Vorlage zur Vorabentscheidung – Gesellschaftsrecht – Richtlinie 2004/25/EG – Öffentliches Pflichtangebot – Ausschluss von Minderheitsaktionären – Schutz von Minderheitsaktionären – Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 – Als angemessen geltende Gegenleistung – Widerlegbare Vermutung
Leitsatz
Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend Übernahmeangebote ist dahin auszulegen, dass die mit dieser Bestimmung aufgestellte Vermutung der Angemessenheit der Gegenleistung eines Pflichtangebots als widerlegbare Vermutung anzusehen ist, die unter Umständen wie denen, die in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie vorgesehen sind oder von dem betreffenden Mitgliedstaat in Umsetzung dieser Bestimmung festgelegt wurden, widerlegt werden kann, vorausgesetzt, diese Umstände sind der Aufsichtsstelle dieses Mitgliedstaats im Hinblick auf die Abänderung des Preises des vorherigen Pflichtangebots nicht zur Kenntnis gelangt oder treten erst nach Schließung dieses Angebots, wenn eine solche Abänderung nicht mehr möglich ist, zutage.
Gesetze: RL 2004/25/EG Art. 1, RL 2004/25/EG Art. 2, RL 2004/25/EG Art. 3, RL 2004/25/EG Art. 4, RL 2004/25/EG Art. 5, RL 2004/25/EG Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3, RL 2004/25/EG Art. 16
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend Übernahmeangebote (ABl. 2004, L 142, S. 12).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YO und der SVEMA TRADE d.o.o. (im Folgenden: SVEMA) über die Festsetzung der finanziellen Gegenleistung, die an die Minderheitsaktionäre der Gesellschaft HRAM Holding d.d. für den Verkauf ihrer Wertpapiere im Rahmen eines Pflichtangebots zu zahlen ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 1 bis 3 und 9 der Richtlinie 2004/25 heißt es:
Gewisse Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen sind, im Interesse der Gesellschafter und Dritter vorgeschrieben sind, bedürfen gemäß Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g) [EG] der Koordinierung, um sie gemeinschaftsweit gleichwertig zu gestalten.
Wenn Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen, Gegenstand eines Übernahmeangebots oder eines Kontrollwechsels sind und zumindest ein Teil der Wertpapiere dieser Gesellschaften zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen [ist], ist es notwendig, die Interessen der Inhaber dieser Wertpapiere zu schützen.
Es ist erforderlich, gemeinschaftsweit Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Rechtsfragen zu schaffen, die bei Übernahmeangeboten zu regeln sind, und zu vermeiden, dass die Formen der Umstrukturierung von Unternehmen in der Gemeinschaft durch willkürliche Unterschiede in der Führungs- und Managementkultur verzerrt werden.
…
Die Mitgliedstaaten sollten die notwendigen Schritte unternehmen, um Wertpapierinhaber, insbesondere Wertpapierinhaber mit Minderheitsbeteiligungen, nach einem Kontrollwechsel in ihren Gesellschaften zu schützen. Diesen Schutz sollten die Mitgliedstaaten dadurch gewährleisten, dass die Person, die die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt hat, verpflichtet wird, allen Wertpapierinhabern dieser Gesellschaft zu einem angemessenen Preis, der einheitlich definiert ist, ein Angebot zur Übernahme aller ihrer Wertpapiere zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen weitere Vorkehrungen zum Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber vorsehen können, wie etwa die Verpflichtung, ein Teilangebot zu unterbreiten, wenn der Bieter nicht die Kontrolle über die Gesellschaft erwirbt, oder die Verpflichtung, zugleich mit dem Erwerb der Kontrolle über die Gesellschaft ein Angebot zu unterbreiten.“
4 Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 enthält diese Richtlinie Maßnahmen zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Verhaltenskodizes und sonstigen Regelungen der Mitgliedstaaten einschließlich der von den amtlich befugten Marktregulierungsstellen erlassenen Regelungen für Übernahmeangebote für die Wertpapiere einer dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft, sofern alle oder ein Teil dieser Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt im Sinne der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom über Wertpapierdienstleistungen (ABl. 1993, L 141, S. 27) in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sind.
5 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
‚Übernahmeangebot‘ oder ‚Angebot‘ ist ein an die Inhaber der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes (und nicht von der Zielgesellschaft selbst abgegebenes) öffentliches Pflicht- oder freiwilliges Angebot zum Erwerb eines Teils oder aller dieser Wertpapiere, das sich an den Erwerb der Kontrolle der Zielgesellschaft im Sinne des einzelstaatlichen Rechts anschließt oder diesen Erwerb zum Ziel hat.
‚Zielgesellschaft‘ ist eine Gesellschaft, deren Wertpapiere Gegenstand eines Angebots sind.
‚Bieter‘ ist jede natürliche oder juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts, die ein Angebot abgibt.
‚Gemeinsam handelnde Personen‘ sind natürliche oder juristische Personen, die mit dem Bieter oder der Zielgesellschaft auf der Grundlage einer ausdrücklichen oder stillschweigenden, mündlich oder schriftlich getroffenen Vereinbarung zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erhalten bzw. den Erfolg des Übernahmeangebots zu vereiteln.
‚Wertpapiere‘ sind übertragbare Wertpapiere, die Stimmrechte in einer Gesellschaft verleihen.
…“
6 Art. 3 („Allgemeine Grundsätze“) Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen zur Umsetzung dieser Richtlinie sicher, dass die folgenden Grundsätze beachtet werden:
Alle Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der gleichen Gattung angehören, sind gleich zu behandeln; darüber hinaus müssen die anderen Inhaber von Wertpapieren geschützt werden, wenn eine Person die Kontrolle über eine Gesellschaft erwirbt.
…
Beim Handel mit den Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften dürfen keine Marktverzerrungen durch künstliche Beeinflussung der Wertpapierkurse und durch Verfälschung des normalen Funktionierens der Märkte herbeigeführt werden.
Ein Bieter hat vor der Ankündigung eines Angebots sicherzustellen, dass er die gegebenenfalls als Gegenleistung gebotenen Geldleistungen in vollem Umfang leisten kann, und alle gebotenen Maßnahmen zu treffen, um die Erbringung aller sonstigen Arten von Gegenleistungen zu garantieren.
…“
7 Art. 4 („Aufsichtsstelle und anwendbares Recht“) Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten benennen eine Stelle oder mehrere Stellen, die für die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs zuständig sind, soweit er durch gemäß dieser Richtlinie erlassene oder eingeführte Vorschriften geregelt wird. Als Aufsichtsstelle muss entweder eine Behörde benannt werden oder aber eine Vereinigung oder eine private Einrichtung, die nach den nationalen Rechtsvorschriften oder von den Behörden, die dazu nach den nationalen Rechtsvorschriften ausdrücklich befugt sind, anerkannt ist. Die Mitgliedstaaten teilen der [Europäischen] Kommission die von ihnen benannten Aufsichtsstellen und gegebenenfalls jede besondere Aufgabenverteilung mit. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufsichtsstellen ihre Aufgaben unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots erfüllen.“
8 Art. 5 („Schutz der Minderheitsaktionäre, Pflichtangebot und angemessener Preis“) Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 2004/25 sieht vor:
„(1) Hält eine natürliche oder juristische Person infolge ihres alleinigen Erwerbs oder des Erwerbs durch gemeinsam mit ihr handelnde Personen Wertpapiere einer Gesellschaft im Sinne des Artikels 1 Absatz 1, die ihr bei Hinzuzählung zu etwaigen von ihr bereits mittels solcher Wertpapiere gehaltenen Beteiligungen und den Beteiligungen der gemeinsam mit ihr handelnden Personen unmittelbar oder mittelbar einen bestimmten, die Kontrolle begründenden Anteil an den Stimmrechten dieser Gesellschaft verschaffen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Person zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots verpflichtet ist. Dieses Angebot wird unverzüglich allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem im Sinne des Absatzes 4 angemessenen Preis unterbreitet.
…
(3) Der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 begründet, und die Art der Berechnung dieses Anteils bestimmen sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.
(4) Als angemessener Preis gilt der höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Absatz 1 für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Erwirbt der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person nach Bekanntmachung des Angebots und vor Ablauf der Annahmefrist Wertpapiere zu einem höheren als dem Angebotspreis, so muss der Bieter sein Angebot mindestens auf den höchsten Preis erhöhen, der für die dergestalt erworbenen Wertpapiere gezahlt wurde.
Sofern die allgemeinen Grundsätze nach Artikel 3 Absatz 1 eingehalten werden, können die Mitgliedstaaten ihre Aufsichtsstellen ermächtigen, den in Unterabsatz 1 genannten Preis unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten Kriterien abzuändern. Hierzu können sie in einer Liste festlegen, unter welchen Voraussetzungen der Höchstpreis nach oben oder nach unten korrigiert werden darf: wenn beispielsweise der Höchstpreis in einer Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer gemeinsam festgelegt worden ist, wenn die Marktpreise der betreffenden Wertpapiere manipuliert worden sind, wenn die Marktpreise allgemein oder im Besonderen durch außergewöhnliche Umstände beeinflusst worden sind, oder um die Rettung eines Unternehmens in Schwierigkeiten zu ermöglichen. Sie können auch die in diesen Fällen heranzuziehenden Kriterien bestimmen: beispielsweise den durchschnittlichen Marktwert während eines bestimmten Zeitraums, den Liquidationswert der Gesellschaft oder andere objektive Bewertungskriterien, die allgemein in der Finanzanalyse verwendet werden.
Jede Entscheidung der Aufsichtsstellen zur Änderung des angemessenen Preises muss begründet und bekannt gemacht werden.“
9 Art. 15 („Ausschluss von Minderheitsaktionären“) der Richtlinie 2004/25 lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Anschluss an ein an alle Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft gerichtetes Angebot für sämtliche Wertpapiere die Absätze 2 bis 5 gelten.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Bieter von allen verbleibenden Wertpapierinhabern verlangen kann, dass sie ihm ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis verkaufen. Die Mitgliedstaaten führen dieses Recht ein, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt:
Der Bieter hält entweder Wertpapiere, die mindestens 90 % des stimmberechtigten Kapitals der Zielgesellschaft und 90 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft entsprechen,
oder
er hat durch Annahme des Angebots Wertpapiere erworben oder sich fest vertraglich verpflichtet, solche Wertpapiere zu erwerben, die mindestens 90 % des stimmberechtigten Kapitals der Zielgesellschaft und 90 % der vom Angebot betroffenen Stimmrechte entsprechen.
Die Mitgliedstaaten können im Fall des Buchstabens a) einen höheren Schwellenwert festlegen, der jedoch 95 % des stimmberechtigten Kapitals und 95 % der Stimmrechte nicht überschreiten darf.
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Vorschriften in Kraft sind, nach denen sich berechnen lässt, wann der Schwellenwert erreicht ist.
Hat die Zielgesellschaft mehrere Wertpapiergattungen begeben, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass das Ausschlussrecht nur in der Gattung ausgeübt werden kann, in der der in Absatz 2 festgelegte Schwellenwert erreicht ist.
(4) Beabsichtigt der Bieter das Ausschlussrecht auszuüben, so hat er dies innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der in Artikel 7 genannten Frist für die Annahme des Angebots zu tun.
(5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird. Diese Abfindung muss dieselbe Form aufweisen wie die Gegenleistung des Angebots oder in Form einer Geldleistung erfolgen. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zumindest wahlweise eine Geldleistung angeboten werden muss.
Bei einem freiwilligen Angebot in den in Absatz 2 Buchstaben a) und b) vorgesehenen Fällen gilt die im Angebot angebotene Abfindung dann als angemessen, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen stimmberechtigten Kapitals entsprechen.
Bei einem Pflichtangebot gilt die Gegenleistung des Angebots als angemessen.“
10 Art. 16 („Andienungsrecht“) der Richtlinie 2004/25 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Anschluss an ein an alle Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft gerichtetes Angebot für sämtliche Wertpapiere die Absätze 2 und 3 Anwendung finden.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Inhaber verbleibender Wertpapiere von dem Bieter verlangen kann, dass er seine Wertpapiere gemäß den Bedingungen des Artikels 15 Absatz 2 zu einem angemessenen Preis erwirbt.
(3) Die Bestimmungen des Artikels 15 Absätze 3 bis 5 gelten entsprechend.“
Slowenisches Recht
11 Art. 68 des Zakon o prevzemih (Übernahmegesetz) vom (Uradni list RS, Nr. 79/06) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Übernahmegesetz) sieht vor:
„(1) Auf den Ausschluss von Minderheitsaktionären einer Zielgesellschaft, an der der Übernehmer mindestens 90 % der gesamten stimmberechtigten Aktien dieser Gesellschaft erworben hat und diesen Anteil durch die Annahme eines erfolgreichen Pflichtangebots oder durch die Annahme eines freiwilligen Angebots erworben hat, das von den Inhabern von mindestens 90 % der stimmberechtigten Aktien der Zielgesellschaft angenommen wurde, auf die sich dieses Angebot bezog, finden die den Ausschluss von Minderheitsaktionären regelnden Bestimmungen des Gesetzes über die Handelsgesellschaften Anwendung, sofern nicht in Abs. 2 dieses Artikels etwas anderes bestimmt ist.
(2) Wenn die Hauptversammlung der Zielgesellschaft auf Antrag des Übernehmers in seiner Eigenschaft als Hauptaktionär innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Ergebnisses des im vorigen Absatz genannten Übernahmeangebots einen Beschluss über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär verabschiedet, hat der Übernehmer anstelle des im Gesetz über die Handelsgesellschaften geregelten Geldbetrags eine Abfindung der im Übernahmeangebot genannten Art und Höhe anzubieten.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
12 YO ist Minderheitsaktionär der Hram Holding, deren Aktien an der slowenischen Börse notiert sind.
13 SVEMA, die ursprünglich 19,77 % der Aktien der HRAM Holding hielt, wurde Mehrheitsaktionärin, nachdem sie am eine zusätzliche Beteiligung in Höhe von 67,56 % der Anteile der HRAM Holding erworben hatte. Da die Beteiligung von SVEMA am Kapital der HRAM Holding damit den von der slowenischen Regelung vorgesehenen Schwellenwert für die Kontrolle überschritten hatte, wurde ihr von der slowenischen Aufsichtsbehörde für den Wertpapiermarkt die Genehmigung erteilt, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten, was sie am tat. Infolge dieses Angebots wurde SVEMA Inhaberin von 90,51 % der Aktien der HRAM Holding.
14 Da das Angebot somit im Sinne von Art. 68 des Übernahmegesetzes erfolgreich war, verabschiedete die Hauptversammlung der HRAM Holding auf Vorschlag von SVEMA innerhalb von drei Monaten nach diesem Erwerb den Beschluss, dass die Minderheitsaktionäre der HRAM Holding ihre Aktien gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe des im Übernahmeangebot von SVEMA für jeweils eine Aktie festgelegten Betrags an SVEMA verkaufen.
15 Das Okrožno sodišče v Ljubljani (Regionalgericht Ljubljana, Slowenien), das vorlegende Gericht, ist mit einer Klage von YO befasst, die auf gerichtliche Festlegung des angemessenen finanziellen Ausgleichs gerichtet ist, den SVEMA den Minderheitsaktionären der HRAM Holding für die verpflichtende Übernahme ihrer Aktien aufgrund des Andienungsrechts zu zahlen hat.
16 In dem beim vorlegenden Gericht eingeleiteten Verfahren wurde durch Beschluss vom ein gemeinsamer Vertreter der Minderheitsaktionäre der HRAM Holding bestellt. Dieser schloss sich dem Vorbringen von YO in der Klageschrift an.
17 Das vorlegende Gericht fragt nach der Auslegung von Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25, um Art. 68 des Übernahmegesetzes auszulegen, mit dem diese Richtlinie in slowenisches Recht umgesetzt wurde. Insbesondere sei zu klären, ob die durch Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie aufgestellte Vermutung als widerlegbar oder als unwiderlegbar anzusehen sei. Allein anhand des Wortlauts der Bestimmung lasse sich diese Frage in Anbetracht der zwischen den unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie bestehenden Diskrepanzen nicht beantworten.
18 Unter diesen Umständen hat das Okrožno sodišče v Ljubljani (Regionalgericht Ljubljana) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Vermutung als unwiderlegbar oder widerlegbar zu deuten ist?
Wenn die genannte Vermutung einer angemessenen Abfindung als widerlegbar zu deuten ist, ist diese Widerlegbarkeit unbeschränkt oder eventuell auf spezifische Umstände beschränkt?
Zu den Vorlagefragen
19 Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 dahin auszulegen ist, dass die mit dieser Bestimmung aufgestellte Vermutung der Angemessenheit der Gegenleistung eines Pflichtangebots für den Erwerb von Wertpapieren einer Gesellschaft als widerlegbare Vermutung anzusehen ist und, sofern dies der Fall ist, unter welchen Voraussetzungen diese Voraussetzung als widerlegt anzusehen ist.
20 Gemäß Art. 15 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/25 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass im Anschluss an ein an alle Wertpapierinhaber der betreffenden Gesellschaft gerichtetes Übernahmeangebot für sämtliche Wertpapiere ein Bieter unter bestimmten Bedingungen von allen verbleibenden Wertpapierinhabern verlangen kann, dass sie ihm ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis verkaufen. Insoweit sieht Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie vor, dass bei einem Pflichtangebot im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie „die Gegenleistung des Angebots als angemessen [gilt]“.
21 Obgleich sich Art. 15 Abs. 5 der Richtlinie 2004/25 ausdrücklich auf eine Vermutung bezieht, stellt er nicht klar, ob diese Vermutung widerlegbar oder unwiderlegbar ist.
22 Einige Sprachfassungen dieses Absatzes, wie die griechische, die englische, die französische oder die portugiesische, beziehen sich auf eine Vermutung, ohne sie der Art nach zu konkretisieren. Demgegenüber wird in anderen Sprachfassungen dieses Absatzes, u.a. in der spanischen, der deutschen und der italienischen oder, wie das vorlegende Gericht anführt, in der slowenischen Sprachfassung ein Verb verwendet, das darauf hindeutet, dass die dort vorgesehene Vermutung unwiderlegbar ist.
23 Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstexts der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift somit nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile vom , Bouchereau, 30/77, EU:C:1977:172, Rn. 14, und vom , Celní jednatelství Zelinka, C‑330/24, EU:C:2025:296, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Zur Beantwortung der Vorlagefragen ist Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 daher im Hinblick auf die allgemeine Systematik und den Zweck dieser Richtlinie auszulegen.
25 Zur allgemeinen Systematik der Richtlinie 2004/25 ist darauf hinzuweisen, dass darin für den Fall, dass eine natürliche oder juristische Person die Kontrolle über eine von der Richtlinie erfasste Gesellschaft erwirbt, ein zweistufiges Verfahren vorgesehen ist, das zum Erwerb sämtlicher Aktien dieser Gesellschaft führen kann.
26 Als Erstes stellt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 den Grundsatz des Pflichtangebots für den Erwerb der Anteilsscheine einer gegebenen Gesellschaft auf. Danach müssen die Mitgliedstaaten, wenn eine natürliche oder juristische Person Wertpapiere hält, die ihr die Kontrolle über eine unter die Richtlinie fallende Gesellschaft verschaffen, sicherstellen, dass diese Person zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots für alle von den Wertpapierinhabern gehaltenen Wertpapiere zu einem im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie „angemessenen Preis“ verpflichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 29, und vom , Euromin Holdings [Cyprus], C‑735/19, EU:C:2020:1014, Rn. 43).
27 Als Zweites sieht Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2004/25 bezogen auf die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, die dieses Angebot nicht angenommen haben, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit für den Bieter vor, einen „Ausschluss von Minderheitsaktionären“ in Bezug auf eben diese Wertpapierinhaber zu bewirken, indem er von ihnen den Verkauf ihrer Wertpapiere an sich verlangt. Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie sieht im Übrigen für jeden Inhaber der verbleibenden Wertpapiere der betreffenden Gesellschaft das entsprechende Recht vor, vom Bieter den Erwerb seiner Wertpapiere zu verlangen.
28 Wie bereits in Rn. 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, sieht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 vor, dass der den Minderheitsaktionären im Rahmen eines Pflichtangebots für ihre Aktien angebotene Preis „angemessen“ sein muss. Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie sehen ihrerseits vor, dass der Ausschluss der verbleibenden Wertpapierinhaber einer unter diese Richtlinie fallenden Gesellschaft bzw. das Andienungsrecht für diese Wertpapiere „zu einem angemessenen Preis“ zu erfolgen hat.
29 Insoweit ist es, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ohne Belang, dass in einigen Sprachfassungen der Richtlinie 2004/25 für die Charakterisierung des in Art. 5 Abs. 1 und 4 der Richtlinie genannten „Preises“ ein anderes Adjektiv gewählt wurde als für die Charakterisierung des in Art. 15 Abs. 2 und 5 sowie in Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie genannten Preises.
30 In anderen Sprachfassungen der Richtlinie 2004/25 wird nämlich zur Charakterisierung dieses „Preises“ ein und dasselbe Adjektiv verwendet und – soweit dies nicht der Fall ist – handelt es sich bei den beiden verwendeten Adjektiven um Synonyme, wie beispielsweise in der französischen Sprachfassung der Bestimmungen, die die Adjektive „équitable“ (fair) und „juste“ (angemessen) verwendet.
31 Für die Bestimmung des „angemessenen“ Preises, der als Gegenleistung für den Erwerb der Wertpapiere der Minderheitsaktionäre einer Gesellschaft zu zahlen ist, wählt die Richtlinie 2004/25 in erster Linie eine objektive Methode.
32 So gilt nach Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/25 als angemessener Preis in erster Linie der höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 30, und vom , Euromin Holdings [Cyprus], C‑735/19, EU:C:2020:1014, Rn. 44).
33 Der so berechnete angemessene Preis gilt auch als angemessener Preis im Sinne von Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 in Bezug auf den Ausschluss von Minderheitsaktionären, auf den auch Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie zum Andienungsrecht verweist.
34 Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 sieht allerdings vor, dass die Mitgliedstaaten, sofern die allgemeinen Grundsätze nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie eingehalten werden, ihre in Art. 4 der Richtlinie genannten Aufsichtsstellen ermächtigen können, den in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie genannten angemessenen Preis unter bestimmten Voraussetzungen nach festgelegten Kriterien abzuändern. Hierzu können die Mitgliedstaaten zum einen in einer Liste festlegen, unter welchen Voraussetzungen dieser Preis nach oben oder nach unten korrigiert werden darf, und zum anderen die Kriterien bestimmen, die in den in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie beispielhaft aufgezählten Fällen heranzuziehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 31, und vom , Euromin Holdings [Cyprus], C‑735/19, EU:C:2020:1014, Rn. 45).
35 Die Richtlinie 2004/25 erkennt somit an, dass sich ein Preis für den Erwerb von Wertpapieren der Minderheitsaktionäre einer von der Richtlinie erfassten Gesellschaft, der im Rahmen eines Pflichtangebots vorgeschlagen und auf Grundlage der in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie festgelegten objektiven Methode berechnet wurde, unter bestimmten Umständen als nicht „angemessen“ erweisen und eine Abänderung erfordern kann.
36 Daraus folgt, dass eine Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sich Art. 15 Abs. 5 der Richtlinie 2004/25 einfügt, für eine Auslegung dieser Bestimmung in dem Sinne spricht, dass die darin aufgestellte Vermutung unter bestimmten Umständen widerlegt werden kann.
37 Es ist nämlich möglich, dass die Umstände, die im Einklang mit der den Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie eingeräumten Befugnis eine Korrektur des Preises eines Pflichtangebots nach oben oder nach unten durch die Aufsichtsstellen hätten rechtfertigen können, diesen Stellen im Hinblick auf die Durchführung einer solchen Korrektur nicht zur Kenntnis gelangt sind oder dass sie erst nach Schließung des Angebots zutage treten, wenn eine solche Korrektur nicht mehr möglich ist.
38 Zudem wäre es, wenn ein Mitgliedstaat von dieser Befugnis keinen Gebrauch macht, nicht möglich, den im Rahmen eines Pflichtangebots vorgeschlagenen Preis abzuändern, selbst wenn Umstände wie die in der genannten Bestimmung angeführten vorlägen, die eine Korrektur dieses Preises rechtfertigen würden. In diesen Fällen lässt sich nur über eine Widerlegung der in Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 aufgestellten Vermutung sicherstellen, dass der Preis eines Angebots, das im Rahmen des Ausschlusses von Minderheitsaktionären oder des Andienungsrechts abgegeben wurde, „angemessen“ ist, wie in den Art. 15 und 16 der Richtlinie verlangt wird.
39 Es wäre darüber hinaus widersinnig, anzunehmen, dass – obgleich die Richtlinie 2004/25 die Möglichkeit anerkennt, den Preis abzuändern, der im Rahmen eines Pflichtangebots, also eines Angebots, das jeder Aktionär letztlich ablehnen kann, vorgeschlagen wird – in Konstellationen, in denen die Aktionäre im Rahmen eines Ausschlusses von Minderheitsaktionären zum Verkauf ihrer Aktien verpflichtet sind oder der Mehrheitsaktionär im Rahmen eines Andienungsrechts zum Ankauf ihrer Aktien verpflichtet ist, keine Möglichkeit besteht, den Preis für den Erwerb unter Widerlegung der in Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie aufgestellten Vermutung abzuändern.
40 Eine Berücksichtigung des von der Richtlinie 2004/25 verfolgten Ziels spricht ebenfalls für eine Widerlegbarkeit der Vermutung.
41 Wie nämlich aus den Erwägungsgründen 1 bis 3 und 9 der Richtlinie 2004/25 hervorgeht, soll sie die Interessen der Inhaber von Wertpapieren von Gesellschaften schützen, in denen eine natürliche oder juristische Person die Kontrolle übernommen hat, und zielt sie in dieser Hinsicht darauf ab, Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Bestimmungen für Übernahmeangebote zu schaffen (Urteil vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 24).
42 Überdies gehört der Grundsatz, dass die anderen Inhaber von Wertpapieren geschützt werden müssen, wenn eine Person die Kontrolle über eine Gesellschaft erwirbt, zu den in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 aufgeführten Grundsätzen, die bei ihrer Umsetzung zu beachten und in dieser Bestimmung als „allgemeine Grundsätze“ eingestuft sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 26).
43 Es liefe diesem Ziel des Schutzes der Inhaber von Wertpapieren zuwider, wenn man zuließe, dass sie im Rahmen des Ausschlusses von Minderheitsaktionären verpflichtet werden könnten, ihre Wertpapiere zu dem in einem Pflichtangebot angegebenen Preis an die Person zu verkaufen, die die Kontrolle über die betreffende Gesellschaft erworben hat, ohne dass eine Möglichkeit bestünde, die Angemessenheit eben dieses Preises in Frage zu stellen, und dies, obwohl die Richtlinie 2004/25 in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 anerkennt, dass es unter bestimmten Umständen erforderlich sein kann, einen solchen Preis abzuändern, um seine Angemessenheit sicherzustellen.
44 In Bezug auf die Umstände, unter denen die in Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 aufgestellte Vermutung als widerlegt angesehen werden kann, ist, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Zusammenhang zu berücksichtigen, den die Richtlinie zwischen dem im Pflichtangebot vorgesehenen Preis und demjenigen herstellt, zu dem die verbleibenden Wertpapiere, auf die sich ein Ausschluss von Minderheitsaktionären oder ein Andienungsrecht bezieht, erworben werden müssen.
45 Wie in Rn. 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, räumt Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 den Mitgliedstaaten unter Einhaltung der allgemeinen Grundsätze nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie die Befugnis ein, ihre Aufsichtsstellen zu ermächtigen, den Preis eines Pflichtangebots unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten Kriterien abzuändern, von denen in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie einige Beispiele aufgeführt sind. Diese Befugnis hindert die Mitgliedstaaten allerdings nicht daran, bei der Regelung, die sie zur Umsetzung der zuletzt genannten Bestimmung erlassen, auf abstrakte Rechtsbegriffe zurückzugreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Marco Tronchetti Provera u.a., C‑206/16, EU:C:2017:572, Rn. 37 bis 42).
46 Wenn ein Mitgliedstaat diese Befugnis ausgeübt und die Umstände festgelegt hat, unter denen eine Abänderung des Preises eines Pflichtangebots vorgenommen werden kann, ist davon auszugehen, dass diese Umstände die Widerlegung der in Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 aufgestellten Vermutung rechtfertigen können, sofern ihr Vorliegen nachgewiesen ist, vorausgesetzt, dass sie der Aufsichtsstelle des Mitgliedstaats nicht zur Kenntnis gelangt sind oder erst nach Schließung des Angebots zutage treten, wenn eine solche Abänderung nicht mehr möglich ist.
47 Für den Fall, dass der Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 eingeräumten Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, ist ferner festzustellen, dass die Beispiele für außergewöhnliche Umstände, die eine Abänderung des Preises eines Pflichtangebots rechtfertigen können, sowie die unter solchen Umständen heranzuziehenden Kriterien, die in dieser Bestimmung vorgesehen sind, auch die Widerlegung der in Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie aufgestellten Vermutung rechtfertigen können.
48 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25 dahin auszulegen ist, dass die mit dieser Bestimmung aufgestellte Vermutung der Angemessenheit der Gegenleistung eines Pflichtangebots als widerlegbare Vermutung anzusehen ist, die unter Umständen wie denen, die in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie vorgesehen sind oder von dem betreffenden Mitgliedstaat in Umsetzung dieser Bestimmung festgelegt wurden, widerlegt werden kann, vorausgesetzt, diese Umstände sind der Aufsichtsstelle dieses Mitgliedstaats im Hinblick auf die Abänderung des Preises des vorherigen Pflichtangebots nicht zur Kenntnis gelangt oder treten erst nach Schließung dieses Angebots, wenn eine solche Abänderung nicht mehr möglich ist, zutage.
Kosten
49 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 15 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend Übernahmeangebote
ist dahin auszulegen, dass
die mit dieser Bestimmung aufgestellte Vermutung der Angemessenheit der Gegenleistung eines Pflichtangebots als widerlegbare Vermutung anzusehen ist, die unter Umständen wie denen, die in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie vorgesehen sind oder von dem betreffenden Mitgliedstaat in Umsetzung dieser Bestimmung festgelegt wurden, widerlegt werden kann, vorausgesetzt, diese Umstände sind der Aufsichtsstelle dieses Mitgliedstaats im Hinblick auf die Abänderung des Preises des vorherigen Pflichtangebots nicht zur Kenntnis gelangt oder treten erst nach Schließung dieses Angebots, wenn eine solche Abänderung nicht mehr möglich ist, zutage.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:920
Fundstelle(n):
HAAAK-06145