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BGH Beschluss v. - IX ZB 45/23

Leitsatz

Die von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts als Insolvenzgericht eingelegte sofortige Beschwerde ist seit dem als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Gesetze: § 4 InsO, § 130d S 1 ZPO

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-9 T 646/23vorgehend AG Frankfurt Az: 810 IN 1032/17

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte zu 1 ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W.            GmbH i. L. (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte ein Bankkonto, das zum ein Guthaben in Höhe von 128.611,80 € aufwies und aufgrund eines vom Amtsgericht am angeordneten dinglichen Arrests gepfändet wurde. Nachdem das Kontoguthaben auf das Hinterlegungskonto des weiteren Beteiligten zu 1 für die Schuldnerin ausgekehrt und als freie Masse geführt wurde, ordnete das Landgericht (Strafkammer) mit Beschluss vom gemäß §§ 435, 436 StPO, §§ 76a, 73 Abs. 1, § 73c StGB die selbständige Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 2.829.919 € gegen die Schuldnerin an. Der weitere Beteiligte zu 2, bei dem es sich um den Justizfiskus eines Bundeslandes handelt, machte ein Absonderungsrecht an dem Kontoguthaben geltend und forderte die Zahlung des Betrags von 128.611,80 € an die Gerichtskasse. Der weitere Beteiligte zu 1 berief sich darauf, ein solches Recht sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Zudem zeigte er mit Schreiben vom die Masseunzulänglichkeit an. Die Anzeige wurde am im Internet veröffentlicht.

2Am erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Staatsanwaltschaft, gegen den der weitere Beteiligte zu 1 Erinnerung beim Insolvenzgericht einlegte. Das Insolvenzgericht hob daraufhin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf. Auf die von der Staatsanwaltschaft mit der Post und vorab mittels Telefax an das Insolvenzgericht übermittelte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 1 mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Verwerfung der Erstbeschwerde als unzulässig.

4Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hätte nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Erstbeschwerde unzulässig war. Das Beschwerdegericht ist ohne Begründung davon ausgegangen, die Beschwerde sei formgerecht eingelegt worden. Das trifft nicht zu, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt.

51. Die bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom (BGBl. I S. 3786) neu geschaffene Bestimmung des § 130d ZPO ist am in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes). Sie ist damit grundsätzlich auf ab diesem Zeitpunkt gegenüber den Gerichten abgegebene Erklärungen von Rechtsanwälten, Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse anwendbar. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form gemäß § 130d Satz 1 ZPO betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen, ihre Nichteinhaltung führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (, ZIP 2023, 92 Rn. 7; vom - IX ZB 1/24, NJW 2025, 2165 Rn. 28; BeckOK-ZPO/v. Selle, 2025, § 130d Rn. 6). Die Staatsanwaltschaft ist als Vollstreckungsbehörde eine Behörde im Sinne von § 130d ZPO (, NJW 2023, 2643 Rn. 18). Die Vorschrift ist über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren für Behörden anwendbar (vgl. aaO Rn. 8; Schmidt/Stephan, InsO, 20. Aufl., § 4 Rn. 16).

62. Die Form des § 130d ZPO ist hier nicht gewahrt, weil der weitere Beteiligte zu 2 die sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom mit der Post und vorab durch Telefax übermittelt hat. Nur unter den Voraussetzungen des § 130d Satz 2 und 3 ZPO kann ein Antrag nach den allgemeinen Vorschriften übermittelt werden. Gründe für eine solche Ersatzeinreichung sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.

7Der weitere Beteiligte zu 2 hat die versäumte Prozesshandlung nicht in der gebotenen Form nachgeholt. Da bereits das Amtsgericht in dem Beschluss über die Nichtabhilfe die Nichteinhaltung des § 130d ZPO durch den weiteren Beteiligten zu 2 erwogen hat, scheidet eine Wiedereinsetzung schon im Hinblick auf die versäumte Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 3 ZPO aus.

III.

8Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Hat das Beschwerdegericht - wie hier - über die statthafte, jedoch unzulässige sofortige Beschwerde sachlich entschieden, ist diese Entscheidung auf die zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. , NZI 2009, 553 Rn. 6).

Schoppmeyer                         Möhring                         Röhl

                          Harms                           Weinland

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110925BIXZB45.23.0

Fundstelle(n):
DAAAK-03871