Personelle Einzelmaßnahme - Einstellung - Matrixstrukturen
Leitsatz
Eine Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kommt auch bei Führungskräften, die innerhalb eines Konzerns im Betrieb eines anderen Unternehmens tätig werden, ohne dass zu dem Betriebsinhaber ein Arbeitsverhältnis besteht, nur in Betracht, wenn sie - bezogen auf den Betriebsinhaber - weisungsgebunden tätig sind und ihm daher zumindest teilweise ein für ein Arbeitsverhältnis typisches Weisungsrecht hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit ihrer Tätigkeit zusteht.
Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 101 S 1 BetrVG
Instanzenzug: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Az: 2 BV 201/22 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Bremen Az: 2 TaBV 2/23 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung von vier personellen Einzelmaßnahmen.
2Die Arbeitgeberin, die Massenspektrometer produziert und vertreibt, beschäftigt in ihrem - einzigen - Betrieb in B etwa 500 Arbeitnehmer. Sie gehört zum T-Konzern, dessen Konzernmutter ihren Sitz in den USA hat und der über unternehmensübergreifende Organisationsstrukturen (sog. Matrixstrukturen) verfügt.
3Im Betrieb der Arbeitgeberin sind ua. vier Personen - die Herren H, S und Z sowie Frau L - tätig, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin, sondern zu einem anderen - im Ausland ansässigen - Konzernunternehmen stehen. Sie nehmen ihre Aufgaben im Betrieb der Arbeitgeberin im Weg von Videokonferenzen wahr. Der Kreis der Personen, die ihnen gegenüber weisungsbefugt und ihnen ggf. unterstellt waren, hat sich im Verlauf des Verfahrens teilweise geändert.
4Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der Beschäftigung dieser vier Personen handele es sich um Einstellungen iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Sie seien durch ihre Tätigkeit - zum Teil in Form der Wahrnehmung von Vorgesetztenfunktionen - in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert.
5Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Belang - sinngemäß beantragt,
6Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, in Bezug auf diese vier Personen bestehe kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Es fehle sowohl an den erforderlichen Weisungsbefugnissen der Arbeitgeberin als auch einer hinreichenden Zusammenarbeit mit den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern.
7Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Abweisungsbegehren weiter.
8B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob die Anträge des Betriebsrats begründet sind. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
9I. Die Anträge sind zulässig. Der Betriebsrat begehrt die Aufhebung der Beschäftigung der vier genannten Personen im Betrieb, solange er seine Zustimmung nicht erteilt hat oder sie gerichtlich ersetzt worden ist. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welche Handlungen von ihr verlangt werden.
10II. Das Landesarbeitsgericht durfte die Beschwerde der Arbeitgeberin nicht mit der von ihm gegebenen Begründung zurückweisen.
111. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ua. vor jeder Einstellung und Versetzung unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholen. Eine personelle Einzelmaßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann daher nur nach Zustimmung des Betriebsrats oder ihrer rechtskräftigen Ersetzung in einem Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG oder als vorläufige personelle Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG vorgenommen werden ( - Rn. 16 mwN).
122. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gegeben, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen ( - Rn. 19 mwN). Auf das Rechtsverhältnis, in dem die Person zum Betriebsinhaber steht, kommt es nicht an. Eingegliedert ist vielmehr, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert (vgl. - Rn. 24; - 7 ABR 1/09 - Rn. 13 mwN, BAGE 135, 26). Der Beschäftigte muss daher so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Betriebsinhaber ein für ein Arbeitsverhältnis typisches Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft. Der Betriebsinhaber muss diese Arbeitgeberfunktion zumindest im Sinn einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben ( - Rn. 24; - 1 ABR 14/01 - zu B I der Gründe mwN). Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation hängt dabei von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab und ist nicht schon dann anzunehmen, wenn Personen im Betrieb des Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung oder das von ihnen zu erstellende Werk nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant oder detailliert beschrieben ist ( - Rn. 25 mwN).
133. Bei der Frage, ob ein Beschäftigter in einen Betrieb eingegliedert ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat ( - Rn. 20 mwN).
144. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
15a) Noch zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Anwendbarkeit von §§ 99 ff. BetrVG bejaht.
16aa) Der räumliche Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip. Danach gilt das Gesetz unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer sowie ungeachtet der für die einzelnen Arbeitsverhältnisse maßgebenden Rechtsordnung für sämtliche inländischen Betriebe (vgl. - zu B II 2 a ee der Gründe mwN, BAGE 94, 144).
17bb) Nach dieser Maßgabe sind §§ 99 ff. BetrVG im Ausgangsfall anwendbar. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob dem Betriebsrat eines im Inland gelegenen Betriebs ein Beteiligungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen in Form von Einstellungen zusteht. Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung ist die Eingliederung in den Betrieb. Auf die Frage, ob die betreffenden Arbeitnehmer vom persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes erfasst werden, weil sie trotz ihrer Auslandstätigkeit einem inländischen Betrieb zugehören (vgl. dazu - zu B II 2 a ee der Gründe mwN, BAGE 94, 144), kommt es deshalb nicht an.
18b) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen, für die Frage der Eingliederung von Führungskräften, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber stehen, komme es nicht darauf an, ob sie dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers unterliegen.
19aa) Eine Einstellung in einen Betrieb iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt voraus, dass die betreffende Person selbst eine weisungsgebundene Tätigkeit ausübt. Dabei muss dem Inhaber des Betriebs und damit dem Arbeitgeber iSv. § 99 BetrVG - zumindest teilweise - ein für ein Arbeitsverhältnis typisches Weisungsrecht bezogen auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung ihr gegenüber zustehen (vgl. - Rn. 24 mwN). Das gilt auch für Führungskräfte. Die bei einem Einsatz von Drittpersonal erforderlichen Weisungsbefugnisse des Betriebsinhabers, durch die ihm eine betriebsverfassungsrechtlich relevante - und sei es nur partielle - Arbeitgeberstellung gegenüber solchen Personen zukommt, können nicht dadurch ersetzt werden, dass in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber stehende Führungskräfte zu Vorgesetzten von schon betriebsangehörigen Arbeitnehmern bestellt werden (vgl. - Rn. 26 mwN, BAGE 167, 43).
20bb) Der Schutzzweck von § 99 BetrVG gebietet kein weitergehendes Verständnis des Begriffs der „Einstellung“ für Führungskräfte. Zwar dient das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen vornehmlich den Interessen der schon im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, deren Belange nach Maßgabe möglicher Zustimmungsverweigerungsgründe iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG gegen die beabsichtigte Einstellung geltend zu machen. Auch können diese Interessen - namentlich in Form des Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG - bei einer Zuweisung von Vorgesetztenfunktionen an bislang betriebsfremde Arbeitnehmer berührt sein (vgl. - Rn. 25 mwN, BAGE 167, 43). Anknüpfungspunkt für eine Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ist dabei aber stets die erforderliche „Einstellung“ des Vorgesetzten in den Betrieb, die - schon begrifflich - verlangt, dass dem Betriebsinhaber ein Mindestmaß der für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungsbefugnisse gegenüber den eingesetzten Mitarbeitern zusteht. Insoweit kann nichts anderes gelten als bei einem Einsatz von Fremdpersonal auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen. Dem Betriebsrat soll mithilfe von § 99 BetrVG nicht die Möglichkeit eröffnet werden, das bloße Nebeneinander von Belegschaftsteilen verschiedener Unternehmen innerhalb eines Betriebs auf der Grundlage solcher Vertragsgestaltungen mitzugestalten (vgl. zu Dienst- oder Werkverträgen - zu B I 2 der Gründe, BAGE 78, 142). Das Erfordernis einer - zumindest partiellen - Personalhoheit des Betriebsinhabers ist für die Beteiligungsbedürftigkeit der Maßnahme unerlässlich und muss damit auch bei solchen Führungskräften gegeben sein, die - wie hier - bei anderen dem Konzern zugehörigen Unternehmen angestellt sind.
21c) Zudem tragen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Annahme nicht, die Herren H, S und Z sowie Frau L verwirklichten gemeinsam mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern der Arbeitgeberin den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs.
22aa) Allein die Feststellung, einem Arbeitnehmer des Betriebsinhabers stehe das fachliche Weisungsrecht zu, genügt insoweit nicht. Der Begriff des „fachlichen Weisungsrechts“ ist - ebenso wie der des „disziplinarischen Weisungsrechts“ - kein feststehender Rechtsbegriff (vgl. - Rn. 33). Daraus ergibt sich nicht ohne Weiteres, ob der jeweilige Vorgesetzte damit - wie erforderlich - zumindest teilweise das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und Entscheidungen über den Einsatz der ihm zugeordneten Arbeitnehmer nach Inhalt, Ort und Zeit trifft (vgl. zu einem insoweit weiteren Verständnis des „disziplinarischen“ Weisungsrechts Bachner NZA 2019, 134, 136 ff.).
23bb) Zudem trägt die bloße Feststellung, einer Führungskraft stehe die „fachliche Weisungsbefugnis“ gegenüber ihr unterstellten Arbeitnehmern des Betriebs zu, nicht die Annahme, sie verwirkliche gemeinsam mit diesen den Betriebszweck. Zwar kann die fachliche Weisungsbefugnis bei der Beurteilung zu berücksichtigen sein, ob eine Eingliederung in den Betrieb gegeben ist. Das setzt aber voraus, dass sich aus der tatsächlichen Wahrnehmung dieser - im Einzelfall konkret zu bestimmenden - Aufgaben eine Einbindung in die Erfüllung der im Betrieb von den dortigen Arbeitnehmern zu erledigenden Aufgaben oder in die Arbeitsprozesse ergibt. Davon ist typischerweise auszugehen, wenn die Führungskraft zur Durchführung der ihr obliegenden Aufgaben mit den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern regelmäßig zusammenarbeiten muss und damit ihre fachlichen Weisungsbefugnisse auch tatsächlich wahrnimmt (vgl. für eine bei dem Betriebsinhaber beschäftigte Führungskraft - Rn. 24 mwN). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts lassen etwa das Führen von „Zielvereinbarungsgesprächen“ oder die „Urlaubsabstimmung“ für sich genommen keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Führungskraft gemeinsam mit den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zur Verwirklichung des Betriebszwecks beiträgt.
24cc) Der Hinweis darauf, Frau L arbeite „gemeinsam mit Beschäftigten der Arbeitgeberin an der Verwirklichung des unternehmerischen Zwecks der Betriebsstätte in B“, ist ebenso ungeeignet für die Beurteilung ihrer Eingliederung. Maßgebend ist die gemeinsame Verwirklichung des „arbeitstechnischen“ Zwecks des Betriebs. Das erfordert - wie ausgeführt - eine Einbindung in die dort zu erledigenden operativen Aufgaben oder in die Arbeitsprozesse. Eine entsprechende Beurteilung kann nur auf der Grundlage von Feststellungen zum Betriebszweck und zu den von der betreffenden Person konkret zu erledigenden Aufgaben erfolgen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die bloße Notwendigkeit einer gewissen Rücksichtnahme auf die Zeitabläufe im Betrieb der Arbeitgeberin - etwa eine Eintragung in die im Betrieb bestehende Urlaubsliste - nicht. Ein solcher Umstand kann allenfalls ein Indiz für eine Weisungsabhängigkeit sein, ersetzt aber nicht weitergehende Feststellungen.
25III. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Herren H, S und Z sowie Frau L in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert sind. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
261. Das Landesarbeitsgericht wird seiner rechtlichen Beurteilung die personellen Einzelmaßnahmen in ihrer zum Entscheidungszeitpunkt gegenwärtigen Gestalt zugrunde zu legen haben. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG ist die Frage, ob die konkrete Maßnahme gegenwärtig und zukünftig als endgültige zulässig ist. Der Aufhebungsantrag dient der Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustands, der dadurch eingetreten ist, dass der Arbeitgeber eine konkrete personelle Einzelmaßnahme ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durchführt oder aufrechterhält. Mit der Rechtskraft eines dem Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG stattgebenden Beschlusses wird der Arbeitgeber verpflichtet, den betriebsverfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Es geht nicht darum, ob die Maßnahme bei ihrer Durchführung betriebsverfassungsrechtlich zulässig war. Ändern sich die für die Frage der Eingliederung in den Betrieb maßgebenden Umstände, ist - jedenfalls dann, wenn die Änderung noch vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Tatsacheninstanz erfolgt ist - die Maßnahme in ihrem aktuellen Zuschnitt der rechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. - Rn. 22 mwN).
272. Auf dieser Grundlage wird das Landesarbeitsgericht zunächst festzustellen haben, wem das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht in Bezug auf Inhalt, Ort und Zeit der Tätigkeit gegenüber den vier in den Anträgen genannten Personen zusteht. Liegt dieses nicht - zumindest teilweise - bei der Arbeitgeberin, scheidet ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schon aus diesem Grund aus.
283. Kommt danach das Bestehen eines Beteiligungsrechts in Betracht, werden ferner der arbeitstechnische Zweck oder die arbeitstechnischen Zwecke des Betriebs festzustellen und zu ermitteln sein, welche konkreten Aufgaben die Herren H, S und Z sowie Frau L gemeinsam mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern verrichten. Nur auf dieser Grundlage kann beurteilt werden, ob sie zur Verwirklichung des Betriebszwecks beitragen. Sämtliche maßgebenden Umstände des Einzelfalls sind einer Gesamtwürdigung zuzuführen, bei der dem Landesarbeitsgericht ein Beurteilungsspielraum zukommt.
294. Bei der vorzunehmenden Würdigung wird das Landesarbeitsgericht ferner die folgenden rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben.
30a) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin kommt es für die Frage der Eingliederung regelmäßig nicht darauf an, wie häufig die zur Verwirklichung des Betriebszwecks durchgeführten Tätigkeiten erfolgen oder wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen. Anders als bei einer Versetzung lassen sich dem Gesetz keine quantitativen oder qualitativen Vorgaben für die zu erbringenden Tätigkeiten entnehmen, die eine Eingliederung begründen (vgl. - Rn. 15; - 1 ABR 5/18 - Rn. 23 mwN, BAGE 167, 43). Deshalb ist eine Einbindung in die betrieblichen Arbeitsprozesse auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn eine Führungskraft ein weitgehend selbständig arbeitendes Team leitet und die fachliche Führung deshalb im Arbeitsalltag keinen großen Raum einnimmt ( - Rn. 37).
31b) Die für eine Einstellung erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordert weder, dass die betreffende Person ihre Tätigkeit auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet, noch muss sie in einem bestimmten zeitlichen Mindestumfang „vor Ort“ sein (vgl. - Rn. 33; - 1 ABR 13/21 - Rn. 24 mwN). Daher steht der Umstand, dass die Herren H, S und Z sowie Frau L im Ausland leben und von dort aus arbeiten, einer Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht grundsätzlich entgegen.
32c) Anders als die Arbeitgeberin meint, ist es für die Beurteilung der Frage, ob eine Eingliederung in einen im Inland gelegenen Betrieb gegeben ist, unerheblich, welchem Vertragsstatut das Arbeitsverhältnis unterliegt. Dieses hat keinerlei Auswirkungen auf die - für eine Eingliederung erforderliche - tatsächliche Integration in die betriebliche Arbeitsorganisation.
33d) Ebenso wenig scheidet eine Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG deshalb aus, weil die betreffenden Personen - möglicherweise - in einen weiteren Betrieb eingegliedert sind. Dem Betriebsverfassungsgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass eine Eingliederung nicht gleichzeitig in mehreren Betrieben möglich wäre (vgl. - Rn. 21 mwN; - 1 ABR 13/18 - Rn. 22 mwN). Aus der Entscheidung des - 7 ABR 17/20 - Rn. 34, BAGE 175, 104) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Ausführungen betreffen den Fall, dass ein Arbeitgeber denselben arbeitstechnischen Zweck in mehreren Betrieben verfolgt und der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten nur in einem dieser Betriebe verrichtet. Damit ist aber nicht die Aussage verbunden, dass ein Arbeitnehmer nicht in mehreren Betrieben eingegliedert sein kann, wenn er dort ebenfalls gemeinsam mit anderen Beschäftigten den arbeitstechnischen Zweck fördert.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:230925.B.1ABR25.24.0
Fundstelle(n):
PAAAK-06245