Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 – Zollkodex der Gemeinschaften – Zolllagerverfahren – Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr – Art. 29 – Zollwert der Waren – Zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union verkaufte Waren – Art. 112 Abs. 3 – Zollwertbestimmung – Art. 214 Abs. 1 – Für die Bestimmung des Zollwerts maßgeblicher Zeitpunkt – Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 – Art. 97n Abs. 2 – Ursprungsnachweis von Waren – Art. 118 Abs. 1 und 3 – Frist für die Vorlage von Ursprungsnachweisen – Verlust der Präferenzbehandlung – Gültigkeit der Ursprungsnachweise von Waren – Art. 147 – Aufeinanderfolgende Verkäufe
Leitsatz
Art. 29 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung sowie Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 der Kommission vom geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
in Fällen, in denen Waren Gegenstand eines ersten Verkaufs waren, auf dessen Grundlage sie in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, um sie in das Zolllagerverfahren zu überführen, und diese Waren anschließend Gegenstand eines zweiten Verkaufs waren, der zu ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung geführt hat, für die Bestimmung des Zollwerts dieser Waren auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem sie in das Zolllagerverfahren übergeführt wurden, und der Zollwert dieser Waren anhand ihres Transaktionswerts beim ersten Verkauf bestimmt werden kann.
Art. 97k Abs. 5, Art. 97n Abs. 2 und Art. 118 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 1063/2010 geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
die Zollbehörden des Einfuhrlands nicht verpflichtet sind, für die Gewährung der Präferenzbehandlung für eine Ware einen Ursprungsnachweis anzunehmen, der ihnen nach Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt wurde, auch wenn ihnen dieser Ursprungsnachweis im Zusammenhang mit der Gewährung der Präferenzbehandlung für andere Waren desselben Kontingents bereits vor Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt worden war.
Gesetze: VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 29, VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 76 Abs. 1 Buchst. c, VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 112 Abs. 3, VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 201 Abs. 1 und 2, VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 214 Abs. 1, VO (EWG) Nr. 2454/93 Art. 97n Abs. 2, VO (EWG) Nr. 2454/93 Art. 118 Abs. 1 und 3, VO (EWG) Nr. 2454/93 Art. 147 Abs. 1
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 29, Art. 112 Abs. 3 und Art. 214 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) sowie der Art. 97k, 118 und 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 der Kommission vom (ABl. 2010, L 307, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2454/93).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Compañía de Distribución Integral Logista, SA und der Agencia Estatal de la Administración Tributaria (Steuerverwaltung, Spanien) über die Bestimmung des Zollwerts bestimmter Waren und die Gültigkeit der Ursprungsnachweise dieser Waren im Zusammenhang mit der Anwendung einer Präferenzregelung.
Rechtlicher Rahmen
Zollkodex der Gemeinschaften
3 Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften, der zu Kapitel 3 („Zollwert der Waren“) in Titel II („Grundlagen für die Erhebung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie für die Anwendung der sonstigen im Warenverkehr vorgesehenen Maßnahmen“) des Zollkodex gehörte, sah vor:
„Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [Europäischen Union] tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung …“
4 In Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex hieß es:
„Um die Förmlichkeiten und Verfahren möglichst weitgehend zu vereinfachen, ohne dass die Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge dadurch beeinträchtigt wird, lassen die Zollbehörden unter den nach dem Ausschussverfahren festgelegten Voraussetzungen zu, dass
…
die Anmeldung der Waren zu dem betreffenden Zollverfahren durch Anschreibung der Waren in der Buchführung vorgenommen wird. In diesem Fall können die Zollbehörden den Anmelder von der Gestellungspflicht befreien.“
5 Art. 112 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 des Zollkodex bestimmte:
„Werden die Einfuhrwaren gemäß Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe c) in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt, so sind gemäß Artikel 214 die Beschaffenheit, der Zollwert und die Menge maßgeblich, die sich auf die Ware bei ihrer Überführung in das Zolllagerverfahren beziehen.
Unterabsatz 1 gilt, sofern diese Bemessungsgrundlagen bei der Überführung der Waren in das Zolllagerverfahren anerkannt oder zugelassen worden sind, es sei denn, dass der Beteiligte die Anwendung der Bemessungsgrundlagen zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld beantragt.“
6 In Art. 201 Abs. 1 und 2 des Zollkodex der Gemeinschaften hieß es:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird …
…
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.“
7 Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex sah vor:
„Sofern in diesem Zollkodex nichts Gegenteiliges bestimmt ist, wird der Betrag der auf eine Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben unbeschadet Absatz 2 anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten.“
Verordnung Nr. 2454/93
8 Titel IV („Warenursprung“) der Verordnung Nr. 2454/93 enthielt ein Kapitel 2 („Präferenzieller Ursprung“). Der in Abschnitt 1A („Bis zur Anwendung des Systems des registrierten Ausführers geltende Verfahren und Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen“) dieses Kapitels enthaltene Art. 97k Abs. 5 sah vor:
„Ursprungsnachweise bleiben zehn Monate nach dem Datum der Ausstellung im Ausfuhrland gültig und sind innerhalb dieser Frist den Zollbehörden des Einfuhrlandes vorzulegen.“
9 Art. 97n Abs. 2 in diesem Abschnitt 1A der Verordnung Nr. 2454/93 bestimmte:
„Ursprungsnachweise, die den Zollbehörden des Einfuhrlandes nach Ablauf der in Artikel 97k Absatz 5 genannten Vorlagefrist vorgelegt werden, können zur Gewährung der Präferenzbehandlung angenommen werden, wenn die Frist aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht eingehalten werden konnte. In allen anderen Fällen können die Zollbehörden des Einfuhrlandes die Ursprungsnachweise annehmen, wenn ihnen die Erzeugnisse vor Ablauf der Vorlagefrist gestellt worden sind.“
10 Dieses Kapitel 2 enthielt auch einen Abschnitt 2 („Länder und Gebiete, die durch die von der [Union] für bestimmte Länder und Gebiete einseitig festgelegten Zollpräferenzmaßnahmen begünstigt sind“). Art. 118 Abs. 1 bis 3 des Unterabschnitts 2 („Nachweis der Ursprungseigenschaft“) dieses Abschnitts 2 der Verordnung Nr. 2454/93 lautete: „(1) Die Ursprungsnachweise bleiben vier Monate nach dem Datum der Ausstellung im Ausfuhrland gültig und sind innerhalb dieser Frist den Zollbehörden des Einfuhrlandes vorzulegen. (2) Ursprungsnachweise, die den Zollbehörden des Einfuhrlandes nach Ablauf der in Absatz 1 genannten Vorlagefrist vorgelegt werden, können zur Gewährung der Präferenzbehandlung nach Artikel 98 angenommen werden, wenn die Frist aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht eingehalten werden konnte. (3) In allen anderen Fällen können die Zollbehörden des Einfuhrlandes die Ursprungsnachweise annehmen, wenn ihnen die Erzeugnisse vor Ablauf der Vorlagefrist gestellt worden sind.“
11 In Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2454/93 hieß es:
„Für die Anwendung des Artikels 29 des Zollkodex [der Gemeinschaften] wird die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der [Union] angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der [Union] verkauft wurden. Dies gilt bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der [Union] geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf im Zollgebiet der [Union] vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt.
Bei der Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der [Union] geführt hat, vorausgeht, ist den Zollbehörden nachzuweisen, dass dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
12 Corporación Habanos verkaufte Zigarren an Altadis (im Folgenden: erster Verkauf) und übernahm ihre Beförderung von Kuba in das Zolllager von Agoncillo (La Rioja, Spanien), wo Compañía de Distribución Integral Logista sie als Empfängerin einlagerte.
13 Diese im Zolllager gelagerten, dem Zolllagerverfahren unterliegenden Zigarren hatten verschiedene Bestimmungen. Konkret wurde ein Teil dieser Zigarren ohne Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr verkauft, um anschließend in „Duty free shops“ an Flughäfen weiterverkauft zu werden. Ein anderer Teil der Zigarren wurde von Altadis an Compañía de Distribución Integral Logista (im Folgenden: zweiter Verkauf) verkauft, die sie wiederum teilweise außerhalb des Zollgebiets der Union, nämlich in Ceuta (Spanien) und Melilla (Spanien), verkaufte und teilweise an Tabakhändler.
14 Dieser letzte Teil der Zigarren, um den allein es im Ausgangsverfahren geht, verblieb im Eigentum von Altadis, bis Compañía de Distribución Integral Logista den Verkauf an die Tabakhändler vereinbarte. Als dies der Fall war, übertrug Altadis das Eigentum an diesen Zigarren auf Compañía de Distribución Integral Logista. Diese überführte sie sodann zwecks Verkaufs und anschließender Lieferung an Tabakhändler in den zollrechtlich freien Verkehr.
15 Bei ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr wurde der Zollwert der Zigarren auf der Grundlage des ersten Verkaufs bestimmt und angemeldet.
16 Die Steuerverwaltung vertrat jedoch die Ansicht, dass dieser erste Verkauf, der vor der Verbringung der Waren in das Zolllager erfolgt sei, nicht als zum Zweck ihrer Ausfuhr in das Zollgebiet der Union abgeschlossen betrachtet werden könne. Daher könne dieser Verkauf nicht berücksichtigt werden, um den Zollwert der Waren im Rahmen der Regelung für aufeinanderfolgende Verkäufe gemäß Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 zu bestimmen. Die Steuerverwaltung ging somit davon aus, dass dieser Zollwert auf der Grundlage des zweiten Verkaufs zu ermitteln sei.
17 Sie wies außerdem darauf hin, dass für die eingeführten Waren, die aus Kuba, der Dominikanischen Republik, Panama, Honduras, Mexiko, Peru und Ägypten stammten, nicht die Präferenzbehandlung in Anspruch genommen werden könne, die zum Zeitpunkt der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr durch Compañía de Distribución Integral Logista gewährt worden sei, da seit der Ausstellung der Ursprungsnachweise, die die Gewährung dieser Präferenzen ermöglichten, zwei Jahre vergangen seien.
18 In der Zeit von Januar 2015 bis Januar 2018 erließ die Steuerverwaltung Steuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2015, mit denen u.a. aus den beiden in den Rn. 16 und 17 des vorliegenden Urteils genannten Gründen eine Berichtigung der Zölle vorgeschrieben wurde.
19 Diese Bescheide wurden von Compañía de Distribución Integral Logista beim Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrale Rechtsbehelfsbehörde in Verwaltungssachen, Spanien) angefochten, das die Rechtsbehelfe gegen die Berichtigung der Zölle mit Entscheidung vom zurückwies.
20 Gegen diese Entscheidung erhob Compañía de Distribución Integral Logista Klage bei der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien), die diese mit Urteil vom abwies.
21 Die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) vertrat erstens die Ansicht, dass Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex der Gemeinschaften die Anwendung seines Art. 29 Abs. 1 nicht ausschließe. Da weder nachgewiesen worden sei, dass beim ersten Verkauf alle von Corporación Habanos an Altadis verkauften Waren zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union bestimmt gewesen seien, noch, dass sie ausnahmslos in dieses Gebiet befördert worden seien, sei der Zollwert demnach auf der Grundlage des zweiten Verkaufs zu bestimmen, der zum Zweck der Ausfuhr der Waren, die Gegenstand dieses Verkaufs gewesen seien, in das Zollgebiet der Union erfolgt sei.
22 Zweitens könnten die maßgeblichen Ursprungsnachweise im Zusammenhang mit der Anwendung der beantragten Präferenzregelung auf die betreffenden Waren nicht berücksichtigt werden, da sie nach Ablauf der in den Leitlinien des Ausschusses für den Zollkodex im Bereich Ursprung vorgesehenen Frist von zwei Jahren übermittelt worden seien.
23 Compañía de Distribución Integral Logista legte beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein.
24 Das vorlegende Gericht hält es für erforderlich, zwei Dinge zu präzisieren: zum einen die Modalitäten der Bestimmung des Zollwerts von eingeführten Waren, die in das Zolllagerverfahren übergeführt und anschließend gemäß dem Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex der Gemeinschaften in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden, und zum anderen die Regeln für die Gültigkeit der Ursprungsnachweise von Waren nach Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Ausstellung oder Ausfertigung dieser Nachweise, wenn in diesem Zeitraum Waren desselben Kontingents in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden.
25 Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
In Bezug auf den Zollwert: Kann Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften dahin ausgelegt werden, dass er nur die Methode zur Zollwertbestimmung – den Transaktionswert, vorbehaltlich der vorzunehmenden Berichtigungen durch Zu- oder Abschläge – festlegt, nicht aber den Zeitpunkt, zu dem diese Bewertung vorzunehmen ist?
Ist in Anbetracht dessen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Zwecke von Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften die Methode zur Zollwertbestimmung auf der Grundlage des Transaktionswerts zur Anwendung kommt, wenn die Waren zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauft wurden, Art. 29 in Verbindung mit Art. 112 Abs. 3 und Art. 214 dieses Zollkodex dahin auszulegen, dass die Einlagerung der Waren in ein Zolllager im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex bedeutet oder vermuten lässt, dass die Waren zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauft wurden? Ist für die Beantwortung der vorstehenden Frage der Umstand von Bedeutung, dass die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden, nachdem sie während ihres Aufenthalts im Zolllager veräußert wurden?
Falls die vorstehenden Fragen verneint werden: Können in Anbetracht dessen, dass das Zolllagerverfahren als Nichterhebungsverfahren das Entstehen der Zollschuld nicht regelt und diese somit im Zeitpunkt der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr entstünde, Art. 29, Art. 112 Abs. 3 und Art. 214 des Zollkodex der Gemeinschaften gleichwohl dahin ausgelegt werden, dass für die Bemessung des Zollwerts der Zeitpunkt zugrunde zu legen ist, zu dem die Ware in das Zolllagerverfahren übergeführt wurde? Oder sind die genannten Vorschriften zwingend dahin auszulegen, dass dieser Wert zu dem Zeitpunkt zu ermitteln ist, zu dem die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, d.h. beim Entstehen der Zollschuld, obwohl diese Waren zuvor in ein Zolllager verbracht wurden?
Im Fall der Regelung aufeinanderfolgender Verkäufe: Kann Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin ausgelegt werden, dass bereits die Einlagerung der Waren in ein Zolllager vermuten lässt, dass der Verkauf vor dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet geführt hat, zum Zweck der Ausfuhr in die Europäische Union erfolgt ist?
In Bezug auf Ursprungszeugnisse: Sind die Art. 118 und 97k der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen, dass die Vorlage des Nachweises der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nach Ablauf der Zweijahresfrist den Verlust der Anwendbarkeit der Zollvergünstigungen aufgrund des präferenziellen Ursprungs zur Folge hat, obwohl das dem Antrag auf Gewährung der Zollpräferenz zugrunde liegende Ursprungszeugnis in vorherigen, innerhalb der Zweijahresfrist durchgeführten Teilüberführungen von Waren verwendet worden ist?
Zu den ersten vier Vorlagefragen
26 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Er hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. Urteile vom , Krüger, C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23, sowie vom , Alphabet u.a., C‑233/23, EU:C:2025:110, Rn. 33).
27 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Steuerverwaltung Zollanmeldungen mit der Begründung beanstandet hat, dass der Zollwert der betreffenden Waren anhand ihres Transaktionswerts zum Zeitpunkt des Verkaufs bestimmt worden sei, der vor der Einlagerung dieser Waren in ein Zolllager im Zollgebiet der Union stattgefunden habe. Die Steuerverwaltung vertrat die Ansicht, maßgeblich sei der Transaktionswert dieser Waren zum Zeitpunkt des Verkaufs, der während ihrer Einlagerung in diesem Zolllager stattgefunden habe, bevor sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex der Gemeinschaften in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden seien.
28 In diesem Zusammenhang geht aus den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die ersten vier Vorlagefragen es dem vorlegenden Gericht ermöglichen sollen, den Zeitpunkt zu ermitteln, auf den bei der Bestimmung des Zollwerts der betreffenden Waren abzustellen ist, sowie den Verkauf, der insoweit berücksichtigt werden kann, wenn sich der Beteiligte auf Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex beruft.
29 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen ersten vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 29 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex der Gemeinschaften sowie Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass in Fällen, in denen Waren Gegenstand eines ersten Verkaufs waren, auf dessen Grundlage sie in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, um sie in das Zolllagerverfahren zu überführen, und diese Waren anschließend Gegenstand eines zweiten Verkaufs waren, der zu ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex geführt hat, für die Bestimmung des Zollwerts dieser Waren auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem sie in das Zolllagerverfahren übergeführt wurden, und der Zollwert dieser Waren anhand ihres Transaktionswerts beim ersten Verkauf bestimmt werden kann.
Zeitpunkt, auf den für die Bestimmung des Zollwerts abzustellen ist
30 Nach ständiger Rechtsprechung soll mit der Zollwertregelung der Union ein gerechtes, einheitliches und neutrales System geschaffen werden, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln, wobei der Zollwert eingeführter Waren vorrangig nach der sogenannten „Transaktionswertmethode“ zu ermitteln ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , 5th AVENUE Products Trading, C‑775/19, EU:C:2020:948, Rn. 22 und 24, sowie vom , Tauritus, C‑782/23, EU:C:2025:353, Rn. 51 und 54).
31 Diese Methode wird in Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften beschrieben, nach dem der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert ist, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung.
32 Dem Wortlaut dieser Vorschrift, insbesondere dem Ausdruck „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [Union]“, ist zu entnehmen, dass der Transaktionswert einem Preis zur Ausfuhr in die Union entsprechen muss. Es muss somit zum Zeitpunkt des Verkaufs feststehen, dass die Waren aus einem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht werden (vgl. Urteile vom , Unifert, C‑11/89, EU:C:1990:237, Rn. 11, und vom , LS Customs Services, C‑46/16, EU:C:2017:839, Rn. 27).
33 In dieser Vorschrift selbst wird jedoch nicht angegeben, auf welchen Zeitpunkt für die Bestimmung des Zollwerts abzustellen ist.
34 Aus Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften ergibt sich hingegen, dass, sofern in diesem Zollkodex nichts Gegenteiliges bestimmt ist, der Betrag der auf eine Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben unbeschadet Abs. 2 dieses Artikels anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt wird, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten.
35 Diese Bestimmung enthält die Grundregel, dass die Zölle anhand der Lage zum Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld berechnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Exter, C‑330/19, EU:C:2020:809, Rn. 33).
36 Wenn der Tatbestand der Entstehung der Zollschuld in der Überführung der betreffenden Ware in den zollrechtlich freien Verkehr besteht, entsteht die Einfuhrzollschuld nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des Zollkodex der Gemeinschaften zu dem Zeitpunkt, zu dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , D. Wandel, C‑66/99, EU:C:2001:69, Rn. 41).
37 Daraus ergibt sich, dass in Fällen, in denen die Zollschuld durch die Überführung der betreffenden Ware in den zollrechtlich freien Verkehr entsteht, der auf diese Ware zu erhebende Einfuhrabgabenbetrag anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt wird, die für diese Ware zu dem Zeitpunkt gelten, zu dem die sie betreffende Zollanmeldung angenommen wird.
38 Allerdings sieht Art. 112 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 des Zollkodex der Gemeinschaften für gemäß seinem Art. 76 Abs. 1 Buchst. c in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführte Einfuhrwaren vor, dass gemäß Art. 214 die Beschaffenheit, der Zollwert und die Menge maßgeblich sind, die sich auf die Ware bei ihrer Überführung in das Zolllagerverfahren beziehen, sofern diese Bemessungsgrundlagen bei der Überführung der Waren in das Zolllagerverfahren anerkannt oder zugelassen worden sind, es sei denn, dass der Beteiligte die Anwendung der Bemessungsgrundlagen zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld beantragt.
39 Daraus folgt, dass es dem Beteiligten, wenn die Zollschuld durch die Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr entsteht und die in Art. 112 Abs. 3 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, freisteht, bei der Anmeldung als Zollwert dieser Ware nicht ihren Wert zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anzugeben, sondern jenen zum Zeitpunkt ihrer Überführung in das Zolllagerverfahren.
40 Daher ist Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen Waren zur Überführung in das Zolllagerverfahren in das Zollgebiet der Union verbracht und anschließend im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden, der Beteiligte bei der Anmeldung als Zollwert dieser Waren ihren Wert zum Zeitpunkt ihrer Überführung in das Zolllagerverfahren angeben kann.
Zum Nachweis, dass die Waren zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft wurden
41 Für die Anwendung von Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften sieht Art. 147 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 drei Regeln dazu vor, was vorzubringen ist, um rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass Waren im Sinne von Art. 29 des Zollkodex zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft wurden.
42 Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 bestimmt in seinem ersten Satz, dass die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen wird, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft wurden. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung gilt dies bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in dieses Zollgebiet geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf in diesem Zollgebiet vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt. Dagegen sieht Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 vor, dass bei der Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, vorausgeht, den Zollbehörden nachzuweisen ist, dass dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.
43 Im Gegensatz zu den von Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 erfassten Fällen, für die kein weiterer Nachweis erforderlich ist, dass der betreffende Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union abgeschlossen wurde, muss der Beteiligte, wenn der angemeldete Zollwert dem Preis eines Verkaufs entspricht, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in dieses Gebiet geführt hat, vorausgeht, nachweisen, dass ein solcher Verkauf mit Bestimmung für dieses Gebiet abgeschlossen wurde.
44 Zu den von Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung erfassten Fällen zählt gemäß dem ersten Satz dieser Bestimmung der Verkauf von zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren.
45 Insoweit geht aus dem Wortlaut dieses Satzes nicht hervor, dass dieser Verkauf unmittelbar vor der Überführung der betreffenden Waren in den zollrechtlich freien Verkehr stattfinden muss. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Waren zwischen ihrem Verkauf und ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in das Zolllagerverfahren übergeführt wurden.
46 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 2454/93 bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung der Preis des letzten Verkaufs, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, als Zollwert angemeldet werden kann.
47 Da der Preis eines solchen Verkaufs bei aufeinanderfolgenden Verkäufen als Zollwert berücksichtigt werden kann, muss er zu diesem Zweck also erst recht berücksichtigt werden können, wenn es zum Zeitpunkt der Bewertung nur einen einzigen Verkauf gab, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union und dann in das Zolllager geführt hat, bevor sie in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden.
48 Eine solche Berücksichtigung steht nämlich im Einklang mit dem Ziel von Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93, die Ermittlung des Transaktionswerts von Waren, die Gegenstand eines oder mehrerer Verkäufe sind, zu erleichtern und gleichzeitig zu gewährleisten, dass dieser Wert den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegelt.
49 Daraus folgt, dass in den Fällen, in denen die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex der Gemeinschaften erfüllt sind und die Waren zum Zeitpunkt ihrer Überführung in das Zolllagerverfahren Gegenstand eines Verkaufs waren, der zu ihrer Verbringung in das Zollgebiet der Union geführt hat, der Zollwert der Waren nach Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 unter Bezugnahme auf den Transaktionswert dieses Verkaufs bestimmt werden kann, ohne dass es eines weiteren Nachweises bedarf, dass mit diesem Verkauf die Ausfuhr in das Zollgebiet der Union bezweckt wurde.
50 Da die Überführung von Waren in das Zolllagerverfahren mit sich bringt, dass die betreffenden Waren möglicherweise verschiedene künftige zollrechtliche Bestimmungen haben, ist es unter diesen Umständen für die Anwendung von Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung unerheblich, dass andere Waren desselben Kontingents, die in dieses Verfahren übergeführt wurden, im Anschluss ohne Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr verkauft wurden.
51 Nach alledem ist auf die ersten vier Fragen zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 3 des Zollkodex der Gemeinschaften sowie Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass in Fällen, in denen Waren Gegenstand eines ersten Verkaufs waren, auf dessen Grundlage sie in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, um sie in das Zolllagerverfahren zu überführen, und diese Waren anschließend Gegenstand eines zweiten Verkaufs waren, der zu ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex geführt hat, für die Bestimmung des Zollwerts dieser Waren auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem sie in das Zolllagerverfahren übergeführt wurden, und der Zollwert dieser Waren anhand ihres Transaktionswerts beim ersten Verkauf bestimmt werden kann.
Zur fünften Vorlagefrage
52 Mit seiner fünften Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 97k Abs. 5, Art. 97n Abs. 2 und Art. 118 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass die Zollbehörden des Einfuhrlands nicht verpflichtet sind, für die Gewährung der Präferenzbehandlung für eine Ware einen Ursprungsnachweis anzunehmen, der ihnen nach Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt wurde, auch wenn ihnen dieser Ursprungsnachweis im Zusammenhang mit der Gewährung der Präferenzbehandlung für andere Waren desselben Kontingents bereits vor Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt worden war.
53 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, obwohl die Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 118 der Verordnung Nr. 2454/93 im Ausgangsrechtsstreit geäußert haben, vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, ob neben Art. 97k Abs. 5 und Art. 97n Abs. 2 dieser Verordnung deren Art. 118 auf manche der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausfuhrländer anwendbar ist.
54 Erstens sieht Art. 97k Abs. 5 der Verordnung Nr. 2454/93 vor, dass Ursprungsnachweise zehn Monate nach dem Datum der Ausstellung im Ausfuhrland gültig bleiben und innerhalb dieser Frist den Zollbehörden des Einfuhrlands vorzulegen sind. Nach Art. 97n Abs. 2 dieser Verordnung können Ursprungsnachweise, die diesen Zollbehörden nach Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt werden, zur Gewährung der Präferenzbehandlung angenommen werden, wenn die Frist aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht eingehalten werden konnte. In dieser Bestimmung wird außerdem klargestellt, dass diese Zollbehörden in allen anderen Fällen die Ursprungsnachweise annehmen können, wenn ihnen die Erzeugnisse vor Ablauf der Vorlagefrist gestellt worden sind.
55 Zweitens sieht Art. 118 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 vor, dass die Ursprungsnachweise vier Monate nach dem Datum der Ausstellung im Ausfuhrland gültig bleiben und innerhalb dieser Frist den Zollbehörden des Einfuhrlands vorzulegen sind, während Art. 118 Abs. 2 vorsieht, dass Ursprungsnachweise, die diesen Zollbehörden nach Ablauf der in Abs. 1 genannten Vorlagefrist vorgelegt werden, zur Gewährung der Präferenzbehandlung nach Art. 98 angenommen werden können, wenn die Frist aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht eingehalten werden konnte. Nach Art. 118 Abs. 3 können diese Zollbehörden in allen anderen Fällen die Ursprungsnachweise annehmen, wenn ihnen die Erzeugnisse vor Ablauf der Vorlagefrist gestellt worden sind.
56 Diese beiden Bestimmungen regeln die Fristen für die Gültigkeit und die Vorlage von Ursprungsnachweisen für eingeführte Waren im Hinblick auf die Gewährung der darin genannten Präferenzbehandlung. Um zu gewährleisten, dass eine solche Behandlung gerechtfertigt ist, ermöglichen es diese Fristen insbesondere den Zollbehörden der Einfuhrländer, die hierfür erforderlichen Sachverhalts- und Dokumentenprüfungen vorzunehmen.
57 Außerdem regeln Art. 97n Abs. 2 Satz 2 und Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2454/93 den Fall, dass der Ursprungsnachweis für eine Ware den Zollbehörden des Einfuhrlands aus Gründen, die keine außergewöhnlichen Umstände darstellen, nicht innerhalb der vorgesehenen Frist vorgelegt worden ist. In diesen Fällen können die Zollbehörden diesen Nachweis annehmen, sofern ihnen die Ware vor Ablauf dieser Frist gestellt worden ist.
58 Diese Möglichkeit wird durch diese Bestimmungen nicht weiter geregelt. Es ist daher Sache der Zollbehörden des Einfuhrlands, im Einzelfall festzustellen, ob einer bestimmten Ware auf der Grundlage eines verspätet vorgelegten Ursprungsnachweises eine Präferenzbehandlung gewährt werden kann, wobei sie insbesondere den Zweck dieser Bestimmungen zu berücksichtigen haben, die es den entsprechenden Behörden ermöglichen sollen, den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Ware zu überprüfen.
59 Daraus folgt, dass diese Behörden nicht verpflichtet sind, einen Ursprungsnachweis nach Ablauf der dafür vorgesehenen Fristen anzunehmen, auch wenn er bei der innerhalb dieser Fristen erfolgten Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr vorgelegt worden ist und diese Waren Teil des gleichen Kontingents sind wie die Waren, für die seine Vorlage verspätet erfolgte. Dieser Umstand allein erlaubt es nämlich nicht, auszuschließen, dass es für die Gewährung einer Präferenzbehandlung erforderlich ist, bei der Überführung einer solchen Ware in den zollrechtlich freien Verkehr Sachverhalts- und Dokumentenprüfungen auf der Grundlage des Ursprungsnachweises dieser Ware vorzunehmen.
60 Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 97k Abs. 5, Art. 97n Abs. 2 und Art. 118 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass die Zollbehörden des Einfuhrlands nicht verpflichtet sind, für die Gewährung der Präferenzbehandlung für eine Ware einen Ursprungsnachweis anzunehmen, der ihnen nach Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt wurde, auch wenn ihnen dieser Ursprungsnachweis im Zusammenhang mit der Gewährung der Präferenzbehandlung für andere Waren desselben Kontingents bereits vor Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt worden war.
Kosten
61 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 29 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung sowie Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 der Kommission vom geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
in Fällen, in denen Waren Gegenstand eines ersten Verkaufs waren, auf dessen Grundlage sie in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, um sie in das Zolllagerverfahren zu überführen, und diese Waren anschließend Gegenstand eines zweiten Verkaufs waren, der zu ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im vereinfachten Verfahren nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung geführt hat, für die Bestimmung des Zollwerts dieser Waren auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem sie in das Zolllagerverfahren übergeführt wurden, und der Zollwert dieser Waren anhand ihres Transaktionswerts beim ersten Verkauf bestimmt werden kann.
Art. 97k Abs. 5, Art. 97n Abs. 2 und Art. 118 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 1063/2010 geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
die Zollbehörden des Einfuhrlands nicht verpflichtet sind, für die Gewährung der Präferenzbehandlung für eine Ware einen Ursprungsnachweis anzunehmen, der ihnen nach Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt wurde, auch wenn ihnen dieser Ursprungsnachweis im Zusammenhang mit der Gewährung der Präferenzbehandlung für andere Waren desselben Kontingents bereits vor Ablauf der Vorlagefrist vorgelegt worden war.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:845
Fundstelle(n):
RAAAK-04941