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EuGH Urteil v. - C-678/23

Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 89/391/EWG – Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit – Art. 9 – Pflichten der Arbeitgeber – Einstufung der Arbeitsplätze nach Maßgabe der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Risikofaktoren für ihre Sicherheit und Gesundheit – Art. 11 Abs. 6 – Rechtsbehelf bei der für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständigen Behörde – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz

Leitsatz

Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit

sind dahin auszulegen, dass

sie auf eine nationale Regelung in der Auslegung durch die nationalen Gerichte keine Anwendung finden, die es einem Arbeitnehmer verwehrt, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige nationale Behörde zu wenden oder ein nationales Gericht anzurufen, um die in dieser Regelung vorgesehene Einstufung seines Arbeitsplatzes nach Maßgabe der über das normale Risiko hinausgehenden Gefahren für seine Gesundheit, denen er dort ausgesetzt ist, feststellen oder überprüfen zu lassen, und um aufgrund dieser neuen Einstufung zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub zu erhalten.

Gesetze: EUGrdRCh Art. 31 Abs. 1, EUGrdRCh Art. 47, RL 89/391/EWG Art. 9, RL 89/391/EWG Art. 11 Abs. 6

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) sowie von Art. 31 Abs. 1 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen JU und dem Spitalul Clinic de Pneumoftiziologie Iaşi (Klinisches Krankenhaus für Pneumologie und Physiopathologie der Atemwege in Iași, Rumänien, im Folgenden: Krankenhaus) über die Einstufung der beruflichen Tätigkeit von JU als Tätigkeit, durch die sie besonderen Gefahren für ihre Sicherheit und ihre Gesundheit ausgesetzt ist. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht Richtlinie 89/391

3 Art. 1 („Ziel der Richtlinie“) der Richtlinie 89/391 sieht vor:

„(1)  Ziel dieser Richtlinie ist die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz.

(2)  Sie enthält zu diesem Zweck allgemeine Grundsätze für die Verhütung berufsbedingter Gefahren, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz, die Ausschaltung von Risiko- und Unfallfaktoren, die Information, die Anhörung, die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken, die Unterweisung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter sowie allgemeine Regeln für die Durchführung dieser Grundsätze.

(3)  Diese Richtlinie berührt nicht bereits geltende oder künftige nationale und gemeinschaftliche Bestimmungen, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz günstiger sind.“

4 Art. 4 dieser Richtlinie lautet:

„(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen, um zu gewährleisten, dass die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmervertreter den für die Anwendung dieser Richtlinie erforderlichen Rechtsvorschriften unterliegen.

(2)  Die Mitgliedstaaten tragen insbesondere für eine angemessene Kontrolle und Überwachung Sorge.“

5 Art. 5 („Allgemeine Vorschrift“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen.“

6 Art. 9 („Sonstige Pflichten des Arbeitgebers“) der Richtlinie sieht vor:

„(1)  Der Arbeitgeber muss

a)

über eine Evaluierung der am Arbeitsplatz bestehenden Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit auch hinsichtlich der besonders gefährdeten Arbeitnehmergruppen verfügen;

b)

die durchzuführenden Schutzmaßnahmen und, falls notwendig, die zu verwendenden Schutzmittel festlegen;

c)

eine Liste der Arbeitsunfälle, die einen Arbeitsunfall von mehr als drei Arbeitstagen für den Arbeitnehmer zur Folge hatten, führen;

d)

für die zuständige Behörde im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken Berichte über die Arbeitsunfälle ausarbeiten, die die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer erlitten haben.

(2)  Die Mitgliedstaaten legen unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Größe der Unternehmen die Pflichten der verschiedenen Unternehmenskategorien betreffend die Erstellung der in Absatz 1 Buchstaben a) und b) vorgesehenen Dokumente und bei der Erstellung der in Absatz 1 Buchstaben c) und d) genannten Dokumente fest.“

7 Art. 11 („Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer“) Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391 lautet:

„Die Arbeitnehmer bzw. ihre Vertreter haben das Recht, sich gemäß den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen.“

Richtlinie 2003/88/EG

8 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sieht vor:

„(1)  Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2)  Gegenstand dieser Richtlinie sind

a)

die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie

b)

bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.

(3)  Diese Richtlinie gilt unbeschadet ihrer Artikel 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG.

(4)  Die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG finden unbeschadet strengerer und/oder spezifischer Vorschriften in der vorliegenden Richtlinie auf die in Absatz 2 genannten Bereiche voll Anwendung.“

9 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

9.

ausreichende Ruhezeiten: die Arbeitnehmer müssen über regelmäßige und ausreichend lange und kontinuierliche Ruhezeiten verfügen, deren Dauer in Zeiteinheiten angegeben wird, damit sichergestellt ist, dass sie nicht wegen Übermüdung oder wegen eines unregelmäßigen Arbeitsrhythmus sich selbst, ihre Kollegen oder sonstige Personen verletzen und weder kurzfristig noch langfristig ihre Gesundheit schädigen.“

10 Art. 7 („Jahresurlaub“) der Richtlinie sieht vor:

„(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2)  Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

11 Art. 15 („Günstigere Vorschriften“) der Richtlinie lautet:

„Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.“

Rumänisches Recht

Arbeitsgesetzbuch

12 Art. 147 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs lautet:

„Beschäftigte, die unter schwierigen, gefährlichen oder schädlichen Bedingungen arbeiten, Blinde, andere Personen mit Behinderung und Jugendliche unter 18 Jahren haben das Recht auf einen zusätzlichen Jahresurlaub von mindestens drei Arbeitstagen.“

Gesetz Nr. 319/2006

13 Art. 12 Abs. 1 und 2 der Legea nr. 319/2006 a securităţii şi sănătăţii în muncă (Gesetz Nr. 319/2006 über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 646 vom ) bestimmt:

„(1)  Der Arbeitgeber hat folgende Pflichten:

a)

eine Evaluierung der am Arbeitsplatz bestehenden Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit auch hinsichtlich der für spezifische Risiken anfälligen Gruppen vorzunehmen und darüber zu verfügen;

b)

die durchzuführenden Schutzmaßnahmen und, falls notwendig, die zu verwendende Schutzausrüstung festzulegen;

(2)  Durch Verfügung des Ministers für Arbeit, soziale Solidarität und Familie werden je nach Art der Tätigkeiten und der Größe der Unternehmen die Pflichten der verschiedenen Unternehmenskategorien in Bezug auf die Erstellung der in Abs. 1 genannten Unterlagen festgelegt.“

14 Art. 18 Abs. 7 dieses Gesetzes sieht vor:

„Die Arbeitnehmervertreter, die besondere Zuständigkeiten im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer haben, und/oder die Arbeitnehmer haben das Recht, sich an die zuständigen Behörden zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und eingesetzten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen.“

15 Art. 39 Abs. 4 des Gesetzes bestimmt:

„Jeder Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b … stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von 4.000 bis 8.000 [rumänischen Lei (RON) (etwa 860 bis 1.720 Euro)] geahndet wird.“

Regelungen auf dem Gebiet der Renten und der sozialen Sicherheit, die die Einstufung von Arbeitsplätzen nach Maßgabe der Gefahren festlegen, denen der Arbeitnehmer dort ausgesetzt ist

  • Aufeinanderfolgende Gesetze auf diesem Gebiet

16 Vor dem Inkrafttreten der Legea nr. 19/2000 privind sistemul public de pensii şi alte drepturi de asigurări sociale (Gesetz Nr. 19/2000 über das öffentliche Rentensystem und andere Sozialversicherungsansprüche) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 140 vom ) am wurden Arbeitsplätze nach den für Altersrenten geltenden rumänischen Rechtsvorschriften in drei Gruppen eingeteilt. Die Arbeitsgruppe I umfasste die Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer sehr schädlichen, sehr schwierigen oder sehr gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren, die Arbeitsgruppe II die Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer schädlichen, schwierigen oder gefährlichen Bedingungen ausgesetzt waren, und die Arbeitsgruppe III die übrigen Arbeitsplätze.

17 Art. 19 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 19/2000 lautete:

„(1)  Für die Zwecke dieses Gesetzes gelten als ‚Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind‘ Arbeitsplätze, die die Arbeitsfähigkeit der Versicherten aufgrund der hohen Risikoexposition dauerhaft oder vorübergehend wesentlich beeinträchtigen können.

(2)  Die Kriterien und die Methodik zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, werden durch Regierungsbeschluss auf der Grundlage eines gemeinsamen Vorschlags des Ministeriums für Arbeit, Familie und soziale Sicherheit und des Gesundheitsministeriums festgelegt.“

18 Mit der Legea nr. 263/2010 privind sistemul unitar de pensii publice (Gesetz Nr. 263/2010 über das einheitliche System der staatlichen Renten) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 852 vom ) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung wurde das Gesetz Nr. 19/2000 aufgehoben und ersetzt. Das Gesetz Nr. 263/2010 trat am in Kraft.

19 Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 263/2010 in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung lautet:

„Die Arbeitsbedingungen, unter denen die im öffentlichen Rentensystem Versicherten ihre Tätigkeit ausüben, können normal, besonders oder speziell sein.“

20 Art. 29 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)  Als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, gelten die Arbeitsplätze, die nach den Kriterien und der Methodik eingestuft wurden, die in den zum Zeitpunkt ihrer Einstufung geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen sind.

(1a)  Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, die am auslaufen, werden bis zum verlängert, dem Zeitpunkt, zu dem Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen normalisieren müssen.

(1b)  Der Zeitraum zwischen dem und dem stellt einen Beitragszeitraum unter besonderen Arbeitsbedingungen dar, für den Arbeitgeber gemäß Art. 138 Buchst. b der [Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch)] in geänderter und ergänzter Fassung einen Beitrag in Höhe von 4 % zu entrichten haben.“

21 In Art. 55 Abs. 1 des Gesetzes heißt es:

„Personen, die einen vollständigen Beitragszeitraum zurückgelegt haben, haben in folgender Weise Zugang zu einer Altersrente unter Herabsetzung des Renteneintrittsalters: a) gemäß Tabelle Nr. 1 im Fall von Personen, die Beitragszeiten unter besonderen Arbeitsbedingungen zurückgelegt haben;

…“

22 Art. 169 Abs. 1 des Gesetzes sieht vor:

„Die Begünstigten des öffentlichen Rentensystems, deren Rentenansprüche nach den vor dem geltenden Rechtsvorschriften bestimmt wurden und die Tätigkeiten an Arbeitsplätzen der Arbeitsgruppe I und/oder der Arbeitsgruppe II ausgeübt haben, erhalten wie folgt eine Erhöhung der während dieses Zeitraumes angesammelten jährlichen Rentenpunkte:

b)

25 % für Zeiträume, während deren sie eine Tätigkeit an einem Arbeitsplatz, der in die Arbeitsgruppe II eingestuft ist, ausgeübt haben.“

23 In den aufeinanderfolgenden Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Sozialbeiträge wurden unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen, je nachdem, ob die Arbeit unter normalen, besonderen oder speziellen Bedingungen ausgeübt wird.

  • Regierungsbeschlüsse über die Einstufung von Arbeitsplätzen als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind

24 Die Kriterien und die Methodik zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, sowie die Erneuerung der Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, waren Gegenstand aufeinanderfolgender Regierungsbeschlüsse.

25 Art. 2 Abs. 1 und 2 der Hotărârea Guvernului nr. 261/2001 privind criteriile şi metodologia de încadrare a locurilor de muncă în condiţii deosebite (Regierungsbeschluss Nr. 261/2001 über die Kriterien und die Methodik zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 114 vom ) lautete:

„(1)  Für die Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, gelten folgende Kriterien:

a)

in der Arbeitsumgebung vorhandene physikalische Noxen (Lärm, Vibrationen, elektromagnetische Wellen, Druck, ionisierende Strahlen, Wärmestrahlen, nicht abgeschirmte Strahlung von Hochleistungslasern) sowie chemische oder biologische Noxen, die in den allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften aufgeführt sind und die in diesen Vorschriften vorgesehenen zulässigen Grenzwerte nicht einhalten;

b)

die spezifische Reaktion des Organismus auf die Wirkungen von Noxen am Arbeitsplatz, die durch Indikatoren für die Exposition und/oder die biologische Wirkung belegt sind, die durch Verfügung des Ministeriums für Gesundheit und Familie festgelegt werden;

c)

die Morbidität, gemessen anhand von Berufskrankheiten, die in den letzten 15 Jahren an dem betreffenden Arbeitsplatz registriert worden sind.

(2)  Die Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, hat den Bestimmungen von Art. 7 und/oder gegebenenfalls von Art. 8 zu entsprechen sowie die in Abs. 1 Buchst. a und b oder Abs. 1 Buchst. a und c genannten Kriterien kumulativ zu erfüllen.“

26 Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 261/2001 sah vor:

„Die Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, erfolgt nach der folgenden Methodik, bei der vorzugsweise nacheinander die folgenden spezifischen Vorgänge durchgeführt werden:

a)

Bestimmung des Arbeitsplatzes, der als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, eingestuft werden soll und Festlegung der Kriterien für diese Einstufung, die der Arbeitgeber zusammen mit den gesetzlichen repräsentativen Gewerkschaften oder gegebenenfalls mit den Arbeitnehmervertretern im Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durchführt;

b)

Begutachtung der Arbeitsplätze im Hinblick auf die Sicherheit der Arbeitnehmer;

c)

Ermittlung von Noxen am Arbeitsplatz gemäß Art. 4 Abs. 1; die Ermittlungsberichte müssen mindestens folgende Angaben enthalten: Einheit, Abteilung, Werkstatt, Arbeitsplatz, Noxe, gemessener Wert, zulässiger Grenzwert, Messmethoden;

d)

Anfrage des Arbeitgebers bei den vom Ministerium für Gesundheit und Familie ermächtigten Stellen nach der Liste der registrierten Berufskrankheiten oder der Liste der medizinischen Untersuchungen des Personals, das an Arbeitsplätzen arbeitet, an denen es besonderen Bedingungen ausgesetzt ist, um die spezifische Reaktion des Organismus zu bestimmen;

e)

Evaluierung der gemäß Buchst. a bestimmten Arbeitsplätze durch den Arbeitgeber zusammen mit den gesetzlichen repräsentativen Gewerkschaften oder gegebenenfalls mit den Arbeitnehmervertretern im Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz gemäß Anhang 2 oder 3;

f)

Festlegung technischer, gesundheitlicher und organisatorischer Arbeitsschutzmaßnahmen, die den Arbeitsbedingungen und den spezifischen Umweltfaktoren am Arbeitsplatz entsprechen;

g)

Einholung der Stellungnahme der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörde gemäß Art. 4;

...

i)

Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, gemäß Art. 19 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 19/2000.“

27 Art. 4 des Beschlusses Nr. 261/2001 bestimmte:

„(1)  Die Stellungnahme der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörde zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, enthält die folgenden Dokumente, auf deren Grundlage sie erteilt wird:

a)

Messungen der Noxen durch die in Anhang 1 genannten zugelassenen Labore, die nur im Beisein der Arbeitsinspektoren durchgeführt werden und belegen, dass zum Zeitpunkt ihrer Durchführung technische und organisatorische Maßnahmen zur Normalisierung der Arbeitsbedingungen ergriffen wurden, dass alle Arbeitsschutzeinrichtungen planmäßig normal funktionierten, und dass die technologischen Prozesse unter normalen Bedingungen abliefen;

b)

die Feststellungen der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörden, die in einem Protokoll festgehalten werden und unmittelbar auf die Einhaltung der allgemeinen und der spezifischen Arbeitsschutzvorschriften sowie anderer einschlägiger Rechtsvorschriften Bezug nehmen;

c)

Kopien der Liste der Berufskrankheiten oder der Zusammenfassung der medizinischen Untersuchungen und des Evaluierungsbogens gemäß Anhang 2 oder 3.

(2)  Die erteilte Stellungnahme hat eine Geltungsdauer von höchstens drei Jahren mit der Möglichkeit einer Verlängerung.

…“

28 Art. 8 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 261/2001 lautete:

„Arbeitgeber, die Arbeitsplätze benannt haben, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, und die nicht unter Art. 7 fallen, sind verpflichtet, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem Tag der Veröffentlichung des vorliegenden Beschlusses im Monitorul Oficial al României, Teil I, alle technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Normalisierung der Arbeitsbedingungen gemäß dem Gesetz Nr. 90/1996 [das durch das Gesetz Nr. 319/2006 ersetzt wurde], den allgemeinen und den spezifischen Arbeitsschutzvorschriften, oder anderen einschlägigen Regelungen zu ergreifen.“

29 Art. 1 der Hotărârea Guvernului nr. 246/2007 privind metodologia de reînnoire a avizelor de încadrare a locurilor de muncă în condiţii deosebite (Regierungsbeschluss Nr. 246/2007 über die Methodik zur Erneuerung der Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 169 vom ) sah vor:

„(1)  Ab dem Tag des Inkrafttretens des vorliegenden Beschlusses können die bis einschließlich gültigen, gemäß dem [Beschluss Nr. 261/2001] in dessen geänderter und ergänzter Fassung erteilten Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, nach der im vorliegenden Beschluss festgelegten Methodik erneuert werden.

(2)  Die Geltungsdauer der gemäß dem vorliegenden Beschluss erneuerten Stellungnahmen darf nicht über den hinausgehen.“

30 Art. 2 des Beschlusses Nr. 246/2007 bestimmte:

„(1)  Die Erneuerung der Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, wird von der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörde auf der Grundlage der folgenden Dokumente erteilt:

a)

Antrag auf Erneuerung der Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, der vom gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers oder einer anderen vom Arbeitgeber gesetzlich ermächtigten Person sowie von den Vertretern der repräsentativen Gewerkschaften oder gegebenenfalls den Arbeitnehmervertretern unterzeichnet und spätestens 30 Tage nach Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses eingereicht wurde;

b)

Ermittlungsberichte über Noxen am Arbeitsplatz, die von den gesetzlich befugten Laboren ausgestellt wurden, um zu bescheinigen, dass die Grenzwerte für die Exposition an Arbeitsplätzen überschritten wurden, die als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, eingestuft wurden, oder Dokumente, die das bloße Vorhandensein sehr gefährlicher chemischer Arbeitsstoffe oder biologischer Arbeitsstoffe belegen, für die keine zulässigen Grenzwerte gelten;

c)

Präventions- und Schutzplan zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer, der gestaffelte Maßnahmen und Aktionen umfasst, damit die Arbeitsplätze spätestens am als Arbeitsplätze eingestuft werden können, die normale Bedingungen gewährleisten.

(2)  Die Ermittlung von Noxen am Arbeitsplatz erfolgt ausschließlich im Beisein des von der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörde zu diesem Zweck bestellten Arbeitsinspektors.

(3)  Die in Abs. 1 Buchst. b und c genannten Dokumente können innerhalb einer Frist von höchstens 120 Tagen ab dem Tag des Antrags gemäß Abs. 1 Buchst. a bei der örtlichen Arbeitsaufsichtsbehörde eingereicht werden.

(4)  Die örtliche Arbeitsaufsichtsbehörde kann die Erneuerung der Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, innerhalb von 15 Tagen nach Einreichung aller in Absatz 1 genannten Dokumente erteilen.

(5)  Werden die Voraussetzungen von Abs. 3 nicht erfüllt, so hat dies zur Folge, dass die Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, nicht erneuert wird. …“

31 Art. 4 des Beschlusses Nr. 246/2007 sah vor:

„Arbeitgeber, die keine Erneuerung der Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, erhalten haben, können innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntgabe bei der Arbeitsaufsichtsbehörde Beschwerde einlegen, die diese innerhalb von 30 Tagen bearbeitet, oder direkt das gesetzlich zuständige Gericht anrufen.

…“

32 Art. 1 der Hotărârea Guvernului nr. 1622/2008 pentru modificarea și completarea Hotărârii Guvernului nr. 246/2007 privind metodologia de reînnoire a avizelor de încadrare a locurilor de muncă în condiții deosebite (Regierungsbeschluss Nr. 1622/2008 zur Änderung und Ergänzung des Beschlusses Nr. 246/2007 über die Methodik zur Erneuerung der Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 862 vom ) lautete:

„(1)  Ab dem können bis zum geltende Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, nach der im vorliegenden Beschluss festgelegten Methodik erneuert werden.

(2)  Die Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses gelten nur für Arbeitgeber, die am im Besitz einer erneuerten Stellungnahme sind und bis dahin nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um die Arbeitsbedingungen zu normalisieren.

(3)  Die Geltungsdauer der gemäß dem vorliegenden Beschluss erneuerten Stellungnahmen darf nicht über den hinausgehen.“

33 Die Möglichkeit einer jährlichen Erneuerung von zuvor erteilten „Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind“, wurde in der Folge noch in weiteren aufeinanderfolgenden Regierungsbeschlüssen bis 2014 vorgesehen.

34 Die Hotărârea Guvernului nr. 1014/2015 privind metodologia de reînnoire a avizelor de încadrare a locurilor de muncă în condiții deosebite (Regierungsbeschluss Nr. 1014/2015 über die Methodik zur Erneuerung der Stellungnahmen zur Einstufung als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind) vom (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 986 vom ) sah die Möglichkeit einer Erneuerung bis zum vor und enthielt folgenden Art. 4: „Arbeitgeber, die keine Erneuerung der Stellungnahme zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, erhalten haben, können sich nach den gesetzlichen Vorschriften unmittelbar an das zuständige Gericht wenden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

35 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist seit mehr als 30 Jahren als Fachärztin für Pneumologie beim Krankenhaus angestellt, einer gemeinnützigen Gesundheitseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit, die unter der Aufsicht der örtlichen Verwaltungsbehörde steht.

36 Bis zum war der Arbeitsplatz der Klägerin des Ausgangsverfahrens als Arbeitsplatz eingestuft, an dem sie ursprünglich Arbeitsbedingungen der Gruppe II und später „besonderen Arbeitsbedingungen“ im Sinne der aufeinanderfolgenden rumänischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Altersrente und der sozialen Sicherheit ausgesetzt war. Durch diese Einstufung hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens das Recht auf zusätzliche Jahresurlaubstage, eine Herabsetzung des Rentenalters und eine Erhöhung ihrer Rentenpunkte. Das Krankenhaus musste in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber in Anbetracht dieser Einstufung höhere Sozialversicherungsbeiträge entrichten, als für einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz als Arbeitsplatz eingestuft war, an dem die Arbeitnehmer „normalen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt waren.

37 Obwohl die Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens unverändert blieben, wurde ihr Arbeitsplatz zum jedoch als Arbeitsplatz eingestuft, an dem sie „normalen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt ist, und das Krankenhaus war nicht mehr verpflichtet, höhere Sozialbeiträge für sie zu entrichten.

38 Das Krankenhaus verfügte nämlich über eine Stellungnahme des Inspectoratul Teritorial de Muncă Iași (örtliche Arbeitsaufsichtsbehörde Iași, Rumänien) (im Folgenden: ITM) vom , mit der die Einstufung seiner Arbeitsplätze als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt sind, gebilligt und eine Frist bis zum für die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen gesetzt worden war, um sicherzustellen, dass sein Personal seine Tätigkeit unter „normalen Arbeitsbedingungen“ ausübt. Diese Stellungnahme wurde mit einer weiteren Stellungnahme vom unter Fristsetzung bis zum für die Normalisierung der Arbeitsbedingungen verlängert.

39 Für letztere Stellungnahme erhielt das Krankenhaus jedoch keine Verlängerung, so dass ihm das ITM mit Schreiben vom mitteilte, dass der Zeitraum, für den die Einstufungsstellungnahme vom erteilt worden sei, abgelaufen sei und dass sie daher seit dem keine Wirkungen mehr entfalte.

40 Auf dieses Schreiben hin fasste das Krankenhaus einen Beschluss, wonach sein Personal seine Tätigkeit ab dem unter „normalen Arbeitsbedingungen“ ausübte. Parallel stellte das Krankenhaus bei der Autoritatea de Sănătate Publică Iași (Gesundheitsbehörde Iași, Rumänien) einen Antrag auf Erteilung einer Stellungnahme zur Aufrechterhaltung oder Verlängerung der Einstufung des Krankenhauses als Arbeitsplatz, an dem seine Arbeitnehmer „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt sind. Da diese Behörde darauf nicht antwortete, übersandte das Krankenhaus ihr am ein zweites Schreiben, mit dem es zwecks Erneuerung der Einstufungsstellungnahme des ITM vom nochmals um eine Stellungnahme zu den Auswirkungen der an den Arbeitsplätzen bestehenden berufsbedingten Gefahren ersuchte. Dieses Schreiben blieb ebenfalls unbeantwortet. Das Krankenhaus ersuchte auch das ITM mit Schreiben vom um Erneuerung der Einstufungsstellungnahme ab dem und übersandte der Gesundheitsbehörde Iași am ein drittes Schreiben. Darüber hinaus unternahm es weitere Schritte beim ITM sowie beim Ministerium für Arbeit.

41 Nachdem die Klägerin des Ausgangsverfahrens zufällig erfahren hatte, dass das Krankenhaus seit dem keine Sozialbeiträge mehr für sie entrichtete, die der Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt ist, entsprachen, erhob sie Klage beim Tribunalul Iași (Regionalgericht Iași, Rumänien) auf Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt ist, und auf Verurteilung ihres Arbeitgebers zur Entrichtung der höheren Sozialbeiträge für die von ihr nach dem unter diesen Bedingungen ausgeübte berufliche Tätigkeit.

42 Mit Urteil vom wies das Tribunalul Iași (Regionalgericht Iași) diese Klage mit der Begründung ab, dass die nationale Regelung über die Einstufung von Arbeitsplätzen, insbesondere der Regierungsbeschluss Nr. 1014/2015, vom Arbeitgeber verlangte, ein spezifisches Verfahren durchzuführen, um die erforderliche Einstufung zu erhalten, nämlich u.a. eine Einstufungsstellungnahme des ITM zu beantragen und zu erhalten. Zudem könne der Arbeitgeber, falls er keine Antwort bezüglich der Einstufung oder eines sonstigen Antrags bei den nationalen Stellen erhalten habe, diese beim zuständigen Gericht verklagen und sie zur Erfüllung ihrer Pflichten veranlassen, um alle Verfahrensschritte zur Einstufung der Arbeitsplätze als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt sind, einzuhalten und somit die Einstufungsstellungnahme zu erhalten.

43 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil bei der Curtea de Apel Iași (Berufungsgericht Iași, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein, mit der sie u.a. geltend machte, dass das Krankenhaus die in Art. 2 des Beschlusses Nr. 246/2007 vorgesehenen Schritte nicht unternommen habe und ihr Arbeitgeber somit entweder aus Nachlässigkeit oder Bösgläubigkeit de facto nicht das Verfahren angestrengt habe, um die Stellungnahme zur Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt ist, seit dem Jahr 2007 zu erhalten. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens macht hierzu geltend, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich nicht geändert. Die Risiken und ihre Verantwortlichkeiten hätten seit ihrer Einstellung nicht abgenommen. Sie habe im Gegenteil in einer Abteilung gearbeitet, in der die aufgenommenen Patienten mit Covid‑19 infiziert gewesen seien, wodurch ihre Arbeit sehr viel intensiver und fordernder geworden sei und ihr Leben und das Leben der ihr nahestehenden Personen täglich in Gefahr gebracht worden seien.

44 Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt seien, darauf abziele, die langfristigen Wirkungen beruflicher Aufgaben an einem Arbeitsplatz auszugleichen, der trotz aller zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer ergriffenen Maßnahmen die Arbeitnehmer weiterhin großen berufsbedingten Gefahren aussetze. Diese Einstufung gewähre den Arbeitnehmern zusätzliche kompensatorische Vorteile. So werde ihre Altersrente auf der Grundlage eines kürzeren Zeitraums der Berufstätigkeit und damit eines verkürzten Beitragszeitraums berechnet, als wenn sie an ihrem Arbeitsplatz „normalen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt gewesen wären. Ebenso hätten Arbeitnehmer, die „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt seien, ein Recht auf zusätzlichen Urlaub, um durch eine längere Erholungsphase einen angemessenen Gesundheitszustand wiederherzustellen.

45 Außerdem habe der rumänische Gesetzgeber die Einstufung eines Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt seien, zwei Arten von Beschränkungen unterworfen. Zum einen habe er verfahrensrechtliche Beschränkungen aufgestellt, indem er diese Einstufung u.a. von der Einholung einer positiven Stellungnahme des ITM abhängig gemacht habe. Zum anderen habe er den Erhalt einer solchen Einstufung zeitlich beschränkt, da sie unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer begonnen habe, nur Arbeitgebern gewährt werden könne, die am existiert hätten. Darüber hinaus könne eine solche Einstufung seit 2007 nicht mehr neu erworben werden. Nur eine bestehende Einstufung könne erneuert werden, u.a. unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Erneuerungsantrags über eine gültige Einstufungsstellungnahme des ITM verfüge.

46 Im Übrigen erlaube es die nationale Regelung den Arbeitnehmern nicht, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden oder die nationalen Gerichte anzurufen, wenn sie der Auffassung seien, dass die Arbeitgeber ihren Pflichten in Bezug auf die Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt seien, weder für den vergangenen noch für den künftigen Beschäftigungszeitraum nachgekommen seien.

47 Insbesondere habe die Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) auf der Grundlage einer strengen Auslegung des nationalen Rechts festgestellt, dass es keinen Rechtsbehelf des allgemeinen Rechts gebe, der auf die Feststellung der „besonderen Arbeitsbedingungen“, unter denen die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nach dem ausgeübt hätten, oder auf die Verurteilung des Arbeitgebers zur Einstufung der Arbeitsplätze als Arbeitsplätze, an denen die Arbeitnehmer solchen Bedingungen ausgesetzt seien, wenn sie die Einstufungsstellungnahme nicht erhalten hätten oder diese nicht erneuert worden sei, gerichtet sei. Ferner habe die Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof) entschieden, dass der Umstand, dass die Arbeitgeber, die das Recht hätten, das Verwaltungsverfahren zur Einstufung eines Arbeitsplatzes einzuleiten, dies nicht getan oder dieses Verfahren nicht zum Abschluss gebracht hätten, es dem Arbeitnehmer nicht erlaube, sich auf die allgemeinen Rechtsvorschriften zu berufen, um die Einstufung seines Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem er anderen als „normalen Bedingungen“ ausgesetzt sei, zu erreichen, und dass eine entsprechende Entscheidung der ordentlichen Gerichte gegen den geltenden rechtlichen Rahmen und den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen würde. Diese Rechtsprechung sei im Übrigen von der Curtea Constituțională (Verfassungsgerichtshof, Rumänien) für mit der rumänischen Verfassung vereinbar befunden worden, die in einem Urteil vom unter Bezugnahme auf das Urteil vom , Podilă u.a. (C‑133/17 und C‑134/17, EU:C:2018:203), in diesem Zusammenhang angenommen habe, dass Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391 diese Vereinbarkeit nicht in Frage stellen könne.

48 Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob die nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die obersten Gerichte mit Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 sowie mit Art. 31 Abs. 1 und Art. 47 der Charta vereinbar ist. Zwar sei Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 durch Art. 18 Abs. 7 des Gesetzes Nr. 319/2006 in rumänisches Recht umgesetzt worden, doch sei die Vorschrift, die das Recht der Arbeitnehmer vorsehe, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden, um zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel ausreichten, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen, nicht im nachrangigen Recht über die Evaluierung der mittel- oder langfristigen berufsbedingten Gefahren für die Arbeitnehmer übernommen worden.

49 Das Klagebegehren der Klägerin des Ausgangsverfahrens sei im Unterschied zu der Rechtssache, in der das Urteil vom , Podilă u.a. (C‑133/17 und C‑134/17, EU:C:2018:203), ergangen sei, nicht auf die Feststellung von Rentenansprüchen gerichtet, sondern auf die Anerkennung der spezifischen berufsbedingten Gefahren der besonderen Arbeitsbedingungen, denen sie an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sei. Auch wenn die Einstufung des Arbeitsplatzes der Klägerin des Ausgangsverfahrens als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt sei, mittelbare Folgen für die Sozialversicherungsansprüche habe, ziele ihre Klage in erster Linie darauf ab, dass diese Einstufung sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft anerkannt werde, da sich ihre Arbeitsbedingungen seit ihrer Einstellung nicht geändert hätten. So mache die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend, dass sie an ihrem Arbeitsplatz erheblichen Risikofaktoren für ihren Gesundheitszustand ausgesetzt gewesen sei und immer noch sei, die die Grenzwerte überschritten hätten, ohne jedoch über einen Rechtsbehelf zu verfügen, um sowohl das Vorliegen als auch das Ausmaß von Noxen an ihrem Arbeitsplatz sowie dessen Einstufung als Arbeitsplatz, an dem sie anderen als „normalen Bedingungen“ ausgesetzt sei, feststellen zu lassen.

50 Das vorlegende Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass Art. 12 des Gesetzes Nr. 319/2006 Art. 9 der Richtlinie 89/391 zwar in rumänisches Recht umsetze, die in dieser Bestimmung genannten Pflichten der Arbeitgeber aber nicht mit der Pflicht zur genauen und gewissenhaften Einstufung der Arbeitsbedingungen auf Unternehmensebene verknüpft seien. Ferner gebe es keine nachrangige nationale Regelung, die die Folgen der Nichteinhaltung der Pflicht zur Evaluierung und Überwachung der berufsbedingten Gefahren durch diejenigen Unternehmen festlege, die ihre Arbeitnehmer erheblichen Gefahren für ihre Gesundheit aussetzten. Auch wenn die Verletzung der in Art. 12 des Gesetzes Nr. 319/2006 genannten Pflichten dazu führen könne, dass dem Arbeitgeber eine verwaltungsrechtliche Geldbuße auferlegt werde, seien keine weiteren Rechtswirkungen an das Unterbleiben einer korrekten Evaluierung der berufsbedingten Gefahren am Arbeitsplatz geknüpft.

51 Schließlich ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass das Zusammenspiel von Unionsrecht und nationalem Recht klärungsbedürftig sei. Da eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts nicht möglich sei, stelle sich insbesondere die Frage, ob Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 unbedingt, vollständig und genau sei und somit unmittelbare Wirkung habe, so dass diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 und Art. 47 der Charta Arbeitnehmern wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewähren könne, wenn Rechtsinhaber wie Arbeitgeber ihren gesetzlichen Pflichten wie denen zur Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt seien, nicht nachkämen.

52 Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel Iaşi (Berufungsgericht Iaşi) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Stehen Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 einer zwingenden nationalen Regelung und Praxis entgegen, nach denen Arbeitnehmer nicht das Recht haben, sich unmittelbar an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen, und nicht vor Gericht klagen können, wenn sie der Auffassung sind, dass die Arbeitgeber ihren Pflichten in Bezug auf die Einstufung als Arbeitsplatz, an dem die Arbeitnehmer besonderen Bedingungen ausgesetzt sind, weder für den bereits abgeleisteten Zeitraum noch für die künftige Dauer des Arbeitsverhältnisses nachgekommen sind?

2.

Hat Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 vertikale unmittelbare Wirkung und entsteht in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 und Art. 47 der Charta das Recht der Arbeitnehmer auf gerichtlichen Rechtsschutz, wenn die Rechtsinhaber den in der Regelung vorgesehenen Pflichten nicht nachkommen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

53 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die nationalen Gerichte entgegenstehen, die es einem Arbeitnehmer verwehrt, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige nationale Behörde zu wenden oder ein nationales Gericht anzurufen, um die in dieser Regelung vorgesehene Einstufung seines Arbeitsplatzes nach Maßgabe der über das normale Risiko hinausgehenden Gefahren für seine Gesundheit, denen er dort ausgesetzt ist, feststellen oder überprüfen zu lassen, und um aufgrund dieser neuen Einstufung zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub zu erhalten.

54 Insoweit geht aus dem Titel der Richtlinie 89/391 und aus ihrem Art. 1 Abs. 1 hervor, dass diese Richtlinie die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zum Ziel hat. Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie enthält sie zu diesem Zweck allgemeine Grundsätze für die Verhütung berufsbedingter Gefahren, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz, die Ausschaltung von Risiko- und Unfallfaktoren, die Information, die Anhörung, die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken, die Unterweisung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter sowie allgemeine Regeln für die Durchführung dieser Grundsätze. Die Richtlinie reflektiert und konkretisiert somit das in Art. 31 Abs. 1 der Charta verankerte Recht jedes Arbeitnehmers auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen.

55 Um dieses Ziel zu erreichen, erlegt Art. 4 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/391 den Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit die Arbeitgeber verpflichtet sind, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen.

56 Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie stellt insoweit klar, dass der Arbeitgeber über eine Evaluierung der bestehenden Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der besonders gefährdeten Arbeitnehmergruppen verfügen muss, dass er die durchzuführenden Schutzmaßnahmen und, falls notwendig, die zu verwendenden Schutzmittel festlegen muss, dass er eine Liste der Arbeitsunfälle führen muss, die einen Arbeitsausfall von mehr als drei Arbeitstagen für den Arbeitnehmer zur Folge hatten, und dass er Berichte über die Arbeitsunfälle ausarbeiten muss, die die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer erlitten haben. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Art der Tätigkeiten und der Größe der Unternehmen die Pflichten der verschiedenen Unternehmenskategorien betreffend die Erstellung der Dokumente im Zusammenhang mit den in Art. 9 Abs. 1 genannten Pflichten festlegen.

57 Im Übrigen bestimmt Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391, dass die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben müssen, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass der Arbeitgeber keine ausreichenden Maßnahmen getroffen hat, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen.

58 Weder diese noch die anderen Bestimmungen der Richtlinie 89/391 verpflichten die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitsplätze nach Maßgabe der Erheblichkeit der Gefahren für die Gesundheit der an diesen Arbeitsplätzen arbeitenden Personen eingestuft werden, um diesen Personen gegebenenfalls bestimmte zusätzliche Ruhegehalts- und Urlaubsrechte zu gewähren.

59 Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass sich ein System zur Einstufung der Arbeitsplätze nach Maßgabe dieser Gefahren auf die Pflichten der Arbeitgeber aus der Richtlinie 89/391 auswirken kann. In einem solchen Fall müssen die Mitgliedstaaten ein solches System unter Beachtung der Pflichten aus dieser Richtlinie umsetzen. Dies ist nicht der Fall, wenn die Umsetzung dieses Systems zur Folge hat, dass der Arbeitgeber von einigen dieser Pflichten ausgenommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Podilă u.a., C‑133/17 und C‑134/17, EU:C:2018:203, Rn. 42 und 44).

60 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die anwendbare nationale Regelung zwei Teile umfasst, die parallel anwendbar sind.

61 Der erste Teil besteht aus dem Gesetz Nr. 319/2006. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, setzt dieses Gesetz die Richtlinie 89/391 in rumänisches Recht um (Urteil vom , Podilă u.a., C‑133/17 und C‑134/17, EU:C:2018:203, Rn. 43). Insbesondere setzen Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b sowie Art. 18 Abs. 7 dieses Gesetzes Art. 9 Abs. 1 und 2 bzw. Art. 11 Abs. 6 dieser Richtlinie um. Außerdem sieht Art. 39 Abs. 4 des Gesetzes Sanktionen für den Fall vor, dass der Arbeitgeber die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b des Gesetzes vorgesehenen Verpflichtungen nicht erfüllt. Die Fragen des vorlegenden Gerichts beziehen sich jedoch nicht auf diese Umsetzung und im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige Behörde zu wenden oder bei den nationalen Gerichten eine Klage gegen die Maßnahmen einzulegen, die ihrer Auffassung nach nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen.

62 Der zweite Teil, in dessen Kontext das vorlegende Gericht seine Fragen vorlegt, sieht vor, dass die Arbeitgeber Arbeitsplätze nach Maßgabe der Gefahren für die Gesundheit, denen die Arbeitnehmer dort ausgesetzt sind, in verschiedene Kategorien einstufen lassen können. Je nach Kategorie, in die ihr Arbeitsplatz eingestuft wird, können die Arbeitnehmer bestimmte zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und Urlaub erhalten. Nach den zu diesem zweiten Teil gehörenden Bestimmungen des nationalen Rechts in ihrer Auslegung durch die Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof) kann jedoch nur der Arbeitgeber einen Antrag auf Einstufung oder Erneuerung der Einstufung des Arbeitsplatzes je nach Gefahren stellen. Der Arbeitnehmer kann sich nicht an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige nationale Behörde wenden oder ein nationales Gericht anrufen, um feststellen zu lassen, dass seine Arbeitsbedingungen in eine Kategorie fallen, in der er besonderen Gefahren ausgesetzt wird, oder um seinen Arbeitgeber zu veranlassen, seinen Arbeitsplatz als in eine solche Kategorie fallend einzustufen.

63 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beanstandet, dass ihr Arbeitsplatz ab dem nicht als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt sei, eingestuft worden sei. Diese fehlende Einstufung hätte u.a. zur Folge, dass ihr ab diesem Zeitpunkt das Recht auf mehr bezahlte Jahresurlaubstage sowie die zusätzlichen Ruhegehaltsansprüche in Form einer Herabsetzung des Renteneintrittsalters und einer Erhöhung der Rentenpunkte vorenthalten würden, obwohl der Arbeitgeber damals verpflichtet gewesen sei, erhöhte Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen.

64 Daher ist zu prüfen, ob eine nationale Regelung, die ein System der Einstufung von Arbeitsplätzen nach Maßgabe der dort für die Arbeitnehmer bestehenden Gefahren für die Gesundheit vorsieht, Auswirkungen auf die Pflichten der Arbeitgeber aus der Richtlinie 89/391 hat, wenn die Anwendung eines solchen Systems dazu führen kann, dass den Arbeitnehmern bestimmte zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub gewährt werden.

65 Was zum einen die Gewährung zusätzlicher Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche betrifft, so ist festzustellen, dass die Gewährung solcher Rechte nicht zu dem mit dieser Richtlinie verfolgten Ziel der Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz beiträgt. Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge zu den von der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung konkret erfassten zusätzlichen Ruhegehaltsansprüchen ausgeführt hat, betrifft die Erhöhung der Rentenpunkte nicht die Arbeitsbedingungen während der Berufstätigkeit der Arbeitnehmer, sondern ihre Bedingungen während des darauffolgenden Zeitraums. Auch steht die Herabsetzung des Renteneintrittsalters für Arbeitnehmer, die „besonderen Arbeitsbedingungen“ ausgesetzt sind, in keinem Zusammenhang mit der Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich in Wirklichkeit um Ausgleichsleistungen für die bestehenden Gefahren, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 89/931 fallen.

66 Was zum anderen die Gewährung des Anspruchs auf zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 89/391 in Verbindung mit denen der Richtlinie 2003/88 zu lesen sind. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/88 sieht nämlich vor, dass die Bestimmungen der Richtlinie 89/391 unbeschadet strengerer oder spezifischer Vorschriften der Richtlinie 2003/88 auf die in dieser Richtlinie geregelten Aspekte der Arbeitszeit voll Anwendung finden.

67 Durch die Richtlinie 2003/88 sollen Mindestvorschriften festgelegt werden, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Diese Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung auf der Ebene der Europäischen Union soll durch Gewährung u.a. von Mindestruhezeiten einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Loredas, C‑531/23, EU:C:2024:1050, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

68 So definiert Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2003/88 den Begriff „ausreichende Ruhezeiten“ im Sinne dieser Richtlinie dahin, dass die Arbeitnehmer über regelmäßige und ausreichend lange und kontinuierliche Ruhezeiten verfügen müssen, deren Dauer in Zeiteinheiten angegeben wird, damit sichergestellt ist, dass sie nicht wegen Übermüdung oder wegen eines unregelmäßigen Arbeitsrhythmus sich selbst, ihre Kollegen oder sonstige Personen verletzen und weder kurzfristig noch langfristig ihre Gesundheit schädigen.

69 Daraus folgt, dass die Gewährung zusätzlicher Jahresurlaubstage an einen Arbeitnehmer wegen schwieriger Arbeitsbedingungen, die ihn einer Gefahr für seine Gesundheit oder seine Person aussetzen, gerechtfertigt sein kann, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sicherzustellen.

70 Wie jedoch auch der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, schreibt die Richtlinie 2003/88 die Gewährung zusätzlicher Jahresurlaubstage aus solchen Gründen nicht vor.

71 Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Zudem geht aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 15 der Richtlinie ausdrücklich hervor, dass diese lediglich Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthält und das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Bestimmungen anzuwenden.

72 Daraus folgt zum einen, dass die Richtlinie 2003/88 innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von mehr als den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen vier Wochen besteht, wobei die Voraussetzungen für den Anspruch auf Urlaub und dessen Gewährung im nationalen Recht geregelt sind, und zum anderen, dass die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die über das in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 vorgesehene Mindestmaß hinausgehen, nicht durch diese Richtlinie, sondern durch das nationale Recht außerhalb der Regelung der Richtlinie geregelt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , TSN und AKT, C‑609/17 und C‑610/17, EU:C:2019:981, Rn. 33 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

73 In Anbetracht dieser Erwägungen fällt der Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub, der Arbeitnehmern aufgrund einer Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie besonderen berufsbedingten Gefahren ausgesetzt sind, gewährt würde, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien 2003/88 und 89/391.

74 Folglich hat eine nationale Regelung, die ein System der Einstufung von Arbeitsplätzen nach Maßgabe der dort für die Arbeitnehmer bestehenden Gefahren für die Gesundheit vorsieht, keine Auswirkungen auf die Pflichten der Arbeitgeber aus der Richtlinie 89/391, wenn die Anwendung eines solchen Systems lediglich dazu führen kann, dass den Arbeitnehmern bestimmte zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub gewährt werden.

75 Das vorlegende Gericht macht jedoch auch geltend, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit ihrer Klage gegen die fehlende Einstufung ihres Arbeitsplatzes als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt sei im Sinne der rumänischen Rechtsvorschriften, nicht nur Ruhegehaltsansprüche und Jahresurlaub anstrebe, sondern auch die Anerkennung der spezifischen berufsbedingten Gefahren der Bedingungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübe, und zwar sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft.

76 Hierzu ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Buchst. b der Richtlinie 89/391, dass der Arbeitgeber über eine Evaluierung der am Arbeitsplatz bestehenden Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit auch hinsichtlich der besonders gefährdeten Arbeitnehmergruppen verfügen muss, um die durchzuführenden Schutzmaßnahmen und, falls notwendig, die zu verwendenden Schutzmittel festzulegen.

77 Würde die fehlende Einstufung des Arbeitsplatzes der Klägerin des Ausgangsverfahrens als Arbeitsplatz, an dem sie „besonderen Bedingungen“ ausgesetzt ist, eine fehlende Evaluierung der Gefahren durch den Arbeitgeber umfassen, wodurch dieser es versäumt hätte, die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz durchzuführen, dann hätte die fehlende Einstufung, wie sich aus Rn. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, zur Folge, dass der Arbeitgeber von den Pflichten aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/391 ausgenommen wäre, was gemäß Art. 11 Abs. 6 dieser Richtlinie von den Arbeitnehmern bei der für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständigen Behörde angezeigt und gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten beanstandet werden können müsste, um gemäß Art. 47 der Charta einen effektiven gerichtlichen Schutz der den Arbeitnehmern durch die Richtlinie verliehenen Rechte zu gewährleisten.

78 Wie sich jedoch aus Rn. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, ist unstreitig, dass der Arbeitgeber nach der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b sowie Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 in rumänisches Recht über eine Evaluierung der Gefahren verfügen und die zur Sicherstellung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz erforderlichen Maßnahmen durchführen muss, und dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit hat, unzureichende Maßnahmen und Mittel, die ihr Arbeitgeber nach einer entsprechenden Evaluierung der Gefahren getroffen bzw. eingesetzt hat, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen, bei der für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständigen rumänischen Behörde und gegebenenfalls bei den rumänischen Gerichten zu beanstanden.

79 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391 dahin auszulegen sind, dass sie auf eine nationale Regelung in der Auslegung durch die nationalen Gerichte keine Anwendung finden, die es einem Arbeitnehmer verwehrt, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige nationale Behörde zu wenden oder ein nationales Gericht anzurufen, um die in dieser Regelung vorgesehene Einstufung seines Arbeitsplatzes nach Maßgabe der über das normale Risiko hinausgehenden Gefahren für seine Gesundheit, denen er dort ausgesetzt ist, feststellen oder überprüfen zu lassen, und um aufgrund dieser neuen Einstufung zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub zu erhalten.

Zur zweiten Frage

80 In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

81 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 9 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit

sind dahin auszulegen, dass

sie auf eine nationale Regelung in der Auslegung durch die nationalen Gerichte keine Anwendung finden, die es einem Arbeitnehmer verwehrt, sich an die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständige nationale Behörde zu wenden oder ein nationales Gericht anzurufen, um die in dieser Regelung vorgesehene Einstufung seines Arbeitsplatzes nach Maßgabe der über das normale Risiko hinausgehenden Gefahren für seine Gesundheit, denen er dort ausgesetzt ist, feststellen oder überprüfen zu lassen, und um aufgrund dieser neuen Einstufung zusätzliche Rechte in Bezug auf Ruhegehaltsansprüche und bezahlten Jahresurlaub zu erhalten.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:878

Fundstelle(n):
OAAAK-05765