Instanzenzug: Az: 25 S 54/23vorgehend Az: 292a C 12/15
Tatbestand
1Die Parteien sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2014 installierten die Beklagten - ohne vorherige Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer - ein Klima-Split-Gerät, dessen Außeneinheit auf der zur Wohnung gehörenden Dachterrasse steht. Die Leitungen, die die Außen- mit den Innenteilen des Geräts verbinden, wurden durch die Außenwand des Gebäudes verlegt. Bei dem Betrieb der Klimaanlage werden die Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) tagsüber eingehalten, nachts indes überschritten.
2Das Amtsgericht hat die im Jahr 2015 erhobene, auf Entfernung der Klimaanlage und Beseitigung des Durchbruchs der Außenwand gerichtete Klage abgewiesen; auf den Hilfsantrag hat es die Beklagten zur Unterlassung des Betriebs der Klimaanlage zur Nachtzeit verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und dem Hauptantrag stattgegeben. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.
Gründe
I.
3Das Berufungsgericht hält den Kläger auch nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) für prozessführungsbefugt. In der Sache seien die Beklagten gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zum Rückbau der Klimaanlage und zur Beseitigung der mit der Installation verbundenen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums verpflichtet. Dabei sei das Wohnungseigentumsgesetz in der ab dem geltenden Fassung anzuwenden, weil es sich wegen des Wanddurchbruchs und der Geräusche um einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt handele. Nach § 20 Abs. 1 WEG bedürften bauliche Veränderungen stets eines gestattenden Beschlusses der Wohnungseigentümer, an dem es hier fehle. Dem Beseitigungsanspruch könne ein eventueller Anspruch auf Gestattung (§ 20 Abs. 3 WEG) nicht nach Treu und Glauben entgegengehalten werden.
II.
4Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
51. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von der fortbestehenden Prozessführungsbefugnis des Klägers aus. Zwar können Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB seit Inkrafttreten des WEMoG am gemäß § 9a Abs. 2 WEG nur noch von der GdWE geltend gemacht werden; der zuvor nach § 15 Abs. 3 WEG aF daneben bestehende Anspruch ist entfallen. War das Verfahren - wie hier - bereits vor dem bei Gericht anhängig, besteht die nach altem Recht mangels Vergemeinschaftung gegebene Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers aber über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der GdWE zur Kenntnis gebracht wird (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 12). Eine solche Äußerung ist hier nicht erfolgt.
62. Als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist indes die Bejahung eines Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Rechtswidrigkeit einer baulichen Veränderung, die zur Entstehung eines Beseitigungsanspruchs führt, beurteilt sich, wie der Senat allerdings ausdrücklich erst nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum geltenden Fassung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 29/24, ZWE 2025, 367 Rn. 10; Urteil vom - V ZR 1/24, NJW-RR 2025, 586 Rn. 8, 33). So liegt es hier; die in Rede stehende Klimaanlage ist bereits 2014 installiert worden. Dass der Durchbruch weiterhin besteht und der Betrieb der Klimaanlage Geräusche verursacht, spielt demgegenüber bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts keine Rolle.
73. Das Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).
8a) Die mit der Verlegung durch die Gebäudeaußenwand verbundene Installation der Klimaanlage ist eine bauliche Veränderung, die sich, wie vorstehend ausgeführt (Rn. 6), noch nach § 22 Abs. 1 WEG aF beurteilt. Danach müssen alle Wohnungseigentümer, denen über das bei einem gedeihlichen Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG aF erwachsen, zustimmen. An einer solchen Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer fehlt es.
9b) Beurteilt sich die bauliche Veränderung nach dem bis zum anwendbaren Recht, kann der Störer dem Beseitigungsverlangen aber nach § 242 BGB einen nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG aF gegebenen Gestattungsanspruch entgegenhalten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 29/24, ZWE 2025, 367 Rn. 27). Mit einem solchen von den Beklagten der Sache nach geltend gemachten Gestattungsanspruch hat sich das Berufungsgericht - auf der Grundlage der (fehlerhaften) Anwendung neuen Rechts für sich genommen folgerichtig (vgl. insoweit Senat, Urteil vom - V ZR 1/24, NJW-RR 2025, 586 Rn. 18 ff.) - nicht befasst.
III.
101. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil die Feststellungen nicht ausreichen, um über einen Gestattungsanspruch abschließend zu befinden.
112. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
12a) Unter einem einen Gestattungsanspruch ausschließenden Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Für die Beurteilung eines solchen Nachteils kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 29/24, ZWE 2025, 367 Rn. 27; Urteil vom - V ZR 1/24, NJW-RR 2025, 586 Rn. 38 mwN).
13b) In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht mit einer eventuellen Beeinträchtigung durch den Betrieb der Klimaanlage nicht weiter befassen müssen; dabei kann offenbleiben, ob sich mögliche Störungen durch den Betrieb eines Klimageräts nach bisherigem Recht auf den Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung auswirken (vgl. zu § 20 Abs. 4 WEG Senat, Urteil vom - V ZR 105/24, NJW 2025, 1569). Denn insoweit steht fest, dass der Tagbetrieb die Grenzwerte der TA-Lärm, die auch im Wohnungseigentumsrecht ein Anhaltspunkt sein können (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 105/24, aaO Rn. 23), unterschreitet. Darauf, dass dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nachts anders ist, kommt es nicht (mehr) an. Denn die Beklagten haben ihre erstinstanzliche Verurteilung auf den Hilfsantrag des Klägers nicht mit der Berufung angegriffen. Bei (unterstellter) Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Hauptantrags im weiteren Verlauf würde der Ausspruch des Amtsgerichts zum Hilfsantrag wirksam (vgl. , NJW 2016, 2504 Rn. 38). Die Beklagten hätten sich dann daran zu halten und dürften die Klimaanlage in den näher bezeichneten Nachtstunden nicht betreiben; ein Nachteil wäre insoweit ausgeräumt.
14c) Den Feststellungen nicht zu entnehmen ist indes - wenngleich nach den Ergebnissen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die das Berufungsgericht zumindest referiert, einiges dagegen spricht -, ob aus dem Wanddurchbruch ein Nachteil im vorbezeichneten Sinne folgt. Dabei sind nach der ständigen Senatsrechtsprechung Durchbrüche einer tragenden Wand nicht ohne weiteres als Nachteil in diesem Sinne einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch derartige Eingriffe in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können, hängt vielmehr von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab (näher Senat, Urteil vom - V ZR 1/24, NJW-RR 2025, 586 Rn. 37 f. mwN). Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
15d) Ebenso fehlt es an Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild. Ein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG aF kann sich auch aus einer Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage ergeben (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 29/24, ZWE 2025, 367 Rn. 29 mwN). Hierfür bedarf es einer umfassenden Wertung durch das Berufungsgericht (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 49/16, NJW 2017, 2184 Rn. 12 f.), an der es bislang fehlt. Die Revision kann insoweit (nur) auf die Ausführungen des Amtsgerichts verweisen; diese sprechen allerdings, sofern das Berufungsgericht keine anderen Erkenntnisse zu gewinnen vermag, eher gegen eine erhebliche optische Beeinträchtigung.
Brückner Göbel Hamdorf
Malik Grau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:101025UVZR41.24.0
Fundstelle(n):
CAAAK-03786