Leitsatz
1. Ein GmbH-Geschäftsführer kann nach seiner Abberufung als gesetzlicher Vertreter nicht mehr als Haftungsschuldner in Anspruch
genommen werden; es sei denn, er ist als Verfügungsberechtigter gem. § 35 AO anzusehen.
2. Verfügungsberechtigter gem. § 35 AO ist jeder, der rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen
sind, verfügen kann und nach außen hin als Verfügungsberechtigter auftritt.
3. Der bloße Umstand, dass jemand noch Bankvollmacht besitzt, reicht allein nicht aus, um ihn als Verfügungsberechtigen i.S.d.
§ 35 AO anzusehen. Dies gilt v.a. dann, wenn nicht erkennbar ist, dass die betreffende Person nach außen auftreten oder weiterhin
die Geschäfte der Gesellschaft führen oder den Anschein einer entsprechenden Rechtsstellung erwecken würde.
4. Haften i.S.d. § 191 AO bedeutet das Einstehenmüssen für eine fremde Schuld, was voraussetzt, dass die zu Grunde liegende
Steuerschuld entstanden ist und noch besteht.
5. Die Haftung nach § 69 AO ist dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet
worden ist, was i.d.R. zu einer Haftung mit der Quote führt, zu welcher das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt
worden ist.
6. Eine Tilgungsquote bei der Haftungsinanspruchnahme ist jedoch ausnahmsweise verzichtbar, wenn für die GmbH unzutreffende
Umsatzsteuererklärungen abgegeben wurden und die festgesetzten Steuern nicht oder nicht fristgerecht entrichtet wurden.
7. Steuerforderungen gegenüber der GmbH entfalten keine Drittwirkung gegenüber dem in Haftung genommenen Geschäftsführer,
wenn sie noch nicht unanfechtbar festgesetzt worden sind (arg. § 166 AO).
8. Einem sog. Finetrader (also jemandem, der eine bankenunabhängige Einkaufsfinanzierung betreibt, indem er Waren für ein
Unternehmen bei dessen Lieferanten kauft und vorfinanziert), wird i.d.R. nicht Substanz, Wert und Ertrag der Waren übertragen,
so dass umsatzsteuerlich keine Lieferung von Gegenständen an ihn vorliegt.