Presserechtlicher Anspruch auf Auskünfte über die Mandatierung und Honorierung von Rechtsanwaltskanzleien
Leitsatz
1. Das anwaltliche Berufsgeheimnis kann einem gegenüber dem Mandanten geltend gemachten presserechtlichen Auskunftsbegehren nicht entgegenstehen (im Anschluss an 7 C 23.18 - juris Rn. 30).
2. Zwar können Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich sein. Presserechtliche Auskünfte zu Rechnungen über Rechtsanwaltshonorare, die älter als fünf Jahre sind, können aber eine fortdauernde Wettbewerbsrelevanz für den heutigen Geschäftsbetrieb einer Rechtsanwaltskanzlei haben.
Tatbestand
1Der Kläger ist Journalist der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel". Er begehrt vom Bundesnachrichtendienst (BND) Auskünfte über die Mandatierung und Honorierung von Rechtsanwaltskanzleien in Verfahren auf der Grundlage des presserechtlichen Auskunftsanspruchs. Soweit der BND dem Begehren auch wegen des anwaltlichen Berufsgeheimnisses und des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Rechtsanwaltskanzleien nicht stattgab, hat der Kläger Klage erhoben.
2Zur Begründung der Klage trägt er vor: Dem Auskunftsanspruch stünden keine schutzwürdigen Belange Dritter entgegen. Die in den Auskunftsverfahren beauftragten Rechtsanwaltskanzleien könnten sich nicht auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse berufen. Zwar könnten Honorarstrukturen und -konditionen einer Rechtsanwaltskanzlei solche Geheimnisse sein. Schutz bestehe hier aber nicht. Die beauftragten Rechtsanwaltskanzleien seien regelmäßig sogenannte Groß- oder Wirtschaftskanzleien, die Behörden mit einer deutlichen Reduktion der sonst üblichen Stundensätze und Pauschalen weit entgegenkämen. Der immaterielle Vorteil für die Kanzleien folge aus dem öffentlichen Renommee des Mandanten. Zudem sei nicht erkennbar, dass eine Auskunft zu den konkreten Informationsbegehren Rückschlüsse auf schutzwürdige Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zuließe. Der Kläger könne mit den begehrten Angaben nicht auf konkret vereinbarte Honorarkonditionen schließen. Auch wenn die begehrten Informationen geschützt seien, überwiege das klägerische Auskunftsinteresse.
3Nachdem der BND dem Kläger mitgeteilt hat, dass er zum Zeitpunkt des 27. Augusts 2024 im Zusammenhang mit der Prozessvertretung in presserechtlichen Auskunftsverfahren keine weiteren Kanzleien als die Kanzlei X beauftragt habe, haben der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit insoweit teilweise übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
4Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen:
1. In welchen gerichtlichen Verfahren, in denen vom Bundesnachrichtendienst (BND) Auskünfte auf Grundlage des presserechtlichen Auskunftsanspruchs begehrt wurden, hat der BND seit dem Jahr 2013 eine externe Rechtsanwaltskanzlei mandatiert? (Angabe Gericht und gerichtliches Aktenzeichen/Jahr)
2. Welche Rechtsanwaltskanzleien hat der BND in jeweils welchen der zu 1. bezeichneten Verfahren mandatiert? (Angabe Gericht und gerichtliches Aktenzeichen/Jahr)
Ausgenommen wird die Tatsache der Mandatierung der Kanzlei X PartmbB im Zeitpunkt .
3. Welchen Geldbetrag hat der BND für externe Rechtsberatung/Prozessvertretung in den unter 1. bezeichneten Verfahren insgesamt bezahlt? (Angaben in Euro, anwaltliche Honorierung sowie Reisekosten und Spesen sind getrennt auszuweisen)
4. Welche Gesamtsumme (Betrag in Euro) hat der BND an die Kanzlei X Partnerschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen PartmbB bzw. LLP, Y Platz ..., ... Z ("Kanzlei X") im Zusammenhang mit Beratung sowie Prozessvertretung in Verfahren in Bezug auf presserechtliche Auskunftsansprüche seit 2015 als anwaltliches Honorar - Reisekosten und Spesen sind getrennt auszuweisen - bezahlt?
5. Welche Gesamtsumme (Betrag in Euro) hat der BND an die Kanzlei X im Zusammenhang mit Beratung sowie Prozessvertretung in Verfahren in Bezug auf presserechtliche Auskunftsansprüche im Jahre 2024 als anwaltliches Honorar - Reisekosten und Spesen sind getrennt auszuweisen - bezahlt?
6. Welche Gesamtsumme (Betrag in Euro) hat der BND an die Kanzlei X im Zusammenhang mit Beratung sowie Prozessvertretung in Verfahren in Bezug auf presserechtliche Auskunftsansprüche jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 als anwaltliches Honorar - Reisekosten und Spesen sind getrennt auszuweisen - bezahlt?
5Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6Sie macht unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei X geltend: Bei Frage 1 werde nach öffentlich zugänglichen Informationen gefragt, die Gegenstand eigener Rechercheleistung sein könnten und dem Auskunftsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 9 Abs. 3 IFG entgegenstünden. Frage 3 begegne Bedenken an der Bestimmtheit und es fehle, soweit die Frage dahin zu verstehen sei, welche Beträge der BND in Euro je Verfahren im Sinne von Frage 1 für anwaltliche Honorierung sowie Reisekosten und Spesen aufgewandt habe, am öffentlichen Auskunftsinteresse. Nachrichtenwert habe vielmehr die generelle Höhe der verwendeten Haushaltsmittel. Die Höhe von Rechtsanwaltskosten könne auch von Faktoren abhängen, die geheimhaltungsbedürftig sein könnten. Die Fragen 4, 5 und 6 enthielten Doppelungen, seien zu unbestimmt und es sei kein konkreter Sachkomplex benannt. Den begehrten Auskünften stünden zudem das anwaltliche Berufsgeheimnis und die Geschäftsgeheimnisse der Kanzlei X entgegen. Es wäre einem Konkurrenten bei entsprechender Beantwortung der Fragen möglich, gemittelte Honorare der Kanzlei pro Verfahren auszurechnen und daraus Rückschlüsse auf die Honorargestaltung zu ziehen.
Gründe
7Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
8Im Übrigen ist die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, zulässig und hinsichtlich der Fragen 1 bis 4 begründet. In diesem Umfang steht dem Kläger auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die begehrte Auskunft auf seine hinreichend konkret formulierten Fragen zu. Ausschlussgründe sind insoweit nicht gegeben.
91. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
10Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden (stRspr, vgl. 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 25 m. w. N.). Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit öffentlichen und privaten Belangen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben (vgl. - NVwZ 2016, 50 Rn. 12). Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (stRspr, vgl. 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 m. w. N., vom - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 12 und vom - 10 A 5.23 - BVerwGE 183, 385 Rn. 10). Bei Fragen nach der Verwendung von Steuermitteln fällt zugunsten des Informationsinteresses ein gesteigerter Öffentlichkeitsbezug ins Gewicht (vgl. 7 C 5.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 18 Rn. 35 und vom - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 34).
112. Hiervon ausgehend sind die klägerischen Fragen wie folgt zu beurteilen:
12a) Dem mit der Frage 1 geltend gemachten Anspruch auf Auskunft zu den Mandatierungen seit dem Jahr 2013 steht nicht entgegen, dass der Kläger sich die begehrten Informationen aus anderen Quellen beschaffen kann. Die Beklagte beruft sich hierzu auf den Rechtsgedanken des § 9 Abs. 3 Alt. 2 IFG, wonach der Antrag abgelehnt werden kann, wenn sich der Antragsteller Informationen in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Damit enthält das Informationsfreiheitsgesetz in § 9 Abs. 3 IFG einen Hinweis auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Wie § 4 Abs. 4 Satz 2 des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) zeigt, sieht der Gesetzgeber darin einen Fall missbräuchlicher Antragstellung ( 10 C 12.19 - BVerwGE 170, 338 Rn. 10 f.). Der Senat muss nicht näher prüfen, unter welchen Voraussetzungen dieser allgemeine Rechtsgedanke den verfassungsrechtlichen Auskunftsanspruch begrenzen kann. Die hier begehrten Informationen sind nicht zur Gänze öffentlich zugänglich. Der Kläger kann sich nicht mit einer eigenen Recherche die Auskünfte selbst verschaffen. Den ohne Rubrum veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen ist nicht zu entnehmen, ob sich der BND im jeweiligen Verfahren durch eine Rechtsanwaltskanzlei hat vertreten lassen. Zudem wird nicht jedes gerichtliche Verfahren gegen den BND mit einem Urteil abgeschlossen und veröffentlicht. Soweit eine Klagerücknahme oder eine Hauptsachenerledigung zur Beendigung eines Verfahrens führen, findet eine Veröffentlichung des Beschlusses in der Regel nicht statt.
13Öffentliche oder private Interessen stehen einem Anspruch auf Auskunft zu Mandatierungen seit dem Jahr 2013 nicht entgegen. Diese werden vom BND und der Kanzlei X auch nicht geltend gemacht.
14b) Im Hinblick auf die Frage 2 steht dem geltend gemachten Auskunftsanspruch zur Mandatierung von Rechtsanwaltskanzleien seit dem Jahr 2013 unabhängig von der eingetretenen Erledigung der Sache zum "aktuellen Zeitpunkt" () ebenfalls kein öffentliches oder privates Interesse entgegen. Hierauf berufen sich weder der BND noch die Rechtsanwaltskanzlei X.
15c) Mit den Fragen 3 bis 6 begehrt der Kläger Auskünfte zu den finanziellen Aufwendungen für externe Rechtsberatung. Hinsichtlich der Fragen 3 und 4 hat das Auskunftsbegehren Erfolg.
16aa) Entgegen der Auffassung des BND sind die Fragen nicht zu unbestimmt gefasst. Dies gilt auch für Frage 3. Zwar verwendet der Kläger dort im Unterschied zu den Fragen 4, 5 und 6, wo es jeweils "Gesamtsumme" heißt, den Begriff "Geldbetrag". In der Klagebegründung wird aber erläutert, die Anfragen bezögen sich auf (...) "Gesamtsummen", wobei außergerichtliche Beratung und Prozessvertretung zusammengefasst würden. Abgesehen davon ist der Begriff "Geldbetrag" nicht zwingend im Sinne eines Einzelbetrags zu verstehen, sondern kann den Gesamtbetrag meinen. Bei den Fragen 4 bis 6 schadet es nicht, dass der Kläger keine konkreten Sachverhaltskomplexe benennt. Als relevanter Sachverhalt genügt der jeweilige zeitliche Rahmen.
17bb) Im Zusammenhang mit der Frage 3 bestreitet der BND den Nachrichtenwert. Es kommt aber nicht darauf an, welches Gewicht und welchen "Nachrichtenwert" die Informationen nach Ansicht Dritter besitzen. Eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. 10 A 5.23 - BVerwGE 183, 385 Rn. 10, Beschluss vom - 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 20). Die Presse entscheidet in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil ihres Selbstbestimmungsrechts, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. - NJW 2015, 3708 Rn. 16). Die Argumentation der Beklagten, der Nachrichtenwert beschränke sich auf die generelle Höhe der verwendeten Haushaltsmittel, führt deshalb nicht auf einen tauglichen Einwand gegen den Auskunftsanspruch.
18cc) Ein öffentliches Interesse an dem Verschweigen von Rechtsanwaltskosten, weil deren Höhe von Faktoren abhängen könne, die möglicherweise geheimhaltungsbedürftig seien, ist nicht substantiiert dargelegt und auch nicht ersichtlich. Die pauschal vom BND geäußerte Sorge, es könne seinen Sicherheitsinteressen zuwiderlaufen, falls sich aus den Verfahrenskosten schließen ließe, dass es um besonders sicherheitsrelevante Sachverhalte gegangen sei, kann eine Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht begründen. Es ist nicht ersichtlich, dass aus der Mitteilung von Rechtsanwaltskosten darauf geschlossen werden kann. Mit dem Auskunftsbegehren werden auch keine Prozessstrategien des BND abgefragt.
19dd) Das anwaltliche Berufsgeheimnis steht dem Auskunftsbegehren nicht entgegen.
20Nach § 43a Abs. 2 BRAO ist der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist, mit Ausnahme von Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Diese gesetzlichen Vorgaben werden in § 2 Abs. 1 und 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) aufgenommen und in § 2 Abs. 3 und 4 BORA um die Bestimmungen ergänzt, dass die Verschwiegenheitspflicht u. a. nicht gilt, soweit Gesetz und Recht eine Ausnahme fordern oder zulassen oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist. Durch die rechtsanwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit geschützt sind insbesondere die Identität des Mandanten, die Tatsache seiner Beratung, aber auch die Höhe der vereinbarten Vergütung (vgl. 6 A 1.08 - AnwBl Online 2010, 144 Rn. 37). Die Verschwiegenheitspflicht schützt aber regelmäßig nur den Mandanten ( 7 C 23.18 - juris Rn. 30; - BGHSt 53, 257 Rn. 23; zur Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO vgl. 10 C 25.19 - BVerwGE 171, 90 Rn. 13, 15 ff. und vom - 10 C 11.23 - BVerwGE 183, 187 Rn. 20; - juris Rn. 32; a. A. 6 S 58.19 - juris Rn. 16 f.). Aus der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts ergibt sich zur Frage des Umgangs des Mandanten mit diesen Informationen daher nichts. Dass die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts auch im Interesse der Allgemeinheit an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege liegt, für die die anwaltliche Verschwiegenheit unerlässlich ist (vgl. u. a. - BVerfGE 110, 226 <251 f.> und - BVerfGE Band 113, 29 <49>), begründet ebenfalls keinen dem Auskunftsanspruch entgegenstehenden Einwand des Rechtsanwalts. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit der Rechtsanwälte verlangt nur, dass sie die ihnen anvertrauten Informationen nicht ohne oder gar gegen den Willen ihres Mandanten offenbaren ( - AfP 2024, 171 <173 f.>; vgl. auch Partsch, PinG 2025, 51 ff.; a. A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom - 6 S 58.19 - juris Rn. 16 f. und vom - 6 S 33.24 - juris Rn. 9 f.). Hiervon ausgehend schließt das anwaltliche Berufsgeheimnis das gegen die Beklagte gerichtete Auskunftsbegehren nicht aus.
21Auch eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht (hierzu 12 B 15.18 - NVwZ 2019, 1056 Rn. 15) steht der Auskunftspflicht des BND nicht entgegen. Hierauf beruft sich der BND unter Verweis auf § 241 Abs. 2 BGB. Die Kanzlei X habe der Veröffentlichung der vom Kläger begehrten Informationen mehrfach widersprochen, woraus die zivilrechtliche Pflicht des BND folge, die Informationen nicht herauszugeben. Damit kann die Beklagte einem öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch aber nicht entgegentreten. Vereinbarungen zur Wahrung der Verschwiegenheit begründen keine Geheimhaltung gegenüber Dritten, die ein Informationszugangsrecht haben. Eine Behörde kann nicht durch Vereinbarungen mit Dritten über den Auskunftsanspruch disponieren und sich auf diese Weise dem Informationszugang entziehen. Soweit im Einzelfall schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anzuerkennen sind, die nicht bereits durch spezifische Vorschriften über die Geheimhaltung geschützt sind, gewährleistet der Auskunftsverweigerungsgrund der Verletzung eines überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses den gebotenen Schutz (vgl. 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 29 und vom - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 28). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
22ee) Der BND beruft sich darauf, dass die Beantwortung der klägerischen Fragen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Geschäftsgeheimnisse der Rechtsanwaltskanzleien offenbaren können. Dieser Einwand greift hinsichtlich der Fragen 3 und 4 nicht durch; hinsichtlich der Fragen 5 und 6 hat er Erfolg.
23(1) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ( u. a. - BVerfGE 115, 205 <230 f.>) und umfassen nach dem hergebrachten öffentlich-rechtlichen Verständnis alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse betreffen dabei im Wesentlichen technisches, Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen ( 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 19 unter Bezugnahme auf u. a. - BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vom - 10 C 22.19 - NWVBl. 2020, 500 Rn. 13 und vom - 10 C 2.24 - NVwZ 2025, 1433 Rn. 39).
24Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ( 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 16 und vom - 10 C 2.24 - NVwZ 2025, 1433 Rn. 42) sind Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich. Der Beteiligte, der sich auf die Vertraulichkeit der Information beruft, muss daher nachweisen, dass die betreffenden Informationen trotz ihres Alters immer noch von wirtschaftlichem Wert sind (vgl. [ECLI:EU:C:2017:205], Evonik - Rn. 64 und vom - C-15/16 [ECLI:EU:C:2018:464], Baumeister - Rn. 54; [ECLI:EU:T:2006:163] - Rn. 45; 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 16).
25(2) Das Bestehen von Geschäftsgeheimnissen setzt vorliegend voraus, dass die begehrte Auskunft Rückschlüsse auf die Honorargestaltung zwischen dem BND und der von ihr beauftragten Anwaltskanzlei zulässt. Ausreichend ist, wenn der Arbeitsaufwand, der hinter den in Rechnung gestellten Beträgen steht, geschätzt werden kann, so dass konkrete Rückschlüsse auf die vereinbarten Honorarkonditionen und damit auf die Kalkulationsgrundlagen der Anwaltskanzlei möglich sind (vgl. - AfP 2024, 171 <176>). Die begehrten Auskünfte würden hinsichtlich der Fragen 5 und 6 solche Rückschlüsse ermöglichen, nicht jedoch hinsichtlich der Fragen 3 und 4.
26(a) Die Annahme des BND, dem Kläger sei schon allein anhand der mit den Fragen 3 und 4 begehrten Auskünfte zur Gesamtsumme der in den Jahren seit 2013 bzw. seit 2015 an die Rechtsanwaltskanzlei X gezahlten Honorare möglich, den Arbeitsaufwand und die Gesamtsumme so in Bezug zu setzen, dass Rückschlüsse auf vereinbarte Honorarkonditionen gezogen werden können, ist unzutreffend. Der BND hat nicht plausibel dargelegt, dass bei einer Zugänglichmachung der Gesamtsummen für Rechtsberatung und Prozessvertretung sowie der Honorare in Verfahren mit presserechtlichen Auskunftsansprüchen Geschäftsgeheimnisse offengelegt würden. Der angefallene Arbeitsaufwand der Prozessbevollmächtigten lässt sich anhand dieser Daten nicht abschätzen. Ein Konkurrent der Rechtsanwaltskanzlei kann ohne weitere Informationen den Stundensatz nicht errechnen und etwa nicht wissen, ob die Kanzlei für den BND auch interne Vermerke gefertigt hat, wie viele Gespräche sie mit ihm geführt hat und wie viel Reisezeit angefallen ist.
27(b) Demgegenüber hat der BND im Hinblick auf die Fragen 5 und 6, mit denen der Kläger die Honorare an die Rechtsanwaltskanzlei X für das Jahr 2024 bzw. für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 abgefragt hat, plausibel dargelegt, dass es mit Rücksicht auf die zum Teil nur wenigen Verfahren pro Jahr für die Beratung und Prozessvertretung in Verfahren in Bezug auf presserechtliche Auskunftsansprüche bei einer Zugänglichmachung dieser Informationen möglich wäre, den angefallenen Arbeitsaufwand der Prozessbevollmächtigten abzuschätzen. Ein Wettbewerber kann die anwaltliche Tätigkeit inhaltlich und zeitlich einordnen. In Verbindung mit den Antworten zu den Fragen 1 und 2 kann es möglich sein, eine durchschnittliche Honorarsumme je Verfahren zu berechnen, was wettbewerbsrelevante Informationen und damit Geschäftsgeheimnisse der Kanzlei offenlegen würde. Kämen Informationen zur abgerechneten Vergütung einem marktkundigen Wettbewerber zur Kenntnis, so könnte dieser in der Lage sein, für künftige Mandate ein gezieltes Konkurrenzangebot zu unterbreiten. Ein Konkurrent könnte seinen eigenen wahrscheinlichen Arbeitsaufwand für die Bearbeitung der Mandate hinreichend genau einschätzen und diesen in Relation zu dem von den früheren Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellten Honorar setzen, um auf diese Weise Rückschlüsse auf eine Honorargestaltung ziehen zu können. Vor diesem gewichtigen privaten Interesse muss das von der Pressefreiheit des Klägers getragene Auskunftsinteresse hier zurückstehen. Zwar fällt bei Fragen nach der Verwendung von Steuermitteln zugunsten des Informationsinteresses ein gesteigerter Öffentlichkeitsbezug ins Gewicht (vgl. 7 C 5.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 18 Rn. 35 und vom - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 34). Diesem Belang wird durch die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 aber hinreichend Rechnung getragen.
28Der Kläger kann ein vorrangiges Informationsinteresse auch nicht deshalb geltend machen, weil die mit Frage 6 begehrten Auskünfte über Rechtsanwaltshonorare älter als fünf Jahre sind. Die Informationen behandeln zwar abgeschlossene Vorgänge, haben aber eine fortdauernde Wettbewerbsrelevanz für den heutigen Geschäftsbetrieb. Die Preisgabe der Höhe der vom BND an die Rechtsanwaltskanzlei gezahlten Anwaltshonorare kann daher mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Kanzlei verbunden sein. Der Prozessbevollmächtigte des BND hat in der mündlichen Verhandlung ohne Widerspruch des Klägers glaubhaft versichert, dass Honorarvereinbarungen über viele Jahre stabil gewesen seien. Hiermit stimmt überein, dass die Anhebung der gesetzlichen Anwaltsvergütung regelmäßig in größeren Zeitabständen geschieht. Die Gebühren gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz haben nach einer Erhöhung im August 2013 durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom (BGBl. I S. 2586) erst zum Januar 2021 wieder eine lineare Steigerung um 10 Prozent erfahren (Art. 7 des Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom (BGBl. I 2020 S. 3229); Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 27. Aufl. 2025, § 13 Rn. 1). Zum ist eine weitere Anpassung der Gebühren aufgrund des Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetzes 2025 (KostBRÄG 2025) vom (BGBl. I 2025 Nr. 109) je nach Gebührenart um 6 bis 9 Prozent erfolgt.
293. Ein Auskunftsanspruch folgt im stattgebenden Umfang auch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK (vgl. 10 A 5.23 - BVerwGE 183, 385 Rn. 25 m. w. N. und vom - 10 A 1.24 - NVwZ 2025, 1439 Rn. 18).
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:250925U10A2.24.0
Fundstelle(n):
DAAAK-06489