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BGH Beschluss v. - IX ZB 14/24

Instanzenzug: LG München I Az: 14 T 1353/24vorgehend Az: 1509 IN 2357/23

Gründe

A.

1Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Beteiliger zu 1) ist Gläubiger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er begehrt die Aufhebung eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffenen Beschlusses über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger sowie über dessen Vergütung und (beschränkte) Haftung.

2Die Schuldnerin war im Immobiliengeschäft tätig. Ihre Geschäftstätigkeit finanzierte sie über Inhaberschuldverschreibungen. Unter anderem begab sie am die "                    Anleihe 2019/2024" mit einem Emissionsvolumen von bis zu 40.000.000 €, einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Zinskupon von 5,5 % pro Jahr. Der Beteiligte zu 1 hält Teilschuldverschreibungen im Nennwert von 193.000 €.

3Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom gleichen Tage berief das Insolvenzgericht eine Versammlung der Anleihegläubiger ein. Die Tagesordnung sah eine Beschlussfassung "über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung" vor. Einzige Bewerberin für das Amt des gemeinsamen Vertreters war die weitere Beteiligte zu 3 (fortan: Beteiligte zu 3), eine Gesellschaft mit nach Schweizer Recht beschränkter Haftung und Sitz in Genf.

4In der Versammlung der Anleihegläubiger am waren Inhaber von Teilschuldverschreibungen im Nennwert von gut 14.000.000 € erschienen oder vertreten, darunter der Beteiligte zu 1. Mit einer Mehrheit von 59,01 % der abgegebenen Stimmen (absolut 7.724.000 €) bestellte die Versammlung die Beteiligte zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin. Zudem wurde die Vergütung der Beteiligten zu 3 in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt und ihre Haftung inhaltlich und der Höhe nach begrenzt. Noch in der Versammlung der Anleihegläubiger beantragte der Beteiligte zu 1 die Aufhebung des getroffenen Beschlusses.

5Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1 abgelehnt. Dessen sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beteiligte zu 1 weiterhin die Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger sowie über deren Vergütung und (beschränkte) Haftung.

B.

6Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

I.

7Das Beschwerdegericht hat gemeint, die zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 sei unbegründet.

8Die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 Abs. 1 InsO komme nur in Betracht, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche. Die Frage, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche, obliege der Beurteilung durch das Insolvenzgericht. Ein Beschluss, der für alle Gläubigergruppen ähnliche Chancen und Risiken enthalte, solle nicht mit Erfolg angegriffen werden können. Ein Widerspruch zum gemeinsamen Gläubigerinteresse liege aber immer dann vor, wenn der Beschluss einseitig dem Sonderinteresse eines Gläubigers oder einer Gläubigergruppe auf Kosten des Gesamtinteresses aller Gläubiger Rechnung trage.

9Voraussetzung für einen Antrag nach § 78 InsO sei ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung. Einen solchen habe das Insolvenzgericht zutreffend bejaht. Insbesondere könne ein gemeinsamer Vertreter in der Insolvenz des Schuldners gemäß § 19 Abs. 2 SchVG auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen bestellt werden. Auch führe die fehlende Vorabveröffentlichung des konkreten Beschlussvorschlags im Rahmen des Einberufungsbeschlusses nicht zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlussfassung. Die bekanntgemachte Tagesordnung habe den Gläubigern die Wahrnehmung ihrer Rechte und die Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung in hinreichendem Maße ermöglicht. Schließlich sei der in Rede stehende Tagesordnungspunkt auch nicht zu weitgehend. Eine Erweiterung um Fragen der Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters sei in höchstem Maße sinnvoll und prozessökonomisch.

10Der Beschwerde könne nicht darin gefolgt werden, die Beteiligte zu 3 sei für die Amtsführung schon deshalb ungeeignet, weil es sich bei dieser nicht um eine inländische juristische Person handele und das verwendete Verfahren der Quotenverteilung für die Anleihegläubiger nachteilig sei. Gleiches gelte für den Einwand, die Sachkunde der Beteiligten zu 3 sei nicht nachgewiesen worden. Zu den seitens der Beschwerde benannten angeblichen Beispielsfällen einer "ungeeigneten" Amtsführung der Beteiligten zu 3 in der Vergangenheit habe sich das Amtsgericht zutreffend positioniert. Dem sei nichts hinzuzufügen.

11Schließlich seien die getroffene Vergütungsregelung und die Haftungsbegrenzung auch inhaltlich zutreffend. Der Gesetzgeber schreibe in § 7 Abs. 6 SchVG lediglich vor, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters angemessen zu sein habe und überlasse es den Parteien, die Höhe des Anspruchs innerhalb dieser Grenzen zu konkretisieren. Dies könne nach dem Vorbild der Regelungen des RVG erfolgen. Dass die Gläubiger die Haftung des gemeinsamen Vertreters beschränken könnten, folge unmittelbar aus § 7 Abs. 3 SchVG. Ausweislich der Gesetzesmaterialien solle dies auch die Möglichkeit eines gänzlichen Haftungsausschlusses beinhalten.

II.

12Das hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Soweit der Beteiligte zu 1 die Eignung der Beteiligten zu 3 für das Amt der gemeinsamen Vertreterin in verschiedener Hinsicht in Abrede gestellt und geltend gemacht hat, die Beteiligte zu 3 biete keine Gewähr dafür, dass sie ihr Amt im Interesse der Anleihegläubiger ausüben werde, hat das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Im Übrigen bleiben die Angriffe der Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Dies hat der Senat im hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses und den zugrundeliegenden Anleihebedingungen gleich gelagerten Fall der "            Anleihe 2020/2025" mit Beschluss vom heutigen Tage näher ausgeführt und begründet (IX ZB 10/24, zVb Rn. 12 ff.). Diese Ausführungen gelten auch hier.

III.

13Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 572 Abs. 3 ZPO analog; vgl. , NZI 2019, 457 Rn. 24 mwN). Dieses wird erneut zu prüfen haben, ob sich ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger daraus ergibt, dass die Beteiligte zu 3 für das Amt des gemeinsamen Vertreters ungeeignet ist. Dabei werden im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch die weiteren, gegen die Eignung der Beteiligten zu 3 vorgebrachten Umstände (insbesondere irreführende Werbung eines mit der Beteiligten zu 3 verbundenen Unternehmens und ungeeignetes Verfahren zur Weiterleitung von Quotenzahlungen) zu berücksichtigen sein.

Schoppmeyer                        Röhl                        Schultz

                        Weinland                    Kunnes

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:161025BIXZB14.24.0

Fundstelle(n):
FAAAK-06043