Instanzenzug: Az: I-16 U 118/23vorgehend LG Wuppertal Az: 4 O 322/22
Gründe
I.
1Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für die der Beklagte zunächst als Geschäftsführer und später Liquidator tätig war. Sie nimmt ihn, soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, auf Schadensersatz in Anspruch, weil er am von ihrem Geschäftskonto 80.000 € auf das Konto einer Anwaltspartnerschaft überwies.
2Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
II.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es zu ihrem Nachteil erkannt hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Art. 103 Abs. 1 GG).
41. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass die Klägerin gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch wegen der Überweisung von 80.000 € an die Anwaltspartnerschaft habe. Die Gesellschaft treffe die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Liquidators in seinem Pflichtenkreis, das sich als möglicherweise pflichtwidrig darstelle. Gemessen daran habe die Klägerin abweichend von der rechtlichen Würdigung des Landgerichts nicht die gemäß § 287 ZPO erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Schätzung dazu vorgetragen, dass der Klägerin durch die Überweisung ein Schaden entstanden sei. Die Anwaltspartnerschaft habe den Gerichtskostenvorschuss nicht in eigenes Vermögen überführt, sondern für die Klägerin auf einem Anderkonto verwahrt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin das für sie verwahrte Geld nicht einfach von der Partnerschaft zurückfordern könne, bestünden nicht. Da die Verwahrung unstreitig für die Klägerin und nicht für den Beklagten erfolgt sei, sei die Klägerin zu einer entsprechenden Weisung, das Geld zurückzuzahlen, befugt.
5In einem Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom hat das Berufungsgericht die Feststellung, die Anwaltspartnerschaft habe das vom Beklagten überwiesene Geld für die Klägerin auf einem Anderkonto verwahrt, gestrichen und nunmehr als streitig beurkundet, dass es von der Partnerschaft für die Klägerin verwahrt worden sei. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass es den in erster Instanz nachgelassenen und fristgerecht eingereichten Schriftsatz der Klägerin vom , aus dem sich deren Bestreiten der Verwahrung auf einem Anderkonto ergebe, übersehen habe.
62. Das Berufungsgericht hat mit diesen Ausführungen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 544 Abs. 9 ZPO).
7a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, dass das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss. Es fehlt bereits an dem ersten dieser beiden Merkmale, wenn das Gericht einen in zivilprozessual zulässiger Weise eingereichten Schriftsatz übersieht (vgl. etwa BVerfGE 11, 218, 220 mwN).
8b) So verhält es sich hier. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung den der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom übersehen, mit dem diese bestritten hat, dass die Anwaltspartnerschaft die ihr vom Beklagten überwiesenen 80.000 € für die Klägerin auf einem Anderkonto in Verwahrung genommen hat.
9Der Gehörsverstoß war für die Entscheidung auch aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts (vgl. , ZIP 2019, 1719 Rn. 12) erheblich. Das Berufungsgericht hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) dafür, dass die Klägerin schon durch die Überweisung der 80.000 € einen Schaden erlitten habe, mit der Begründung verneint, dass die Anwaltspartnerschaft dieses Geld nicht in eigenes Vermögen überführt, sondern für die Klägerin auf einem Anderkonto verwahrt habe. Hätte das Berufungsgericht diesen Vortrag nicht als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass es eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Vermögenschaden der Klägerin bereits mit der Überweisung angenommen hätte.
Born Bernau B. Grüneberg
Sander von Selle
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:281025BIIZR147.24.0
Fundstelle(n):
RAAAK-04043