigierten Rechnungsbetrag begrenzt. Eine Nachforderung aufgrund des Austausches der Hauptdiagnose kommt - außerhalb der zeitlichen Grenzen des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 - nicht in Betracht. Vorliegend liegt die Bewertungsrelation der neuen DRG F41B jedoch ohnehin bereits unterhalb der ursprünglichen DRG F69A.

323. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Umstand, dass die von der Klägerin abgerechnete Hauptdiagnose zunächst fehlerhaft war und erst nach Einholung des Sachverständigengutachtens korrigiert wurde. Denn die Beklagte hat kein sofortiges Anerkenntnis abgegeben (§ 156 VwGO), sondern ihren Antrag auf Klageabweisung bis zuletzt im Revisionsverfahren aufrechterhalten. Auch die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Senats vom (B 1 KR 3/18 R - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3), in dem das Verfahren einseitig für erledigt erklärt wurde, ist mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:160725UB1KR1824R0

Fundstelle(n):
KAAAK-06799