Vorschriften über Beamtenbesoldung in Besoldungsordnungen A des Landes Berlin in den Jahren 2008 bis 2020 überwiegend verfassungswidrig - Zur Erweiterung des Prüfungsgegenstandes im Verfahren der konkreten Normenkontrolle insb im Bereich der Beamtenbesoldung (Ls 1) - sowie zum Erfordernis effektiven Rechtsschutzes bzgl hinreichender Alimentierung mit Blick auf Streikverbot für Beamte (Ls 4) - Darlegungslast des Gesetzgebers bzgl Angemessenheit der Besoldung spätestens im Gerichtsverfahren (Ls 6; Fortentwicklung der Rspr) - Prekaritätsschwelle statt Grundsicherungsniveau als Maßstab des Mindestbesoldungsniveaus (Ls 7; Fortentwicklung der Rspr) - Frist zur Neuregelung bis
Leitsatz
1.Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG kann grundsätzlich nur eine Rechtsvorschrift sein, auf die es in dem zugrundeliegenden Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ankommt. Die Befriedungsfunktion der Normenkontrolle erlaubt jedoch die Ausweitung des Prüfungsgegenstandes und des Prüfungszeitraums über den Vorlagegegenstand hinaus, wenn dies zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes geboten und zu erwarten ist, dass dem Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf dessen Verwerfungsmonopol künftig weitere vergleichbare Normen in erheblichem Umfang vorgelegt werden müssen.
2. Das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und ihren Familien lebenslang einen amtsangemessenen Unterhalt zu gewähren. Es hat - im Zusammenwirken mit dem Lebenszeitprinzip - vor allem die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten im Interesse einer fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen Verwaltung zu gewährleisten. Das Berufsbeamtentum sichert auf diese Weise das Prinzip der freiheitlichen Demokratie gegen Übergriffe zusätzlich ab.
3. Die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines amtsangemessenen Unterhalts stellt eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende Gestaltungsdirektive dar, bei deren konkreter Umsetzung der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum besitzt. Er überschreitet die Grenzen dieses Spielraums, wenn die Besoldung im Hinblick auf Zweck und Gehalt des Alimentationsprinzips evident unzureichend ist. Dies unterliegt der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.
4. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Gewähr dafür bieten, dass dem - nicht zum Streik berechtigten - Beamten mit dem gerichtlichen Rechtsschutz ein wirksames Mittel zur Verfügung steht, sein individuelles verfassungsmäßiges Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt gerichtlich durchzusetzen.
5. Die gerichtliche Kontrolle, ob die Besoldung evident unzureichend und Art. 33 Abs. 5 GG deshalb verletzt ist, vollzieht sich in drei Schritten: Erforderlich ist - erstens, sofern Anlass dafür besteht - eine Prüfung des Gebots der Mindestbesoldung (Vorabprüfung). Es bedarf - zweitens - einer zweistufigen Prüfung des Gebots, die Besoldung der Beamten fortlaufend an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards anzupassen (Fortschreibungsprüfung). Schließlich - drittens - ist, sofern die Vorabprüfung oder die Fortschreibungsprüfung einen Verstoß gegen das Alimentationsprinzip ergibt, zu prüfen, ob dieser Verstoß ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.
6. Soweit sich dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Bestimmung, Bewertung und wechselseitige Zuordnung der jeweils in Betracht zu ziehenden alimentationsrelevanten Aspekte Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume eröffnen, entspricht dem eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle, die sich auf eine Prüfung der Nachvollziehbarkeit und Vertretbarkeit der Einschätzungen und Beurteilungen des Gesetzgebers beschränkt. Mit gesetzgeberischen Einschätzungs- und Beurteilungsspielräumen korrespondiert eine materielle Darlegungslast, der - sofern sie nicht bereits im Gesetzgebungsverfahren erfüllt worden ist - nachträglich im Gerichtsverfahren durch den über die maßgeblichen Erwägungen unterrichteten Dienstherrn genügt werden kann. Sie tritt an die Stelle der in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geforderten Einhaltung prozeduraler Anforderungen.
7. Eine die Unabhängigkeit des Beamten sichernde Freiheit von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt. Dies ist nur der Fall, wenn das Einkommen die Prekaritätsschwelle von 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens erreicht (Gebot der Mindestbesoldung). Die in der Senatsrechtsprechung bisher vorgenommene Prüfung am Maßstab des Grundsicherungsniveaus wird insoweit fortentwickelt. Wird die Mindestbesoldung unterschritten, liegt allein hierin ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip; einer Fortschreibungsprüfung bedarf es in diesem Fall nicht.
8. Ob der Gesetzgeber bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung über die Jahre hinweg der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards hinreichend Rechnung getragen hat, muss im Rahmen einer zweistufigen Prüfung anhand verschiedener, aus dem Alimentationsprinzip ableitbarer Kriterien beurteilt werden (Fortschreibungsprüfung).
a) Auf der ersten Prüfungsstufe sind ein Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung von drei volkswirtschaftlichen Vergleichsgrößen (Tariflohnindex, Nominallohnindex, Verbraucherpreisindex) sowie ein systeminterner Besoldungsvergleich, dem das Abstandsgebot zugrundeliegt, vorzunehmen. Die Besoldungsentwicklung wird ebenso wie die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Vergleichsgrößen methodisch jeweils mit Hilfe eines auf das feste Basisjahr 1996 zurückgehenden Index erfasst. Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung einer der drei Vergleichsgrößen von mindestens 5 % ist jeweils ein Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (erster, zweiter und dritter Parameter). Eine Verletzung des Abstandsgebots kann entweder in der deutlichen Verringerung der Abstände zwischen Besoldungsgruppen (unmittelbarer Verstoß) oder in der Unterschreitung der gebotenen Mindestbesoldung in einer niedrigeren Besoldungsgruppe (mittelbarer Verstoß) bestehen (vierter Parameter).
b) Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer wertenden Betrachtung zusammenzuführen. Sind mindestens zwei Parameter erfüllt, besteht eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unterbesoldung. Wird kein Parameter erfüllt, wird eine amtsangemessene Besoldung vermutet. Ist ein Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe auf der zweiten Stufe besonders eingehend gewürdigt werden. Auf der ersten Prüfungsstufe festgestellte Vermutungen können sowohl erhärtet als auch widerlegt werden.
Gesetze: Art 33 Abs 5 GG, Art 100 Abs 1 GG, Art 125a Abs 1 S 1 GG, § 80 BVerfGG, § 20 Abs 2 S 2 BBesG vom , § 85 BBesG, Anl 4 Nr 1 BBesG vom , Anl 1 BesNG BE vom , Anl 3 BesNG BE vom , Art 1 § 1 Nr 1 Buchst b BesNG BE vom , Art 2 § 2 Abs 1 BesNG BE vom , Art 1 § 2 Abs 1 Nr 1 BesVersAnpÄndG BE 2019/2020 vom , Art 1 § 3 Abs 1 BesVersAnpÄndG BE 2019/2020 vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG2016Bek BE vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG2017Bek BE vom , Anl 15 Nr 1 BesVersAnpG2017Bek BE vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG2019Bek BE vom , Anl 15 Nr 1 BesVersAnpG2019Bek BE vom , § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2010/2011 vom , § 2 Abs 1 S 2 BesVersAnpG BE 2010/2011 vom , § 2 Abs 3 BesVersAnpG BE 2010/2011 vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2010/2011 vom , Anl 15 Nr 1 BesVersAnpG BE 2010/2011 vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2012/2013 vom , Anl 16 Nr 1 BesVersAnpG BE 2012/2013 vom , Art 1 § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2012/2013 vom , Art 1 § 2 Abs 1 S 2 BesVersAnpG BE 2012/2013 vom , Art 1 § 2 Abs 3 BesVersAnpG BE 2012/2013 vom , Anl 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Anl 15 Nr 1 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Art 1 § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Art 1 § 2 Abs 1 S 2 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Art 1 § 2 Abs 4 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Art 1 § 2 Abs 6 BesVersAnpG BE 2014/2015 vom , Art 1 § 2 Abs 1 Nr 1 BesVersAnpG BE 2016 vom , Art 1 § 2 Abs 3 BesVersAnpG BE 2016 vom , Art 1 § 2 Abs 1 Nr 1 BesVersAnpÜblG BE vom , Art 1 § 2 Abs 4 BesVersAnpÜblG BE vom , Art 1 § 2 Abs 7 BesVersAnpÜblG BE vom , Art 11 Abs 1 MRK, Art 11 Abs 2 MRK
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 4 B 34.12 Vorlagebeschlussvorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 4 B 33.12 Vorlagebeschlussvorgehend Az: 2 C 4/17 Vorlagebeschlussvorgehend Az: 2 C 5/17 Vorlagebeschlussvorgehend Az: 2 C 6/17 Vorlagebeschlussvorgehend Az: 2 C 7/17 Vorlagebeschlussvorgehend Az: 2 C 8/17 Vorlagebeschluss
Gründe
A.
1Die Verfahren werfen die Frage auf, ob die Besoldung der Beamten im Land Berlin nach den Besoldungsordnungen A in den Jahren 2008 bis 2020 amtsangemessen war.
I.
21. Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes war die Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung und Versorgung von Beamten in der Bundesrepublik aufgeteilt. Hinsichtlich der Landesbeamten verfügte der Bund zwar über eine Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG a.F., die aber beispielsweise nicht zur Festsetzung von Höchstbeträgen für die Besoldung ermächtigte (vgl. BVerfGE 4, 115 <135 ff.>; vgl. zum Ganzen Günther, Die Anpassung der Beamtenbesoldung an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, 1987, S. 65 ff.). Im Jahre 1971 erhielt der Bund durch Art. 74a Abs. 1 GG a.F. die Kompetenz für die konkurrierende Gesetzgebung, von der er durch Erlass des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) abschließend Gebrauch machte (vgl. BVerfGE 139, 64 <73 ff. Rn. 5 ff.>). Nach der Jahrtausendwende wurde die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten in zwei Schritten reföderalisiert. Zunächst wurde es den Ländern durch eine im Jahr 2003 eingefügte Öffnungsklausel in § 67 BBesG a.F. einfachgesetzlich ermöglicht, die jährlichen Sonderzahlungen abweichend zu regeln (vgl. BVerfGE 139, 64 <76 ff. Rn. 12 f.>). Anschließend wurde die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten im Rahmen der Föderalismusreform I des Jahres 2006 gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG auf die Länder rückübertragen (vgl. BVerfGE 139, 64 <85 f. Rn. 29 ff.>).
32. Die Besoldung der Beamten des Landes Berlin nach den Besoldungsordnungen A entwickelte sich im prüfungsgegenständlichen Zeitraum im Wesentlichen wie folgt:
4a) Bis zum ergab sich die Besoldung der Beamten des Landes Berlin im Wesentlichen aus der zu § 20 Abs. 2 Satz 2 BBesG erlassenen Anlage IV Nr. 1 in der Fassung des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 (BBVAnpG 2003/ 2004) vom (BGBl I S. 1798). Hinsichtlich der Grundgehaltssätze für die A-Besoldung hatte der Landesgesetzgeber nach der Föderalismusreform I im Jahr 2006 zunächst keine Regelung getroffen, sodass die bundesrechtlichen Bestimmungen auf der Grundlage von Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 85 BBesG in der am geltenden Fassung des BBVAnpG 2003/2004 - mit Ausnahme des Familienzuschlages (vgl. Art. I des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom <GVBl S. 272>) - fortgalten. Durch Art. XIII § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a des Dienstrechtsänderungsgesetzes (DRÄndG) des Landes Berlin vom (GVBl S. 70) wurden die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppen A 2 und A 3 mit Wirkung vom (vgl. Art. XIII § 6 Abs. 2 DRÄndG) in die Besoldungsgruppe A 4 übergeleitet; diese beiden Gruppen entfielen damit.
5b) Durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummern 1, 2 und 6 sowie Satz 2 des Gesetzes zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 (BerlBVAnpG 2010/2011) vom (GVBl S. 362) in Verbindung mit den Anlagen 1, 2, 4 und 5 wurden die Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung A, die Amtszulagen und die allgemeine Stellenzulage nach der fortgeltenden Vorbemerkung Nummer 27 der Bundesbesoldungsordnungen A und B, die sich aus Anlage II des Landesbesoldungsgesetzes Berlin (LBesG BE) in der Fassung vom (GVBl S. 160; 2005 S. 463), das zuletzt durch Art. VI des Gesetzes vom (GVBl S. 22) geändert worden war, ergebenden Beträge der Amtszulagen und Stellenzulagen sowie der Familienzuschlag, letzterer mit Ausnahme der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5, zum um 1,5 % erhöht.
6c) Ab dem sah § 2 Abs. 3 BerlBVAnpG 2010/2011 in Verbindung mit den Anlagen 15, 16, 18 und 19 eine Erhöhung der unter b) genannten Bezüge um 2 % vor. Mit Wirkung vom machte das Land Berlin jedoch von der durch Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten Ersetzungsbefugnis umfassend Gebrauch. Durch Art. III § 1 Nr. 3 des Zweiten Dienstrechtsänderungsgesetzes (2. DRÄndG) vom (GVBl S. 266) wurde § 1b LBesG BE eingefügt. Danach gelten die bundesrechtlichen Besoldungsbestimmungen (nach Maßgabe der bereits angeordneten landesrechtlichen Modifikationen) als Landesrecht fort. Durch Art. I § 1 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzes zur Besoldungsneuregelung für das Land Berlin (BerlBesNG) vom (GVBl S. 306) wurde der auf diese Weise in Landesrecht transformierte § 20 BBesG dahingehend geändert, dass sich die Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung A aus Anlage 1 zum BerlBesNG ergeben. Diese fasste die Grundgehaltssätze zum neu, wobei die Besoldungsgruppen A 2 und A 3 erstmals nicht mehr ausgewiesen wurden. Bei den Amts- und Stellenzulagen sowie beim Familienzuschlag (dieser mit Ausnahme der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5) verblieb es bei der ursprünglich vorgesehenen Erhöhung um 2 %.
7d) Durch Art. I § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummern 1, 3 und 5 sowie Satz 2 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2012/2013 (BerlBVAnpG 2012/2013) vom (GVBl S. 291) in Verbindung mit den Anlagen 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 wurden die Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung A, die Amtszulagen und die allgemeine Stellenzulage sowie der Familienzuschlag (dieser mit Ausnahme der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5) zum um 2 % erhöht.
8e) Mit Art. I § 2 Abs. 3 BerlBVAnpG 2012/2013 in Verbindung mit den Anlagen 16 Nr. 1, 17, 19 und 20 erfolgte eine weitere Erhöhung dieser Bezüge zum um 2 %.
9f) Durch Art. I § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummern 1 und 2, Satz 2 sowie Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2014/2015) vom (GVBl S. 250) in Verbindung mit den Anlagen 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 wurden die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnungen A, die Amtszulagen sowie die allgemeine Stellenzulage zum um 3 % erhöht. Nach Art. I § 2 Abs. 2 BerlBVAnpG 2014/2015 wurde die Anlage 17 BerlBVAnpG 2012/2013 (Familienzuschlag) durch die Anlage 2 zu BerlBVAnpG 2014/2015 ersetzt. Danach wurde der Familienzuschlag in der Stufe 1 ebenfalls mit Wirkung zum um 3 % erhöht.
10g) Gemäß Art. I § 2 Abs. 4 BerlBVAnpG 2014/2015 erfolgte eine weitere Erhöhung der genannten Bezüge zum um 3,2 %. Zugleich bestimmte Art. I § 2 Abs. 6 BerlBVAnpG 2014/2015 in Verbindung mit den Anlagen 15 Nr. 1, 16, 18 und 19, dass diese Erhöhung der Bezüge nach Maßgabe des § 14a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BbesG BE vermindert werde. Die Bezüge wurden daher zum effektiv statt um 3,2 % nur um 3 % erhöht. Die dadurch erzielten Einsparungen wurden der Versorgungsrücklage zugeführt. Überdies verpflichtete sich der Gesetzgeber dazu, bis zu einer Angleichung an das Durchschnittsniveau der übrigen Länder ab August 2016 die zukünftigen linearen Besoldungserhöhungen im Sinne von Art. I § 2 Abs. 1 und 4 BerlBVAnpG 2014/2015 mindestens um 0,5 % über dem entsprechenden Durchschnittswert der Anpassungen aller anderen Länder anzupassen (Art. VI BerlBVAnpG 2014/2015).
11h) Durch Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2016 und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2016) vom (GVBl S. 334) in Verbindung mit den Anlagen 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 der Bekanntmachung vom gemäß Art. 1 § 2 Abs. 5 BerlBVAnpG 2016 (GVBl S. 522) wurden die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnungen A, die Amtszulagen sowie die allgemeine Stellenzulage und der Familienzuschlag einschließlich der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5 zum um 3 % erhöht, hinsichtlich der Grundgehaltssätze jedoch mindestens um einen Prozentsatz, der einem Erhöhungsbetrag von 75 Euro entspricht. Zugleich wurde die Erhöhung durch Art. 1 § 2 Abs. 3 BerlBVAnpG 2016 nach Maßgabe des § 14a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BBesG BE um 0,2 % vermindert. Die Bezüge wurden also zum effektiv nur um 2,8 % erhöht.
12i) Nach Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2017/2018, zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2017/2018) vom (GVBl S. 382) in Verbindung mit den Anlagen 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 der Bekanntmachung vom gemäß Art. 1 § 2 Abs. 9 BerlBVAnpG 2017/2018 (GVBl S. 439) wurden die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnungen A, die Amtszulagen sowie die allgemeine Stellenzulage und der Familienzuschlag einschließlich der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5 zum um 2,8 % erhöht, hinsichtlich der Grundgehaltssätze mindestens jedoch um einen Erhöhungsbetrag von 75,15 Euro. Zugleich wurde die Erhöhung durch Art. 1 § 2 Abs. 7 BerlBVAnpG 2017/2018 nach Maßgabe des § 14a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BBesG BE um 0,2 % vermindert. Die Bezüge wurden daher zum effektiv um 2,6 % erhöht.
13j) Art. 1 § 2 Abs. 4 BerlBVAnpG 2017/2018 in Verbindung mit den Anlagen 15 Nr. 1, 16, 18 und 19 der Bekanntmachung vom gemäß Art. 1 § 2 Abs. 9 BerlBVAnpG 2017/2018 (GVBl S. 439) sah eine weitere Erhöhung der Grundgehaltssätze, der Amtszulagen sowie der allgemeinen Stellenzulage und des Familienzuschlags einschließlich der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5 um 3,2 % zum vor. Das Datum der Erhöhung wurde durch Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes zur Anpassung des Datums der Besoldungserhöhung, zur Abschaffung der Kostendämpfungspauschale, zur Verbesserung der personellen Ausstattung der Bezirksverordnetenversammlungen, zur Einführung der Lernmittelfreiheit, zur Beitragsfreiheit der Hortbetreuung in den Jahrgangsstufen 1 und 2 und zur Abschaffung der Bedarfsprüfung im Kernmodul vom (GVBl S. 202) auf den vorverlegt.
14k) Durch Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2019/2020 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2019/2020) vom (GVBl S. 551) in Verbindung mit den Anlagen 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 der Bekanntmachung vom gemäß Art. 1 § 5 BerlBVAnpG 2019/2020 (GVBl S. 635) wurden die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnungen A, die Amtszulagen, die allgemeine Stellenzulage und (insoweit erstmalig) auch alle sonstigen, bisher aufgrund ihrer Funktionsbezogenheit neben der Grundbesoldung gewährten (vgl. Abghs.-Drucks. 18/2028, S. 21; 18/1638, S. 18) Stellenzulagen sowie der Familienzuschlag einschließlich der Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5 zum um 4,3 % erhöht.
15l) Mit Art. 1 § 3 Abs. 1 BerlBVAnpG 2019/2020 in Verbindung mit den Anlagen 15 Nr. 1, 16, 18 und 19 der Bekanntmachung vom gemäß Art. 1 § 5 BerlBVAnpG 2019/2020 (GVBl S. 635) erfolgte eine weitere Erhöhung dieser Bezüge zum um 4,3 %.
16m) Die Regelungen zu den Sonderzahlungen entwickelten sich wie folgt:
17aa) Vor der Föderalisierung des Rechts der Sonderzahlungen durch § 67 BBesG in der Fassung des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 vom (BGBl I S. 1798) belief sich nach dem auch für Beamte des Landes Berlin maßgeblichen Sonderzuwendungsgesetz des Bundes die jährliche Sonderzuwendung auf einen bestimmten Prozentsatz der monatlichen Bezüge. Im Jahr 2003 senkte das Land Berlin angesichts der Haushaltslage und zur Konsolidierung der Personalausgaben die jährliche Sonderzahlung für aktive Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter mit Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (SZG) vom (GVBl S. 538) auf 640 Euro ab (§ 5 Abs. 1 SZG).
18bb) Mit Art. I des Ersten Gesetzes zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes (1. SZÄndG) vom (GVBl S. 271) wurde die Sonderzahlung abweichend von dieser Regelung für die Kalenderjahre 2008 und 2009 auf jeweils 940 Euro angehoben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 SZG).
19cc) In den Jahren 2010 bis 2016 betrug die jährliche Sonderzahlung wieder 640 Euro.
20dd) Mit dem BerlBVAnpG 2017/2018 wurde der Betrag der jährlichen Sonderzahlungen für das Jahr 2017 gestaffelt nach Besoldungsgruppen auf 1.000 Euro (bis einschließlich A 9) beziehungsweise 800 Euro (ab A 10) und ab dem Jahr 2018 auf 1.300 Euro (bis einschließlich A 9) beziehungsweise 900 Euro (ab A 10) erhöht. Mit Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes (2. SZÄndG) vom (GVBl S. 708) wurden die Beträge für die jährliche Sonderzahlung ab dem Jahr 2018 für aktive Beamtinnen und Beamte in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 9 um weitere 250 Euro auf 1.550 Euro angehoben.
21ee) Durch Art. 4 BerlBVAnpG 2019/2020 wurde § 74 BBesG BE dahingehend gefasst, dass zu den für ein Firmenticket des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) entstehenden Kosten ein Zuschuss in Höhe von 15 Euro monatlich gewährt werden kann, soweit die Geltungsdauer des Firmentickets innerhalb des Zeitraumes zwischen dem und dem liegt.
22Darüber hinaus wurde ab dem unter anderem für die beamteten Dienstkräfte bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage eine nicht ruhegehaltfähige monatliche Ballungsraumzulage (Hauptstadtzulage) von insgesamt 150 Euro (grundsätzlich bestehend aus einem monatlichen Zuschuss für ein Firmenticket des VBB und einem monatlichen Zulagenbetrag) eingeführt (§ 74a BBesG BE i.d.F. von Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes und der Kindertagesförderungsverordnung, zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin, zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes, zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes sowie zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes - Haushaltsumsetzungsgesetz 2020 - vom <GVBl S. 535>). Für Besoldungsgruppen oberhalb A 13 wurde ebenfalls ab dem ein nicht ruhegehaltsfähiger Zuschuss in Höhe von 15 Euro zu den Kosten für eine Monatskarte des VBB gewährt (§ 74b BBesG BE).
II.
23Den Vorlagen liegen Klagen von Beamtinnen und Beamten im Dienst des Landes Berlin zugrunde, welche die Feststellung begehren, dass ihre Besoldung nicht amtsangemessen war. Sowohl ihre Widersprüche als auch ihre Klagen vor dem Verwaltungsgericht Berlin blieben jeweils erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufungsverfahren der Kläger in den Verfahren OVG 4 B 33.12 und OVG 4 B 34.12 mit im Wesentlichen gleichlautenden Beschlüssen vom ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Besoldung im Land Berlin in den Besoldungsgruppen A 7 für die Jahre 2009 bis 2016, A 8 für die Jahre 2013 bis 2016 und A 9 für das Jahr 2016 mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sei. Die übrigen Berufungen blieben erfolglos; das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen der Kläger mit im Wesentlichen gleichlautenden Beschlüssen vom dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung im Land Berlin in den Besoldungsgruppen A 9 in den Jahren 2010 bis 2013, A 10 in den Jahren 2008 bis 2015, A 11 in den Jahren 2011 bis 2014 und A 12 in den Jahren 2010 bis 2015 mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sei.
III.
24Zu den Vorlagen haben der Senat von Berlin, der Hauptpersonalrat für die Behörden, Gerichte und nichtrechtsfähigen Anstalten des Landes Berlin, der Deutsche Richterbund, der Landesverband Berlin des Deutschen Richterbundes, die Neue Richtervereinigung, die Deutsche Polizeigewerkschaft im dbb, der dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft der Polizei, der Bund Deutscher Kriminalbeamter Berlin, die Deutsche Steuergewerkschaft sowie ver.di Stellung genommen.
IV.
25Auf die Bitte des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat Prof. Dr. Gisela Färber, Professorin für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, insbesondere Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, die Jahresbruttobesoldungen für Berliner Beamte ermittelt sowie weitere entscheidungserhebliche Daten zur Verfügung gestellt. Das Statistische Bundesamt hat Daten zu Armutsgefährdungsschwellen übermittelt. Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. hat Auskunft zur durchschnittlichen Höhe der Beiträge einer vierköpfigen Familie für eine die Beihilfe nach dem Berliner Beihilferecht ergänzende private Krankenversicherung erteilt. Zudem haben der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin die Anzahl der jeweils anhängigen Besoldungsverfahren mitgeteilt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
B.
26Die Vorlagen sind zulässig und auf sämtliche Besoldungsordnungen A des Landes Berlin sowie auf den Zeitraum vom bis zum zu erweitern.
I.
27Die Vorlagen sind zulässig.
28Die vorlegenden Gerichte haben die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften dargelegt und ihre Überzeugung davon, dass die Besoldung der (Ausgangs-)Kläger in den streitgegenständlichen Jahren den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, hinreichend begründet (§ 80 BVerfGG). Dass eine Reihe der zur Prüfung vorgelegten Vorschriften in den Vorlagebeschlüssen ungenau und teilweise fehlerhaft benannt worden ist, führt hier nicht zur Unzulässigkeit der Vorlagen, weil sich aus der jeweiligen Begründung der Beschlüsse eindeutig ergibt, welche Normen vorgelegt werden sollten.
II.
29Die Vorlage ist auf sämtliche Besoldungsordnungen A des Landes Berlin sowie auf den Zeitraum vom bis zum zu erweitern.
301. Art. 100 Abs. 1 GG lässt ein Verfahren der konkreten Normenkontrolle grundsätzlich nur zu, wenn es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvL 19/14 -, Rn. 64 - Mindestgewinnbesteuerung). Die konkrete Normenkontrolle dient der verfassungsgemäßen Entscheidung in einem bestimmten Gerichtsverfahren und ist insofern von dessen Existenz und Ziel abhängig (vgl. BVerfGE 42, 42 <49>).
31a) Die Konzentration der Entscheidungsbefugnis über die Verfassungsmäßigkeit von Parlamentsgesetzen beim Bundesverfassungsgericht soll allerdings auch durch die verbindliche Klärung verfassungsrechtlicher Grundsatzfragen divergierende Entscheidungen der Gerichte, Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung vermeiden (vgl. BVerfGE 1, 184 <199 f.>; 42, 42 <49 f.>). Es liegt in der Konsequenz dieser der Normenkontrolle zusätzlich zukommenden Bedeutung für die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf deren Befriedungsfunktion die verfassungsgerichtliche Kontrolle auf solche Normen und Normteile erstreckt hat, die mit der vorgelegten Gesetzesbestimmung in engem Zusammenhang stehen, für das Ausgangsverfahren aber nicht entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfGE 142, 313 <334 Rn. 62>, vgl. ferner BVerfGE 27, 195 <200>; 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>; vgl. auch Drossel, DVBl 2025, S. 816 <817>). Entsprechendes gilt, soweit es um die Erstreckung der Vorlage auf weitere Zeiträume geht (vgl. BVerfGE 132, 302 <316 Rn. 39>; 135, 1 <12 Rn. 33>; 139, 285 <298 f. Rn. 41>).
32b) Das Bundesverfassungsgericht hat auch zu berücksichtigen, dass es zu der rechtsstaatlich gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes gehört, dass er alsbald verwirklicht wird (vgl. BVerfGE 35, 382 <405>). Wirksamer Rechtsschutz bedeutet Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; stRspr). Ist daher bei Entscheidung der konkreten Vorlagefrage bereits absehbar, dass in der Fachgerichtsbarkeit ähnlich gelagerte Verfahren anhängig sind, die wegen des Verwerfungsmonopols des Art. 100 Abs. 1 GG ihrerseits zwingend eine konkrete Normenkontrolle erfordern, wenn das Fachgericht von der Verfassungswidrigkeit der entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, kann es die auf Rechtsklärung und Befriedung ausgerichtete Funktion der Normenkontrolle rechtfertigen, ausnahmsweise den Prüfungsgegenstand auf diese Gesetze zu erweitern. Dies gilt umso mehr, wenn eine außerordentliche Vielzahl von Verfahren bereits in der Fach- oder Verfassungsgerichtsbarkeit anhängig ist, die - wenn jeweils eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlich würde - geeignet wären, die Verfassungsgerichtsbarkeit an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit zu bringen.
33c) Schließlich ist bei der Auslegung des Grundgesetzes die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) einzubeziehen. Sie besitzt in der deutschen Rechtsordnung den Rang eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 GG) und ist daher grundsätzlich nicht Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts. Nach dessen ständiger Rechtsprechung leiten jedoch die Gewährleistungen der EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gemäß Art. 1 Abs. 2 GG die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes an (vgl. BVerfGE 128, 326 <367 ff.>; 138, 296 <355 f. Rn. 149>;148, 296 <350 ff. Rn. 126 ff.>; 152, 152 <176 Rn. 58>- Recht auf Vergessen I) und weisen insoweit eine verfassungsrechtliche Dimension auf (vgl. BVerfGE 158, 1 <36 Rn. 70> - Ökotox-Daten). Die Berücksichtigung der genannten Quellen auch bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes ist nicht nur Ausdruck der Europarechtsfreundlichkeit der Verfassung und der Integrationsverantwortung des Bundesverfassungsgerichts. Sie trägt vielmehr der Einbindung Deutschlands in den europäischen Rechtsraum und seiner Entwicklung Rechnung, fördert die Stärkung gemeineuropäischer Grundrechtsstandards und vermeidet Friktionen und Wertungswidersprüche bei der Gewährleistung des Grundrechtsschutzes im Interesse seiner Effektivität und der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 158, 1 <37 Rn. 71>; Voßkuhle, NVwZ 2010, S. 1).
342. Aus diesen Maßstäben ergibt sich, dass die Vorlagen auf sämtliche Besoldungsordnungen A des Landes Berlin sowie auf den Zeitraum vom bis zum erweitert werden können.
35a) Die Besonderheiten des Beamtenrechts rechtfertigen eine Erweiterung des Prüfungsgegenstandes über den Vorlagegegenstand hinaus sowohl in Bezug auf die Erfassung aller Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen A als auch in zeitlicher Hinsicht über die zur Prüfung vorgelegten Jahre hinaus bis zum .
36aa) Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Anspruchs auf amtsangemessene Besoldung steht vor der Herausforderung, dass es für die Besoldung sowohl von Verfassungs wegen als auch aufgrund einfachrechtlicher Anordnung (§ 2 Abs. 1 BBesG i.d.F. der Bekanntmachung vom in Verbindung mit § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE) eines Parlamentsgesetzes bedarf (vgl. BVerfGE 8, 1 <18 f.>). Eine erfolgreiche Klage auf amtsangemessene Besoldung bedarf somit zwingend der vorherigen Vorlage des Fachgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG, wenn dieses von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Besoldungsvorschrift überzeugt ist. Angesichts der Vielzahl von Besoldungsordnungen und ihrer Besoldungsgruppen sowie des sich mit den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und dem allgemeinen Lebensstandard über die Zeit wandelnden Niveaus einer amtsangemessenen Alimentation birgt die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf amtsangemessene Besoldung durch Beamte, Richter und Staatsanwälte das Potenzial, die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts bis hin zu einer Blockade zu beeinträchtigen (vgl. auch Stuttmann, NVwZ 2015, S. 1007 <1007, 1014>). Allein für das Land Berlin sind im Hinblick auf die vorliegenden Verfahren etwa 100.000 anhängige Widerspruchsverfahren zum Ruhen gebracht worden; zusätzlich sind zwischen 2.000 und 3.000 insbesondere beim Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren noch zu entscheiden. Überdies ist zu berücksichtigen, dass es bei besoldungsrechtlichen Normen um die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs geht (vgl. BVerfGE 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <192 f. Rn. 64>; 155, 1 <75 f. Rn. 182> - Richterbesoldung II) und daher eine zügige Klärung der Rechtslage in besonderem Maße geboten ist. Die Erweiterung der Prüfungsgegenstände ist schließlich auch deshalb sinnvoll, weil die vorliegende Entscheidung für zahlreiche vergleichbare Verfahren aus anderen Ländern relevant ist.
37bb) Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der Vergangenheit den Prüfungsgegenstand sogar besoldungsordnungsübergreifend erweitert. In der Entscheidung zur Wartefrist für den Besoldungsanstieg hat der Senat eine die Besoldungsgruppe R 4 betreffende Vorlagefrage auf weitere Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung R und darüber hinaus auf Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung B erstreckt (vgl. BVerfGE 145, 1 <7 f. Rn. 15>). Eine besoldungsordnungsübergreifende Erweiterung nahm der Senat auch in der Entscheidung zur Besoldungsabsenkung in Baden-Württemberg vor, indem die die Besoldungsgruppe R 1 betreffende Vorlagefrage auf die Besoldungsgruppen A 9 und höher sowie W 1 ausgedehnt wurde (vgl. BVerfGE 149, 382 <389 f. Rn. 13>). Dementsprechend ist es mit Rücksicht insbesondere auf die besoldungsgruppenübergreifende Relevanz der jeweiligen Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards für eine amtsangemessene Besoldung (vgl. BVerfGE 155, 77 <89 Rn. 26> - Alimentation kinderreicher Beamter; stRspr) gerechtfertigt, vorliegend in den streitbefangenen Jahren jeweils sämtliche Besoldungsordnungen A des Landes Berlin der verfassungsgerichtlichen Prüfung zu unterwerfen. Hierfür spricht zudem, dass durch die jährlichen beziehungsweise doppeljährlichen Besoldungsanpassungsgesetze eine weitgehend lineare Anpassung der Bezüge vorgenommen wurde, die nicht zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen differenziert. Des Weiteren sind die einzelnen Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen durch das Abstandsgebot (vgl. BVerfGE 139, 64 <117 f. Rn. 109 ff.>; 140, 240 <284 ff. Rn. 88 ff.>; 155, 1 <22 f. Rn. 42 ff.>) ohnehin aufeinander bezogen, sodass eine einheitliche Prüfung folgerichtig ist.
38cc) Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht den Zeitraum der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ausgedehnt, wenn sich die Rechtslage nach den entscheidungserheblichen Jahren nicht substantiell verändert hatte und es daher keinen Grund gab, die Rechtslage ungeklärt zu lassen (vgl. BVerfGE 139, 285 <298 f. Rn. 41>; vgl. ferner BVerfGE 72, 200 <239 f.>; 135, 1 <12 Rn. 34>; anders BVerfGE 81, 363 <375>). So liegt es auch hier. Der kontinuierlichen Fortschreibung der Berliner Beamtenbesoldung durch die Anpassungsgesetze in dem Zeitraum vom bis zum liegt die gleiche Gesetzgebungstechnik zugrunde, sodass sich - mit Ausnahme der Einführung der Hauptstadtzulage im November 2020 - die gleichen verfassungsrechtlichen Fragen stellen.
39b) Schließlich ist die Erweiterung des Prüfungsgegenstands auch mit Blick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und insbesondere die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten. Denn die Vereinbarkeit des Streikverbots als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums mit Art. 11 EMRK erfordert es, dass die gerichtliche Durchsetzung des subjektiven Rechts des Beamten auf Gewährung amtsangemessenen Unterhalts aus Art. 33 Abs. 5 GG wirksam ist.
40aa) Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleistet jeder Person, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der jüngeren Vergangenheit die Gewährleistungen des Art. 11 Abs. 1 EMRK wie auch die Eingriffsvoraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 EMRK weiter präzisiert.
41In seinen Leitentscheidungen in den Verfahren Demir and Baykara v. Turkey (vgl. EGMR <GK>, , 34503/97, insbesondere § 145) und Enerji Yapi-Yol Sen v. Turkey (vgl. EGMR, , 68959/01, insbesondere § 24) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bindung des Staates als "Arbeitgeber" an Art. 11 EMRK unabhängig davon betont, ob er die Beziehung zu seinen Beschäftigten öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geregelt hat. Mit diesen Entscheidungen hat sich das Bundesverfassungsgericht neben weiteren Entscheidungen in seinem Urteil vom bereits auseinandergesetzt (vgl. BVerfGE 148, 296 <374 ff. Rn. 164 ff.>). Im Jahr 2023 hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Humpert and Others v. Germany entschieden, dass die zuvor offengelassene Frage, ob ein Streikverbot ein wesentliches Element der Gewerkschaftsfreiheit berührt, weil es diese Freiheit unter den gegebenen Umständen inhaltsleer macht, kontextabhängig sei. Diese Frage könne demnach nicht abstrakt oder in isolierter Betrachtung des Streikverbots beantwortet werden. Vielmehr sei eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der die Gesamtheit der vom beschwerdegegnerischen Staat zur Gewährleistung der Gewerkschaftsfreiheit ergriffenen Maßnahmen und alle den Gewerkschaften gewährten alternativen Mittel und Rechte, mit denen sie sich Gehör verschaffen und die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder verteidigen können, sowie die den Gewerkschaftsmitgliedern selbst eingeräumten Rechte zu berücksichtigen seien. Auch sonstige für die Struktur der Arbeitsbeziehungen in dem jeweiligen System charakteristische Aspekte müssten bei dieser Beurteilung berücksichtigt werden, etwa inwieweit in diesem System die Arbeitsbedingungen in Kollektivverhandlungen festgelegt werden, da Kollektivverhandlungen und Streikrecht eng miteinander verknüpft seien. Es könne außerdem von Bedeutung sein, welcher Sektor betroffen ist und welche Funktionen die betroffenen Beschäftigten ausüben (vgl. EGMR <GK>, Humpert and Others v. Germany, , 59433/18 u.a., § 109).
42Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellte zunächst zwar fest, dass die in Rede stehenden Disziplinarmaßnahmen, die gegen die in Deutschland als Lehrer im Beamtenstatus tätigen Beschwerdeführer wegen ihrer streikbedingten Unterbrechung ihrer Lehrtätigkeit verhängt worden waren, in deren Vereinigungsfreiheit eingegriffen hätten (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., § 113). Jedoch seien die angegriffenen Maßnahmen nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK gerechtfertigt gewesen. Das Streikverbot sei als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG gesetzlich vorgesehen, diene mit der Gewährleistung einer guten Verwaltung einem legitimen Ziel und sei in einer demokratischen Gesellschaft notwendig (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., §§ 116 ff.). Auch wenn das Streikverbot für Beamte statusbezogen und absolut sei und damit die für deutsche Beamte geltende Einschränkung des Streikrechts als schwerwiegend bezeichnet werden könne (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., § 123), habe die Bundesrepublik Deutschland verschiedenste institutionelle Garantien geschaffen, die den Beamten und ihren Gewerkschaften die Verteidigung der beruflichen Interessen ermöglichten. Den Gewerkschaften der Beamten werde ein gesetzliches Recht auf Beteiligung an der Ausarbeitung beamtenrechtlicher Regelungen eingeräumt und den Beamten selbst werde zudem ein individuelles verfassungsmäßiges Recht auf "angemessenen Lebensunterhalt" gewährt, das sie gerichtlich durchsetzen könnten. Der Gerichtshof sei im Rahmen der Gesamtbewertung der Auffassung, dass diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit die Beamtengewerkschaften und die Beamten selbst in die Lage versetzten, ihre entsprechenden beruflichen Interessen wirksam verteidigen zu können (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., § 144).
43Insbesondere zum Individualrecht des einzelnen Beamten auf "angemessenen Lebensunterhalt" führte der Gerichtshof - nach einer Zusammenfassung der Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., § 133) - aus, dass Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit ihrer Besoldung zwar von den Beamten selbst angestrengt werden müssten, jedoch stehe es ihren Gewerkschaften frei, solche Verfahren zu unterstützen, und diesen sei vom Bundesverfassungsgericht in einschlägigen Fällen bereits Gelegenheit zur Stellungnahme als sachkundige Dritte gegeben worden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht in mehreren Fällen festgestellt habe, dass die Besoldung der Beamten gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoße, und dem Gesetzgeber aufgegeben habe, Regelungen zu schaffen, die dem Alimentationsprinzip gerecht werden, sei der Gerichtshof der Auffassung, dass den Beamten ein wirksames Mittel zur Verfügung stehe, um ihr individuelles verfassungsmäßiges Recht auf einen "angemessenen Lebensunterhalt" gerichtlich durchzusetzen. Sie verfügten mit anderen Worten über ein wirksames alternatives Mittel zur Verteidigung ihrer Interessen in Bezug auf eine wesentliche Arbeitsbedingung und könnten diesbezüglich die Unterstützung ihrer Gewerkschaften in Anspruch nehmen (vgl. EGMR <GK>, a.a.O., §§ 133 f., unter Verweis auf §§ 44, 46, 90).
44bb) Vor diesem Hintergrund kommt die gebotene völkerrechtsfreundliche Auslegung des Art. 100 Abs. 1 GG ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Erstreckung des Prüfungsgegenstands auf sämtliche Besoldungsordnungen A der Jahre 2008 bis 2020 gerechtfertigt ist. Damit der gerichtliche Rechtsschutz als wirksames alternatives Mittel zu dem den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst offenstehenden Streik eingeordnet werden kann, muss ein über den "angemessenen Lebensunterhalt" geführtes Gerichtsverfahren in angemessener Frist abgeschlossen werden können. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte arbeitsrechtliche Streitigkeiten, die potentiell die berufliche Existenz der Klägerinnen und Kläger betreffen, regelmäßig eine eilige Klärung gebieten (vgl. EGMR, König v. Germany, , 6232/73, § 111). Dies gilt etwa für Verfahren, in denen ein geforderter Geldbetrag von wesentlicher Bedeutung für den Lebensunterhalt der Betroffenen ist (vgl. EGMR, Doustaly v. France, , 26256/95, § 48), insbesondere für Verfahren bezüglich der Höhe von Pensionen (vgl. EGMR, Borgese v. Italy, , 12870/87, § 18; Bieliński v. Poland, , 48762/19, § 48, jeweils zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Selimi and Krasnići v. Serbia, , 20641/20 u. 20644/20, § 205; vgl. zu pensions- und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auch EGMR, ARB SHPK and Others v. Albania, , 39860/19 u.a., § 110). Auch wenn für Verfassungsgerichte als Hüter der Verfassung spezielle Maßstäbe gelten (vgl. EGMR <GK>, Süssmann v. Germany, , 20024/92, §§ 56 ff.; siehe auch EGMR <GK>, von Maltzan and Others v. Germany, , 71916/01 u.a., § 132; Deger, Die Verzögerungsbeschwerde und der Entschädigungsanspruch nach §§ 97a ff. BVerfGG, 2022, S. 40 ff.), kann das Bundesverfassungsgericht die Vielzahl von Besoldungsverfahren in angemessener Frist nur bewältigen, wenn vergleichbare Regelungen und Sachverhalte gebündelt werden (vgl. dazu EGMR, Peter v. Germany, , 68919/10, §§ 39 ff.).
C.
45Die Vorschriften über die Besoldung der Beamten in den Besoldungsordnungen A des Landes Berlin der Jahre 2008 bis 2020 sind im tenorierten Umfang mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar.
I.
46Der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Beamten zu messen sind, ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5 GG. Danach ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Der maßgebliche hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums für die vorliegenden Verfahren ist das Alimentationsprinzip, das insbesondere eine amtsangemessene Besoldung der Beamten gewährleistet (1.). Die zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erforderliche Amtsangemessenheit der Besoldung wird nur gewahrt, wenn die wirtschaftliche Situation der Beamten kontinuierlich an die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage angepasst wird; dies obliegt der Gestaltungsverantwortung des Gesetzgebers und ist vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen (2.). Jedenfalls muss die Besoldung ein Mindestniveau sicherstellen, das die Beamten dazu befähigt, ihren Dienst frei von existenziellen wirtschaftlichen Sorgen zu versehen (3., Vorabprüfung Mindestbesoldung). Auch darüber hinaus hat der Gesetzgeber insbesondere der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung über die Jahre hinweg Rechnung zu tragen (4., Fortschreibungsprüfung). Verfehlt das Besoldungsgesetz die vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Mindestbesoldung oder an das Erfordernis der laufenden Anpassung der Besoldung an die wirtschaftliche Entwicklung, kann dies in Ausnahmefällen jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (5.).
471. Zu den vom Gesetzgeber wegen ihres grundlegenden und strukturprägenden Charakters nicht nur zu berücksichtigenden, sondern zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das Alimentationsprinzip. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Des Weiteren begründet Art. 33 Abs. 5 GG ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, soweit deren subjektive Rechtsstellung betroffen ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <111 Rn. 92>; 140, 240 <277 f. Rn. 71>; 155, 1 <12 f. Rn. 22>).
48a) Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und Richtern sowie ihren Familien lebenslang - also unter Einschluss der Altersversorgung - einen amtsangemessenen Unterhalt zu gewähren. Amtsangemessen ist der Unterhalt nur, wenn er nach dem Dienstrang, nach der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums und der rechtsprechenden Gewalt für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards bemessen ist. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt, abgestuft nach dem jeweils innegehabten Amt (vgl. bereits BVerfGE 8, 1 <14>; zuletzt BVerfGE 155, 77 <89 Rn. 26> m.w.N.).
49Die Besoldung stellt kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein "Korrelat" des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit - grundsätzlich auf Lebenszeit - die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position des Beamten und seiner Familie, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. bereits BVerfGE 8, 1 <17>; 9, 268 <286>; zuletzt BVerfGE 155, 77 <90 Rn. 27> m.w.N.).
50b) Das Alimentationsprinzip hat - im Zusammenwirken mit dem Lebenszeitprinzip - vor allem die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen Verwaltung zu gewährleisten. Nur eine amtsangemessene Besoldung und eine ebensolche Versorgung bilden die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und im Bewusstsein rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe beitragen kann, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern. Das Bewusstsein seiner gesicherten Rechtsstellung soll die Bereitschaft des Beamten zu einer ausschließlich an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern und ihn zu unparteiischem Dienst für das Gemeinwohl befähigen (vgl. BVerfGE 152, 345 <371 Rn. 65 f.> - Entfernung aus dem öffentlichen Dienst durch Verwaltungsakt; 169, 67 <90 f. Rn. 46> - Politischer Beamter).
51Daneben versetzt die von der Verfassung - unbeschadet der Gebundenheit an Weisungen - gewährleistete Unabhängigkeit den Beamten in die Lage, Versuchen unsachlicher Beeinflussung zu widerstehen und seiner Pflicht zur Beratung seiner Vorgesetzten und der politischen Führung unvoreingenommen und uneigennützig nachzukommen, gegebenenfalls auch seiner Pflicht zur Gegenvorstellung zu genügen, wenn er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Gesetzen oder dienstlichen Anordnungen hat (vgl. BVerfGE 70, 251 <267>; 121, 205 <221 f.>). Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit gewährleistet ist und die Bereitschaft zu Kritik und nötigenfalls Widerspruch nicht das Risiko einer Bedrohung der Lebensgrundlagen des Amtsträgers und seiner Familie in sich birgt, kann realistischerweise erwartet werden, dass ein Beamter auch dann auf rechtsstaatlicher Amtsführung beharrt, wenn sie (partei-)politisch unerwünscht oder er etwa Bestechungsversuchen ausgesetzt sein sollte. Die Verpflichtung des Dienstherrn zu einer amtsangemessenen Alimentation des sich mit seiner ganzen Arbeitskraft seinem Amt widmenden Beamten besteht also nicht allein - und wohl nicht einmal vorrangig - in dessen persönlichem Interesse, sondern dient zugleich dem Allgemeininteresse an einer fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen Rechtspflege und öffentlichen Verwaltung, hat also auch eine qualitätssichernde Funktion. Das Berufsbeamtentum wird so zu einem tragenden Element des Rechtsstaats (vgl. BVerfGE 121, 205 <221>; 141, 56 <71 Rn. 38>; 169, 67 <91 Rn. 47>).
52Die institutionelle Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 5 GG trägt zugleich dem Umstand Rechnung, dass im demokratischen Staatswesen Herrschaft stets nur auf Zeit vergeben wird und die Verwaltung deshalb schon im Hinblick auf die Möglichkeit periodischer Wechsel der politischen Ausrichtung der jeweiligen Staatsführung neutral sein muss. Insoweit muss die strikte Bindung an Recht und Gemeinwohl, auf die die historische Ausformung des deutschen Berufsbeamtentums ausgerichtet ist, auch gegenwärtig als Funktionsbedingung der Demokratie begriffen werden. Das Grundgesetz sieht in Anknüpfung an die deutsche Verwaltungstradition im Berufsbeamtentum eine Institution, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll (vgl. BVerfGE 155, 77 <91 Rn. 28>; 169, 67 <91 f. Rn. 47>). Die Beratungen im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung im Parlamentarischen Rat, aus denen die grundgesetzliche Gewährleistung des Berufsbeamtentums hervorgegangen ist, bestätigen dies (vgl. BVerfGE 169, 67 <92 f. Rn. 48> m.w.N.). Das Berufsbeamtentum ist damit zum Garanten für eine demokratisch und rechtsstaatlich rückgebundene Verwaltung geworden und sichert durch die Dauerhaftigkeit dieser Rückbindung das Prinzip der freiheitlichen Demokratie gegen Übergriffe zusätzlich ab (vgl. BVerfGE 169, 67 <92 f. Rn. 48> m.w.N.).
532. Um den vorbeschriebenen Zweck der Amtsangemessenheit der Besoldung dauerhaft zu verwirklichen, muss der Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Art. 33 Abs. 5 GG sowohl bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungsgesetze über die Jahre hinweg als auch bei strukturellen Neuausrichtungen im Besoldungsrecht nachkommen und dabei den für eine amtsangemessene Alimentation relevanten Kriterien Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 130, 263 <292 f.>; 139, 64 <113 Rn. 98>; 140, 240 <280 Rn. 77>; 155, 1 <16 Rn. 29>).
54a) Der Gesetzgeber wird dieser Gestaltungsverantwortung nur gerecht, wenn er sich an langfristig anwendbaren Maßstäben orientiert, die auf einem nachvollziehbaren Zahlenwerk und schlüssigen Rechenschritten beruhen (vgl. dazu grundsätzlich BVerfGE 125, 175 <226>; 137, 34 <75 Rn. 82> <jeweils zum Existenzminimum>; 157, 30 <153 Rn. 220> - Klimaschutz) und aus denen die konkreten, in Zahlen gefassten Ansprüche auf Besoldung und Versorgung abgeleitet werden können (vgl. zum Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem auch BVerfGE 101, 158 <214 f.>).
55Bei der konkreten Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Besoldung besitzt der Gesetzgeber allerdings einen weiten Entscheidungsspielraum. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung; diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, zu entnehmen (vgl. BVerfGE 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>; 155, 1 <14 f. Rn. 26>). Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines "amtsangemessenen" Unterhalts eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar (vgl. BVerfGE 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>; 155, 1 <15 Rn. 26>). Entsprechendes gilt für den Zeitpunkt, zu dem eine Besoldung noch als amtsangemessen anzusehen ist. Auch dieser lässt sich der Verfassung nicht unmittelbar entnehmen (vgl. BVerfGE 155, 1 <16 Rn. 29> m.w.N.).
56b) Angesichts der besonderen Bedeutung des Alimentationsprinzips für den demokratischen Rechtsstaat ist es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung der Besoldung der Gestaltungsdirektive des in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltenen Gebots amtsangemessenen Unterhalts gerecht wird. Der Gesetzgeber überschreitet die Grenzen seines Gestaltungsspielraums, wenn die Besoldung im Hinblick auf Zweck und Gehalt des Alimentationsprinzips evident unzureichend ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <112 f. Rn. 94 ff.>; 140, 240 <278 f. Rn. 73 ff.>; 155, 1 <15 Rn. 26 f.>).
57aa) Ob dies der Fall ist, muss anhand einer zweistufigen Gesamtschau verschiedener, aus dem Alimentationsprinzip ableitbarer Kriterien beurteilt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 Rn. 96 f.>; 140, 240 <279 f. Rn. 75 f.>; 155, 1 <15 f. Rn. 27 f.>; 4.); hinzu tritt das Gebot der Mindestbesoldung (3.). Soweit sich dem Gesetzgeber dabei im Hinblick auf die Bestimmung, Bewertung und wechselseitige Zuordnung der jeweils in Betracht zu ziehenden alimentationsrelevanten Aspekte Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume eröffnen, entspricht dem eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle, die sich auf eine Prüfung der Nachvollziehbarkeit und Vertretbarkeit der Einschätzungen und Beurteilungen des Gesetzgebers beschränkt (vgl. BVerfGE 167, 86 <134 f. Rn. 142> - Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021).
58bb) Das Bundesverfassungsgericht erfüllt seinen Kontrollauftrag in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 148, 296 <351 Rn. 128>; 152, 152 <176 Rn. 58>; 158, 1 <36 f. Rn. 70 f.>). Es hat dabei die eigene Rechtsprechung kritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie auch in Zukunft die Gewähr dafür bieten wird, dass dem Beamten mit dem gerichtlichen Rechtsschutz ein wirksames Mittel zur Verfügung steht, um sein individuelles verfassungsmäßiges Recht auf einen "angemessenen Lebensunterhalt" gerichtlich durchzusetzen (vgl. EGMR <GK>, Humpert and Others v. Germany, , 59433/18 u.a., insbesondere § 133). Nur so kann dauerhaft die Vereinbarkeit des - für das deutsche Beamtenrecht grundlegenden - Streikverbots als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums mit Art. 11 EMRK gesichert werden (vgl. auch Lorse, ZBR 2024, S. 75 <83>). Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass nach dem Fachrecht die prozessuale Risikoverteilung einseitig zulasten des Beamten ausgestaltet ist, weil dieser eine Erhöhung der Besoldung durch den Gesetzgeber nur auf dem Klagewege erwirken kann und sich als Einzelner einer gut ausgestatteten Ministerialbürokratie gegenübergestellt sieht. Deshalb müssen die der gerichtlichen Kontrolle allgemein zugrunde gelegten Maßstäbe den Beamten in die Lage versetzen, die Verfassungskonformität der Besoldung einzuschätzen und auf dieser Grundlage eine informierte Rechtsschutzentscheidung zu treffen.
59c) Soweit Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume des Gesetzgebers bestehen, korrespondiert damit eine Darlegungslast, der - sofern sie nicht bereits im Gesetzgebungsverfahren erfüllt worden ist - nachträglich im Gerichtsverfahren durch den über die maßgeblichen Erwägungen unterrichteten Dienstherrn genügt werden kann. Dies ermöglicht dem Bundesverfassungsgericht im Streitfall die Prüfung, ob die entsprechende Beurteilung und Einschätzung des Gesetzgebers nachvollziehbar und vertretbar ist (vgl. BVerfGE 79, 311 <343>; 119, 96 <140 f.>; 167, 86 <137 Rn. 149>).
60aa) Der Gesetzgeber ist gehalten, die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers niederschlagen oder sind in einem Gerichtsverfahren nachträglich offenzulegen. Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung der Besoldung beziehen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse. Das Grundgesetz stellt in den Art. 76 ff. GG Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren auf, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sichern. Es schreibt jedoch im Grundsatz nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und berechnen ist (vgl. BVerfGE 132, 134 <162 f. Rn. 70>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>; 139, 148 <180 Rn. 61>; 143, 246 <343 f. Rn. 274, 345 f. Rn. 279>; 157, 30 <162 f. Rn. 241>). Entscheidend ist, dass die Anforderungen von Art. 33 Abs. 5 GG, tatsächlich für eine amtsangemessene Besoldung Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden (vgl. auch BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Dienstherr kann deshalb von ihm für die Bestimmung der Besoldungsstruktur und -höhe oder des Zeitpunkts einer Besoldungsanpassung für maßgeblich befundene Erwägungen auch noch im gerichtlichen Verfahren "nachschieben".
61bb) Soweit der Senat bislang die Rechtmäßigkeit der Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber für sich genommen an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen (Begründungspflicht im Gesetzgebungsverfahren) geknüpft hat, die als "zweite Säule" des Alimentationsprinzips neben die materielle Kontrolle getreten sind (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <126 f. Rn. 129>; 140, 240 <296 Rn. 112>; 149, 382 <395 Rn. 20>; 155, 1 <47 Rn. 96>), hält er daran nicht fest.
62Die mit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle erstrebte Befriedungsfunktion würde verfehlt, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Besoldungsgesetz nur wegen eines formellen Begründungsfehlers aufheben müsste, obwohl im fach- oder verfassungsgerichtlichen Verfahren offenkundig geworden wäre, dass die materiellen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG gewahrt wurden. Zudem könnte der Gesetzgeber in der Folge ein inhaltsgleiches Gesetz mit hinreichender Begründung im Gesetzgebungsverfahren erlassen, das nach erneutem Durchlaufen des Rechtswegs dem Bundesverfassungsgericht inhaltlich unverändert zur Prüfung vorgelegt werden könnte. Daher muss es dem Gesetzgeber beziehungsweise dem Dienstherrn ermöglicht werden, zu der Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung nachträglich im gerichtlichen Verfahren vorzutragen. Der Umstand, dass es bei besoldungsrechtlichen Normen um die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs geht (vgl. BVerfGE 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>; 155, 1 <76 Rn. 182>), spricht ebenso dafür, dass zügig Klarheit in der Sache herrschen muss. Hiermit wäre es nicht vereinbar, den Gesetzgeber lediglich aus formalen Gründen zu einer erneuten Gesetzgebung mit ausreichender Begründung zu verpflichten, ohne zugleich auch die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Besoldungshöhe geklärt zu haben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der angestrebte Rationalisierungsgewinn nicht bereits durch eine Darlegungslast des Dienstherrn erreicht werden kann, die funktional an die Stelle der bisher verlangten Prozeduralisierung tritt (vgl. auch Wieckhorst, DÖV 2021, S. 361 <365 f.>).
633. Eine amtsangemessene Besoldung muss sicherstellen, dass die Beamten ihren Dienst mit voller Hingabe leisten können (a); das gelingt nur, wenn sie frei von existenziellen finanziellen Sorgen sind (vgl. BVerfGE 39, 196 <201 f.>), mithin ihre Besoldung ein Mindestniveau erreicht, das diesen Anforderungen entspricht (Gebot der Mindestbesoldung). Ein aussagekräftiger Indikator hierfür ist der Vergleich der Jahresnettobesoldung mit dem Median-Äquivalenzeinkommen (b). Die insoweit bestehende bessere Datenverfügbarkeit und Praktikabilität bei erheblich geringerem Ermittlungsaufwand rechtfertigen es, die in der Senatsrechtsprechung bisher vorgenommene aufwendige und kleinteilige Prüfung am Maßstab des Grundsicherungsniveaus fortzuentwickeln (c). Soweit Anlass hierfür besteht - insbesondere wenn die zur Prüfung stehenden Besoldungsgruppen dem unteren sowie mittleren Bereich der Besoldungsordnungen A zuzuordnen sind -, ist die Einhaltung des Mindestbesoldungsgebots vorab zu prüfen (d).
64a) Das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG gebietet es, das Berufsbeamtentum durch eine amtsangemessene Alimentation dergestalt in der Gesellschaft zu verankern, dass sich die Beamtenschaft nicht in einer wirtschaftlich prekären Lage mit dem Risiko eines Absinkens in den Bereich der unmittelbaren Armutsgefährdung beziehungsweise Einkommensarmut befindet. Beamtinnen und Beamte können sich nur dann mit voller Hingabe und unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit ihrem Dienstherrn zur Verfügung stellen (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>; 44, 249 <264>; stRspr), wenn sie nicht in Sorge um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sein müssen. Der Beamte darf nicht gezwungen sein, seine Besoldung durch Nebentätigkeiten aufzubessern, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben zu können. Durch die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als im Grundsatz hauptberufliche Tätigkeit soll vermieden werden, dass der Beamte zum "Diener zweier Herren" wird und insbesondere dann, wenn er seine fachliche Kompetenz und Qualifikation gleichzeitig Privaten gegen Entlohnung zur Verfügung stellt, Interessenkonflikten ausgesetzt wird, die seine Einsatzbereitschaft, Loyalität und Unparteilichkeit gefährden (vgl. BVerfGE 119, 247 <271 f.>; 150, 169 <179 f. Rn. 27>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <162>). Andernfalls gerät die Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt in Gefahr (vgl. Huber, in: Festschrift für Rudolf Wendt, 2015, S. 127 <137>).
65b) Die Freiheit des im aktiven Dienst befindlichen Beamten von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt. Ein solcher Abstand ist nach Erkenntnissen der Armutsforschung nur gewahrt, wenn das Einkommen die sogenannte Prekaritätsschwelle von 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens erreicht, im Falle der an Art. 33 Abs. 5 GG zu messenden Beamtenbesoldung nach dem gesetzgeberischen Modell für den hier relevanten Prüfungszeitraum bezogen auf das Median-Äquivalenzeinkommen einer vierköpfigen Familie (Mindestbesoldung).
66aa) In der sozialwissenschaftlichen Forschung ist allgemein anerkannt, dass Haushalte mit einem jährlichen, äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 60 % des Median-Äquivalenzeinkommens als armuts(risiko)gefährdet gelten (vgl. Callan/Nolan, J. Econ. Surv. 5 <1991>, S. 243 <252 f.>; vgl. zudem Strengmann-Kuhn/ Hauser, in: Huster u.a., Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung, 2008, S. 133 <142>; Bohr/Janßen, in: Marquardsen, Armutsforschung, 2022, S. 59 <60 f.>; Cremer, ZfP 69 <2022>, S. 85 <89>; Becker, in: Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 4. Aufl. 2025, Teil I Kap. 5 Rn. 26). Die Europäische Union legt dieses Maß ihrer Sozialberichterstattung seit dem Jahr 2001 als einen Primärindikator für soziale Ausgrenzung (sogenannte Laeken-Indikatoren) zugrunde (vgl. Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat <Laeken>, 14. und , SN 300/1/01/REV 1, Rn. 21 f., 28, 61 in Verbindung mit Anlage IV sowie Bericht des Ausschusses für Sozialschutz über Indikatoren im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung vom Oktober 2001, 13509/01, S. 6, 10; European Commission, The Measurement of Extreme Poverty in the European Union, 2010, S. 15). Dieser Empfehlung folgen die statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Oberhalb dieser Schwelle wird der Bereich zwischen 60 % und 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens als "prekäres" Einkommen bezeichnet. Das bedeutet, dass diese Haushalte nicht schon "akut" armutsgefährdet sind, aber dennoch finanziell so wenig Spielraum haben, dass sie bei jeder Krise (z.B. massiv steigende Mieten, familiäre Ereignisse) rasch in die Armut abrutschen könnten (vgl. Groh-Samberg/Büchler/Gerlitz, Lebenslagen in Deutschland, 2020, S. 45 ff.; zuvor bereits Groh-Samberg, Armut, soziale Ausgrenzung und Klassenstruktur, 2009, S. 170 f.). Erst ab einem Einkommen von 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens sind Haushalte der Prekarität enthoben. In der Forschung wird oberhalb der Einkommensarmut (unter 60 % des Medianeinkommens) und der prekären Einkommen (60 bis 80 %) zwischen mittleren Einkommen (80 bis 120 %), gehobenen Einkommen (120 bis 200 %) und Einkommens-Wohlhabenheit (über 200 %) unterschieden (vgl. Cremer, ZfP 69 <2022>, S. 85 <89>).
67bb) Das Median-Äquivalenzeinkommen ist nach der modifizierten Äquivalenzskala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Grundlage des Mikrozensus zu bestimmen.
68(1) Das Median-Äquivalenzeinkommen ist ein statistischer Ansatz, um die nominalen Netto-Haushaltseinkommen einer Gesellschaft durch differenzierte Gewichtung nach Zahl und Alter der Haushaltsmitglieder miteinander vergleichbar zu machen. Im Gegensatz zum schlichten Pro-Kopf-Einkommen wird berücksichtigt, dass in einem Mehrpersonenhaushalt durch das gemeinsame Wirtschaften und gegebenenfalls durch die unterschiedliche Altersstruktur Einspar- und Synergieeffekte bestehen (vgl. Bohr/Janßen, in: Marquardsen, Armutsforschung, 2022, S. 59 <61> m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht legt dabei seiner Berechnung die modifizierte Äquivalenzskala (modified scale) der OECD zugrunde. Danach werden die erste erwachsene Person (Haushaltsvorstand) mit dem Faktor 1, weitere erwachsene Personen im Haushalt mit dem Faktor 0,5 und Kinder, das heißt Personen jünger als 14 Jahre, mit dem Faktor 0,3 gewichtet. Diese Skala wird sowohl von der Europäischen Union als auch von den 38 Mitgliedstaaten der OECD, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, und zudem von der statistischen und soziologischen Armutsforschung als Standard anerkannt (vgl. Cremer, NZS 2024, S. 846 <848>; Becker, in: Berlit/Conradis/ Pattar, Existenzsicherungsrecht, 4. Aufl. 2025, Teil I Kap. 5 Rn. 24).
69(2) Das Median-Äquivalenzeinkommen ist auf Grundlage des Mikrozensus zu bestimmen. Der Mikrozensus ist eine auf repräsentativer Grundlage durchgeführte Erhebung über die Bevölkerungsstruktur sowie über die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung durch das Statistische Bundesamt (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung einer Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und die Arbeitsmarktbeteiligung sowie die Wohnsituation der Haushalte <Mikrozensusgesetz - MZG>). Er wird seit 1957 jährlich durchgeführt, seit 1996 auch unter Einbeziehung des Haushaltsnettoeinkommens. Hierzu wird 1 % der Bevölkerung befragt, die zur Auskunft verpflichtet ist (§ 4 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 MZG). Das abgefragte Haushaltsnettoeinkommen erfasst nicht nur Einkommen aus abhängiger Beschäftigung, sondern sämtliche Einkommen einschließlich staatlicher Transferleistungen und Kapitaleinkünfte (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 3 MZG). Die Daten sind im Internet beispielsweise auf dem gemeinsamen Statistikportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder allgemein verfügbar und zeigen den Median der Äquivalenzeinkommen nach Ländern und zusätzlich nach der Gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (nomenclature des unités territoriales statistiques - NUTS) auf Ebene 2, was in der Bundesrepublik Deutschland den Regierungsbezirken entspricht, sowie nach Raumordnungsregionen und in ausgewählten deutschen Großstädten (vgl. zum Vorstehenden Hochgürtel, WISTA 2019, S. 53 ff.).
70(3) Die Bezugsgröße für die Bemessung der Mindestbesoldung ist eine vierköpfige Familie, die aus dem Beamten, seinem Ehegatten und zwei Kindern, von denen eines jünger als 14 Jahre ist, besteht, deren alleiniges Einkommen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 3 MZG die Besoldung - einschließlich der Familienzuschläge für den Ehegatten und die ersten beiden Kinder - ist. Das Bundesverfassungsgericht geht - jedenfalls auf der Grundlage des vom Berliner Besoldungsgesetzgeber für den Prüfungszeitraum gewählten Besoldungsmodells - grundsätzlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Besoldung so bemessen wollte, dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen - etwa einer Nebentätigkeit oder der Erwerbstätigkeit des Ehegatten - bedarf (vgl. BVerfGE 155, 1 <24 Rn. 47>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <189>).
71Für die anzustellende Bewertung sind die Bezüge in ihrer Gesamthöhe der Berechnung zugrunde zu legen. Neben dem Grundgehalt sind daher solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe unterschiedslos gewährt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 155, 1 <36 Rn. 73>). Maßgeblich sind die niedrigste vom Dienstherrn für aktive Beamte ausgewiesene Besoldungsgruppe und die niedrigste Erfahrungsstufe (vgl. BVerfGE 155, 1 <36 Rn. 74 f.>). Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen. Gewährt der Dienstherr freie Heilfürsorge oder erhöht er den Beihilfesatz, wirkt sich dies auf die Höhe des Nettoeinkommens aus (vgl. BVerfGE 140, 240 <286 f. Rn. 94>; 155, 1 <36 f. Rn. 76>). Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern. Dabei ist auch die Absetzbarkeit der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Hinzuzurechnen ist das Kindergeld (vgl. BVerfGE 99, 300 <315, 321>; 155, 1 <38 Rn. 79>).
72c) Soweit der Senat die Mindestbesoldung bislang durch den Vergleich mit staatlichen Sozialleistungen bestimmt und einen Verstoß angenommen hat, wenn die Nettobesoldung unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt (vgl. BVerfGE 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>; 155, 1 <24 Rn. 47>), ist diese Rechtsprechung aus mehreren Gründen fortzuentwickeln:
73aa) Durch den Bezug zur Grundsicherung wird nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Alimentation des Beamten und seiner Familie etwas qualitativ anderes ist als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle. Diesen Unterschied muss die Bemessung des Beamtengehalts deutlich werden lassen (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 f.>; 81, 363 <378>; 99, 300 <321 f.>). Während die Grundsicherung an die Bedürftigkeit der konkreten Person anknüpft und auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Daseins nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip unbedingt erforderlichen Mittel beschränkt ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 163, 254 <277 Rn. 53> - Sonderbedarfsstufe im Asylbewerberleistungsrecht; 170, 52 <68 Rn. 37> - BAföG), steht die Besoldung gemäß Art. 33 Abs. 5 GG im Zusammenhang mit der spezifischen Pflichtenstellung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn und ist nach der Bedeutung des (statusrechtlichen) Amtes zu bemessen. Dieser qualitative Unterschied droht durch eine Verknüpfung der Mindestbesoldung mit der Grundsicherung schon im Ansatz verwischt zu werden.
74bb) Ferner hat sich gezeigt, dass die Bestimmung des Grundsicherungsniveaus systembedingt auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stößt. Nach dem bisherigen Modell mussten zahlreiche Behörden oder datenführende Stellen beteiligt werden. Der hieraus entstehende Ermittlungsaufwand hat sich auf Seiten der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit - wie dem Bundesverfassungsgericht auch aufgrund der zahlreichen anhängigen Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG bekannt ist - als bisweilen allzu hohes Hindernis einer effektiven Bearbeitung von in großer Zahl anhängigen Besoldungsverfahren erwiesen (vgl. Wieckhorst, DÖV 2021, S. 361 <367>; Klöckner, RiA 2022, S. 141 <142 f.>). Darüber hinaus unterliegt die Höhe der Grundsicherung als Bezugspunkt des Vergleichs einer fortwährenden Reformdiskussion und seine konkrete Ausgestaltung ist nicht unabhängig von den politischen Mehrheitsverhältnissen (vgl. auch Stuttmann, NVwZ 2015, S. 1007 <1013>.). Die hieraus erwachsenden Schwierigkeiten und Unsicherheiten einer Bestimmung der Mindestbesoldung in Anknüpfung an das Grundsicherungsniveau erscheinen auch mit Rücksicht auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderte effektive Durchsetzbarkeit des individuellen verfassungsmäßigen Rechts auf einen "angemessenen Lebensunterhalt" nicht mehr hinnehmbar. Der neue Ansatz hat demgegenüber den Vorteil, dass er auf einer langjährigen, von Staaten und inter- beziehungsweise supranationalen Organisationen sowie der Wissenschaft allgemein anerkannten Berechnungsmethode beruht und die erforderlichen Daten für jedermann ohne Weiteres verfügbar sind. Ausweislich vom Senat angestellter Vergleichsberechnungen führt dies nicht zu einer substanziellen Erhöhung des Mindestbesoldungsniveaus.
75d) Wird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe die Schwelle zur Prekarität unterschritten, liegt allein hierin ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip (vgl. für den bisherigen Maßstab <Grundsicherung zuzüglich 15 %>: BVerfGE 155, 1 <25 Rn. 48>). Einer Prüfung, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe am Maßstab der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards gerecht geworden ist, bedarf es dann ebenso wenig wie einer Gesamtbewertung unter Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien. Die Einhaltung des Gebots der Mindestbesoldung ist deshalb vorab zu prüfen, sofern Anlass dazu besteht, was nach der bisherigen Besoldungspraxis insbesondere dann der Fall sein kann, wenn die prüfungsgegenständlichen Besoldungsgruppen im unteren oder mittleren Bereich der Besoldungsordnungen A angesiedelt sind. Wenn sich im Rahmen dieser Vorabprüfung bereits eine Unterschreitung der Mindestbesoldung herausstellt, ist der hierin grundsätzlich liegende Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG jedoch noch der Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht zugänglich (vgl. hierzu nachfolgend unter 5.).
764. Ob der Gesetzgeber unabhängig von der Erfüllung des Gebots der Mindestbesoldung als absolute Untergrenze einer verfassungsmäßigen Besoldung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung entsprechend dem jeweiligen Dienstrang, der mit einem Amt verbundenen Verantwortung sowie der Bedeutung des Berufsbeamtentums und der rechtsprechenden Gewalt für die Allgemeinheit über die Jahre hinweg Rechnung getragen hat, muss anhand einer zweistufigen Gesamtschau verschiedener Kriterien beurteilt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>; 155, 1 <15 f. Rn. 27 f.>). Zunächst ist die Entwicklung der wirtschaftlichen Gesamtsituation anhand volkswirtschaftlich plausibler Parameter methodisch zuverlässig zu erfassen. Zusätzlich ist die Prüfung des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots im Rahmen eines systeminternen Besoldungsvergleichs erforderlich (erste Prüfungsstufe, a). Die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe sind unter Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien zu bewerten (zweite Prüfungsstufe, b).
77a) Auf der ersten Prüfungsstufe wird mit Hilfe von aus dem Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich beziehungsweise systemintern nachvollziehbaren Parametern ein durch Zahlenwerte konkretisierter Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Besoldungsstruktur und des Besoldungsniveaus ermittelt. Den Parametern kommt eine indizielle Bedeutung bei der Bestimmung des verfassungsrechtlich geschuldeten Besoldungsniveaus zu; ihre Heranziehung dient vor allem der Rationalisierung der verfassungsrechtlichen Prüfung, darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass sich die Höhe der amtsangemessenen Besoldung unter Rückgriff auf statistische Daten exakt berechnen ließe. Mit der Auswertung dieser Parameter kann es schon deshalb nicht sein Bewenden haben, weil sich der Inhalt des Alimentationsprinzips nicht allein nach volkswirtschaftlichen und systeminternen Kriterien bemisst. Die erste Prüfungsstufe bereitet die auf der zweiten Prüfungsstufe stets erforderliche wertende Betrachtung aller alimentationsrelevanten Aspekte vor (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 Rn. 96, 120 Rn. 116>; 140, 240 <279 Rn. 75, 289 Rn. 99>; 155, 1 <16 f. Rn. 28 f.>). Gegenstand der ersten Prüfungsstufe ist eine Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung einerseits und der Entwicklung verschiedener Vergleichsgrößen andererseits. Sie unterliegt grundsätzlich einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle.
78aa) Die Besoldungsentwicklung ist anhand eines Index zu ermitteln, mit dem die Entwicklung der Jahresbruttobesoldung ab dem festen Basisjahr 1996 abgebildet wird. Denn für die Beurteilung der Angemessenheit der Besoldung kommt es auf ihre Gesamthöhe an (vgl. BVerfGE 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 155, 1 <14 Rn. 25>), zu deren Ermittlung neben dem Grundgehalt auch weitere Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen hinzuzurechnen sind, soweit sie allen Beamten der Besoldungsgruppe unterschiedslos gewährt werden, strukturell mithin dem Grundgehalt ähneln (vgl. auch BVerfGE 130, 263 <308>; 155, 1 <14 Rn. 25>). Nicht einzubeziehen sind dagegen solche Zulagen, die - wie beispielsweise Erschwerniszulagen - nicht allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden (vgl. BVerfGE 155, 1 <36 Rn. 73>), sondern der Abgeltung herausgehobener Anforderungen dienen (vgl. 2 B 13.11 -, juris, Rn. 10; vgl. auch BVerfGK 14, 548 <549>). Denn würde man solche Zulagen in die Erfassung der Besoldungsentwicklung einbeziehen, könnten sie die ihnen zugewiesene Funktion eines Ausgleichs von Sonderbelastungen nicht mehr erfüllen, sondern müssten gegebenenfalls dazu dienen, ein unzureichendes Grundgehalt erst in den Bereich der Amtsangemessenheit anzuheben. Es ist die jeweils höchste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>; 155, 1 <18 Rn. 31>).
79Im Hinblick auf die Berechnung der Besoldungsentwicklung hat sich gezeigt, dass die bloße Erfassung linearer Anpassungen der Bezüge um einen bestimmten Prozentwert, bei gleichzeitiger Ausblendung von Sockelbeträgen und der Behandlung unterjähriger Besoldungsanpassungen, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt (so noch BVerfGE 155, 1 <17 f. Rn. 30 f.>), nicht hinreichend präzise ist. Auf diese Weise werden Veränderungen auf dem Gebiet der Sonder- und Einmalzahlungen nicht hinreichend abgebildet (vgl. Färber, ZBR 2025, S. 10 ff.), sodass sich Versuche, bei der Umsetzung von Besoldungserhöhungen die Rechtsprechung des Senats zu umgehen, nur schwer verhindern lassen. Der letztlich überschaubare Mehraufwand einer "Spitzausrechnung" fällt demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit der methodischen Umstellung der Vergleichsbetrachtung auf eine an ein festes Basisjahr anknüpfende, jährlich fortschreibbare Indexierung.
80In Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung wird nunmehr auf eine Methodik zurückgegriffen, die beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika seit den 1960er-Jahren praktiziert wird (vgl. Postal Revenue and Federal Salary Act of 1967 <No. 90-206, 81 Stat. 613, 642-45> und Executive Salary Cost of Living Adjustment Act <No. 94-82, 89 Stat. 419 (1975)>; s. dazu Baker, B. U.L. Rev. 88 <2008>, S. 63 <68>). Als festes Basisjahr bietet sich das Jahr 1996 an, weil sowohl in Bezug auf die prüfungsgegenständlichen Gesetze als auch die deutsche Wiedervereinigung mit ihren Sondereffekten (vgl. BVerfGE 107, 218; 145, 304) ein hinreichender zeitlicher Abstand besteht. Einer Begrenzung auf 15-Jahreszeiträume als Vergleichsgrundlage bedarf es vor diesem Hintergrund nicht mehr, zumal sich gezeigt hat, dass dieses Zeitfenster zu kurz ist, um die Entwicklung der auf Langfristigkeit angelegten Besoldung hinreichend abzubilden (vgl. Stuttmann, NVwZ 2015, S. 1007 <1009>; Lindner, BayVBl 2015, S. 801 <804 f.>; Färber, ZBR 2018, S. 228 <232>). Damit entfällt auch das Bedürfnis für eine aufwendige Staffelprüfung. Mit der beschriebenen Anpassung der Erfassung der wirtschaftlichen Entwicklung geht im Ergebnis eine erhebliche Vereinfachung der Prüfung für die Fachgerichtsbarkeit einher. Zugleich dient sie der Gewährleistung effektiven - also zeitnahen - Rechtsschutzes.
81bb) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip im Bereich der Besoldung sind vier Parameter angelegt, denen eine indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Besoldungsniveaus zukommt. Sie sollen vor allem Indizien für eine Unteralimentation darstellen. Vor diesem Hintergrund haben die Erstellung der Indizes und die Berechnung der Parameter möglichst einfachen und klaren Regeln zu folgen (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 f. Rn. 97 f.>; 140, 240 <279 f. Rn. 76 f.>; 155, 1 <16 f. Rn. 28 f.>).
82(1) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von den Tarifergebnissen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im betroffenen Land oder - bei der Bundesbesoldung - auf Bundesebene (Tariflohnindex) von mindestens 5 % ist ein wichtiges Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (vgl. BVerfGE 155, 1 <19 Rn. 34>; erster Parameter). Dem Einkommensniveau dieser privatrechtlich beschäftigten und streikberechtigten Arbeitnehmer kommt eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der Besoldung zu, ohne dass der Gesetzgeber zur Gewährleistung einer strikten Parallelität verpflichtet wäre (vgl. BVerfGE 139, 64 <114 Rn. 99>; 140, 240 <281 Rn. 78>; 155, 1 <19 f. Rn. 34 ff.>).
83(a) Angesichts der Umstellung des Besoldungsindex ist nun auch für den Tariflohnindex die Entwicklung des Jahresbruttoentgelts der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes beziehungsweise jeweiligen Landes zu ermitteln. Es reicht nicht mehr aus, nur die linearen Tarifveränderungen festzustellen (so noch BVerfGE 155, 1 <58 Rn. 124>). Zudem müssen Sockelbeträge, allgemein gezahlte Zulagen und Einmalzahlungen (vgl. Jahressonderzahlung nach § 20 Tarifvertrag der Länder <TV-L> und die Entgeltgruppenzulagen nach Teil II der Entgeltordnung zum TV-L <Anlage A> in Verbindung mit Anlage F zum TV-L) berücksichtigt werden. Das Jahresbruttoentgelt ergibt sich - wenn die Gebietskörperschaft nicht eine eigenständige Tarifpolitik betrieben hat - aus dem TV-L beziehungsweise dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD; zuvor Bundesangestelltentarifvertrag <BAT>). Analog zur Vorgehensweise bei der Besoldung der Beamtenschaft wird dabei typisierend das Tabellenentgelt in der höchsten Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe herangezogen (vgl. etwa §§ 15 f. TV-L in Verbindung mit der allgemeinen Entgelttabelle <Anlage B>; § 19 TVÜ-Länder). Aus Gründen der Praktikabilität werden Besoldungs- und Entgeltgruppen einander ziffernmäßig zugeordnet (bspw. A 4 entspricht E 4 usw.):
85(b) Die Darstellung der Abweichung ist nicht in Relation zur Besoldungsentwicklung, sondern in Relation zur Entwicklung des Tariflohnindex wiederzugeben (anders noch BVerfGE 139, 64 <115 Rn. 101, 131 Rn. 144>; 140, 240 <281 f. Rn. 80, 300 f. Rn. 127>; 155, 1 <20 Rn. 36, 59 Rn. 128>). Hierdurch wird klargestellt, dass nicht die Besoldungsentwicklung der relevante Maßstab ist, sondern dass sich umgekehrt die Besoldungsentwicklung am Maßstab der Tariflohnentwicklung auszurichten hat:
87(2) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land oder - bei der Bundesbesoldung - auf Bundesebene von mindestens 5 % ist ein weiteres Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (vgl. BVerfGE 155, 1 <20 Rn. 37>; zweiter Parameter). Der Nominallohnindex ist ein allgemein anerkannter Indikator für die Einkommens- und Wohlstandsentwicklung der abhängig Beschäftigten in Deutschland und kann daher eine Orientierung für die Einkommenssituation und -entwicklung der Gesamtbevölkerung bieten (vgl. BVerfGE 139, 64 <115 Rn. 103>; 140, 240 <282 Rn. 82>; 155, 1 <20 f. Rn. 37 ff.>). Die Berechnung der Abweichung erfolgt ebenfalls nach der vorstehend dargestellten Formel.
88(3) Auch eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder - bei der Bundesbesoldung - auf Bundesebene von mindestens 5 % ist ein Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (dritter Parameter). Dieses verlangt, durch eine entsprechende Bemessung der Bezüge zu verhindern, dass das Gehalt infolge eines Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten aufgezehrt wird und dem Beamten infolge des Kaufkraftverlusts die Möglichkeit genommen wird, den ihm zukommenden Lebenszuschnitt zu wahren (vgl. BVerfGE 139, 64 <116 f. Rn. 106 f.>; 140, 240 <283 f. Rn. 85 ff.>; 155, 1 <21 f. Rn. 39 ff.>). Die Berechnung der Abweichung erfolgt wiederum nach der vorstehend dargestellten Formel.
89(4) Der vierte Parameter ergibt sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich, dem das Abstandsgebot als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (vgl. BVerfGE 145, 304 <328 Rn. 74 f.>; 150, 169 <183 f. Rn. 34>; 155, 1 <23 Rn. 45>) zugrunde liegt. Die "amts"-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (vgl. BVerfGE 139, 64 <117 Rn. 109>; 140, 240 <284 Rn. 88>; 155, 1 <22 Rn. 42>). Das Ergebnis des systeminternen Besoldungsvergleichs kann in zweifacher Hinsicht indizielle Bedeutung dafür haben, dass die Besoldung hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurückbleibt (vgl. BVerfGE 155, 1 <23 Rn. 44>).
90(a) Im ersten Fall ergibt sich die indizielle Bedeutung aus dem Umstand, dass es infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände (Abschmelzung) zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt (unmittelbarer Verstoß). Diese Schwelle ist nicht erst dann überschritten, wenn die Abstände ganz oder im Wesentlichen eingeebnet werden, sondern schon dann, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>; 155, 1 <23 Rn. 45>). Die Berechnung der Besoldungshöhe erfolgt wie bei der Erstellung des Besoldungsindex. Somit ist nicht allein die Höhe der Grundgehaltssätze maßgeblich.
91(b) Im zweiten - praktisch besonders bedeutsamen - Fall folgt die indizielle Bedeutung aus der Unterschreitung der gebotenen Mindestbesoldung in einer niedrigeren Besoldungsgruppe (mittelbarer Verstoß). Eine Unterschreitung der Mindestbesoldung betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander ins Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts - also die effektive Besoldung in den untersten Besoldungsgruppen - als verfassungswidrig, insbesondere weil für diese Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen der Mindestbesoldung missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung infrage gestellt. Der Gesetzgeber ist dann gehalten, eine insgesamt konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen (vgl. BVerfGE 155, 1 <25 Rn. 48>).
92Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bezogen auf die Art und Weise, wie er bei der Festsetzung der Bezüge dem Gebot der Mindestbesoldung Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere - wenn auch in gewissen Grenzen, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend konkretisiert worden sind - auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht. Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Gebot der Mindestbesoldung erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges eine Erhöhung der Besoldung einer höheren Besoldungsgruppe erfordert, lässt sich daher nicht durchweg mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter der Mindestbesoldung zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Unterschreitung der Mindestbesoldung bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in eine wertende Betrachtung auf der zweiten Prüfungsstufe einzustellen ist (vgl. BVerfGE 140, 240 <287 Rn. 94>; 155, 1 <25 f. Rn. 49>).
93Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Verfahren die Frage, welche Anforderungen an die gesetzgeberische Reaktion auf mittelbare Verstöße gegen das Abstandsgebot sich aus weiteren hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums - insbesondere aus dem Leistungsprinzip - ergeben.
94(5) Auf den nach bisheriger Rechtsprechung zusätzlich durchzuführenden föderalen Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 f. Rn. 113>; 140, 240 <287 f. Rn. 96>; 155, 1 <38 Rn. 80>) kann im Hinblick auf die gesteigerte Aussagekraft der dargestellten (angepassten) Parameter verzichtet werden. Es hat sich gezeigt, dass die Ermittlung der Durchschnittswerte der jährlichen Bruttobezüge (einschließlich allgemein gewährter Stellenzulagen und Sonderzuwendungen) in den vergleichbaren Besoldungsgruppen aller Länder und (soweit dort vorhanden) des Bundes für die Fachgerichtsbarkeit einen kaum zu bewältigenden Aufwand nach sich zieht, der angesichts der geringen Aussagekraft dieser Kennziffer - und in Ansehung weiterer Bedenken (vgl. Brinktrine, ZG 2015, S. 201 <224 f.>) - nicht gerechtfertigt erscheint.
95b) Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer wertenden Betrachtung zusammenzuführen.
96aa) Den vier Parametern der ersten Prüfungsstufe kommt für die wertende Betrachtung der zweiten Prüfungsstufe eine Steuerungsfunktion hinsichtlich Prüfungsrichtung und -tiefe zu: Sind mindestens zwei Parameter erfüllt, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unterbesoldung, die im Rahmen der wertenden Betrachtung sowohl widerlegt als auch erhärtet werden kann. Aufgrund der oben dargestellten Modifikationen, die der Präzisierung und Handhabbarkeit der Parameter dienen, ist es für die Vermutung einer Unterbesoldung nicht mehr erforderlich, dass ein dritter Parameter erfüllt ist (so noch - auf der Grundlage von fünf Parametern - BVerfGE 139, 64 <120 f. Rn. 116>; 140, 240 <289 Rn. 99>; 155, 1 <40 f. Rn. 85>). Wird umgekehrt kein Parameter erfüllt, wird eine angemessene Besoldung vermutet. Ist genau ein Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der wertenden Betrachtung eingehend gewürdigt werden.
97Die wertende Betrachtung aller alimentationsrelevanten Aspekte ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers. Besteht wegen mindestens zweier erfüllter Parameter die Vermutung einer verfassungswidrigen Unterbesoldung, obliegt es ihm, darzulegen, aufgrund welcher weiterer alimentationsrelevanter Kriterien er diese Vermutung als widerlegt ansieht und die Besoldung als amtsangemessen bewertet. Wird er seiner Darlegungslast nicht gerecht und holt der Dienstherr entsprechendes Vorbringen auch nicht im gerichtlichen Verfahren nach, ist es nicht Sache der Fachgerichte oder des Bundesverfassungsgerichts, von sich aus alimentationsrelevante Kriterien zu identifizieren und zu bewerten, die eine nach der Parameterprüfung bestehende Vermutung der Verfassungswidrigkeit der Besoldung widerlegen könnten, sofern diese nicht offenkundig zu Tage liegen. Eine Verletzung der Darlegungsobliegenheit hat zur Folge, dass die Vermutung der Verfassungswidrigkeit zur Gewissheit erstarkt. Auch umgekehrt müssen sich die Gerichte dann, wenn kein Parameter erfüllt ist und deshalb die Vermutung amtsangemessener Besoldung besteht, nicht von sich aus auf die Suche nach diese Vermutung widerlegenden alimentationsrelevanten Kriterien begeben. Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht. Bei genau einem erfüllten Parameter sind im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle - neben den Ergebnissen der ersten Prüfungsstufe - insbesondere die vom Gesetzgeber jeweils für maßgeblich befundenen weiteren alimentationsrelevanten Kriterien in Betracht zu ziehen, ferner solche, deren Relevanz für die Beurteilung der Amtsangemessenheit sich nach den konkreten Umständen aufdrängt. Soweit sich dem Gesetzgeber bei der Konkretisierung und relativen Gewichtung der jeweils maßgeblichen alimentationsrelevanten Kriterien Spielräume für eigene Einschätzungen und Bewertungen eröffnen, dürfen die Gerichte nicht ihre eigenen Einschätzungen und Bewertungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen, sondern sind auf eine Nachvollziehbarkeits- und Vertretbarkeitskontrolle beschränkt.
98bb) Über die auf der ersten Prüfungsstufe ermittelten quantitativen Parameter hinaus hat der Gesetzgeber qualitative alimentationsrelevante Kriterien zu ermitteln und zu bewerten (vgl. zur Unterscheidung von quantitativen und qualitativen Zugängen auch Petersen/Chatziathanasiou, AöR 144 <2019>, S. 501 <504 f.>).
99(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss sich in der Höhe der Besoldung die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 118>; 140, 240 <290 Rn. 100>). Die amtsangemessene Besoldung bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 118 f.>; 140, 240 <291 Rn. 104>; 150, 169 <180 f. Rn. 29>; 155, 1 <41 Rn. 87>). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Ausübung seiner Gestaltungsverantwortung die maßgeblichen Kriterien für das jeweilige Besoldungsgesetz zu ermitteln, zu konkretisieren und schlüssig zu bewerten. Soweit bei der Prüfung der Ermittlung und Anwendung dieser Kriterien Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stehen, hat das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfung grundsätzlich darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Prognosen, die der Dienstherr nötigenfalls noch im gerichtlichen Verfahren "nachschieben" kann, nachvollziehbar und vertretbar sind.
100(2) Entsprechendes gilt für die weiteren alimentationsrelevanten Kriterien der von einem Amtsinhaber geforderten Ausbildung und Beanspruchung (vgl. BVerfGE 139, 64 <120 Rn. 116>; 140, 240 <289 Rn. 99>; 155, 1 <41 Rn. 86>) sowie der Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte (vgl. BVerfGE 140, 240 <289 Rn. 99>).
101(3) Unter welchen Voraussetzungen einem Besoldungsgesetz eine schlüssige qualitative Bewertung zugrunde liegt, kann abstrakt nicht hinreichend zuverlässig bestimmt werden; es bedarf vielmehr einer Berücksichtigung aller im jeweiligen Einzelfall relevanten Umstände.
102cc) Ein weiteres alimentationsrelevantes Kriterium sind Entwicklungen im Bereich der Versorgung. Besoldung und Versorgung sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der Alimentation und schon bei Begründung des Beamtenverhältnisses garantiert. Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt der Beamten lebenslang - und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand - zu garantieren (vgl. BVerfGE 76, 256 <298>; 114, 258 <298>). Dieser Verpflichtung kommt er gegenwärtig durch Bereitstellung einer Vollversorgung nach. Beamte haben ihre Altersversorgung und die ihrer Hinterbliebenen nicht selbst zu veranlassen; stattdessen sind ihre Bruttobezüge von vornherein - unter Berücksichtigung der künftigen Pensionsansprüche - niedriger festgesetzt (vgl. BVerfGE 39, 196 <202>; 105, 73 <115, 125>; 114, 258 <298>). Kürzungen im Bereich des Versorgungsrechts haben zur Konsequenz, dass die Amtsträger einen größeren Teil ihrer Bezüge zum Zwecke der privaten Altersvorsorge aufwenden müssen, um nicht übermäßige Einbußen ihres Lebensstandards bei Eintritt in den Ruhestand hinnehmen zu müssen. Auch dies kann zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Besoldung führen (vgl. BVerfGE 139, 64 <123 f. Rn. 123>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>; 155, 1 <44 f. Rn. 91>).
103dd) Die Amtsangemessenheit der Besoldung ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfeleistungen zu bewerten. Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Das gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation; von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Besoldung lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>; 155, 1 <43 f. Rn. 90>). Durch diese Systementscheidung des Gesetzgebers für die Beihilfe werden Besoldung und Beihilfeleistungen untrennbar miteinander verknüpft. Wie bei kommunizierenden Röhren führen Veränderungen des Beihilfeniveaus zu einem anderen privat zu erfüllenden Versicherungsbedarf und wirken sich damit unmittelbar auf die dem Beamten zur Verfügung stehenden Mittel aus. Mehrleistungen im Beihilfebereich beeinflussen das Besoldungsniveau in positiver Weise; spiegelbildlich führt jeder Einschnitt des Gesetzgebers im Beihilfebereich - etwa durch die Einführung einer Kostendämpfungspauschale oder einer Zuzahlungspflicht für bestimmte Medikamente oder Behandlungen - unmittelbar zu einer mit einer Besoldungskürzung vergleichbaren finanziellen Einbuße des jeweiligen Beamten (vgl. BVerwGE 182, 46 <52 Rn. 14>).
104ee) Soweit das Bundesverfassungsgericht für die Beamtenbesoldung bislang darauf abgestellt hat, dass die Amtsangemessenheit der Besoldung auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen zu bestimmen sei, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 117, 330 <354>; 119, 247 <268>; 140, 240 <293 Rn. 107>; 155, 1 <43 Rn. 89>), ist dieses weitere Kriterium auf geeignete Fälle zu beschränken. Denn ein aussagekräftiger Bezug zur Privatwirtschaft wird bereits durch den Nominallohnindex hergestellt. Eine gesonderte Gegenüberstellung erscheint daher mit Blick auf die Heterogenität der in Rede stehenden Ämter und Funktionen sowie angesichts der erforderlichen Straffung der Prüfung entbehrlich. Dagegen kann für spezialisierte Besoldungsordnungen wie die W- (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>) und die R-Besoldung (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 155, 1 <43 Rn. 89>) oder Teile der B-Besoldung ein Abgleich weiterhin sinnvoll und geboten sein.
1055. Eine gegen das Gebot der Mindestbesoldung verstoßende oder nach den vorstehenden Maßstäben unzureichend fortgeschriebene Besoldung kann ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Die Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG ist - soweit sie mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert - entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 f. Rn. 125>; 140, 240 <293 f. Rn. 108>; 155, 1 <45 Rn. 92>).
106a) Das in Art. 110 GG geregelte parlamentarische Budgetrecht gehört zu den - historisch wie aktuell - zentralen Funktionen von Parlamenten: Die Hoheit über den Haushalt ist der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen. Deshalb wird die parlamentarische Aussprache über den Haushalt - einschließlich des Maßes der Verschuldung - als politische Generaldebatte verstanden (vgl. BVerfGE 123, 267 <361>; 129, 124 <178, 181>; 154, 17 <87 Rn. 104> - PSPP-Programm der EZB; Kube, AöR 137 <2012>, S. 205 <206>). Nichts anderes gilt in Zeiten "knapper Kassen", die eine Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung nach Art, Zeit und Umfang unter Berücksichtigung der jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse notwendig machen. In öffentlicher Debatte die für die Lösung der Verteilungskonflikte maßgebliche Priorisierung festzulegen und deren Anpassung an die wechselnden Bedürfnisse des Gemeinwesens vorzunehmen, ist zentraler Bestandteil der politischen Gestaltungsmacht des Parlaments (vgl. BVerfGE 79, 311 <329>; 130, 318 <343 f.>). Dieses verfügt auch im Sinne des Gewaltenteilungsgrundsatzes funktional über die besten Voraussetzungen, um - im Zusammenwirken mit der Regierung - hierbei auch angesichts des erheblichen Umfangs und der Vielgestaltigkeit staatlicher Aufgaben zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen (vgl. BVerfGE 159, 223 <286 f. Rn. 140> - Bundesnotbremse I <Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen>; 170, 52 <74 Rn. 51>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1505/20 -, Rn. 107 - Solidaritätszuschlag 2020/2021).
107b) Die dem Staat zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sind notwendig begrenzt. Die Einschränkung der Kreditaufnahme nach Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG (jeweils vor und nach der jüngsten Änderung <BGBl I 2025 Nr. 94>) und der Erhalt der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Steuer- und Beitragszahler, gegenüber denen Zahlungsverpflichtungen zudem abwehrrechtlich gerechtfertigt werden müssen, stehen einer beliebigen Ausweitung staatlicher Einnahmen zur bestmöglichen Erfüllung aller dem Staat obliegenden Aufgaben entgegen (vgl. BVerfGE 170, 52 <73 f. Rn. 50>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1505/20 -, Rn. 107).
108Gemäß Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen (sogenannte Schuldenbremse). Ausnahmsweise ist eine Neuverschuldung bei konjunkturellen Abweichungen von der Normallage (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2, 1. Var. GG) sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen zulässig (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2, 2. Var. GG). Die Haushalte der Länder waren in den Haushaltsjahren 2011 bis 2019 so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG (keine strukturelle Nettokreditaufnahme) erfüllt wird (vgl. Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG). Dabei mussten die Haushaltsgesetzgeber der Länder das Ziel der Haushaltskonsolidierung im Jahr 2020 im Blick behalten. Konkretere Verpflichtungen zur Erreichung dieses Ziels ergeben sich aus Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG nicht. Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Bezüge der Beamten Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 139, 64 <125 f. Rn. 127>; 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>; 155, 1 <46 Rn. 94>).
109c) Ungeachtet der im Jahr 2009 (BGBl I S. 2248) erfolgten und im Jahr 2025 in Teilen abgeschwächten (BGBl I Nr. 94) Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art. 109 Abs. 3 GG vermögen indes allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht einzuschränken. Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere (vgl. BVerfGE 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>; 155, 1 <46 Rn. 94>). Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen (vgl. BVerfGE 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>; 155, 1 <46 Rn. 94>).
110Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen jedoch in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist, das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien - gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung der im Rahmen eines Konsolidierungs- oder Sanierungshilfeverfahrens getroffenen Vereinbarungen - erkennbar sein muss (vgl. BVerfGE 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 f. Rn. 19>; 155, 1 <46 Rn. 94>). Ein solches Konzept setzt inhaltlich wenigstens die Definition eines angestrebten Sparziels, die nachvollziehbare Auswahl der zu dessen Erreichung erforderlichen Maßnahmen sowie einen hinreichend konkreten Zeitplan voraus; zudem ist vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG das notwendige Sparvolumen gleichheitsgerecht zu erwirtschaften (vgl. BVerfGE 149, 382 <394 f. Rn. 19, 398 f. Rn. 28>; 155, 1 <46 f. Rn. 94>).
II.
111An diesen Maßstäben gemessen verstoßen die der Prüfung unterzogenen Besoldungsvorschriften des Landes Berlin bezüglich der Besoldungsordnungen A für die Jahre 2008 bis 2020 mit wenigen Ausnahmen gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
112Für den überwiegenden Teil dieser Vorschriften ist bereits festzustellen, dass sie die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung nicht sicherstellen (Vorabprüfung Mindestbesoldung, 1.). Zahlreiche aus dem Tenor ersichtliche Vorschriften bleiben allerdings auch unabhängig von dem Gebot der Mindestbesoldung hinter den Anforderungen des Alimentationsprinzips evident zurück, weil sie die Besoldung der Beamten nicht im erforderlichen Maße entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards fortgeschrieben haben. Die als Ergebnis dieser Fortschreibungsprüfung anhand der relevanten vier Parameter begründete Vermutung der Unteralimentation (erste Prüfungsstufe, 2. a) wird durch eine wertende Betrachtung anhand weiterer alimentationsrelevanter Kriterien nicht widerlegt (zweite Prüfungsstufe, 2. b). Schließlich können weder diejenigen Vorschriften, die gegen das Gebot der Mindestbesoldung verstoßen, noch diejenigen, die das Gebot der Fortschreibung der Besoldung verletzen, durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden (3.). Damit ist nur für einige Besoldungsgruppen des höheren Dienstes und für wenige Zeiträume eine Unteralimentation nicht festzustellen, während der weit überwiegende Teil der zur Prüfung stehenden Besoldungsvorschriften gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstößt (4.).
1131. Eine vorab durchzuführende Prüfung, ob die der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfenen Besoldungsvorschriften bereits gegen das Gebot der Mindestbesoldung verstoßen, ist in den vorliegenden Verfahren veranlasst, weil die Höhe der Nettoeinkommen in den niedrigen Besoldungsgruppen schon nach dem Vortrag von Beteiligten und Berufsverbänden sowie nach erstem Anschein jedenfalls nicht deutlich über der Prekaritätsschwelle beziehungsweise den - der bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden - Werten der Grundsicherung liegt. Diese Prüfung ergibt, dass die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung in den Jahren 2008 und 2009 in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 9, in den Jahren 2010 bis 2015 in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 10 und in den Jahren 2016 bis 2020 in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 11 unterschritten wird.
114a) Für die Berechnung sind die Mikrozensus-basierten Median-Äquivalenzeinkommen für die Jahre 2008 bis 2020 der im Internet frei zugänglichen Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik entnommen worden (siehe https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9). Die Jahresbruttobesoldungen in den Jahren 2008 bis 2015 entstammen zum Teil den Vorlagebeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts, im Übrigen sind die von Prof. Dr. Färber zur Verfügung gestellten Jahresbruttobesoldungen zugrunde gelegt worden. Die Kosten für Pflege- und Krankenversicherung wurden den Angaben des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. vom entnommen. Die zur Bestimmung der Steuerlast notwendigen Daten entstammen dem Einkommensteuerrechner des Bundesministeriums der Finanzen (https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml) und den jeweils anwendbaren Steuergesetzen (vgl. BVerfGE 155, 1 <65 f. Rn. 148>).
115Dabei ist auch für die Berliner Besoldungsgesetze die Bezugsgröße - nicht normatives Leitbild - für die Bemessung der Mindestbesoldung die sogenannte Alleinverdienerfamilie, also eine vierköpfige Familie, die aus dem Beamten, seinem Ehegatten und zwei Kindern, von denen eines jünger als 14 Jahre ist, besteht, deren einziges Einkommen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 3 MZG die Besoldung - einschließlich der Familienzuschläge für den Ehegatten und die ersten beiden Kinder - ist. Soweit der Senat von Berlin mit seinen Stellungnahmen geltend macht, dass "die Abkehr vom Alleinverdienerprinzip in der Besoldungspraxis tatsächlich bereits vor vielen Jahren" erfolgt sei und daher bei "der Überprüfung der Einhaltung des Mindestabstandsgebots für die Jahre 2008 bis 2020 […] das Mehrverdienerprinzip zugrunde zu legen" sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn aus der Begründung der Neufassung von § 40a Abs. 1 BBesG BE im Jahr 2024 ergibt sich, dass der Berliner Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die Besoldung sich bis zu diesem Zeitpunkt an der Alleinverdienerfamilie orientiert habe und dass er erst jetzt der Lebensrealität der Mehrverdiener- beziehungsweise Hinzuverdienerehe gerecht werden wollte (vgl. Abghs.-Drucks. 19/2002 vom , S. 5 f., 42 f., 53 ff., 93 f.). Über die Verfassungsmäßigkeit dieser konzeptionellen Änderung ist im vorliegenden Verfahren indes nicht zu entscheiden.
116b) Der aus dem Median-Äquivalenzeinkommen ermittelten Prekaritätsschwelle sind die Werte der Jahresnettobesoldung aller in Betracht kommenden Besoldungsgruppen gegenüberzustellen. Für jedes Jahr beziehungsweise für jedes Besoldungsgesetz ist jeweils diejenige Besoldungsgruppe zu ermitteln, die die Prekaritätsschwelle anders als die nächsthöhere Besoldungsgruppe noch nicht überschreitet, sondern hinter ihr zurückbleibt. Einer gesonderten Darstellung aller jeweils niedrigeren Besoldungsgruppen bedarf es nicht, weil das Verfehlen der Mindestbesoldung für sie erst recht offenkundig ist. Für die höchsten gegen das Gebot der Mindestbesoldung verstoßenden Besoldungsgruppen (2008 und 2009: A 9; 2010 bis 2015: A 10; und 2016 bis 2020: A 11) ergeben sich die folgenden Werte:
118Sämtliche in dieser Tabelle bezeichneten Besoldungsgruppen weisen eine Jahresnettobesoldung aus, die unterhalb der Prekaritätsschwelle liegt. Auch wenn die Differenz in einigen Fällen gering ist, ist zu berücksichtigen, dass unterhalb der in der Tabelle erfassten Besoldungsgruppen jeweils weitere sechs beziehungsweise sieben Besoldungsgruppen zwischen A 2 und A 10 angesiedelt sind, die um jeweils erheblich höhere Beträge unterhalb der maßgeblichen Schwelle liegen. Mithin folgt aus der Tabelle, dass im gesamten der Prüfung unterliegenden Besoldungsspektrum - Besoldungsgruppen A 2 bis A 16 für die Jahre 2008 bis 2020 - 57,8 % der Jahresnettobeträge der Besoldungsordnungen A die Mindestbesoldung verfehlen. Angesichts der Deutlichkeit der Unterschreitungen konnte davon abgesehen werden, die Kostendämpfungspauschale nach § 76 Abs. 5 Landesbeamtengesetz (LBG) vom (GVBl S. 70) - welche effektiv die Wirkung einer Besoldungskürzung hat - einzubeziehen. Der Gesetzgeber wird dies aber bei seiner Reaktion auf die vorliegende Entscheidung zu berücksichtigen haben.
1192. Unabhängig von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle in den vorgenannten Besoldungsgruppen und Jahren hat der Gesetzgeber seine Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards sowie des jeweiligen Dienstranges, der mit einem Amt verbundenen Verantwortung sowie der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG in zahlreichen Besoldungsgruppen und Jahren evident verletzt.
120Auch soweit hier Verletzungen der Pflicht zur kontinuierlichen Nachzeichnung der vorgenannten Entwicklung in Besoldungsgruppen und Jahren erfasst sind, für die bereits Verletzungen des Gebots der Mindestbesoldung festgestellt worden sind - die deshalb an sich nur noch auf eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu prüfen wären -, hat der Senat auf die Auswertung und Darstellung der entsprechenden Daten nicht verzichtet, um im Hinblick auf die Pflicht des Gesetzgebers zum Erlass verfassungsgemäßer Besoldungsvorschriften für den Prüfungszeitraum ein vollständiges Bild der Besoldungsdefizite und ihres jeweiligen Ausmaßes im vorliegenden Verfahren zu zeichnen. Eine gesonderte Darstellung der Prüfung der Besoldungsgruppen A 2 und A 3 erscheint hingegen nicht erforderlich, da diese Besoldungsgruppen bereits mit Wirkung zum in die Besoldungsgruppe A 4 überführt worden und im Zeitraum vom bis jedenfalls deutlich hinter der Mindestbesoldung zurückgeblieben sind.
121a) Im Rahmen der ersten Prüfungsstufe ergibt sich anhand eines Vergleichs des Besoldungsindex mit den indexierten Werten für die relevanten Vergleichsgrößen (Tariflohn, Nominallohn, Verbraucherpreis) sowie eines systeminternen Besoldungsvergleichs (Abstandsgebot), dass für zahlreiche Besoldungsgruppen und Zeiträume die Vermutung für eine Unteralimentation besteht, weil von den gegenüber der bisherigen Rechtsprechung auf insgesamt vier reduzierten Parametern jeweils mindestens zwei - unabhängig von der vielfachen Verletzung des Mindestbesoldungsgebots - erfüllt sind. Dies betrifft die Besoldungsgruppen Im Übrigen wird nur ein oder kein Parameter erfüllt.
122aa) Gegenstand der Prüfung anhand der Parameter (Fortschreibungsprüfung) ist die Entwicklung der Besoldung in den Jahren 2008 bis 2020. Maßstab der Prüfung sind die vier relevanten Parameter. Die Besoldungsentwicklung lässt sich in einem Besoldungsindex darstellen, für den jeweils festzustellen ist, ob und in welchem Ausmaß er hinter den einzelnen volkswirtschaftlichen Vergleichsgrößen (Tariflohn im öffentlichen Dienst, Nominallohn, Verbraucherpreise) zurückgeblieben ist. Bei der Berechnung der Besoldungsentwicklung waren die Grundgehaltssätze in der jeweils höchsten Erfahrungsstufe, die allgemeine Stellenzulage (beziehungsweise Harmonisierungszulage, vgl. BVerfGE 99, 300 <321>), der von 1996 bis einschließlich Februar 1997 gewährte Ortszuschlag der Stufe 1 (§ 39 Abs. 1, § 40 Abs. 1 BBesG in der Fassung vom <BGBl I S. 2646> in Verbindung mit Anlage V), das Urlaubsgeld nach § 68a BBesG a.F. sowie die jährlichen Sonderzuwendungen beziehungsweise -zahlungen einzubeziehen. Der Besoldungsindex ist auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts von Prof. Dr. Färber erstellt worden und erfasst die Besoldungsgruppen von A 4 bis A 16 für den Zeitraum 1996 bis 2020:
125bb) Die Prüfung anhand der ersten Vergleichsgröße - Tariflohnindex - ergibt, dass für zahlreiche Besoldungsgruppen und Jahre eine deutliche Differenz von jeweils mehr als 5 % zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Land Berlin vorliegt, der erste Parameter also erfüllt ist.
126(1) Der Tariflohnindex ist von Prof. Dr. Färber erstellt worden. Hierbei war zu berücksichtigen, dass das Land Berlin zeitweise eine eigenständige Tarifpolitik betrieben hat (vgl. BVerfGE 155, 1 <58 Rn. 124 f.>; Bochmann, ZTR 2011, S. 459 <460 ff.>). Öffentlich für jedermann abrufbare Daten, die hinreichend aussagekräftig wären, liegen nicht vor. Die Tariflöhne im Land Berlin haben sich seit 1996 wie folgt entwickelt:
129(2) Auf dieser Grundlage kommt die Prüfung des ersten Parameters durch den Vergleich des Besoldungsindex und des Tariflohnindex zu folgenden Ergebnissen: Der erste Parameter ist erfüllt für die Besoldungsgruppen A 4, A 5 und A 6 (2011 bis 2020), A 7 (2012 bis 2018), A 8 (2014 und 2015), A 9 (2011, 2012 und 2014 sowie 2018 bis 2020), A 10 (2011, 2012, 2018 bis 2020), A 11 (2011 bis 2018), A 12 (2011 bis 2020), A 13 (2012 bis 2020), A 14 (2018), A 15 (2014, 2015, 2018 und 2019) sowie für die Besoldungsgruppe A 16 (2012 bis 2019).
130Die Besoldungsdefizite gegenüber dem Tariflohnindex setzten in sämtlichen Besoldungsgruppen erst im Prüfungszeitraum ein, überwiegend in den Jahren ab 2011, und hielten dann häufig viele Jahre lang an. So war die Besoldungsentwicklung bei neun Besoldungsgruppen zwischen sieben und zehn Jahre lang gegenüber derjenigen des Tariflohns defizitär. Keine einzige Besoldungsgruppe wies im Zeitraum zwischen 2012 und 2020 auch nur ein Jahr lang einen Besoldungsindex oberhalb desjenigen der Tariflöhne aus. Bemerkenswert ist schließlich, dass die Besoldungsentwicklung vielfach auch dort, wo sie nicht um mindestens 5 % hinter derjenigen des Tariflohns zurückblieb - der erste Parameter mithin nicht erfüllt ist -, teils deutliche Defizite von über 4 % gegenüber dem Tariflohn ausweist. Die Werte im Einzelnen:
133cc) Die Prüfung der Besoldungsentwicklung am Maßstab der zweiten Vergleichsgröße - Nominallohnindex - führt zu dem Ergebnis, dass die Besoldung der Beamten des Landes Berlin im Prüfungszeitraum zwischen 2008 und 2020 nur in wenigen Ausnahmefällen schwellenwertüberschreitend hinter der Nominallohnentwicklung zurückgeblieben ist.
134(1) Der Nominallohnindex, den das Bundesverfassungsgericht den Veröffentlichungen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder entnommen hat, hat sich seit 1996 wie folgt entwickelt:
136(2) Ein Zurückbleiben der Besoldung um mindestens 5 % gegenüber dem Nominallohnindex ist in diesem Zeitraum lediglich für die Besoldungsgruppe A 4 und nur in den Jahren 2011, 2014 bis 2016 festzustellen. Das Defizit beträgt in diesen Jahren 5,14 %, 5,40 %, 6,63 % beziehungsweise 6,08 %. Hiervon abgesehen ist der zweite Parameter für keine der anderen Besoldungsgruppen A 5 bis A 16 erfüllt. Ein allmähliches Ansteigen des Besoldungsdefizits gegenüber dem Nominallohn ist zwar für zahlreiche Besoldungsgruppen bis in das Jahr 2018 zu erkennen, doch bleibt das Defizit durchweg - wenn auch teilweise knapp - unter dem Schwellenwert von 5 % und erfüllt damit den Parameter nicht. Aus diesen Gründen sieht der Senat davon ab, die als Grundlage für die vorgenannten Feststellungen dienende Gegenüberstellung des Besoldungs- und des Nominallohnindex tabellarisch im Einzelnen wiederzugeben.
137dd) Die Prüfung der Besoldungsentwicklung am Maßstab der dritten Vergleichsgröße - Verbraucherpreisindex - zeigt auf, dass die Besoldung im gesamten Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2015 deutlich hinter der Entwicklung der Verbraucherpreise zurückgeblieben und der dritte Parameter in zahlreichen Fällen erfüllt ist.
138(1) Der Verbraucherpreisindex, den das Bundesverfassungsgericht der allgemein zugänglichen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes (https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online) entnommen hat, hat sich seit 1996 wie folgt entwickelt:
140(2) Die Auswertung der einander gegenüberzustellenden Daten führt zu dem Ergebnis, dass zwei zeitliche Phasen zu unterscheiden sind: Während im Prüfungszeitraum bis 2015 - also acht Jahre lang - die Besoldung der Beamten von der Verbraucherpreisentwicklung evident abgekoppelt war, kehrte sich die Entwicklung in der Folge um. Das Ausmaß der negativen Abweichung in der ersten Phase übersteigt durchweg den Schwellenwert von 5 % und erreicht in Einzelfällen mehr als 11 %. Betroffen sind ausnahmslos sämtliche Besoldungsgruppen; im Jahr 2016 ist eine Überschreitung des Schwellenwerts nur noch für die Besoldungsgruppe A 4 zu verzeichnen. Erst in den Folgejahren näherte sich die Besoldung laufend an das Niveau der Verbraucherpreisentwicklung an, um dieses in den Jahren 2019 und 2020 teilweise deutlich zu überschreiten.
146ee) Schließlich ist der sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich ergebende vierte Parameter jedenfalls für die Besoldungsgruppen A 10 bis A 16 in den Jahren 2008 und 2009, für die Besoldungsgruppen A 11 bis A 16 in den Jahren 2010 bis 2015 und für die Besoldungsgruppen A 12 bis A 16 in den Jahren 2016 bis 2020 wegen mittelbarer Verstöße gegen das Abstandsgebot erfüllt.
147(1) Für die Jahre 2008 und 2009 hat die Prüfung der Besoldung am Maßstab des Gebots der Mindestbesoldung zu dem Ergebnis geführt, dass in den acht unteren Besoldungsgruppen - A 2 bis A 9 - die gewährte Besoldung unterhalb der Prekaritätsschwelle lag; die sieben oberen Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A entsprachen dem Gebot der Mindestbesoldung. Für die Jahre 2010 bis 2015 ist das Verhältnis von oberhalb zu unterhalb der Prekaritätsschwelle liegenden Besoldungsgruppen sogar noch etwas ungünstiger, weil sieben Besoldungsgruppen - A 4 bis A 10, nachdem die Besoldungsgruppen A 2 und A 3 entfallen waren - unterhalb der Prekaritätsschwelle lagen, während nur sechs - A 11 bis A 16 - darüber angesiedelt waren. Für die Jahre 2016 bis 2020 schließlich verschlechterte sich die entsprechende Relation weiter: Acht Besoldungsgruppen - A 4 bis A 11 - verfehlten die Mindestbesoldung, während nur die fünf darüber liegenden Besoldungsgruppen dem Gebot der Mindestbesoldung genügten.
148Die Feststellung einer in diesem Kontext stehenden Unterbesoldung muss zu einer Korrektur führen, die in allen betroffenen Besoldungsgruppen und Jahren jedenfalls eine Einhaltung des Gebots der Mindestbesoldung sicherstellen muss. Angesichts der vorstehend aufgezeigten, bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindestbesoldung ist - auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers - das Besoldungsgefüge allerdings nachhaltig erschüttert. Es erscheint bei ansonsten gleichen Grundannahmen ausgeschlossen, dass die erforderlichen Korrekturen durch das addierte Volumen sämtlicher Abstände zwischen den von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle nicht betroffenen Besoldungsgruppen in den verbleibenden Bereichen der Besoldungsordnung ohne ein weitgehendes Abschmelzen der Abstandsbeträge vollständig aufgefangen werden können. Damit ist für sämtliche oberhalb der von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen liegenden oberen fünf bis sieben Besoldungsgruppen als Folgewirkung eine mittelbare Verletzung des Abstandsgebots anzunehmen. Dies betrifft die Besoldungsgruppen A 10 bis A 16 für die Jahre 2008 und 2009, die Besoldungsgruppen A 11 bis A 16 für die Jahre 2010 bis 2015 und die Besoldungsgruppen A 12 bis A 16 für die Jahre 2016 bis 2020. Dieser Annahme steht auch die dem Gesetzgeber offenstehende Möglichkeit einer Neustrukturierung der Besoldungsordnung A nicht entgegen, weil das Volumen der Anhebung sämtlicher Besoldungsgruppen über die Schwelle der Prekarität zumindest teilweise auch zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze in den nicht unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen führen dürfte.
149(2) Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob auch unmittelbare Verstöße gegen das Abstandsgebot vorliegen. Denn solche Verstöße würden sich in der wertenden Betrachtung angesichts der deutlichen Verletzung des Gebots der Mindestbesoldung nicht wesentlich auswirken, zumal die gegenwärtigen Abstände zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen angesichts der gebotenen Erhöhung der Grundgehaltssätze in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen ohnehin überholt sein dürften. Der Senat weist klarstellend darauf hin, dass die Gewährung der Hauptstadtzulage nach § 74a BBesG BE in den Monaten November und Dezember 2020 nur an Beamte bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 13 nicht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Abstandsgebot als eigenständigem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums zu überprüfen war, weil es sich hierbei - auch in Ansehung des abweichenden Prüfungsmaßstabes aus Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 145, 304 <328 Rn. 75, 329 ff. Rn. 81 ff.>) - um einen gesonderten Prüfungsgegenstand handelt. Die Vereinbarkeit der Hauptstadtzulage mit dem Grundgesetz bleibt daher einem gesonderten Verfahren vorbehalten.
150ff) Zusammenfassend ergeben sich folgende Vermutungswirkungen für diejenigen Besoldungsgruppen, bei denen ein Eingriff in Art. 33 Abs. 5 GG nicht schon bereits vorab wegen einer Unterschreitung der Mindestbesoldung festgestellt worden ist:
- Für die Besoldungsgruppe A 10 wird in den Jahren 2008 und 2009 eine Unteralimentation vermutet, weil jeweils zwei Parameter erfüllt sind; für die übrigen Jahre wird bereits die Mindestbesoldung nicht erreicht.
- Für die Besoldungsgruppe A 11 wird in den Jahren 2008 bis 2015 eine Unteralimentation vermutet, weil jeweils zwei oder drei Parameter erfüllt sind; für die übrigen Jahre wird ebenfalls die Mindestbesoldung unterschritten.
- Für die Besoldungsgruppen A 12 und A 13 wird im gesamten Prüfungszeitraum eine Unteralimentation vermutet, weil jeweils zwei oder drei Parameter erfüllt sind.
- Für die Besoldungsgruppe A 14 wird in den Jahren 2008 bis 2015 und 2018 eine Unteralimentation vermutet, weil jeweils zwei Parameter erfüllt sind. In den Jahren 2016, 2017, 2019 und 2020 besteht keine Vermutungswirkung, weil nur ein Parameter erfüllt ist.
- Für die Besoldungsgruppe A 15 wird in den Jahren 2008 bis 2015, 2018 und 2019 eine Unteralimentation vermutet, weil jeweils zwei oder drei Parameter erfüllt sind. In den Jahren 2016, 2017 und 2020 besteht keine Vermutungswirkung, weil nur ein Parameter erfüllt ist.
- Schließlich wird für die Besoldungsgruppe A 16 wegen der Erfüllung von jeweils zwei oder drei Parametern eine Unteralimentation in den Jahren 2008 bis 2019 vermutet. Im Jahr 2020 besteht keine Vermutungswirkung, weil nur ein Parameter erfüllt ist.
151b) Die Vermutung der Unteralimentation wird - soweit sie festgestellt worden ist - durch eine wertende Betrachtung auf der zweiten Prüfungsstufe nicht widerlegt. Im Übrigen kann bei einer eingehenden Würdigung aller alimentationsrelevanten Kriterien eine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG für die Besoldungsgruppen A 14 und A 15 in den Jahren 2016 und 2017, für die Besoldungsgruppe A 14 im Jahr 2019 und für die Besoldungsgruppen A 14, A 15 und A 16 im Jahr 2020 nicht festgestellt werden.
152aa) Die Vermutung der Unteralimentation wird durch eine wertende Betrachtung nicht widerlegt. Die Nichtbeachtung des Alimentationsprinzips bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung lässt sich nicht durch gegenläufige Aspekte entkräften. Derartige Aspekte hat der insoweit darlegungsbelastete Gesetzgeber nicht aufgezeigt. Sie sind auch sonst nicht erkennbar, im Gegenteil: Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Attraktivität des Berufsbeamtentums in besonderem Maße auch durch nicht monetäre Gesichtspunkte geprägt wird. Im Vordergrund stehen hier die - grundsätzlich lebenslange - Arbeitsplatzgarantie sowie die Absicherung im Falle von Krankheit, der sinnstiftende Einsatz für das Gemeinwohl und die Freiheit, ein Lebensmodell wählen zu können, welches die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser fördert als viele andere Arbeitsmodelle (vgl. Voßkuhle/Kaiser, in: Voßkuhle/Möllers/Eifert, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 4). Angesichts der Deutlichkeit und des erheblichen Ausmaßes der festgestellten Verstöße treten diese Vorteile aber in den Hintergrund und sind auch in ihrer Gesamtheit nicht als derart bedeutsam anzusehen, dass sie die bestehende starke Vermutung für eine Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG im tenorierten Umfang widerlegen könnten.
153Besonders fällt ins Gewicht, dass das Land Berlin nach der Föderalismusreform I im Jahr 2006 für die Grundgehaltssätze der A-Besoldung über einen erheblichen Zeitraum hinweg bewusst von einer landesrechtlichen Anpassung der Bezüge absah, sodass sich die Besoldung der Berliner Beamten gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 85 BBesG im Wesentlichen nach den Grundgehaltssätzen des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 richtete. Die letzte lineare Besoldungserhöhung (um 1 %) datierte damit auf den (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3242, S. 10), bis schließlich das Land Berlin mit dem Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 erstmals eine eigenständige Regelung traf. Diese legislative Untätigkeit, zu der mangels Gesetzgebungsverfahren auch keine Äußerungen des Gesetzgebers vorliegen, schlägt sich auch im Besoldungsindex nieder: Dieser verharrt - exemplarisch wird die Besoldungsgruppe A 8 betrachtet - in den Jahren 2003 bis 2007 zwischen 106,17 und 106,99 und stagniert in den Jahren 2008/2009 bei 108,09, um dann im Jahr 2010 auf 107,65 zurückzufallen (siehe oben Rn. 123). An diese Phase des vollständigen Ausfalls der Gestaltungsverantwortung knüpften dann erste lineare Erhöhungen an, die aber durch den ersatzlosen Wegfall der in den Jahren 2008 und 2009 auf 940 Euro jährlich erhöhten Sonderzahlung gegenfinanziert (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3242, S. 18) und damit letztlich konterkariert wurden. Während die Neustrukturierung der Besoldungstabellen durch das Berliner Besoldungsneuregelungsgesetz vom die Höhe des Lebenseinkommens insgesamt weder verringern noch erhöhen sollte, wurde doch ein Reformbedarf identifiziert (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3840, S. 80 f.; 16/4078, S. 28 f.). Auch wenn in der Folge die Besoldung angepasst wurde, musste der Berliner Gesetzgeber im Verfahren zum Erlass des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften einräumen, sich bei der Übertragung der Tarifergebnisse in einem "um ein Jahr versetzten Anpassungsmodus" zu befinden (vgl. Abghs.-Drucks. 17/1677, S. 64). Anzuerkennen ist zwar, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip in den folgenden Gesetzgebungsverfahren der Jahre 2016 bis 2020 zur Kenntnis genommen wurde (vgl. etwa Abghs.-Drucks. 18/0390, S. 17 ff.; 18/2028, S. 16 ff.). Aber die Anstrengungen sind - insbesondere in Ansehung der faktischen Versteinerung der Grundgehaltssätze in den Jahren 2004 bis 2010 - unzureichend, um die feststellbare evidente Abkoppelung der Besoldung von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wirksam zu korrigieren und damit dem Gewährleistungsgehalt von Art. 33 Abs. 5 GG zu entsprechen. Aus den vorerwähnten Gesetzgebungsmaterialien lässt sich im Übrigen ablesen, dass es dem Gesetzgeber bewusst war, dass er das verfassungsrechtlich gebotene Niveau der amtsangemessenen Besoldung über einen langen Zeitraum hinweg nicht erreichte und dass er Jahre einer überdurchschnittlich positiven Besoldungsentwicklung benötigen würde, um die aufgelaufenen Defizite zu beseitigen. Die Stellungnahme des Senats von Berlin vom setzt sich mit dieser Problematik nicht auseinander.
154bb) Für die Besoldungsgruppen A 14 und A 15 in den Jahren 2016 und 2017, für die Besoldungsgruppe A 14 im Jahr 2019 und für die Besoldungsgruppen A 14, A 15 und A 16 im Jahr 2020 kann bei einer eingehenden Würdigung aller alimentationsrelevanten Kriterien eine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG nicht festgestellt werden. Einer wertenden Betrachtung bedarf es nur für diejenigen Besoldungsgruppen und Jahre, bei denen nicht bereits eine Unterschreitung der Mindestbesoldung festgestellt worden ist. Dies trifft auf die genannten Besoldungsgruppen und Jahre zu; es liegt jeweils nur eine (einzige) Parameterverletzung in Gestalt eines mittelbaren Verstoßes gegen das Abstandsgebot vor.
155Das Gewicht dieser Parametererfüllung wird allerdings schon dadurch abgeschwächt, dass in den Jahren 2016 bis 2020 nicht bereits in den jeweils unmittelbar angrenzenden Besoldungsgruppen die Anforderungen der Mindestbesoldung verfehlt werden, sondern mit A 12 und A 13 (mindestens) zwei Besoldungsgruppen ohne derartigen Verstoß dazwischen liegen. Hinzu kommen weitere Umstände: Hinreichend gewichtige Verschlechterungen des Beihilfewesens sind in den genannten Jahren nicht festzustellen. Auf dem Gebiet der Versorgung wirkt zwar die Kürzung des Ruhegehaltssatzes von 75 % auf höchstens 71,75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom (BGBl I S. 3926), die in der Vergangenheit isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft worden ist (vgl. BVerfGE 114, 258), laufend fort, und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten Eigenanteils an der Altersvorsorge erfordert - gerade angesichts einer steigenden Lebenserwartung - eine Prüfung, ob eine weitere Aufzehrung zu befürchten ist (vgl. BVerfGE 140, 240 <303 Rn. 134>). Hier wirkt sich aber aus, dass keiner der volkswirtschaftlich relevanten Parameter erfüllt ist und daher (noch) Überwiegendes dafür spricht, dass die Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angepasst wurde, sodass den betroffenen Besoldungsgruppen gewisse finanzielle Mittel zur Unterstützung ihrer Altersvorsorge zur Verfügung gestanden haben dürften. Auch die Allgemeinheit steht vor der Herausforderung, mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen die steigenden Kosten des demographischen Wandels zu bewältigen.
1563. Die festgestellte Unteralimentation kann auch nicht durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden.
157Das Land Berlin hat nicht dargelegt, dass die Unterschreitungen der gebotenen Besoldung Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wären (vgl. bereits BVerfGE 155, 1 <73 f. Rn. 177>). Für die Jahre bis 2010 liegt schon deshalb kein Konzept vor, weil der Gesetzgeber keine eigenen Aktivitäten unternommen hat. Auch für die Folgejahre lässt sich kein schlüssiges und umfassendes Konzept der Haushaltskonsolidierung erkennen; ein Verweis auf die "angespannte Haushaltslage" (vgl. etwa Abghs.-Drucks. 17/2934, S. 2, 14 f.; 18/2028, S. 2 f., 17) ersetzt keine politische Entscheidung über die Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung nach Art, Zeit und Umfang unter Berücksichtigung der jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber des Landes Berlin auf den Beschluss des Senats vom (BVerfGE 155, 1) nur bezüglich der Richterbesoldung reagiert (vgl. Gesetz über die rückwirkende Herstellung verfassungskonformer Regelungen hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 <RBesRepG 2009-2015> vom <GVBl S. 678>), die aus den schon damals bekannten Gründen ebenfalls naheliegende Revision auch der Beamtenbesoldung jedoch nicht vorgenommen hat. Die Begründung, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung nicht vorgreifen zu wollen (vgl. Abghs.-Drucks. 19/17836, S. 1 f.), überzeugt nicht. Denn die dort entwickelten Maßstäbe waren ohne Weiteres subsumtionsfähig. Vielmehr bestätigt sich der Eindruck, dass das Land Berlin die Besoldung sehenden Auges hinter die von ihm ausgehandelten Tariflöhne hat zurückfallen lassen (ebenso bereits BVerfGE 155, 1 <74 f. Rn. 179>).
1584. Als Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass rund 95 % der zu prüfenden Besoldungsgruppen in den Jahren 2008 bis 2020 mit dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig sind. Die zur Begründung dieses Ergebnisses festgestellten Verletzungen des Mindestabstandsgebots und der vier nach der Rechtsprechung des Senats maßgeblichen Parameter sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
D.
160Soweit die prüfungsgegenständlichen Normen gegen das Grundgesetz verstoßen, stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz fest (vgl. § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVerfGG). Eine Nichtigerklärung würde einen Zustand bewirken, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als der bisherige, weil es als Ergebnis der Nichtigerklärung an der für die Besoldung erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlen würde (vgl. BVerfGE 139, 64 <147 Rn. 194>; 140, 240 <315 f. Rn. 169>; 155, 1 <75 Rn. 181>).
161Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat eine verfassungskonforme Regelung innerhalb der aus dem Tenor ersichtlichen Frist zu treffen. Angesichts der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ist eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren und hinsichtlich derjenigen Beamten erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt; entscheidend ist, dass sich die Beamten zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dadurch kann dem Haushaltsgesetzgeber nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 155, 1 <76 Rn. 183>).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:ls20250917.2bvl002017
Fundstelle(n):
WAAAK-04413