Gutscheinwerbung II
Leitsatz
Gutscheinwerbung II
1. Legt das Tatgericht Vortrag einer Partei zum Inhalt ausländischen Rechts mit der Begründung zugrunde, dieser Vortrag sei von der anderen Partei nicht bestritten worden, ohne eigene Ermittlungen zur Verifizierung dieses Vortrags vorzunehmen, liegt darin ein Verstoß gegen die nach § 293 ZPO bestehende Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts von Amts wegen.
2. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG, der Werbegaben und Zuwendungen ausnahmsweise gestattet, wenn sie in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, erfasst nicht die Auslobung der Bandbreite einer im Einzelfall noch zu bestimmenden Prämienhöhe (hier: mindestens 2,50 € und bis zu 20 € pro Rezept).
3. Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gestattet es einer Apotheke nicht, für die Einreichung eines Rezepts über verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte einschließlich nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel auszuloben.
Gesetze: Art 86 EGRL 83/2001, Art 87 Abs 3 EGRL 83/2001, § 293 ZPO, § 945 ZPO, § 73 Abs 1 S 1 Nr 1a AMG, § 78 Abs 1 AMG, § 7 Abs 1 S 1 Halbs 2 Nr 2 Teils 1 Buchst a HeilMWerbG, § 4 Nr 11 aF UWG
Instanzenzug: Az: I ZR 182/22 EuGH-Vorlagevorgehend Az: I-20 U 86/19 Urteilvorgehend Az: 15 O 436/16
Tatbestand
1Die Klägerin ist eine niederländische Versandapotheke, die rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente im Wege des Versandhandels an Endkunden nach Deutschland liefert.
2Die Beklagte ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein.
3Die Klägerin warb seit dem Jahr 2012 mit verschiedenen Rabattaktionen, bei denen Kunden bei dem Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Vorteil in Form eines Barrabatts, eines Gutscheins zur Verrechnung beim Kauf eines anderen Medikaments, eines Hotelgutscheins oder einer Jahresmitgliedschaft beim ADAC versprochen wurde. Die Beklagte sieht diese Werbemaßnahmen als Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel an und erwirkte deshalb - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - in den Jahren 2013 bis 2015 folgende fünf einstweilige Unterlassungsverfügungen gegen die Klägerin, die jeweils ordnungsgemäß vollzogen wurden.
4Am erwirkte die Beklagte eine am vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 90/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben
Rezept einsenden - Mitmachen und bis zu 20 Euro Prämie sichern! D. M. legt Wert auf umfassende Beratung. Unterstützen Sie uns dabei und nehmen Sie am Arzneimittel-Check teil. Für Ihre Mithilfe bedanken wir uns mit einer Geldprämie. Sie erhalten mindestens 2,50 Euro und bis zu 20 Euro Prämie pro Rezept. (…),
wobei die Höhe der versprochenen Prämie sich nach der Komplexität der Erkrankung beziehungsweise dem Preis des rezeptpflichtigen Medikaments richtete (zum Beispiel 2,50 € Prämie für die Einsendung eines Rezepts für ein hormonelles Verhütungsmittel, zwischen 2,50 € und 20 € Prämie für die Einsendung eines Medikaments zur Therapie schwerer chronischer Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit). Diese einstweilige Verfügung hob das wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung" (, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) auf.
5Am erwirkte die Beklagte eine am vollzogene einstweilige Unterlassungsverfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 220/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben
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Sobald Ihr Freund ein Rezept einreicht oder rezeptfreie Produkte im Gesamtwert von mindestens 20 Euro bestellt. (…)
Jeder geworbene Freund erhält außerdem einen 5 Euro-Gutschein zum Bestellen rezeptfreier Medikamente, Gesundheits- und Pflegeprodukte.
6Am erwirkte die Beklagte eine am vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 256/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben
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wobei der Rabatt für die Bestellung verschreibungspflichtiger Medikamente ab 50 € Bestellwert ausgelobt wurde. Diese einstweilige Verfügung hob das wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung" auf.
7Am erwirkte die Beklagte eine am vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 208/14) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben
10 €-Gutschein für Ihr Rezept
für eine nachfolgende Bestellung rezeptfreier Produkte. Diese einstweilige Verfügung hob das wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung" auf.
8Am erwirkte die Beklagte eine am vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 81 O 82/15) für eine Werbung der Klägerin mit den Angaben
5 Euro Gutschein für Ihre nächste Rezeptbestellung,
wobei der genannte Betrag direkt vom Rechnungsbetrag abgezogen werden sollte. Diese einstweilige Verfügung hob das Landgericht Köln mit rechtskräftigem Urteil vom auf.
9Im Rahmen der Vollziehung einiger der einstweiligen Verfügungen wurden auf Antrag der Beklagten hohe Ordnungsgelder gegen die Klägerin verhängt.
10Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, die einstweiligen Verfügungen seien von Anfang an ungerechtfertigt gewesen. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union habe in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung" (EuGH, GRUR 2016, 1312) entschieden, dass die im Arzneimittelgesetz vorgesehene Preisbindung für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) verstoße, da sie sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirke als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken.
11Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Klage erweitert und - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz für den Zeitraum bis einschließlich in Höhe von mindestens 18.476.648,12 € zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, über den mit dem Klageantrag 1 bezifferten Mindestschaden hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin bis einschließlich infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Köln zu den Aktenzeichen 84 O 90/13, 84 O 220/13, 84 O 256/13, 84 O 208/14 und 81 O 82/15 entstanden ist und noch entstehen wird.
12Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Klägerin im Wege eines Grund- und Teilurteils abgeändert, den Klageantrag 1 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und dem Klageantrag 2 im vorbezeichneten Umfang stattgegeben (, juris). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
13Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom (GRUR 2023, 1318 = WRP 2023, 1198 - Gutscheinwerbung I) zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Unterliegt Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100)?
2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet?
3. Weiter für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet?
14Hierauf hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom (C-517/23, GRUR 2025, 424 = WRP 2025, 583 - Apothekerkammer Nordrhein) geantwortet:
1. Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass
- Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen nicht unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fallen,
- wohingegen Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Form von Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter diesen Begriff fallen.
2. Art. 34 AEUV und Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die eine Werbeaktion, in deren Rahmen den Kunden einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Apotheke für die Einsendung ihrer Rezepte und die Teilnahme an einem „Arzneimittel-Check“ eine Geldprämie angeboten wird, ohne dass die genaue Höhe dieser Prämie ersichtlich wäre, aus Verbraucherschutzgründen verbietet.
3. Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2011/62/EU geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen bestimmten Geldbetrag oder über einen prozentualen Preisnachlass für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte, wie nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, verbietet.
Gründe
15A. Das Berufungsgericht hat den Klageantrag 1 für dem Grunde nach und den Klageantrag 2 hinsichtlich der vorstehend genannten einstweiligen Verfügungen für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
16Die Beklagte schulde der Klägerin den mit dem Antrag 1 geltend gemachten Ersatz des durch die Vollziehung der von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügungen entstandenen Schadens.
17Dem Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 945 ZPO stehe nicht entgegen, dass die Beklagte in ihrer Rolle als Selbstverwaltung der Apotheker im Gebiet Nordrhein in Form einer Körperschaft öffentlichen Rechts hoheitliche Aufgaben wahrnehme und in dieser Funktion gegenüber ihren Mitgliedern hoheitlich handele, auch wenn sie nicht die Aufsicht über die Apotheken im Bezirk ausübe. Gegenüber der Klägerin habe die Beklagte mit der Beantragung der einstweiligen Verfügungen nicht den Weg gewählt, mittels öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns vorzugehen oder die Aufsichtsbehörden einzuschalten, sondern sie habe die Zivilgerichte angerufen. Hieran müsse sie sich auch mit Blick auf eine etwaige Schadensersatzpflicht wegen Vollziehung der einstweiligen Verfügungen festhalten lassen.
18Die einstweiligen Verfügungen erwiesen sich als von Anfang an ungerechtfertigt.
19Die Klägerin habe durch den Vertrieb von Arzneimitteln aus den Niederlanden an Endkunden in Deutschland nicht gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1a Satz 3 AMG verstoßen. Die Klägerin betreibe eine Apotheke nach niederländischem Recht. Es bestehe auch ein mit Deutschland vergleichbarer Standard für den Versandhandel mit Arzneimitteln aus den Niederlanden, soweit Versandapotheken - so wie die Klägerin im Streitfall - gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhielten.
20Die einstweiligen Verfügungen seien auch nicht wegen Verstoßes der Klägerin gegen § 7 Abs. 1 HWG gerechtfertigt. Die Werbeaktionen der Klägerin seien von der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG erfasst; ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht liege nicht vor.
21Die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Arzneimittelpreisbindung sei, wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden habe, wegen Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 und Art. 36 AEUV) gegenüber der in den Niederlanden ansässigen Klägerin nicht anwendbar. Die vorliegend zu beurteilenden Fallgestaltungen seien ebenso zu beurteilen wie der dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrundeliegende Fall einer Rabattaktion in Gestalt eines "Rezeptbonus" in Höhe von 2,50 €, eines weiteren Bonus in Höhe von 0,5 % des Warenwerts sowie eines Gutscheins über 5 € für die Erstbestellung. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union wirke nicht lediglich zwischen den Parteien des seinerzeitigen Rechtsstreits, sondern sei allgemeinverbindlich; zudem wirke es auf den Zeitpunkt der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen zurück.
22Es bedürfe keiner erneuten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob die Arzneimittelpreisbindung zur Gewährleistung einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erforderlich sei.
23Der von der Klägerin mit dem Klageantrag 1 geltend gemachte Anspruch sei hinsichtlich der Schadenshöhe nicht entscheidungsreif. Der Schaden bestehe jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit, so dass der Erlass eines Zwischenurteils gerechtfertigt sei. Jedenfalls mit Blick auf Privatversicherte, die den Kaufpreis für ein Medikament vorfinanzieren müssten und auch aufgrund der beihilferechtlichen Preisdämpfungspauschalen oder versicherungsvertraglichen Freibeträgen besonders preissensibel seien, spreche vieles für einen Schaden.
24Der Klageantrag 2 habe - soweit für die Revision von Bedeutung - Erfolg. Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe, weil die Klägerin den ihr entstandenen Schaden noch nicht endgültig beziffern könne und Verjährung drohe. Der Antrag sei auch begründet, weil sich die einstweiligen Verfügungen als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen.
25B. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Zwar steht einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 945 ZPO (dazu nachfolgend B I) nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass die Beklagte eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist (dazu nachfolgend B II), und dass sich die ergangenen einstweiligen Verfügungen nicht unter dem Gesichtspunkt eines in der beanstandeten Auslobung von Prämien und Gutscheinen liegenden Verstoßes gegen § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit der in § 78 Abs. 1 Satz 1 und 4 AMG vorgesehenen Arzneimittelpreisbindung als von Anfang an gerechtfertigt erweisen (dazu nachfolgend B III). Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht gegen das in § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG geregelte Verbringungsverbot verstoßen, so dass ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO nicht wegen der aus einem solchen Verstoß folgenden Unterlassungspflicht ausgeschlossen sei (dazu nachfolgend B IV). Die heilmittelwerberechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht durchgehend stand (dazu nachfolgend B V).
26I. Nach § 945 Fall 1 ZPO ist die Partei, die eine von Anfang an ungerechtfertigte einstweilige Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus deren Vollziehung entsteht. Die Vorschrift des § 945 ZPO beruht auf dem Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt (, GRUR 2016, 720 [juris Rn. 11] = WRP 2016, 854 - Hot Sox, mwN).
27Der Anspruch nach § 945 ZPO scheidet zum einen aus, wenn sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an gerechtfertigt, also zu Recht ergangen erweist. Zum anderen besteht dieser Anspruch nicht, wenn der durch die Vollziehung einer ungerechtfertigt ergangenen Verfügung Betroffene ohnehin materiell-rechtlich verpflichtet ist, das ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Verhalten zu unterlassen. Im letztgenannten Fall fehlt es jedenfalls an einem nach § 945 ZPO zu ersetzenden Schaden (, BGHZ 168, 352 [juris Rn. 27]; BGH, GRUR 2016, 720 [juris Rn. 38] - Hot Sox, jeweils mwN). Deshalb kommt es im Schadensersatzprozess auf die Frage, ob die rechtskräftige Aufhebung von einstweiligen Verfügungen im nachfolgenden Hauptsacheverfahren Bindungswirkung entfaltet (dafür zuletzt , NJW 1992, 2297 [juris Rn. 14]; aA MünchKomm.ZPO/Drescher, 7. Aufl., § 945 Rn. 16; Braun in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl., § 945 Rn. 5; Bruns in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 945 Rn. 26), generell nicht an (vgl. BGH, GRUR 2016, 720 [juris Rn. 38] - Hot Sox, mwN; Teplitzky/Sender, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 13. Aufl., Kap. 36 Rn. 21 mwN).
28II. Der Anwendung von § 945 ZPO steht im Streitfall - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat - nicht entgegen, dass die Beklagte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.
29Geht eine juristische Person des öffentlichen Rechts in einer dem Zivil- und Zivilprozessrecht unterliegenden Handlungsform vor, hat sie die Anwendung zivilrechtlicher und zivilprozessualer Rechtsfolgen hinzunehmen. So muss sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die wegen ihres geschäftlichen Handelns lauterkeitsrechtlich in Anspruch genommen werden kann, die Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften über Ordnungsmittel gefallen lassen (vgl. dazu , BGHZ 225, 59 [juris Rn. 82 bis 84] - WarnWetter-App, mwN). Die Beklagte hat sich zur Geltendmachung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche im Wege des zivilprozessualen Verfahrens der einstweiligen Verfügung entschieden und muss deshalb die mit dieser Art der Anspruchsverfolgung einhergehende Anwendung des § 945 ZPO hinnehmen.
30III. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die ergangenen einstweiligen Verfügungen seien nicht unter dem Gesichtspunkt eines in der beanstandeten Auslobung von Prämien und Gutscheinen liegenden Verstoßes gegen § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit der in § 78 Abs. 1 Satz 1 und 4 AMG vorgesehenen Arzneimittelpreisbindung von Anfang an gerechtfertigt.
311. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Arzneimittelpreisbindung nicht zu Lasten der Klägerin angewendet werden darf, soweit sich die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise als absolutes Verbot des Preiswettbewerbs erweist und sich als solches auf die Klägerin - eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheke - stärker auswirkt als auf im deutschen Hoheitsgebiet ansässige Apotheken, weil dies eine gegen Art. 34 AEUV verstoßende Behinderung des Marktzugangs darstellt (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1312 [juris Rn. 26 f.] - Deutsche Parkinson Vereinigung; , GRUR 2021, 1325 [juris Rn. 40 bis 44] = WRP 2021, 1277 - DocMorris; , GRUR 2022, 391 [juris Rn. 65] = WRP 2022, 434 - Gewinnspielwerbung II).
322. Für eine erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Arzneimittelpreisbindung erforderlich ist, um die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern (dazu , GRUR 2017, 635 [juris Rn. 49] = WRP 2017, 694 - Freunde werben Freunde), besteht kein Anlass. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein im Jahr 2018 an die Bundesregierung gerichtetes Auskunftsersuchen des Oberlandesgerichts München bis zur Entscheidung in der Berufungsinstanz unbeantwortet geblieben. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein weiteres Auskunftsersuchen erfolgversprechend wäre. Eine weitere Aufhellung der der mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zugrundeliegenden wirtschaftlichen, statistischen und gesundheitspolitischen Datenlage ist nicht zu erwarten (vgl. auch , GRUR 2025, 1404 [juris Rn. 52 bis 60] = WRP 2025, 1159 - Arzneimittel-Check).
33IV. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht gegen das in § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG geregelte Verbringungsverbot verstoßen, so dass ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO nicht wegen der aus einem solchen Verstoß folgenden Unterlassungspflicht ausgeschlossen sei.
341. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in der seit dem unverändert geltenden Fassung dürfen zugelassene Arzneimittel im Falle des Versands an den Endverbraucher in das Inland nur verbracht werden, wenn sie von einer Apotheke eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt werden und die Apotheke nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz für den Versandhandel befugt ist. Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG veröffentlicht das Bundesministerium in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.
35Das in § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG geregelte Verbringungsverbot stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG in der im Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügungen geltenden Fassung (jetzt: § 3a UWG) dar (vgl. , GRUR 2008, 275 [juris Rn. 20] = WRP 2008, 356 - Versandhandel mit Arzneimitteln).
362. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht gegen das Verbringungsverbot verstoßen, und dazu ausgeführt:
37Die Klägerin betreibe eine Apotheke nach niederländischem Recht, wie sie durch die Vorlage von Auszügen aus dem niederländischen Apothekenregister und eines Schreibens der zuständigen niederländischen Aufsichtsbehörde dargelegt habe. Die Klägerin habe vorgetragen, dass das niederländische Recht für den Betrieb einer Apotheke lediglich eine Anzeigepflicht und kein Erfordernis einer Betriebserlaubnis voraussetze. Die Klägerin habe weiter vorgetragen, gemäß Art. 61 des niederländischen Apothekengesetzes sei eine Apotheke verpflichtet, einen Apotheker zu benennen, der in das Register der niedergelassenen Apotheker für den Standort der Apotheke eingetragen sei. Die niederländische Aufsichtsbehörde für das Gesundheitswesen und Jugend führe nach dem weiteren Vortrag der Klägerin das Apothekenregister und aktualisiere es im 14Tages-Rhythmus. Diesem Vortrag sei die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
38Soweit die Klägerin nach dem insoweit unsubstantiierten und von der Klägerin bestrittenen Vortrag der Beklagten eine sogenannte "Grensapotheke" betreibe, die ausschließlich Medikamente an Personen liefere, die in einem anderen Staat der Europäischen Union lebten, und das niederländische Recht vorsehe, dass sich die Zulässigkeit des Betriebs einer solchen Apotheke nach den Vorschriften des Mitgliedstaats richte, in dem der Patient lebe, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einer Genehmigung oder Erklärung der deutschen Aufsichtsbehörden zum Betrieb ihrer Präsenzapotheke in den Niederlanden bedürfe.
39Die Klägerin sei, wie sich aus einem Bericht der "Inspectie voor de Gezondheidszorg" vom ergebe, nach niederländischem Recht zum Versandhandel mit Arzneimitteln befugt. Nach der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom bestehe ein mit Deutschland vergleichbarer Standard für den Versandhandel mit Arzneimitteln aus den Niederlanden, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhielten.
403. Das Berufungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass die Bekanntmachung nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG die Gerichte insoweit bindet, als sie feststellt, dass in bestimmten Mitgliedstaaten der Europäischen Union - gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen - zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln bestanden (BGH, GRUR 2008, 275 [juris Rn. 30] - Versandhandel mit Arzneimitteln).
41Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, das Bundesministerium für Gesundheit habe am bekanntgemacht, dass für Arzneimittel, die zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, die Vergleichbarkeit in den Niederlanden besteht, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhalten, wendet sich die Revision nicht. Weil nach der Bekanntmachung die Feststellung der Vergleichbarkeit vom Betrieb einer Präsenzapotheke abhängt, beruft sich die Revisionserwiderung vergeblich darauf, die Klägerin sei selbst dann zum Versandhandel befugt, wenn sie keine Präsenzapotheke betriebe.
42Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend zugrunde gelegt, dass die Frage nach der Unterhaltung einer Präsenzapotheke nach den hierfür in den Niederlanden bestehenden Erfordernissen zu beurteilen ist, weil der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit ein Vergleich der rechtlichen Vorgaben für den Versandhandel in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zugrunde liegt, bei dem die jeweiligen nationalen Besonderheiten berücksichtigt wurden (vgl. BGH, GRUR 2008, 275 [juris Rn. 30] - Versandhandel mit Arzneimitteln).
434. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, das Berufungsgericht habe gegen § 293 ZPO verstoßen, indem es die Erfordernisse für den Betrieb einer Präsenzapotheke nach niederländischem Recht unzureichend ermittelt habe.
44a) Nach § 293 ZPO bedarf das in einem anderen Staat geltende Recht des Beweises nur insofern, als es dem Gericht unbekannt ist (Satz 1); bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt und befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen (Satz 2). Diese Möglichkeiten entbinden das Tatgericht aber grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, die für die Entscheidung des Falles erheblichen Vorschriften des anwendbaren ausländischen Rechts von Amts wegen zu ermitteln (, NJW-RR 2017, 313 [juris Rn. 66]; Beschluss vom - V ZB 166/15, NZG 2017, 546 [juris Rn. 7]; Urteil vom - X ZR 166/18, NJW 2019, 3375 [juris Rn. 23]). Wie sich das Tatgericht diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Das Tatgericht ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Es muss dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2014, 1244 [juris Rn. 15]; Urteil vom - IX ZR 304/13, WM 2015, 2248 [juris Rn. 15]). Weil ausländische Rechtsnormen keine Tatsachen, sondern Rechtssätze sind, besteht für sie keine Darlegungslast der Parteien (, NJW-RR 2008, 586 [juris Rn. 37]; Beschluss vom - IX ZB 26/17, WM 2018, 1316 [juris Rn. 19]).
45Das Revisionsgericht prüft insoweit lediglich, ob das Tatgericht sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (, WM 2013, 1225 [juris Rn. 39]; BGH, NJW 2014, 1244 [juris Rn. 15]; , NJW-RR 2020, 802 [juris Rn. 23]; zur Rechtsbeschwerde vgl. Beschluss vom - I ZB 26/24, GRUR 2025, 848 [juris Rn. 51] = WRP 2025, 471 - Fernbus in Belgien).
46b) Danach hat das Berufungsgericht sein Ermessen bei der Ermittlung der für den Betrieb einer Präsenzapotheke bestehenden Erfordernisse nach niederländischem Recht rechtsfehlerhaft ausgeübt.
47Das Berufungsgericht hat den Inhalt des niederländischen Rechts ausschließlich dem Vortrag der Klägerin entnommen, nach dem für den Betrieb einer Apotheke in den Niederlanden kein Erfordernis einer Betriebserlaubnis, sondern lediglich eine Anzeigepflicht bestehe und Art. 61 des niederländischen Apothekengesetzes die Pflicht einer Apotheke vorsehe, einen Apotheker zu benennen, der in das Register der niedergelassenen Apotheker für den Standort der Apotheke eingetragen sei. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag mit der Begründung zugrunde gelegt, die Beklagte sei ihm nicht substantiiert entgegengetreten. Damit hat das Berufungsgericht in rechtsfehlerhafter Weise die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei der Ermittlung ausländischen Rechts angewendet, anstatt - wie nach § 293 ZPO grundsätzlich erforderlich - eigene Ermittlungen zur Verifizierung dieses Vortrags zu unternehmen. Soweit es auf den Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Schreiben amtlicher Stellen abgestellt hat, lässt die Begründung des Berufungsgerichts nicht erkennen, dass in diesen Schreiben die Erfordernisse des niederländischen Rechts für den Betrieb einer Präsenzapotheke erläutert würden. Auch die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob eine niederländische "Grensapotheke" besonderen rechtlichen Erfordernissen unterliege, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast für unerheblich gehalten.
48V. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die einstweiligen Verfügungen seien unter dem Gesichtspunkt des § 7 HWG von Anfang an ungerechtfertigt gewesen, hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise, nämlich hinsichtlich der einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 256/13) und vom (Az. 81 O 82/15) stand. Die einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 90/13), vom (Az. 84 O 220/13) und vom (Az. 84 O 208/14) erweisen sich hingegen als von Anfang an gerechtfertigt, so dass insoweit ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO ausscheidet.
491. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, es liegt einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HWG gesetzlich geregelten Ausnahmefälle vor. Von dem Verbot ausgenommen sind danach - was hier allein in Betracht kommt - geringwertige Kleinigkeiten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG) und Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG). Allerdings bleiben bei beiden Ausnahmen Zuwendungen oder sonstige Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes - oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (so die seit dem geltenden Fassungen) - gelten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 2 HWG).
502. Das Berufungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot des Anbietens, Ankündigens und Gewährens von Werbegaben eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF (jetzt: § 3a UWG) darstellt, weil es dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dient. Es soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 26] - Gewinnspielwerbung II, mwN).
513. Mit Recht hat das Berufungsgericht die angegriffenen Werbemaßnahmen als produktbezogen und damit vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes erfasst angesehen.
52a) Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) und nicht die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke kann produktbezogen sein. Es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 35] - Gewinnspielwerbung II, mwN).
53b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, die angegriffenen Werbemaßnahmen hätten entweder auf das gesamte Angebot rezeptpflichtiger Medikamente oder sogar auf das gesamte Sortiment der Klägerin gezielt und seien deshalb produktbezogen. Es handelt sich - entgegen der von der Klägerin in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung - nicht lediglich um dem Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes nicht unterfallende unternehmensbezogene Werbung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt die Werbung einer Apotheke für den Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel, mit der allein die Entscheidung für die Apotheke beeinflusst werden soll, bei der ein Kunde bereits verschriebene rezeptpflichtige Arzneimittel bezieht, keine Werbung für Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG dar, sondern eine nicht von dieser Richtlinie erfasste Werbung für die Apotheke (EuGH, GRUR 2025, 424 [juris 34 bis 37] - Apothekerkammer Nordrhein, mwN). Hieraus folgt jedoch nicht, dass eine solche Werbung nicht in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes fällt. Aus der in § 7 HWG geregelten Gegenausnahme für (preisgebundene) verschreibungspflichtige Arzneimittel ergibt sich zweifelsfrei, dass das Heilmittelwerbegesetz auch die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasst. Die Gegenausnahme ist zwar nicht auf den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, wohl aber auf die Abgabe (auch im Wege des Versands) innerhalb Deutschlands anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der Richtlinie 2001/83/EG und dem Heilmittelwerbegesetz unterschiedliche Begriffe der "Werbung für Arzneimittel" zugrunde liegen und das Heilmittelwerbegesetz anders als die Richtlinie 2001/83/EG auch Werbung einer Apotheke für den Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel umfasst (BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 34 bis 40] - Gewinnspielwerbung II).
544. Mit Recht hat das Berufungsgericht die in den angegriffenen Werbemaßnahmen ausgelobten Prämien und Gutscheine als Werbegaben im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG eingeordnet.
55Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist mit Blick auf den Zweck der dortigen Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung. Eine Werbegabe setzt demnach voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird; er muss diese als ein Geschenk ansehen (vgl. BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 41] - Gewinnspielwerbung II, mwN). Die im Streitfall zu beurteilenden Prämien und Gutscheine erfüllen diese Voraussetzung.
565. Bei den in den angegriffenen Werbemaßnahmen ausgelobten Prämien und Gutscheinen handelt es sich nicht um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG. Ihr Wert überschreitet jeweils die für Publikumswerbung bei 1 € liegende Schwelle der Geringwertigkeit (vgl. , GRUR 2025, 1416 [juris Rn. 45] = WRP 2025, 1154 - PAYBACK, mwN).
576. Bei diesen Prämien und Gutscheinen handelt es sich nur teilweise um Zuwendungen oder Werbegaben, die im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden.
58a) Eine in einem bestimmten Geldbetrag gewährte Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist die Zuwendung einer zahlenmäßig bestimmten Geldsumme, über deren Höhe infolge ihrer Bestimmtheit beim Publikum kein Zweifel aufkommen kann (BeckOK.HWG/Doepner/Reese, 14. Edition [Stand ], § 7 Rn. 603). So verhält es sich etwa bei der Auslobung einer Bankgutschrift in Höhe von 10 € für die Werbung eines Neukunden (vgl. BGH, GRUR 2017, 635 [juris Rn. 56] - Freunde werben Freunde), eines "Sofort-Bonus", der mit der gesetzlichen Zuzahlung verrechnet wird (vgl. , GRUR 2014, 593 [juris Rn. 2] = WRP 2014, 692 - Sofort-Bonus), der Rückvergütung des Kaufpreises für ein Medizinprodukt (OLG Hamburg, GRUR-RR 2019, 486 [juris Rn. 33]; OLG Köln, WRP 2022, 368 [juris Rn. 62]) oder eines "Beauty Bonus" in Höhe von 50 € für die Anrechnung auf die Erstbehandlung mit einem Medizinprodukt (LG Hamburg, PharmR 2011, 487 [juris Rn. 39]).
59b) Mit einem "auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG sind Preisnachlässe in prozentualer oder sonst auf einfache Weise zu ermittelnder Höhe gemeint, die auf den Normalpreis gewährt werden (BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 48] - Gewinnspielwerbung II; Fritzsche in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl., § 7 HWG Rn. 25; Prütting/Mand, Medizinrecht, 7. Aufl., § 7 HWG Rn. 85). Ein solcher Fall liegt etwa bei der Auslobung eines Rabatts in Höhe von 10 % für die Werbung eines Neukunden vor (vgl. BGH, GRUR 2017, 635 [juris Rn. 56] - Freunde werben Freunde) oder bei der Verrechnung auf eine in prozentualer Höhe gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung für medizinische Hilfsmittel (vgl. , GRUR 2017, 641 [juris Rn. 41] = WRP 2017, 536 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).
60c) Hingegen erfüllt die Werbung mit einem geldwerten Vorteil, der nicht in einem bestimmten oder bestimmbaren Geldbetrag, sondern als Sachzuwendung - etwa von Gebrauchsgegenständen oder Dienstleistungen - gewährt wird, nicht den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG (vgl. , GRUR 2009, 1082 [juris Rn. 17] = WRP 2009, 1385 - DeguSmiles & more; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 601; vgl. auch Prütting/Mand aaO § 7 HWG Rn. 89). Dies gilt auch, wenn der Wert des Vorteils mit einem bestimmten Geldbetrag angegeben wird. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, weil eine Sachzuwendung kein Geldbetrag ist. Hierfür spricht weiter, dass sich der Werbende andernfalls bei einer Sachzuwendung allein durch die Angabe des Werts dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG entziehen könnte, der für die Zulässigkeit einer Sachzuwendung deren Geringwertigkeit verlangt, und in den Genuss der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gelangen (vgl. OLG Hamm, WRP 2022, 633 [juris Rn. 42]). Sachzuwendungen fallen auch deshalb nicht in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung, weil bei ihnen - anders als bei zu einer unmittelbaren Preisermäßigung führenden Geldzuwendungen - in besonderer Weise der Schutzzweck des Heilmittelwerberechts relevant ist, eine unsachliche Beeinflussung zu verhindern. Denn es besteht kein sachlicher Zusammenhang mit dem Erwerb des Heilmittels und zudem die abstrakte Gefahr der Irreführung über den Wert der Sachzuwendung.
61Bei einem Verbot von Sachzuwendungen, die nicht in der im Streitfall allein entscheidungserheblichen Gewährung betragsmäßig oder mit einer Prozentangabe bezeichneter Rabattgutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte bestehen (dazu nachfolgend Rn. 62 und Rn. 73), dürfte es sich auch nicht um ein gegen Art. 34 AEUV verstoßendes "absolutes Verbot eines Preiswettbewerbs" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union handeln, weil darunter allein das Verbot der Werbung mit unmittelbar wirkenden Preisnachlässen fällt (vgl. BGH, GRUR 2023, 1318 [juris Rn. 64] - Gutscheinwerbung I). Dies hat der Senat für die Werbung mit einem Gewinnspiel bereits entschieden (BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 49 bis 56] - Gewinnspielwerbung II). Es ist nicht ersichtlich, dass für andere Werbegaben etwas anderes gelten sollte, die gleichfalls nicht allein zu einer unmittelbar wirkenden Preisermäßigung führen und deren Verbot dem Gesundheitsschutz dient, weil eine unsachliche Beeinflussung verhindert werden soll.
62d) Die Frage, ob die Gewährung betragsmäßig oder mit einer Prozentangabe bezeichneter Rabattgutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte (etwa: Rabattgutschein für den nächsten Einkauf beim Werbenden im Wert von 5 €; Gutschein über 10 % Rabatt bei einem Online-Marktplatz), bei denen es sich nach dem Vorstehenden gleichfalls um Sachzuwendungen handelt, dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG unterfällt, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Sie ist nach Auffassung des Senats, der sich bisher in dieser Frage nicht festgelegt hat (siehe Rechtsprechungsnachweise in BGH, GRUR 2023, 1318 [juris Rn. 35] - Gutscheinwerbung I), zu verneinen.
63aa) Teils wird angenommen, ein Geldrabatt im Sinne dieser Vorschrift sei allein ein solcher, der den Preis des beworbenen Heilmittels herabsetze (einen Geldrabatt im Falle eines Einkaufsgutscheins für einen Online-Marktplatz verneinend OLG Köln, WRP 2016, 1388; Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 6. Aufl., § 7 Rn. 282; Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst (vormals Zipfel/Rathke), Lebensmittelrecht, Stand: 192. Ergänzungslieferung [Stand März 2025], § 7 HWG Rn. 40; Wesser, A&R 2019, 109, 113 f.). Grund für die Zulassung von Geldrabatten sei die Annahme, dass bei der Werbung mit einer Preisermäßigung keine unsachliche Beeinflussung vorliege, weil die Preiswürdigkeit im Leistungswettbewerb ein maßgebliches Merkmal für die Verbraucherentscheidung darstelle. Damit seien allein Rabatte privilegiert, die sich auf den Preis des Produkts auswirkten. Andernfalls werde das grundsätzliche Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ausgehebelt, weil dann jede geldwerte Werbegabe als zulässiger Geldrabatt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gelten müsse (vgl. Wesser, A&R 2019, 109, 113 f.).
64bb) Nach anderer Auffassung sind auch auf einen Geldbetrag lautende Gutscheine für den Erwerb weiterer Produkte vom Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG umfasst (OLG Bamberg, WRP 2013, 1641; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 603c; Fritzsche in Spickhoff aaO § 7 HWG Rn. 24).
65cc) Nach Auffassung des Senats ist der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG dahin auszulegen, dass ihm allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte unterfallen.
66Eine Beschränkung des Ausnahmetatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG auf unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe, der verlangt, dass die Zuwendung oder Werbegabe "in einem (…) Geldbetrag (…) gewährt" wird. Diese Formulierung ist naheliegenderweise so zu verstehen, dass ein Geldbetrag ausgezahlt oder zumindest vom Rechnungsbetrag abgezogen wird. Dies ist bei einem Rabattgutschein für zukünftige Erwerbsvorgänge nicht der Fall. Vor allem aber entspricht dieses Verständnis in besonderer Weise dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG, im Zusammenhang mit dem Erwerb von Heilmitteln der auch nur abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten entgegenzuwirken. Zwar trifft es zu, dass ein Verbraucher über den Wert eines betragsmäßig bezeichneten Gutscheins für einen zukünftigen Einkauf im Bilde ist und deshalb keine Fehleinschätzung des Werts der Werbegabe droht (zu diesem Motiv der Privilegierung von Geldrabatten vgl. BGH, GRUR 2009, 1082 [juris Rn. 9 und 11] - DeguSmiles & more). Soweit durch einen solchen Rabattgutschein ein Anreiz für den Erwerb weiterer Heilmittel geschaffen wird, ist allerdings der weitere Schutzzweck des Heilmittelwerberechts berührt, einer unkritischen Selbstmedikation und einem womöglich gesundheitsgefährdenden Zuviel- und Fehlgebrauch von Heilmitteln entgegenzuwirken (zu diesem Schutzzweck vgl. BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 364 f.; Prütting/Mand aaO § 7 HWG Rn. 3). Durch die Zuordnung von Rabattgutscheinen für zukünftige Erwerbsvorgänge unter den Begriff der Zuwendung oder Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG, die nur als geringwertige Kleinigkeit zulässig sind, wird diesem weiteren Schutzzweck in besonderer Weise Rechnung getragen, weil von geringwertigen Rabattversprechen auch nur eine verminderte Anreizwirkung ausgeht. Mit Blick auf für den Heilmittelerwerb ausgelobte Rabattgutscheine für den Einkauf bei Anbietern anderer Waren vermindert diese Einordnung schon die Gefahr einer unsachlichen Motivation des Erstkaufs von Heilmitteln. Die Unsachlichkeit liegt darin, dass - im Gegensatz zu zulässigen Barrabatten - nicht mit der Herabsetzung des Preises für das gewünschte Heilmittel, sondern mit einem Vorteil beim Erwerb anderer Waren geworben wird, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Erwerb des Heilmittels steht (BGH, GRUR 2025, 1416 [juris Rn. 34] - PAYBACK; aA BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 603c bis 603e; Prütting/Mand aaO § 7 HWG Rn. 92; Deckers, MedR 2024, 110, 111; Reese, MPR 2024, 121, 129 f.).
67Die klare Abgrenzung zwischen Barrabatt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG und (sonstiger) Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG, die (auch in Form eines Rabattversprechens) nur als geringwertige Kleinigkeit zulässig ist, dient zugleich der Rechtssicherheit (vgl. BGH, GRUR 2023, 1318 [juris Rn. 37] - Gutscheinwerbung I).
68Soweit der Senat mit Blick auf eine unlautere Anlockwirkung im Sinne des § 1 UWG aF entschieden hat, dass die in Form eines Einkaufsgutscheins über 10 DM gewährte Vergünstigung sich der Sache nach als ein Preisnachlass beim Wareneinkauf darstellt und der verständige Verbraucher dies erkennt (, GRUR 2003, 1057 [juris Rn. 18] = WRP 2003, 1428 - Einkaufsgutschein), ist diese Bewertung auf das Heilmittelwerberecht, das - wie dargelegt - eine spezifische Schutzrichtung hat, nicht übertragbar.
69e) Danach ist nur ein Teil der hier in Rede stehenden Zuwendungen oder Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG zulässig, weil sie in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden.
70aa) Unzulässig sind die Zuwendungen oder Werbegaben, die Gegenstand der einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 90/13), vom (Az. 84 O 220/13) und vom (Az. 84 O 208/14) sind.
71(1) Bei der mit einstweiliger Verfügung vom (Az. 84 O 90/13) verbotenen Werbung mit einer Prämie für die Teilnahme am "Arzneimittel-Check" der Klägerin von mindestens 2,50 € und bis zu 20 € pro Rezept handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um die Auslobung eines bestimmten oder auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrags im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden jedenfalls solche Adressaten der Werbung, die am Erwerb von Medikamenten zur Behandlung schwerer chronischer Krankheiten interessiert sind, über die absolute Höhe oder die Berechnung der in Aussicht gestellten Prämie im Unklaren gelassen, weil lediglich eine Bandbreite möglicher Prämienhöhen angegeben ist, ohne die von der Klägerin vorgesehene Berechnungsmethode offenzulegen. Der Schutzzweck der Vorschrift ist berührt, weil mit der Möglichkeit, dass Adressaten der Werbung aufgrund der Angabe einer Bandbreite die Höhe der im Einzelfall gewährten Prämie überschätzen, die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten besteht.
72Diese Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist unionsrechtskonform. Zwar unterfällt die hier betroffene Werbemaßnahme nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht dem Begriff der Werbung für Arzneimittel im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG, weil Werbeaktionen für den Bezug (unbestimmter) verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen hiervon nicht erfasst werden (vgl. EuGH, GRUR 2025, 424 [juris Rn. 39 bis 42 und 81] - Apothekerkammer Nordrhein). Ein Verbot dieser Werbemaßnahme ist allerdings angesichts des ihr innewohnenden Potentials zur Irreführung von Verbrauchern mit Art. 34 AEUV und Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG vereinbar (vgl. EuGH, GRUR 2025, 424 [juris Rn. 61 bis 81] - Apothekerkammer Nordrhein).
73(2) Die mit einstweiliger Verfügung vom (Az. 84 O 220/13) verbotene Werbung ist ebenfalls vom Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG nicht erfasst. Dabei ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, ob eine Sachzuwendung - hier: Hotelgutschein oder beitragsfreie Jahresmitgliedschaft im ADAC - diesem Tatbestand auch dann nicht unterfällt, wenn ihr Wert in einem bestimmten Geldbetrag angegeben wird (dazu bereits Rn. 60). Denn in der Auslobung eines Rabattgutscheins für den neu geworbenen Kunden zwecks nachfolgenden Erwerbs rezeptfreier Produkte liegt keine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG erlaubte Werbegabe, weil keine unmittelbar wirkenden Preisnachlässe oder Zahlungen gewährt werden.
74Diese Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist unionsrechtskonform. Die hier betroffene Werbemaßnahme unterfällt mit Blick auf den dem neu geworbenen Kunden versprochenen Rabattgutschein für den nachfolgenden Erwerb rezeptfreier Produkte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Begriff der Werbung für Arzneimittel im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG, weil sie den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel fördert (vgl. EuGH, GRUR 2025, 424 [juris Rn. 43 bis 45 und 81] - Apothekerkammer Nordrhein). Diese Werbung kann entgegen Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zu einer unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel führen, so dass ihr Verbot dem mit dieser Vorschrift verfolgten wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht (vgl. EuGH, GRUR 2025, 424 [juris Rn. 82 bis 94] - Apothekerkammer Nordrhein).
75(3) Die mit einstweiliger Verfügung vom (Az. 84 O 208/14) verbotene Werbung mit einem 10 €-Gutschein bei Rezepteinreichung für eine nachfolgende Bestellung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie Gesundheits- und Pflegeprodukte ist ebenfalls keine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG erlaubte Werbegabe, weil keine unmittelbar wirkenden Preisnachlässe oder Zahlungen gewährt werden. Aus den soeben bereits ausgeführten Gründen (siehe Rn. 73 f.) ist auch dieses Verbot unionsrechtskonform.
76(4) In den vorgenannten Fällen besteht auch die für die Annahme einer Werbegabe erforderliche abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten. Diese teleologische Einschränkung des Begriffs der Werbegabe gilt nicht nur für die Fachkreiswerbung, sondern auch für die Publikumswerbung (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2020, 659 [juris Rn. 24] = WRP 2020, 722 - Gewinnspielwerbung I, mwN). Das Berufungsgericht hat sich dazu nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings bilden die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung durch den Senat. Im Streitfall besteht eine Gefahr der unsachlichen Beeinflussung, soweit - wie in den vorgenannten Fällen - mit auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautenden Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie Gesundheits- und Pflegeprodukte geworben wird. Hierdurch wird der Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG berührt, einer unkritischen Selbstmedikation und einem womöglich gesundheitsgefährdenden Zuviel- und Fehlgebrauch von Heilmitteln entgegenzuwirken (dazu bereits vorstehend Rn. 66).
77bb) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 256/13; Verbot eines als Fahrtkostenerstattung bezeichneten Rabatts in Höhe von 10 € bei Rezepteinsendung), und vom (Az. 81 O 82/15; Verbot einer Werbung mit einem Rabatt in Höhe von 5 € bei Rezeptbestellung) seien unter dem Gesichtspunkt des § 7 HWG von Anfang an ungerechtfertigt.
78(1) Es handelt sich in beiden Fällen um nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG zulässige Geldrabatte, die unmittelbar den Rechnungsbetrag der Bestellung reduzieren. Sie verstoßen zwar gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 2 HWG, weil sie entgegen den Preisvorschriften gewährt wurden, die seinerzeit aufgrund des Arzneimittelgesetzes galten. Die Werbung hatte verschreibungspflichtige Arzneimittel zum Gegenstand, die der Arzneimittelpreisbindung unterlagen. Durch die Gewährung eines den Rechnungsbetrag der Bestellung unmittelbar reduzierenden Geldrabatts wird gegen die Arzneimittelpreisbindung verstoßen. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass dieser Vorbehalt der Einhaltung der Arzneimittelpreisbindung gegenüber der Klägerin nicht angewendet werden darf (dazu bereits vorstehend Rn. 31 f.).
79(2) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, häufig werde ein nach Abzug der Zuzahlung verbleibender Restbetrag oder (bei Entfallen der Zuzahlung) der gesamte Rabattbetrag mit dem Preis weiterer Produkte aus dem Sortiment verrechnet, die innerhalb derselben Bestellung verkauft würden und bei denen es sich auch um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handeln könne. Die Revision kann mit diesem Argument schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie sich damit entgegen § 559 Abs. 1 ZPO auf erstmals in der Revisionsinstanz gehaltenen Sachvortrag stützt.
80VI. Für eine erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht keine Veranlassung (vgl. 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Soweit die Auffassung des Senats, das Verbot von Sachzuwendungen unterfalle nicht dem vom Gerichtshof der Europäischen Union geprägten Begriff des "absoluten Verbots eines Preiswettbewerbs" (dazu siehe Rn. 60), unionsrechtlich in Zweifel gezogen werden könnte, kommt es hierauf im Streitfall nicht an (dazu siehe Rn. 73).
81C. Danach ist das angegriffene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil ist zurückzuweisen, soweit darin die Klageanträge 1 und 2 hinsichtlich der einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 90/13), vom (Az. 84 O 220/13) und vom (Az. 84 O 208/14) abgewiesen worden sind, weil die Sache insoweit entscheidungsreif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Wegen der Entscheidung über die auf die einstweiligen Verfügungen vom (Az. 84 O 256/13) und vom (Az. 81 O 82/15) gestützten Klageanträge 1 und 2, sowie wegen der Kosten der Revision ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Odörfer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:061125UIZR182.22.0
Fundstelle(n):
YAAAK-03783