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BGH Beschluss v. - I ZB 32/24

Vorliegen einer Vollstreckungsanordnung im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung

Leitsatz

1. Eine Vollstreckungsanordnung gemäß § 3 Abs. 1 VwVG ist als verwaltungsinterner Auftrag der um die Vollstreckung ersuchenden Behörde (Anordnungsbehörde im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 VwVG) an die ersuchte Vollstreckungsbehörde (§ 4 VwVG) anzusehen, die Vollstreckung durchzuführen. Sie muss keine ausdrückliche Feststellung eines zuständigen Sachbearbeiters der Anordnungsbehörde enthalten, dass die Vollstreckung nunmehr zulässig sei und er die Beitreibung für notwendig halte.

2. In der Erteilung des Auftrags zur Beantragung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft innerhalb des Verfahrens DAVOS (Datenaustausch Vollstreckung ohne Schriftverkehr) im Wege der beleglosen Datenfernübertragung durch Einspielung der für die Vollstreckung erforderlichen Daten in das elektronische Vollstreckungssystem der Hauptzollämter (eVS) liegt regelmäßig eine Vollstreckungsanordnung gemäß § 3 Abs. 1 VwVG.

Gesetze: § 249 Abs 1 S 3 AO, § 250 AO, § 284 Abs 8 AO, § 1 Nr 3 FVG, § 4 Abs 1 SGB 5, § 66 Abs 1 SGB 10, § 1 VwVG, § 3 Abs 1 VwVG, § 3 Abs 4 VwVG, § 4 VwVG, § 5 VwVG, § 7 VwVG, § 1 Abs 6 ZollVG

Instanzenzug: LG Aachen Az: 5 T 80/23vorgehend AG Eschweiler Az: 61 M 947/23

Gründe

1A. Das Hauptzollamt A.     (im Folgenden: Hauptzollamt) betreibt für die K.            Krankenkasse      , eine Ersatzkasse im Sinne von § 4 Abs. 2 SGB V, die Zwangsvollstreckung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen, Säumniszuschlägen und Auslagen in Höhe von insgesamt 2.899,71 €.

2Mit Schreiben vom forderte das Hauptzollamt den Schuldner zur Zahlung des dort im Einzelnen erläuterten Betrags von 2.899,71 € bis zum auf und bestimmte für den Fall der nicht fristgemäßen Zahlung einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den . In dem Schreiben hieß es unter anderem:

Sollten Sie zur Auskunft über Ihr Vermögen und/oder zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht bereit sein, kann das zuständige Amtsgericht auf mein Ersuchen nach § 284 Abs. 8 AO die Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft anordnen.

3Das Schreiben wurde dem Schuldner am zugestellt. Der Schuldner erschien zu dem anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft ohne Angabe von Gründen nicht.

4Mit Schreiben vom beantragte das Hauptzollamt beim Amtsgericht die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft.

5Mit Verfügung vom forderte das Amtsgericht das Hauptzollamt auf, die der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zugrundeliegende Vollstreckungsanordnung vorzulegen. Mit Schreiben vom teilte das Hauptzollamt dem Amtsgericht mit, dass die Vollstreckungsanordnung innerhalb des Verfahrens DAVOS (Datenaustausch Vollstreckung ohne Schriftverkehr) im Wege der beleglosen Datenfernübertragung erteilt worden sei. Dies sei zulässig, weil eine Schriftform der Vollstreckungsanordnung gemäß § 3 Abs. 1 VwVG nicht vorgeschrieben sei, so dass diese auch in elektronischer Form ergehen könne. Mit der elektronischen Übersendung der Vollstreckungsanordnung werde durch die die Vollstreckung betreibende Gläubigerin das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 5 VwVG in Verbindung mit §§ 251, 254 AO konkludent versichert. Dieses Verfahren sei seit vielen Jahren bundesweit bei allen 22 Vollstreckungsstellen der Hauptzollämter gängige Praxis. Die elektronische Vollstreckungsanordnung sei nach Einspielung in das elektronische Vollstreckungssystem der Hauptzollämter (eVS) für das Hauptzollamt nicht als Einzeldokument abruf- bzw. ausdruckbar. Es könnten lediglich in bestimmten Bearbeitungsmasken bzw. Standardvorlagen die auftraggebenden Gläubiger und die Daten der zugrundeliegenden Vollstreckungsanordnungen und vollstreckbaren Forderungsbescheide (insbesondere Aktenzeichen, Art der Forderung, Forderungshöhe), beispielsweise in Form eines sogenannten Einzelberichts, ausgewiesen werden. Solche Einzelberichte seien auch hier dem Amtsgericht übersandt worden. Ein schriftlicher Ausdruck der Vollstreckungsanordnung sei mithin nicht möglich.

6Mit Schreiben vom wies das Amtsgericht darauf hin, dass die nunmehr vorgelegten Belege weiterhin nicht ausreichten, um das Vorliegen einer Anordnung der Vollstreckung nach § 3 Abs. 1 und 4 VwVG zu überprüfen. Insbesondere sei den Unterlagen nicht zu entnehmen, welcher Sachbearbeiter welchen Referats beziehungsweise welcher Abteilung der jeweiligen formalen Gläubigerin der Forderungen die Vollstreckung angeordnet und damit die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung übernommen habe. Mit Schreiben vom trat das Hauptzollamt der Ansicht des Amtsgerichts erneut unter umfassender Begründung entgegen.

7Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass des Haftbefehls zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.

8Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt das Hauptzollamt seinen Antrag weiter, gegen den Schuldner die Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft anzuordnen. Der Schuldner ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten gewesen.

9B. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Hauptzollamts als zulässig, aber unbegründet angesehen. Es hat angenommen, das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, als Vollstreckungsgericht mit Blick auf den Haftantrag zur Prüfung der allgemeinen Verfahrens- und Vollstreckungsvoraussetzungen berufen zu sein. Zwar habe das Vollstreckungsgericht grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Vollstreckungsanordnung gemäß § 3 Abs. 2 VwVG vorlägen und diese als solche zu Recht ergangen sei. Es sei aber zur Prüfung berufen, ob eine Vollstreckungsanordnung überhaupt ergangen sei. Dabei habe es dem Vollstreckungsgericht freigestanden, welche Beweismittel es zu seiner Überzeugungsbildung heranziehe.

10Die Annahme des Amtsgerichts, es habe sich auf der Basis der von der Vollstreckungsbehörde vorgelegten Einzelberichte keine Überzeugung vom vollständigen Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen bilden können, sei rechtsfehlerfrei. Zwar sei gesetzlich für die Vollstreckungsanordnung keine konkrete Form vorgeschrieben. Es sei aber nicht die Frage der Formwirksamkeit zu klären, sondern zu prüfen, ob nach den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 VwVG überhaupt eine Vollstreckungsanordnung ergangen sei. Insoweit sei davon auszugehen, dass der notwendige Inhalt der Vollstreckungsanordnung auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der am Verfahrensablauf Beteiligten auf zeitgemäße elektronische Übermittlung der Daten entsprechend dokumentiert werden müsse. Daran fehle es. Den Einzelberichten ließen sich keine Informationen entnehmen, die über die bereits mit dem Haftantrag beigefügte Auflistung der jeweiligen Vorgänge hinausgingen. Es handele sich letztlich um eine automatisiert erstellte Datensammlung, die zwar die tatsächliche Übermittlung dieser Daten an die Vollstreckungsbehörde, nicht aber Vorgänge innerhalb der Anordnungsbehörde nachweise. Auf Letzteres komme es jedoch entscheidend an. Es fehle ein Dokument, aus dem ersichtlich sei, dass ein Sachbearbeiter der Anordnungsbehörde festgestellt habe, dass die Vollstreckung nunmehr zulässig sei und er die Beitreibung für erforderlich halte. Dabei sei es der Vollstreckungsbehörde unbenommen, beispielsweise auf elektronisch erstellte Dokumente zurückzugreifen beziehungsweise Dokumente des (elektronischen) Verwaltungsvorgangs in digitaler Form vorzulegen. Diese Dokumente müssten allerdings die vorbezeichneten Informationen enthalten, woran es hier in Bezug auf die Einzelberichte fehle. Könne die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungsanordnung aus technischen Gründen nicht vorlegen, habe sie letztlich auf anderem Wege nachzuweisen, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorlägen. Dem sei das Hauptzollamt hier nicht nachgekommen.

11C. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Antrag auf Anordnung der Erzwingungshaft nicht zurückgewiesen werden.

12I. Das Hauptzollamt ist im Streitfall befugt, im Rahmen der Vollstreckung von Krankenkassenbeiträgen beim Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft zu stellen.

131. Beitragsforderungen von Ersatzkassen, die als Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 4 Abs. 2 SGB V rechtsfähige (bundesunmittelbare) Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind (§ 4 Abs. 1 SGB V), werden gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) vollstreckt. Gemäß § 1 Abs. 1 VwVG erfolgt die Vollstreckung im Verwaltungswege durch die Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung (§ 4 Buchst. b VwVG, § 1 Abs. 6 ZollVG). Dies sind als örtliche Behörden unter anderem die Hauptzollämter (§ 5 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 3 FVG).

142. Gemäß §§ 4, 5 Abs. 1 VwVG richten sich das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz nach - unter anderem - § 284 AO. Nach § 284 Abs. 8 Satz 1 AO kann die Vollstreckungsbehörde, die die Vollstreckung betreibt, die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft beantragen, wenn der Vollstreckungsschuldner ohne ausreichende Entschuldigung in dem zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumten Termin vor der in § 284 Abs. 5 Satz 1 AO bezeichneten Vollstreckungsbehörde nicht erschienen ist oder ohne Grund die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert hat. Zuständig für die Anordnung der Haft ist gemäß § 284 Abs. 5 Satz 2 AO das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vollstreckungsschuldner im Zeitpunkt der Fristsetzung zur Begleichung der Forderung nach § 284 Abs. 1 Satz 1 AO seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat. Gemäß § 284 Abs. 8 Satz 3 AO sind die §§ 802g bis 802j der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

15II. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Voraussetzungen für die Anordnung von Erzwingungshaft lägen im Streitfall nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

161. Die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe einer Vermögensauskunft setzt voraus, dass der Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet ist und ein Haftgrund vorliegt. Davon ist im Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.

17a) Das Beschwerdegericht hat zum Vorliegen der in § 284 Abs. 1 bis 7 AO bestimmten Voraussetzungen für die Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe einer Vermögensauskunft keine Feststellungen getroffen. Für die rechtliche Nachprüfung im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist daher zugunsten der Rechtsbeschwerdeführerin zu unterstellen, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind.

18b) Ein Haftgrund gemäß § 284 Abs. 8 Satz 1 AO, § 284 Abs. 8 Satz 3 AO in Verbindung mit § 802 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt ebenfalls vor. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass der Vollstreckungsschuldner ohne ausreichende Entschuldigung in dem zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumten Termin nicht erschienen ist.

192. Die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe einer Vermögensauskunft setzt außerdem voraus, dass die in § 3 VwVG geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind.

20a) Gemäß § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht. Nach § 3 Abs. 2 VwVG sind Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist (Buchst. a), die Fälligkeit der Leistung (Buchst. b) und der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheids oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit (Buchst. c). Der Schuldner soll vor Anordnung der Vollstreckung ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche gemahnt werden (§ 3 Abs. 3 VwVG).

21b) Das Beschwerdegericht hat keine Feststellungen zu den in § 3 Abs. 2 und 3 VwVG bestimmten Vollstreckungsvoraussetzungen getroffen, so dass auch deren Vorliegen für die rechtliche Prüfung im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens zugunsten der Rechtsbeschwerdeführerin zu unterstellen ist.

22c) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass es im Streitfall an einer den Anforderungen des § 3 Abs. 1 VwVG genügenden Vollstreckungsanordnung fehlt. Die vom Beschwerdegericht insoweit gegebene Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

23aa) Öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden im Verwaltungswege vollstreckt (§ 1 Abs. 1 VwVG); eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht (§ 3 Abs. 1 Halbsatz 2 VwVG). Abweichend von der Verwaltungsvollstreckung zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen aufgrund eines Verwaltungsakts, die von der Behörde durchgeführt wird, die den Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. § 7 Abs. 1 VwVG), ist kennzeichnend für die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, dass zwei Behörden mit unterschiedlichen Verantwortungsbereichen tätig werden. Zu unterscheiden ist die um eine Vollstreckungsmaßnahme ersuchende Behörde und die durch diese ersuchte Vollstreckungsbehörde. So wird gemäß § 3 Abs. 1 Halbsatz 1 VwVG die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner durch die Vollstreckungsanordnung eingeleitet, und zwar durch die Behörde, die den Anspruch geltend machen darf (§ 3 Abs. 4 VwVG). Gemäß § 5 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit § 250 Abs. 1 AO tritt die Vollstreckungsbehörde, soweit sie auf Ersuchen einer anderen Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsmaßnahmen ausführt, an die Stelle der anderen Vollstreckungsbehörde. Für die Vollstreckbarkeit des Anspruchs bleibt die ersuchende Vollstreckungsbehörde verantwortlich.

24bb) Aus dieser Aufgabenteilung der Vollstreckungsbehörden ergibt sich, dass die Vollstreckungsanordnung als Auftrag der um die Vollstreckung ersuchenden Behörde (Anordnungsbehörde im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 VwVG) an die ersuchte Vollstreckungsbehörde (Vollstreckungsbehörde, § 4 VwVG) anzusehen ist, die Vollstreckung durchzuführen (vgl. Deutsch/Burr in BeckOK.VwVfG, 66. Edition, Stand: , § 3 VwVG Rn. 1; Danker in Feling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 3 VwVG Rn. 1; Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 13. Aufl., § 3 VwVG Rn. 9a). Die Vollstreckungsanordnung der Anordnungsbehörde ist damit kein Verwaltungsakt, sondern ein zwischenbehördlicher, rein verwaltungsinterner Vorgang (vgl. , NJW 1961, 332 [juris Rn. 8]; Baumeister in Schenke/Graulich/Ruthing, 2. Aufl., § 3 VwVG Rn. 1a; Deutsch/Burr aaO § 3 VwVG Rn. 2). Da die ersuchende Behörde gemäß § 5 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit § 250 Abs. 1 Satz 2 AO für die Vollstreckbarkeit verantwortlich bleibt, übernimmt sie mit Erlass der Vollstreckungsanordnung die Verantwortung dafür, dass sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 VwVG erfüllt sind (Deutsch/Burr aaO § 3 VwVG Rn. 2; Troidl aaO Rn. 9a). Das Erfordernis der Vollstreckungsanordnung stellt damit sicher, dass die Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 4 VwVG nicht mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids und seiner Vollstreckbarkeit belastet wird (Deutsch/Burr aaO § 3 VwVG Rn. 1).

25cc) Das Beschwerdegericht hat angenommen, aus einer Vollstreckungsanordnung müsse ersichtlich werden, dass ein Sachbearbeiter der Anordnungsbehörde die Zulässigkeit der Vollstreckung und die Notwendigkeit einer Beitreibung festgestellt habe. Das Amtsgericht sei deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass eine Vollstreckungsanordnung vorliegen müsse, die dem Vollstreckungsgericht die Feststellung ermögliche, welcher Sachbearbeiter welchen Referats beziehungsweise welcher Abteilung der ersuchenden Behörde die Vollstreckung angeordnet habe und damit die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung übernehme. Auf den Nachweis dieser Vorgänge innerhalb der Anordnungsbehörde komme es für die Frage entscheidend an, ob überhaupt eine Vollstreckungsanordnung ergangen sei. Dabei sei es der Gläubigerin unbenommen, beispielsweise auf elektronisch erstellte Dokumente zurückzugreifen beziehungsweise Dokumente des (elektronischen) Verwaltungsvorgangs in digitaler Form vorzulegen. Diese Dokumente müssten allerdings die Informationen enthalten, dass ein Sachbearbeiter der Anordnungsbehörde festgestellt habe, dass die Vollstreckung nunmehr zulässig sei und er die Beitreibung für notwendig halte. Daran fehle es im Hinblick auf die vom Hauptzollamt übersandten Einzelberichte. Diese Beurteilung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

26dd) Dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 VwVG lässt sich nicht entnehmen, dass eine Vollstreckungsanordnung eine Person oder sogar ihre Funktion innerhalb der Verwaltungsorganisation der Anordnungsbehörde erkennen lassen muss. Vielmehr ergibt sich aus § 3 Abs. 4 VwVG, wonach die Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen wird, die den Anspruch geltend machen darf, dass für die rechtlichen Wirkungen des Verwaltungshandels nicht eine konkrete natürliche Person, sondern die Anordnungsbehörde als solche durch den Erlass der Vollstreckungsanordnung die Verantwortung dafür übernimmt, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 VwVG erfüllt sind. Gleiches ergibt sich aus § 5 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit § 250 Abs. 1 Satz 2 AO, wo ebenfalls die Behörde als die für die Verantwortungsübernahme maßgebliche Stelle genannt wird.

27ee) Der Sinn und Zweck des Erfordernisses der Vollstreckungsanordnung spricht ebenfalls gegen die Erforderlichkeit eines Dokuments, das einen konkreten Sachbearbeiter sowie die Abteilung erkennen lassen muss, in der er tätig ist. Durch die Vollstreckungsanordnung soll sichergestellt werden, dass die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids und seiner Vollstreckbarkeit belastet wird, für die die Anordnungsbehörde die Verantwortung trägt (vgl. bereits Rn. 24]). Ein Erfordernis, den zuständigen Sachbearbeiter in der Vollstreckungsanordnung zu benennen, könnte demgegenüber nur dazu dienen, der Vollstreckungsbehörde die Überprüfung der Einhaltung der behördeninternen Zuständigkeitsordnung der Anordnungsbehörde zu ermöglichen. So geht auch das Beschwerdegericht ausdrücklich davon aus, es komme entscheidend auf den Nachweis der Vorgänge innerhalb der Anordnungsbehörde an. Die entsprechende Nachweisobliegenheit und das formale, auf den Sachbearbeiter bezogene Benennungserfordernis würde jedoch der in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden Intention, das Vollstreckungsverfahren durch klar voneinander getrennte Verantwortungsbereiche der in die Verwaltungsvollstreckung eingebundenen Behörden zu vereinfachen und zu beschleunigen, zuwiderlaufen.

28ff) Das Erfordernis der Dokumentation eines konkreten Sachbearbeiters sowie seiner Abteilung durch die Vollstreckungsanordnung lässt sich ferner nicht daraus ableiten, dass die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft nicht durch das Hauptzollamt selbst erfolgen darf, sondern nur durch das Vollstreckungsgericht und damit ein weiteres Vollstreckungsorgan. Allerdings folgt aus dem Sinn und Zweck des Richtervorbehalts, dass die Einschaltung und die Entscheidung des Richters nicht nur eine Formsache sein, sondern gewährleisten soll, dass der unabhängige und neutrale Richter selbst umfassend prüft und entscheidet, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung gegeben sind (, NJW 2008, 3504 [juris Rn. 16] mwN). Die Voraussetzung einer richterlichen Prüfung macht es jedoch nicht erforderlich, Anforderungen an die Form und Dokumentation einer Vollstreckungsanordnung zu stellen, die weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dem Gesetzeszweck in Übereinstimmung stehen. Dem Vollstreckungsgericht ist es von Verfassungs wegen nicht vorgeschrieben, welche Beweismittel es für seine Überzeugungsbildung heranziehen kann (BGH, NJW 2008, 3504 [juris Rn. 21]). Es stand dem Amtsgericht mithin frei, sich bei eventuellen Zweifeln im Einzelfall durch Einholung einer amtlichen Auskunft der Anordnungsbehörde selbst die Überzeugung zu verschaffen, ob im Streitfall sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 VwVG erfüllt sind und die Anordnungsbehörde durch das Einspielen der elektronischen Vollstreckungsanordnung in das elektronische Vollstreckungssystem dem Hauptzollamt den Auftrag erteilt hat, die Vollstreckung der aus den Einzelberichten ersichtlichen Forderungen durchzuführen.

29gg) Das Beschwerdegericht hat außerdem nicht berücksichtigt, dass das Einspielen der elektronischen Vollstreckungsanordnung in das elektronische Vollstreckungssystem für die Vollstreckungsbehörde als Erklärungsempfängerin auch im Streitfall den eindeutigen Erklärungswert hatte, dass die Anordnungsbehörde ihr dadurch den Auftrag erteilt, die Vollstreckung der Forderungen gemäß den bestandskräftigen, in den Einzelberichten zweifelsfrei dokumentierten Leistungsbescheiden durchzuführen.

30(1) Für die in Rede stehende Vollstreckungsanordnung gemäß § 3 Abs. 1 VwVG hat der Gesetzgeber keinerlei Anforderungen an die Form geregelt. Es fehlt auch sonst jeder Anhaltspunkt für die der Beurteilung des Beschwerdegerichts ersichtlich zugrundeliegenden Überlegung, eine Vollstreckungsanordnung müsse in Form einer ausdrücklichen, in den Verwaltungsakten dokumentierten Erklärung oder Verfügung eines konkreten Amtsträgers ergehen. Aus der Formfreiheit und dem Fehlen jeglicher gesetzlicher Dokumentationspflichten ergibt sich vielmehr, dass es der Anordnungsbehörde freisteht, die behördeninternen Verwaltungsabläufe im Interesse eines sachgerechten und effektiven Verwaltungshandelns auch unter Verwendung von elektronischer Datenverarbeitung zu organisieren. Ihr ist es im Interesse einer sachgerechten und effektiven Organisation der internen Arbeitsabläufe erlaubt, dabei zusätzliche Arbeitsschritte wie etwa in elektronischer Form festgehaltene Signaturen oder Vermerke zu vermeiden, die weder gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben sind noch sonst zweckmäßig erscheinen, etwa weil es auf die Tätigkeit eines bestimmten Amtsträgers ankommt.

31(2) Vorliegend hat das Hauptzollamt gegenüber dem Amtsgericht vorgetragen, dass die Vollstreckungsanordnung innerhalb des Verfahrens DAVOS (Datenaustausch Vollstreckung ohne Schriftverkehr) im Wege der beleglosen Datenfernübertragung erteilt worden sei. Dieses Verfahren sei seit vielen Jahren bundesweit bei allen 22 Vollstreckungsstellen der Hauptzollämter gängige Praxis. Die elektronische Vollstreckungsanordnung sei nach Einspielung in das elektronische Vollstreckungssystem der Hauptzollämter (eVS) für das Hauptzollamt nicht als Einzeldokument abruf- bzw. ausdruckbar. Es könnten lediglich in bestimmten Bearbeitungsmasken bzw. Standardvorlagen die auftraggebenden Gläubiger und die Daten der zugrundeliegenden Vollstreckungsanordnungen und vollstreckbaren Forderungsbescheide (insbesondere Aktenzeichen, Art der Forderung, Forderungshöhe), beispielsweise in Form eines sogenannten Einzelberichts, ausgewiesen werden. Solche Einzelberichte seien auch im Streitfall dem Amtsgericht übersandt worden. Es ist weder vom Amts- noch vom Beschwerdegericht festgestellt worden noch sonst ersichtlich, dass der vom Hauptzollamt gehaltene Vortrag nicht den Tatsachen entspricht oder sonst konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen könnten, dass es im Rahmen der vorgetragenen Verwaltungsabläufe zu Vollstreckungsanordnungen kommen kann, obwohl die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 VwVG nicht erfüllt sind.

32III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 VwVG getroffen hat und sie deshalb nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 4 ZPO).

Koch                         Löffler                         Schwonke

                  Pohl                           Odörfer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225BIZB32.24.0

Fundstelle(n):
WM 2025 S. 2173 Nr. 48
WAAAK-04037