Suchen Barrierefrei
BSG Beschluss v. - B 5 R 17/25 C

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Rüge einer bestimmten Auslegungsmethode

Gesetze: § 62 SGG, § 178a SGG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: SG Frankfurt Az: S 31 R 224/17 Gerichtsbescheidvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 2 R 111/20 Urteilvorgehend Az: B 5 R 2/24 R Urteil

Gründe

1I. In der Hauptsache begehrt der Kläger als Insolvenzverwalter über den Nachlass eines Versicherten der Beklagten die Auskehrung einer Rentennachzahlung iH von 857,93 Euro. Seine Klage ist auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben. Mit Urteil vom , dem Kläger am zugestellt, hat der Senat seine Revision gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen (B 5 R 2/24 R). Am hat der Kläger Anhörungsrüge erhoben.

2II. 1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Kläger in der gebotenen Weise dargetan hat, dass der Senat durch die Zurückweisung der Revision seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt haben könnte. Seine Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 178a Abs 4 Satz 2 und 3 SGG), der ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ergeht (vgl hierzu  - juris RdNr 2;  - SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f). Der Senat hat den klägerischen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht iS des § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

3Der in Art 103 Abs 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern, sondern auch zur Rechtslage (vgl zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35). Die Gerichte sind verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, deren (Rechts- )Auffassung zu folgen (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 2592/18 - juris RdNr 10; vgl auch  - juris RdNr 5). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht entgegengenommenes Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35). Die Gerichte sind hingegen nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen (stRspr; vgl zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1790/22 - juris RdNr 17). Zur Feststellung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör müssen daher im Einzelfall besondere Umständen deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; vgl zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 2592/18 - juris RdNr 11; vgl auch  - juris RdNr 5). Vorliegend sind solche besonderen Umstände nicht zu erkennen.

4Der Senat hat das Vorbringen des Klägers zur Anwendung des § 58 Satz 2 SGB I gewürdigt und lediglich für nicht überzeugend erachtet. Das gilt insbesondere für seinen Vortrag, die Vorschrift erfasse schon nach ihrem Wortlaut nur Konstellationen, in denen das Fiskalerbrecht gerichtlich festgestellt worden sei. Der Senat hat demgegenüber in Bekräftigung seiner bisherigen Rechtsprechung befunden, dass über den Wortlaut des § 58 Satz 2 SGB I hinaus fällige Ansprüche auf rückständige Rentenzahlungen eines verstorbenen Versicherten bereits dann nicht geltend gemachten werden können, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe der betroffenen Forderung ernsthaft in Betracht kommt (vgl RdNr 21 ff des Urteils). Der Senat ist zur Begründung seiner Entscheidung vor allem auf den Sinn und Zweck der Vorschrift eingegangen (vgl RdNr 23, 28 des Urteils). Soweit der Kläger rügt, der Senat habe weder ausdrücklich erwähnt, dass § 58 Satz 2 SGB I hier nur analog angewandt werden könne, noch habe er die Analogievoraussetzungen ausdrücklich geprüft, kritisiert er das methodologische Vorgehen des Senats. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör vermag daraus nicht zu erwachsen. Dieser verpflichtet die Gerichte nicht, bei Auslegung einer Norm die von einem Beteiligten für allein sachgerecht erachtete Methode anzuwenden.

5Der Kläger wendet sich im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit der Revisionsentscheidung, indem er ausführt, es fehle in der hier zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation an der für eine analoge Anwendung des § 58 Satz 2 SGB I erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Hierauf lässt sich eine Anhörungsrüge nicht stützen. Diese dient nicht unmittelbar der Fortführung des Verfahrens, sondern der Überprüfung eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör (stRspr; vgl zB  AR - juris RdNr 8 mwN).

6Der Senat hat auch das Vorbringen des Klägers zur rechtlichen Stellung des Nachlassinsolvenzverwalters in seine Erwägungen einbezogen. Auf die sog Amtstheorie ist er sogar ausdrücklich eingegangen (vgl RdNr 18 des Urteils). Der Senat hat allerdings, selbst eingedenk der bestehenden Unterschiede zwischen einerseits der Rechtsstellung des Nachlasspflegers und Nachlassverwalters und andererseits derjenigen des Nachlassinsolvenzverwalters, seine bisherige Rechtsprechung zu § 58 Satz 2 SGB I auf das Nachlassinsolvenzverfahren übertragen (vgl RdNr 25 ff des Urteils). Dem Vorwurf des Klägers, der Senat habe den Nachlassinsolvenzverwalter fälschlicherweise als einen Vertreter des Erben angesehen, dürfte eine Fehlinterpretation der Entscheidungsgründe zugrunde liegen (vgl zB RdNr 26 des Urteils). Im Übrigen hätte der Kläger aber auch insoweit nur die inhaltliche Unrichtigkeit der Revisionsentscheidung behauptet. Gleiches gilt für seinen Vortrag, etwaige Einwendungen, die gegenüber dem Erben des Nachlassschuldners erhoben werden können, ließen sich nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen.

7Der Kläger macht schließlich schon keine Gehörsverletzung geltend, indem er vorträgt, wegen der nach seinem Dafürhalten gegebenen Abweichung von der Rechtsprechung des BGH hätte der Senat den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anrufen müssen.

8Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 178a Abs 4 Satz 4 SGG).

92. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung eines Streitwerts für das Anhörungsrügeverfahren ist entbehrlich, weil insoweit eine Festbetragsgebühr anfällt (vgl Nr 7400 der Anl 1 zu § 3 Abs 2 GKG <Kostenverzeichnis>).

103. Dieser Beschluss ist gemäß § 178a Abs 4 Satz 3 SGG unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:140825BB5R1725C0

Fundstelle(n):
RAAAK-03875