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BFH Beschluss v. - VIII S 27/24 (AdV)

Behandlung eines von einem Ehegatten für die unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb des anderen Ehegatten genutzten Arbeitszimmers

Leitsatz

NV: Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein häusliches Arbeitszimmer, das im Rahmen einer unentgeltlichen Mitarbeit ausschließlich von einem Ehegatten zur Erledigung betrieblicher Tätigkeiten für das Einzelunternehmen des anderen Ehegatten genutzt wird, dem Betriebsinhaber-Ehegatten nicht als eigenes häusliches Arbeitszimmer zugerechnet werden kann.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b; EStG § 18 Abs. 1 Satz 1; FGO § 69;

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für Räumlichkeiten als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers (Antragsteller) aus selbständiger Arbeit in den Jahren 2013 bis 2020 (Streitjahre).

2 Der Antragsteller war bis Ende des Jahres 2012 hauptberuflich als Professor an der A in B angestellt. In den Streitjahren übte er verschiedene Tätigkeiten im Bereich der klassischen Musik aus und betrieb zwei Musikschulen in D und E in jeweils angemieteten Räumlichkeiten, die ausschließlich für Unterrichtszwecke genutzt wurden. Aus diesen Tätigkeiten erzielte er in den Streitjahren nach den angefochtenen Bescheiden Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die er jeweils durch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der jeweils anzuwendenden Fassung (EStG) ermittelte. Die Ehefrau des Antragstellers erzielte in den Streitjahren keine eigenen Einkünfte.

3 Im Jahr 2012 erwarben der Antragsteller und seine Ehefrau als hälftige Miteigentümer das Grundstück X in C mit aufstehendem Einfamilienhaus (Hauptgebäude, im Folgenden: HG) samt einer Einliegerwohnung (im Folgenden: EW) mit separatem Eingang. Das HG und die EW hatten eine Fläche von insgesamt 500 m² und waren über einen von beiden Seiten betretbaren Vorrats- und Abstellraum im Erdgeschoss (EG) sowie über eine Spiegelwandtür zwischen dem „Flügelzimmer“ des HG und der Küche der EW verbunden. Das Objekt wurde vom Antragsteller und seiner Ehefrau zu privaten Wohnzwecken und zu beruflichen Zwecken genutzt.

4 Die Verwaltung der Musikschulen erfolgte von C aus. Die Arbeiten wurden von der Ehefrau des Antragstellers erledigt, die unentgeltlich in Vollzeit in den und für die Musikschulen mitarbeitete. Die Musikschulen selbst verfügten nicht über geeignete Räume, um Verwaltungstätigkeiten erledigen zu können. Die Ehefrau des Antragstellers nutzte hierfür in C ein „Arbeitszimmer“ (26 m²) im Obergeschoss (OG) der EW.

5 Der Antragsteller nutzte in C ein „Arbeitszimmer“ (40 m²) im OG des HG, das mit Büromöbeln, einem Ruhesessel, einer Liegecouch und einem Fitnessfahrrad ausgestattet war. Zudem nutzte er ein „Musikzimmer“ (31,5 m²) im EG der EW.

6 In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 2013 bis 2017 machte der Antragsteller Aufwendungen für betrieblich genutzte Räume des Objekts in C als Betriebsausgaben in Höhe von 16.101 € (2013), 15.384 € (2014), 17.936 € (2015), 15.501 € (2016) und 20.400 € (2017) geltend. Hierzu ermittelte er die gesamten laufenden Kosten und ging von einer beruflich genutzten Fläche in Höhe von 226 m² beziehungsweise von einem beruflichen Anteil an der Gesamtfläche (500 m²) in Höhe von 45 % aus. In die Ermittlung der beruflich genutzten Flächen bezog der Antragsteller neben dem Musikzimmer die beiden von ihm und seiner Ehefrau jeweils genutzten Arbeitszimmer sowie Flächen der Garderoben, Flure, eine Galerie sowie von Sanitär- und Nebenräumen ein.

7 In einer Außenprüfung für die Streitjahre 2013 bis 2015 verminderte die Prüferin die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung des Objekts in C. Sie ordnete nur das vom Antragsteller genutzte Musikzimmer im EG der EW (31,5 m²) und das von der Ehefrau genutzte Arbeitszimmer im OG der EW (26 m²) als betrieblich genutzte Räume ein. Der Abzug für das Musikzimmer des Antragstellers sei auf 1.250 € zu begrenzen, da der Mittelpunkt einzelner seiner Tätigkeiten nicht im Musikzimmer, sondern auf der jeweiligen Bühne sei, ihm aber insoweit kein anderer Arbeitsplatz zur Erledigung organisatorischer Arbeiten zur Verfügung stehe. Die Aufwendungen für das Zimmer der Ehefrau im OG der EW seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, da es sich um einen betriebsstättenähnlichen Raum handele.

8 In Umsetzung der Feststellungen der Außenprüfung erließ der Beklagte und Antragsgegner (Finanzamt —FA—), jeweils gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung, geänderte Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 jeweils vom , für 2015 vom und für 2016 vom sowie den (erstmaligen) Einkommensteuerbescheid für 2017 vom .

9 Auf die Einsprüche des Antragstellers hin entschied das FA in der Einspruchsentscheidung vom für die Streitjahre 2013 bis 2017, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (als funktionale Einheit bestehend aus dem Arbeitszimmer und dem Musikzimmer des Antragstellers) in Höhe von jährlich 1.250 € als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Das von der Ehefrau des Antragstellers genutzte „Arbeitszimmer“ im OG der EW sei kein Arbeitszimmer des Antragstellers. Nur die Ehefrau des Antragstellers könne diesen Raum im Fall der eigenen Einkünfteerzielung als häusliches Arbeitszimmer geltend machen, da es den Mittelpunkt ihrer Gesamttätigkeit ausmache. Der Abzug der Aufwendungen für Galerie, Garderobe, WC, Diele und Lager im EG des HG, Bad im OG des HG sowie für Küche, Bad, Gästezimmer und Flure in der EW sei mangels einer nahezu ausschließlich beruflichen Nutzung zu versagen. Im Streitfall befinde sich der Mittelpunkt aller betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten des Antragstellers nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Da ihm für die dort ausgeführten Tätigkeiten aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, sei der Abzug in Höhe von jeweils 1.250 € zu gewähren. Das FA setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre 2013 bis 2017 in der Einspruchsentscheidung entsprechend fest.

10 In den (erstmaligen) Einkommensteuerbescheiden für 2018 vom , für 2019 vom und für 2020 vom kürzte das FA, entgegen der Einkommensteuererklärungen die als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen für die betrieblich genutzten Räumlichkeiten und berücksichtigte lediglich jeweils Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von jährlich 1.250 €.

11 Dem anschließenden Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) lag für die Streitjahre 2013 bis 2017 die Einspruchsentscheidung vom als abgeschlossenes Vorverfahren zugrunde. Für die Streitjahre 2018 bis 2020 wurde jeweils Sprungklage erhoben, der das FA zugestimmt hat. Sämtliche Klageverfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12 Das FG wies die Klage ab. Das FA habe zu Recht hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für betrieblich genutzte Räume im privaten Einfamilienhaus des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nur Betriebsausgaben in Höhe von jährlich 1.250 € anerkannt.

13 Der Antragsteller habe in den Streitjahren über ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, bestehend aus dem Musikzimmer im EG der EW (31,5 m²) und dem „Arbeitszimmer“ im OG des HG (40 m²), verfügt. Das Musikzimmer im EG der EW sei in die häusliche Sphäre eingebunden gewesen. Es habe vorwiegend der Erledigung gedanklicher und praktischer Arbeiten im Hinblick auf seine verschiedenen freiberuflichen Einzeltätigkeiten und dem Betrieb der Musikschulen gedient. Der Antragsteller habe das Zimmer zum Üben genutzt, mithin einen zentralen Aspekt seiner freiberuflichen Tätigkeit dort ausgeübt.

14 Das Zimmer im OG des HG sei ein weiteres häusliches Arbeitszimmer. Es sei in die häusliche Sphäre eingebunden gewesen und habe dem Antragsteller dazu gedient, Kompositionen zu erlernen.

15 Beide Räume bildeten funktional ein Objekt im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG und damit „ein“ Arbeitszimmer des Antragstellers.

16 Das von der Ehefrau des Antragstellers genutzte Arbeitszimmer im OG der EW (26 m²) sei kein Arbeitszimmer des Antragstellers im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. In diesem Zimmer seien durch den Antragsteller selbst keine Tätigkeiten mit beruflichem Zusammenhang ausgeübt worden. Auch eine einkommensteuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen der Ehefrau des Antragstellers für diesen Raum scheide aus, da sie keine Einkünfte erzielt habe.

17 Für die verschiedenen Tätigkeiten habe dem Antragsteller in den Streitjahren zwar kein anderer Arbeitsplatz als das funktional einheitliche Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung gestanden.

18 Im Arbeitszimmer habe sich aber nicht der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit des Antragstellers nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG befunden. Er habe in seinem häuslichen Arbeitszimmer nicht diejenigen Handlungen vorgenommen, die für seine einzelnen Tätigkeiten und den Betrieb von zwei Musikschulen in qualitativer Hinsicht wesentlich und prägend seien. Er habe für sämtliche Tätigkeiten die wesentlichen und prägenden Handlungen und Leistungen außerhalb seines Arbeitszimmers ausgeübt und erbracht.

19 Für das Betreiben der Musikschulen sei qualitativ prägend das Erteilen des Musikschulunterrichts, den der Antragsteller, wenn auch nur in geringem Umfang, vor Ort persönlich ausführt habe. Für alle übrigen Tätigkeiten sei die qualitativ prägende Tätigkeit am jeweiligen (wechselnden) Ort erbracht worden.

20 Insbesondere hinsichtlich der Musikschulen sei für die Mittelpunktsprüfung zu berücksichtigen, dass es sich aus Sicht des Antragstellers um eine freiberufliche künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG handele. Für eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit des Antragstellers sei aber ein Mindestmaß an örtlicher Präsenz und Einflussnahme des Antragstellers auf die verschiedenen Dozenten samt einer Kontrolle der Unterrichtserteilung vor Ort erforderlich.

21 Auch wenn der Umfang der Vor- beziehungsweise Nachbereitung der einzelnen Tätigkeiten des Antragstellers im Arbeitszimmer jeweils einen erheblichen zeitlichen Umfang eingenommen habe, habe diese quantitative Betrachtung gegenüber der qualitativen Betrachtung zurückzutreten. Zudem seien die Zeiten für die Verwaltungs- und Organisationstätigkeiten hinsichtlich der Musikschulen bei der Gewichtung der Zeitanteile unerheblich, da diese Tätigkeiten gerade nicht durch den Antragsteller, sondern in Vollzeit und unentgeltlich durch seine Ehefrau ausgeübt worden seien.

22 Ein Abzug für die weiteren Räume und Verkehrsflächen scheide aus. Es handele sich zwar nicht um häusliche Arbeitszimmer, die unter die Abzugsbeschränkung fielen. Diese Räume seien aber nicht fast ausschließlich beruflich und betrieblich genutzt worden.

23 Dem Antragsteller wurde vom FA zunächst für die Dauer des Einspruchsverfahrens die Aussetzung der Vollziehung (AdV) vollumfänglich bis zum und —soweit aus den vorliegenden Akten ersichtlich— ohne Anforderung einer Sicherheitsleistung gewährt.

24 Mit einer Verfügung des FA vom wurde die AdV nach Erhebung der Klage für die Streitjahre 2013 bis 2017 ohne Sicherheitsleitung vollumfänglich weiter gewährt. Sie blieb nach Ergehen der Entscheidung des FG nach einem Schreiben des FA vom noch bis zum Ablauf des bestehen.

25 Am beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf die Einlegung der beim Senat anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde beim FA erneut die AdV. Das FA lehnte die weitere Gewährung der AdV ab.

26 Am hat der Antragsteller daraufhin beim Bundesfinanzhof (BFH) den vorliegenden Antrag auf AdV gestellt.

27 Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide seien rechtmäßig. Auch das von seiner Ehefrau genutzte Zimmer für den Betrieb der Musikschulen sei ein häusliches Arbeitszimmer des Antragstellers und in die Prüfung des Mittelpunkts der Gesamttätigkeit einzubeziehen. Für den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit des Antragstellers im Arbeitszimmer spreche, dass der Antragsteller mit dem Betrieb der Musikschulen 95 % seiner betrieblichen Einnahmen erziele und die Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Musikschulen weit überwiegend im Arbeitszimmer ausgeübt habe. Nur vereinzelt habe er sich in den Musikschulen aufgehalten oder selbst unterrichtet. Der qualitative Schwerpunkt und Mittelpunkt seiner Haupttätigkeit und seiner Gesamttätigkeit befinde sich daher im häuslichen Arbeitszimmer. Zudem verweist der Antragsteller auf die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemachten Zulassungsgründe.

28 Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

ihm ab dem die AdV ohne Sicherheitsleistung zu gewähren, soweit den Steuerfestsetzungen Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit oberhalb der folgenden Beträge zugrunde liegen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
zutreffender Gewinn laut Antragsteller  
2013
199.398 €
2014
139.879 €
2015
189.679 €
2016
208.048 €
2017
195.583 €
2018
138.085 €
2019
206.129 €
2020
278.441 €

29 Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

30 Die angefochtenen Steuerfestsetzungen seien rechtmäßig. Das FG habe zutreffend das von der Ehefrau des Antragstellers genutzte Arbeitszimmer nicht als solches des Antragstellers behandelt. Selbst wenn dieses Arbeitszimmer auch dem Antragsteller zuzurechnen sei, liege der qualitative Schwerpunkt dieser Einzeltätigkeit des Antragstellers wie auch der anderen Tätigkeiten außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers. Ein Abzug der Aufwendungen sei wie schon gewährt nur in Höhe von jeweils 1.250 € je Streitjahr vorzunehmen. Der Antragsteller lege auch keinen durchgreifenden Zulassungsgrund dar.

II.

31 1. Der Antrag ist zulässig.

32 Nach der Regelung des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die AdV für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu prüfen. Da das FA über die AdV bis zum Ergehen einer Entscheidung im Klageverfahren befunden und eine Verlängerung der AdV für das weitere Verfahren nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt hat, handelt es sich vorliegend im jetzigen Verfahrensabschnitt der Nichtzulassungsbeschwerde und anschließenden Revision vor dem BFH um einen erstmaligen Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO und nicht um einen Änderungsantrag gemäß § 69 Abs. 6 FGO (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom  - IV S 11/10, BFH/NV 2011, 1894, Rz 11; vom  - XI S 4/21 (AdV), BFHE 276, 456, BStBl II 2023, 419, Rz 17, 18). Die Zugangsvoraussetzungen für diesen erstmaligen Antrag sind erfüllt.

33 2. Der Antrag ist teilweise begründet.

34 a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts unter anderem aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die AdV kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

35 b) Wird ein AdV-Antrag —wie hier— während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH gestellt, kann dieser Antrag wegen der im Falle der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels sogleich eintretenden Rechtskraftwirkung nur dann Erfolg haben, wenn neben den ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zusätzlich ernstlich mit einer Zulassung der Revision zu rechnen ist. Gleiches gilt, wenn ernstlich damit zu rechnen ist, dass die Sache wegen eines Verfahrensmangels an das FG zurückverwiesen wird; hier kommt es zusätzlich auf die Erfolgsaussichten des aufgrund der Zurückverweisung fortzusetzenden Klageverfahrens an (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - X S 41/18, BFH/NV 2019, 204, Rz 11; vom  - VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357, Rz 16).

36 c) Die angefochtenen Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre sind bei summarischer Betrachtung teilweise rechtswidrig. Entgegen der Sichtweise des FA und des FG ist es bei summarischer Betrachtung auf der Grundlage des für den Senat präsenten Akteninhalts nicht ausgeschlossen, dass auch das von der Ehefrau des Antragstellers für die Erledigung der Verwaltungsangelegenheiten der Musikschulen genutzte Zimmer Bestandteil des häuslichen Arbeitszimmers des Antragstellers sein kann (unter aa) und ferner auch der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegen kann (unter bb). Ein Betriebsausgabenabzug für die weiteren Verkehrsflächen und Räume kommt dagegen nicht in Betracht (unter cc).

37 aa) Neben den bereits als funktional einheitliches Arbeitszimmer des Antragstellers anerkannten Räumen (dem Musikzimmer im EG der EW und dem Arbeitszimmer im OG des HG) kann bei summarischer Betrachtung auch das von der Ehefrau des Antragstellers zur unentgeltlichen Erledigung der Arbeiten für die Musikschulen genutzte Zimmer im OG der EW zum häuslichen Arbeitszimmer des Antragstellers gehören.

38 aaa) Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Das gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

39 bbb) Ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten. Es ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 61 bis 64).

40 Die Beteiligten sind übereinstimmend der Auffassung, dass diese Anforderungen zur Ausstattung und zur Nutzung für das Musikzimmer im EG der EW, das Arbeitszimmer im OG des HG und auch für das streitige Zimmer im OG der EW erfüllt sind. Es handelt sich wegen der vollständigen Einbindung in die häusliche Sphäre zudem bei keinem der Räume um einen betriebsstättenähnlichen Raum, der außerhalb des Anwendungsbereichs der Norm liegt (vgl. z.B. , BFHE 268, 186, BStBl II 2020, 445, Rz 18). Unerheblich ist insoweit auch, ob diese Räume jeweils oder einzeln zum Betriebsvermögen des Antragstellers gehört haben, denn auch ein solcher Raum fällt als eigenständiges Wirtschaftsgut unter die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (vgl. , BFHE 269, 495, BStBl II 2020, 841, Rz 14 ff.).

41 ccc) Entgegen der Auffassung des FA und des FG ist es nicht ausgeschlossen, dass auch das Zimmer im OG der EW Bestandteil des funktionell bestehenden Arbeitszimmers des Antragstellers sein kann. Dem steht die Nutzung dieses Raums durch die unentgeltliche Tätigkeit der Ehefrau für die Musikschulen bei summarischer Betrachtung nicht zwingend entgegen.

42 (1) Ob ein in die häusliche Sphäre eingebundener Raum dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterfällt, ist ausschließlich danach zu beurteilen, ob er dem von der Rechtsprechung gebildeten Raumtypus entspricht. Begehrt der Steuerpflichtige den Betriebsausgabenabzug für mehrere in seine häusliche Sphäre eingebundene Räume, ist die Qualifizierung als häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich für jeden Raum gesondert vorzunehmen. Eine gemeinsame Qualifizierung kommt nur dann in Betracht, wenn die Räume funktional eine Einheit bilden. Diese liegt aber nur vor, wenn verschiedene Räume nahezu identisch genutzt werden. Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob aufgrund der räumlichen Situation die Nutzung in einem oder in mehreren Räumen stattfindet (, BFH/NV 2007, 677, unter II.3.a).

43 Auf dieser Grundlage hat der BFH in der genannten Entscheidung für zwei Räume eine funktionale Büroeinheit bejaht, die ein anwaltliches Besprechungszimmer und einen in einem anderen Raum befindlichen Sekretariatsarbeitsplatz umfassten, und diese für den Fall einer Einbindung in die häusliche Sphäre als einheitliches Arbeitszimmer betrachtet. Handelt es sich bei den Personen, die die Sekretariatsarbeiten in diesem Raum ausführen, ausschließlich um familienangehörige oder haushaltszugehörige Personen, die im Unternehmen des Betriebsinhabers beschäftigt sind, wird die häusliche Einbindung des Raums dadurch nicht aufgehoben, sodass die funktionale Büroeinheit im Ergebnis zu einem häuslichen Arbeitszimmer des Betriebsinhabers gehört (, BFH/NV 2007, 677, unter II.3.c; , BFH/NV 2002, 1570, unter 2. [Rz 11]).

44 (2) Es ist in der Rechtsprechung für bestimmte Konstellationen ferner bereits geklärt, dass eine Doppelnutzung eines Raums durch Ehegatten der mehrfachen Einordnung des Raums als häusliches Arbeitszimmers für jeden Ehegatten nicht entgegensteht und den jeweiligen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug außerhalb des Abzugsverbots für selbstgetragene Aufwendungen zulässt. Denn die Regelung enthält ein personenbezogenes Abzugsverbot der Betriebsausgaben für ein häusliches Arbeitszimmer (eingehend , BFHE 256, 143, BStBl II 2017, 938, Rz 11 ff., 26; vom  - VI R 86/13, BFHE 256, 150, BStBl II 2017, 941, Rz 18 ff.; s.a. BFH-Beschlüsse vom  - IV B 36/01, BFH/NV 2002, 1570, unter 2. [Rz 11]; vom  - XI B 9/02, BFH/NV 2003, 151, unter II. und II.2. [Rz 9, 11]. Ferner ist bereits geklärt, dass die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für den Betriebsinhaber-Ehegatten auch Räume erfasst, die der im Haushalt des Steuerpflichtigen lebende und im Unternehmen beschäftigte Ehegatte als Büro zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nutzt (vgl. u.a. , BFH/NV 2010, 1442, Rz 5, m.w.N.). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung, wenn zwischen den Eheleuten kein Arbeits-, sondern ein gewerbliches Vertragsverhältnis besteht, im Rahmen dessen das häusliche Büro nur vom Ehegatten genutzt wird (, BFH/NV 2020, 899, Rz 16).

45 (3) Der Senat hält es bei summarischer Betrachtung nicht für ausgeschlossen, dass diese Grundsätze auch anzuwenden sein können, wenn ein häuslicher Büroraum vom Ehegatten des Betriebsinhaber-Ehegatten, wie im Streitfall, fast ausschließlich im Rahmen einer unentgeltlichen Mitarbeit im Einzelunternehmen genutzt wird.

46 bb) Ferner ist es bei Einbeziehung des von der Ehefrau des Antragstellers genutzten Raums in die Prüfung des Mittelpunkts der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit des Antragstellers bei summarischer Betrachtung nicht ausgeschlossen, dass hier der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit des Antragstellers liegen kann.

47 aaa) Bei Steuerpflichtigen, die wie der Antragsteller mehreren Tätigkeiten zur Einkünfteerzielung nachgehen, ist der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung qualitativ im Rahmen einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festzustellen.

48 (1) Es ist zwar nicht erforderlich, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt „jedweder“ oder „einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit“ bildet, da es gerade darum geht, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunkts der einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen, um auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Sodann wird der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert. Fehlt für die Feststellung einer solchen Haupttätigkeit eine insoweit indizielle nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung aufgrund privat- oder öffentlich-rechtlicher Arbeits- oder Dienstverhältnisse, so ist in Zweifelsfällen zur Feststellung der Haupttätigkeit auf die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und den auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallenden Zeitaufwand abzustellen. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen, so ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend zu entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann, und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen (vgl. , BFH/NV 2015, 177, Rz 36 bis 40).

49 (2) Für den Betrieb der Musikschulen kann bei summarischer Betrachtung unter Einbeziehung des von der Ehefrau des Antragstellers genutzten Raums der qualitative Mittelpunkt des Antragstellers im häuslichen Arbeitszimmer liegen.

50 Der Antragsteller betreibt die Musikschulen, ohne nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beteiligten dort in nennenswertem Umfang selbst zu unterrichten oder persönlich in Erscheinung zu treten. Die Folgerung des FG, dass der Antragsteller den qualitativen Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus dem Betrieb der Musikschulen jeweils vor Ort haben müsse, weil dies für eine leitende und eigenverantwortliche künstlerische Tätigkeit unter Einsatz von Lehrkräften bei der Unterrichtserteilung erforderlich sei, ist in diesem Zusammenhang nicht schlüssig. Es ist auf die konkrete Handhabung des Betriebs der Musikschulen abzustellen und nicht darauf, was der Antragsteller gegebenenfalls tun müsste, um mit für ihn tätigen Lehrkräften als Hilfspersonen eine eigene (unterrichtende) künstlerische Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG zu entfalten (vgl. dazu , BFHE 141, 42, BStBl II 1984, 491, unter 2.). In der konkreten Art und Weise des Betriebs der Musikschulen im Streitfall durch den fast ausschließlich im Hintergrund tätigen Antragsteller sowie unter Zurechnung der Tätigkeiten seiner Ehefrau kann bei summarischer Prüfung der qualitative Schwerpunkt für diese Tätigkeit des Antragstellers aufgrund der Zeitanteile im häuslichen Arbeitszimmer liegen.

51 (3) Der qualitative Schwerpunkt der weiteren Tätigkeiten des Antragstellers befindet sich bei summarischer Betrachtung auch nach der Auffassung des Senats jeweils nicht im häuslichen Arbeitszimmer.

52 bbb) Bei summarischer Betrachtung kann der Betrieb der Musikschulen im häuslichen Arbeitszimmer als Haupttätigkeit auch den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit des Antragstellers bestimmen, welcher dann im häuslichen Arbeitszimmer liegt.

53 (1) Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen, so ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend zu entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt (, BFH/NV 2015, 177, Rz 36, 39).

54 (2) Bei summarischer Betrachtung entfallen unter Berücksichtigung des soweit unstreitigen Akteninhalts die vom Antragsteller erzielten Einnahmen zu 95 % auf den Betrieb der Musikschulen. Zudem findet unter Einbeziehung der Tätigkeit der Ehefrau des Antragstellers zeitlich der wesentliche Anteil der betrieblichen Tätigkeit für den Betrieb der Musikschulen im häuslichen Arbeitszimmer des Antragstellers statt. Bei summarischer Betrachtung spricht dies dafür, dass der Betrieb der Musikschulen mangels einer indiziellen nichtselbständigen Vollzeittätigkeit als Haupttätigkeit des Antragstellers den qualitativen Mittelpunkt seiner Gesamttätigkeit indiziert. Der Umstand, dass auch den übrigen Tätigkeiten des Antragstellers, seinen Ruf in der Musikwelt zu festigen und auszubauen, ein gewisses Gewicht zuzuerkennen ist, spricht nicht dagegen. Da diese Tätigkeiten aber wiederum entscheidend zum Renommee der Musikschulen des Antragstellers beitragen und für diese Tätigkeit förderlich sind, erscheint es bei summarischer Betrachtung sachgerecht, den qualitativen Schwerpunkt der gesamten Tätigkeiten des Antragstellers im häuslichen Arbeitszimmer des Antragstellers zu verorten.

55 cc) Bei summarischer Betrachtung sind die Aufwendungen für die weiteren Flächen und Durchgangs- sowie Sanitär- und Nebenräume, für die der Antragsteller ebenfalls Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht hat —wie vom FA und FG entschieden— nicht abzugsfähig.

56 Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können zwar unbeschränkt als Betriebsausgaben oder Werbungskosten gemäß § 4 Abs. 4 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein, wenn sie betrieblich oder beruflich genutzt werden und sich der betriebliche oder berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lässt (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265). Die nicht nur untergeordnete private Mitbenutzung eines in die häusliche Sphäre eingebundenen Raums schließt den Abzug von Betriebsausgaben für diesen Raum aber aus (, BFHE 254, 7, BStBl II 2016, 884, Rz 19). Aufwendungen für Küche, Bad und Flur, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Teil privat genutzt werden, können daher auch dann nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn daneben ein berücksichtigungsfähiges häusliches Arbeitszimmer existiert (, BFHE 253, 153, BStBl II 2016, 611, Rz 10; vom  - VIII R 24/12, BFHE 254, 7, BStBl II 2016, 884, Rz 20). Es ist auf dieser Grundlage weder dargetan noch ersichtlich, dass die Aufwendungen für die Nebenräume und Verkehrsflächen abzugsfähig sein könnten.

57 dd) Der Senat sieht in den Ausführungen des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auch eine hinreichende Darlegung des durchgreifenden Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Zwar macht der Antragsteller neben Verfahrensmängeln des FG im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorrangig den Zulassungsgrund eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend. Das FG habe den von der Ehefrau des Antragstellers genutzten Raum für die Verwaltungstätigkeit der Musikschulen zu Unrecht weder als häusliches Arbeitszimmer des Antragstellers betrachtet noch in die Prüfung des Mittelpunkts der Gesamttätigkeit einbezogen. Der Antragsteller bringt vor, dem FG sei ein „schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler von allgemeiner Bedeutung“ bei der Zurechnung dieses Raums unterlaufen. Hieraus lässt sich zugleich als aufgeworfene Frage von (offensichtlicher) grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Frage ableiten, ob ein häusliches Arbeitszimmer, das ausschließlich von einem Ehegatten zur Erledigung betrieblicher Tätigkeiten für das Einzelunternehmen des anderen Ehegatten im Rahmen einer unentgeltlichen Mitarbeit genutzt wird, dem Betriebsinhaber-Ehegatten als eigenes häusliches Arbeitszimmer zugerechnet werden kann. Der Senat hat im Hinblick auf diese Frage durch Beschluss vom die Revision für den Streitfall wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

58 d) Bei summarischer Betrachtung entfällt danach auf das häusliche Arbeitszimmer des Antragstellers als funktionale Einheit eine Gesamtfläche von (40 m² + 31,5 m² + 26 m²) = 97,5 m². Der Flächenanteil dieses „Arbeitszimmers“ beträgt 19,5 %, bezogen auf die gesamte Wohnfläche von 500 m². Die vom Antragsteller für das Grundstück und Gebäude hälftig getragenen Anschaffungs-, Herstellungskosten und laufenden Aufwendungen kann er voll seinem häuslichen Arbeitszimmer zuordnen, da dessen Gesamtfläche (97,5 m²) den auf seinen Miteigentumsanteil am Grundstück und Gebäude entfallenden Flächenanteil (1/2 von 500 m²) nicht übersteigt (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774, unter C.2. [Rz 30]; , BFHE 260, 252, BStBl II 2018, 355, Rz 21, 22).

59 Der Senat orientiert sich für die Höhe der AdV an den präsenten Akten. Dies sind insbesondere der Bericht über die Außenprüfung, der Schriftsatz des Antragstellers vom und der Schriftsatz des FA vom :


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Jahr
Gesamtkosten für 500 m²
Antrag (= 226/500 m² = 45% beruflich genutzter Flächen)  
Abzug für AdV (= 97,5 m² beruflich genutzte Flächen/50 m² Gesamtfläche * Gesamtkosten) gerundet
Abzugsfähige Mehrausgaben laut BFH (in 2013 bis 2017 schon jeweils 1.250 €; in 2018  975 €, in 2019  800 €, in 2020  3.412 € berücksichtigt)
2013
32.402 € (Betriebsprüfung —BP—)
16.100 €    
6.318 €    
5.068 €    
2014
30.808 € (BP)
15.383 €
6.008 €
4.758 €
2015
36.479 € (BP)
17.935 €
7.113 €
5.863 €
2016
31.070 € (BP)
15.500 €
6.059 €
4.809 €
2017
45.331 € Hochrechnung (Antrag *100/45)
20.399 €      
8.840 €      
7.590 €      
2018
35.978 € (Hochrechnung)
16.190 €  
7.016 €  
6.041 €  
2019
37.156 € (Hochrechnung)
16.720 €  
7.245 €  
6.445 €  
2020
36.033 € (Hochrechnung)
16.215 €  
7.026 €  
3.614 €  

60 Hieraus ergeben sich bei summarischer Betrachtung die folgenden zutreffenden Gewinne des Antragstellers:


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Jahr
Bisherige Gewinne
Gewinne für AdV-Zwecke
2013
214.248 €
209.180 €
2014
154.012 €
149.254 €
2015
206.364 €
200.501 €
2016
222.298 €
217.489 €
2017
214.732 €
207.142 €
2018
153.300 €
147.184 €
2019
222.049 €
215.604 €
2020
291.244 €
287.630 €

61 AdV ist zu gewähren, soweit den Steuerfestsetzungen der Streitjahre höhere Gewinne zugrunde gelegt worden sind.

62 3. Die AdV erfolgt ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung.

63 a) Die AdV kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (§ 69 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO), wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Denn die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang. Dies ist der Fall, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV insbesondere wegen der wirtschaftlichen Lage des Steuerschuldners gefährdet oder erschwert erscheint. Von einer Sicherheitsleistung soll gleichwohl abgesehen werden, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist. Auch darf eine Sicherheitsleistung nicht angefordert werden, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeutete. Dies ist etwa der Fall, wenn bei einer auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide gestützten AdV der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (s. zum Ganzen , BFH/NV 2023, 1090, Rz 32, m.w.N.).

64 b) Die Entscheidung über die Beibringung einer Sicherheit ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass grundsätzlich die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige gegebenenfalls Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen. Allerdings kann sich die Gefährdung eines Steueranspruchs auch aus dem eigenen Vorbringen des Steuerpflichtigen ergeben, wenn dieser beispielsweise geltend macht, dass die Versagung der AdV für ihn existenzvernichtend wirke oder zu einer Überschuldung führen würde (vgl. , BFH/NV 2023, 1090, Rz 33).

65 c) Auf dieser Grundlage sieht der Senat bei summarischer Prüfung von der Anordnung einer Sicherheitsleistung ab. Zum einen besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einem Revisionsverfahren eine Einordnung des von der Ehefrau des Antragstellers genutzten Raums als häusliches Arbeitszimmer zutreffend sein kann und dann über die Bestimmung des Mittelpunkts der Gesamttätigkeit des Antragstellers erneut zu entscheiden ist. Hierbei kann —gegebenenfalls auch in einem zweiten Rechtsgang— die geltend gemachte Verteilung der Einnahmen und Nutzungszeiten des häuslichen Arbeitszimmers für den Betrieb der Musikschulen in das Verfahren eingeführt und erneut vom FG gewichtet werden. Auch hat das FA keine Umstände vorgetragen, die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechen und dies auch nicht anderweitig behauptet.

66 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:BA.181125.VIIIS27.24.0- 17 -

Fundstelle(n):
AAAAK-06412