Suchen Barrierefrei
BGH Beschluss v. - 2 StR 481/25

Instanzenzug: Az: 103 KLs 14/20

Gründe

1Das Landgericht hat beide Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung verurteilt, gegen den Angeklagten E. eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten und gegen den Angeklagten I. unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt und gegen beide Angeklagte eine Einziehungsentscheidung getroffen. Weiter hat es festgestellt, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden sei. Eine darüber hinausgehende Kompensationsentscheidung hat es nicht getroffen. Die jeweils auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

21. Die Verfahrensrügen beider Angeklagten versagen aus den in den Zuschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Strafkammer die in der Gegenvorstellung der Angeklagten vom zum Ausdruck kommende Erweiterung ihres ursprünglichen Beweisantrags vom rechtsfehlerfrei durch Beschluss vom unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat.

32. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung der Schuld- und Strafaussprüche sowie der Einziehungsentscheidung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Hingegen hält die von der Strafkammer als ausreichend erachtete Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zur Kompensation des rechtsfehlerfrei festgestellten Verzögerungszeitraums von drei Jahren und elf Monaten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass die Strafkammer den Maßstab für die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung verfehlt hat, indem sie davon ausgegangen ist, es bedürfe „keiner weitergehenden Kompensation als derjenigen, dass die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt wird, wenn der Angeklagte während der Verfahrensverzögerung nicht inhaftiert und auch sonst keine besondere Belastung erkennbar ist ()“.

4a) Nach ständiger Rechtsprechung lassen sich allgemeine Kriterien für die Festsetzung der Kompensation nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkung all dessen auf den Angeklagten. Dabei ist im Auge zu behalten, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundene Belastung des Angeklagten bereits mildernd in die Strafzumessung einzufließen hat und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom – 2 BvR 2819/11, Rn. 4; BGH, Beschlüsse vom – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146 f.; vom – 2 StR 48/15, StV 2015, 557 Rn. 15, und vom – 1 StR 79/15, BGHSt 61, 43, 46 f.). Bei nicht inhaftierten Angeklagten kann es ausreichen, den Konventionsverstoß festzustellen und erforderlichenfalls die Dauer der Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung nach § 46 StGB zu berücksichtigen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 551/11, NStZ 2012, 470 [bei Verhängung einer Gesamtgeldstrafe in Steuerstrafsachen]; vom – 1 StR 218/12, NStZ 2012, 653, 654 [bei einer Verzögerung von sechs Monaten], und vom – 3 StR 506/22, Rn. 7 [bei einer Verzögerung von dreizehn Monaten]). Dabei ist stets eine Betrachtung des Einzelfalls erforderlich.

5b) Dem wird die Kompensationsentscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Die von der Strafkammer angestellte generalisierende Betrachtung, wonach es „keiner weitergehenden Kompensation“ bedürfe, „wenn der Angeklagte während der Verfahrensverzögerung nicht inhaftiert und auch sonst keine besondere Belastung erkennbar“ sei, genügt den aufgezeigten Maßstäben nicht. Der von der Strafkammer zitierten Entscheidung des ) ist die von der Strafkammer zur Anwendung gebrachte abstrakte Betrachtung auch nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt die dortige Bezugnahme auf einen , NStZ 2009, 287), dass auch der 1. Strafsenat in seiner Entscheidung vom die erforderliche Einzelfallbetrachtung vorgenommen hat.

6c) Um jegliche Benachteiligung der Angeklagten auszuschließen und um eine weitere Verzögerung des seit August 2019 mit Kenntnis der Angeklagten laufenden Verfahrens zu vermeiden, setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO fest, dass vier Monate Freiheitsstrafe von der gegen den Angeklagten E. verhängten Freiheitsstrafe und von der gegen den Angeklagten I. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten (vgl. , Rn. 3).

73. Der geringe Erfolg der Revisionen lässt es nicht unbillig erscheinen, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Menges                            Meyberg                            Grube

                    Schmidt                        Zimmermann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:211025B2STR481.25.0

Fundstelle(n):
EAAAK-03781