Tatbestand
1Die Beteiligten streiten in der Sache über den Vergütungsanspruch für eine stationäre Krankenhausbehandlung bei Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen aus einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA).
2Das klagende Universitätsklinikum behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Patientin (nachfolgend Versicherte) vom 11. bis stationär und führte dabei am eine geplante Mitraclip-Implantation durch. Für die Behandlung berechnete die Klägerin der Beklagten im Januar 2016 33 150,72 Euro (gemindert um 80 Euro Selbstbeteiligung der Versicherten) auf der Grundlage der Fallpauschale F98C. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, forderte mit Schreiben vom jedoch die Rückzahlung der gesamten Vergütung iHv 33 230,72 Euro (inklusive der Selbstbeteiligung der Versicherten). Bei der Klägerin habe es nach dem Ergebnis einer Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) an der permanenten Präsenz eines Operationsdienstes mit herzchirurgischer Erfahrung in der Zeit vom bis zum gefehlt. Dies sei nach der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß § 137 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen/MHI-RL)" eine zwingende strukturelle Voraussetzung für die durchgeführte Mitraclip-Implantation. Am rechnete die Beklagte den geforderten Betrag mit unstrittigen Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen auf.
3Das SG hat die auf Vergütung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und der Klage stattgegeben. Selbst wenn eine in der MHI-RL geforderte permanente Präsenz eines Operationsdienstes mit herzchirurgischer Erfahrung nicht bestanden hätte, hätte das den Vergütungsanspruch der Klägerin aber nicht entfallen lassen. Einem einschränkungslosen Automatismus zwischen Nichterfüllung von Anforderungen aus Qualitätssicherungsrichtlinien und einem Vergütungsausschluss stehe § 137 Abs 1 SGB V in der ab dem geltenden Fassung entgegen. Danach sei eine Bestimmung des GBA in der MHI-RL erforderlich, nach der bei einem Verstoß gegen die dort normierten Qualitätsanforderungen der Vergütungsanspruch entfalle. Daran fehle es (Urteil vom ).
4Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1, § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V. Es handele sich bei den in der MHI-RL geregelten Vorgaben um Mindestvoraussetzungen, die das Krankenhaus überhaupt erst zur Erbringung der entsprechenden Behandlung berechtigten. Behandele ein Krankenhaus unter Verstoß gegen die MHI-RL, könne dies nach der Rechtsprechung des Senats (so zur Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma <QBAA-RL> - SozR 4-2500 § 137 Nr 7) nur den Vergütungsausschluss zur Folge haben. Diese Rechtsprechung wiederum sei durch die gesetzliche Neufassung des § 137 SGB V zum dahingehend bestätigt worden, dass der Vergütungswegfall für eine unter Verstoß gegen Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V erbrachte Leistung die adäquate Folge sei. In § 5 Abs 2 Nr 1 der "Richtlinie zur Förderung der Qualität und zu Folgen der Nichteinhaltung sowie zur Durchsetzung von Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Absatz 1 SGB V (Qualitätsförderungs- und Durchsetzungs-Richtlinie/QFD-RL)" habe der GBA zudem die zwingende Folge eines Vergütungswegfalls rahmenrechtlich normiert.
5Die Beklagte hat die Revision im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zurückgenommen, als das LSG sie auch zur Zahlung von 80 Euro nebst Zinsen seit dem verurteilt hat. Sie hat erklärt, aus der Aufrechnung der von der Versicherten an die Klägerin geleisteten Zuzahlung nicht länger einen Erfüllungseinwand im Hinblick auf die streitigen Hauptforderungen herzuleiten.
8Ein Vergütungswegfall bei Nichteinhaltung von Anforderungen sei als Rechtsfolge in der MHI-RL nicht geregelt. Im Übrigen seien während der Behandlung der Versicherten jedenfalls für den Zeitraum der postoperativen Überwachung auf der Intensivstation alle Qualitätsvoraussetzungen nach der MHI-RL erfüllt gewesen. Das Vorhalten eines zusätzlichen OP-Präsenzdienstes auch an einzelnen Wochenendtagen habe für die Behandlungsqualität in diesem Behandlungsfall keinerlei Auswirkungen gehabt.
Gründe
9Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
10Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl zB KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; - BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; - BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 8). Der Senat kann jedoch auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die mit der Klage geltend gemachten, nach Grund und Höhe nicht bestrittenen Vergütungsansprüche aus der Behandlung anderer Versicherter der Beklagten durch Aufrechnung mit einem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch iHv 33 150,72 Euro erloschen sind (vgl zur Zugrundelegung von Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise - juris RdNr 11 mwN; stRspr; vgl zur Aufrechnung - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 und - B 1 KR 7/16 R - SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Über die Wirksamkeit der Aufrechnung mit der von der Versicherten geleisteten und vom Krankenhaus vereinnahmten Zuzahlung nach § 39 Abs 4 Satz 1, § 43c Abs 3 Satz 1 SGB V iHv 80 Euro bedarf es keiner Entscheidung mehr, weil die Beklagte die Revision insoweit zurückgenommen hat.
11Der Beklagten stand ein Erstattungsanspruch nur zu, wenn die Klägerin infolge eines Verstoßes gegen das allgemeine Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) keinen Anspruch auf Vergütung für die Behandlung der Versicherten hatte. Die Richtlinien des GBA über die Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 13 SGB V (Qualitätssicherungs-RL) - wie die hier maßgebliche MHI-RL - enthalten einen vom GBA konkretisierten Qualitätsmaßstab, der über das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hinausgehende Anforderungen stellen kann (dazu 1.). Ein Erstattungsanspruch der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus einem Verstoß gegen Anforderungen aus der MHI-RL (dazu 2.). Ob das Krankenhaus bei der durchgeführten Mitraclip-Implantation gegen das allgemeine Qualitätsgebot verstoßen hat und deshalb mangels Vergütungsanspruchs ein Erstattungsanspruch der Beklagten bestand, bedarf weiterer Feststellungen (dazu 3.).
121. Der GBA ist befugt, in den Qualitätssicherungs-RL auch Anforderungen an die Leistungserbringung festzulegen, zu denen es (noch) keinen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gibt und die deshalb über das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hinausgehen. § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 Satz 1, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 13 SGB V ermächtigen den GBA zum Erlass von Richtlinien, mit denen er Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen bestimmt und auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festlegt (Qualitätssicherungs-RL). Ihre grundlegende Fundierung haben diese Qualitätssicherungs-RL im allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V (vgl - juris RdNr 60, vorgesehen für BSGE und SozR). Danach dürfen nur Leistungen erbracht werden, die in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das betrifft sowohl das "Ob" der Leistungserbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als auch die Bedingungen der Leistungserbringung. Das Qualitätsgebot markiert eine grundsätzlich unverzichtbare (gesetzliche Ausnahmen etwa in § 2 Abs 1a und § 137c Abs 1 SGB V - Potentialmaßstab, vgl zu letzterer - BSGE 132, 67 = SozR 4-2500 § 137c Nr 15, RdNr 22 ff) Mindestvoraussetzung für die Leistungspflicht der GKV und damit für die Leistungserbringung zu Lasten der GKV.
13Krankenhäuser haben daher grundsätzlich nur einen Anspruch auf Vergütung für Behandlungen, die im Sinne des allgemeinen Qualitäts- und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V) geeignet und erforderlich sind (dazu a). Der GBA ist befugt, Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen sowie Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung dieser Anforderungen festzulegen (dazu b). Der GBA hat in grundsätzlicher Weise ein gestuftes System von Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen festzulegen, welches für die Anforderungen aus den themenspezifischen Richtlinien und Beschlüssen zu konkretisieren ist (dazu c). In den Qualitätssicherungs-RL kann der GBA nach Validität der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach Notwendigkeit abgestufte Anforderungen an die Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen vorsehen, die über die aus dem allgemeinen Qualitätsgebot unmittelbar ableitbaren Anforderungen hinausgehen (dazu d). Soweit kein Verstoß gegen das allgemeine Qualitätsgebot vorliegt, hat die Nichteinhaltung von Qualitätsvorgaben einer Qualitätssicherungs-RL nur dann vergütungsrechtliche Folgen, wenn der GBA in dieser Richtlinie eine entsprechende Rechtsfolge vorgesehen hat. Der Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest (dazu e).
14a) Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses setzt voraus, dass die durchgeführte Behandlung iS von § 39 SGB V erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Behandlung dem Qualitätsgebot als allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz SGB V) entspricht sowie in Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (vgl - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 9; - BSGE 134, 142 = SozR 4-2500 § 15 Nr 4, RdNr 15). Das allgemeine Qualitätsgebot stellt auch Anforderungen an die strukturellen und prozeduralen Voraussetzungen der Leistungserbringung. Dies ergibt sich allgemein auch aus § 135a Abs 1 Satz 2 SGB V. Danach müssen nicht nur die Leistungen als solche dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, sondern sie müssen auch in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden (vgl - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 12). Werden bestimmte strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen Erkenntnisse befürwortet, so sind diese vom Krankenhaus auch ohne eine entsprechende Vorgabe des GBA zu beachten (vgl BSG, aaO, RdNr 15). Im Falle eines Verstoßes gegen die sich aus dem allgemeinen Qualitätsgebot ergebenden Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität entspricht die Krankenhausbehandlung nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben der § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 Satz 3, Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V. Sie ist damit insgesamt unwirtschaftlich und nicht zu vergüten (vgl - BSGE 134, 142 = SozR 4-2500 § 15 Nr 4, RdNr 16).
15b) Dem GBA sind umfassende Regelungsbefugnisse in Bezug auf die Qualitätssicherung eingeräumt. Er ist nach der Grundnorm des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (in der hier maßgeblichen, ab geltenden Fassung des Art 6 Nr 15, Art 9 Abs 1 des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung <Krankenhausstrukturgesetz - KHSG> vom , BGBl I 2229) ermächtigt, in Qualitätssicherungs-RL für die Leistungserbringer verbindliche (§ 91 Abs 6 SGB V) Kriterien für die Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen zu bestimmen und Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen. Dazu hat er auch die erforderlichen Durchführungsbestimmungen zu erlassen (§ 136 Abs 1 Satz 2 SGB V).
16Schon nach der bis geltenden, mit § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V fast wortgleichen Fassung des § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF bestimmte der GBA Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen; dabei waren auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen. Ferner war er nach § 137 Abs 1 Satz 2 SGB V aF neben dem Erlass von Durchführungsbestimmungen auch ermächtigt, Grundsätze für Konsequenzen, insbesondere für Vergütungsabschläge, für Leistungserbringer zu erlassen, die ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten. Das schloss nach der Rechtsprechung des Senats die Befugnis des GBA ein, zugelassene Krankenhäuser im Hinblick auf bestimmte Krankheiten und Prozeduren von der Versorgung sämtlicher Patienten auszuschließen, wenn sie vom GBA für unverzichtbar angesehene - zwingende - Qualitätssicherungsanforderungen nicht erfüllten ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 17 iVm RdNr 12). Diese Rechtsfolge ergab sich nach der Rechtsprechung des Senats aus dem Regelungssystem und -zweck des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots iVm § 137 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V aF und einer Regelung in der dort maßgeblichen Qualitätssicherungs-RL (BSG, aaO, RdNr 11 f, 17 bis 21; siehe dazu auch unten RdNr 34), soweit der GBA zu Recht von einer zwingenden Qualitätssicherungsanforderung ausgegangen war (BSG, aaO, RdNr 16). Einer darüber hinausgehenden, gesonderten Sanktionsregelung bedurfte es nicht.
17Mit der Neustrukturierung der Regelungen zur Qualitätssicherung durch das KHSG zum wurde die Befugnis des GBA zur Regelung von Rechtsfolgen in § 137 Abs 1 SGB V eigenständig und differenzierter geregelt. Der Gesetzgeber sah im Interesse des Patientenschutzes ein Bedürfnis nach klaren Regelungen zur Durchsetzung insbesondere der Strukturvorgaben des GBA und hat mit § 137 Abs 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung des Art 6 Nr 15 KHSG) die Ermächtigung des GBA zur Regelung von Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen klargestellt (BT-Drucks 18/5372 S 92). Ein effizienter Nutzen der Qualitätssicherungsinstrumente steht und fällt mit den Sanktionsmöglichkeiten (vgl - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 22). Die vom GBA bestimmten Qualitätsvorgaben (§ 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V) werden dementsprechend erst voll wirksam, wenn er auch Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Vorgaben normiert. Die dem GBA zugewiesene Regelung von Durchsetzungsmaßnahmen nach § 137 Abs 1 Satz 1 SGB V knüpft an dessen schon vor dem bestehende Ermächtigung (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V aF) an und konkretisiert diese in den Sätzen 2 und 3 unter Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Satz 4.
18c) § 137 Abs 1 SGB V enthält zwei Regelungsaufträge an den GBA: Er soll unter Einräumung eines weiten Gestaltungsspielraums ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c SGB V in grundsätzlicher Weise festlegen (dazu aa) und die in diesem System getroffenen Festlegungen in den einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen konkretisieren (dazu bb). Dabei ist das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten (dazu cc).
20Das gestufte System der Rechtsfolgen einschließlich der für die Durchsetzung der Rechtsfolgen zuständigen Stellen ist nach § 137 Abs 1 Satz 5 SGB V in grundsätzlicher Weise festzulegen. Mit der grundsätzlichen Festlegung der Rechtsfolgen für Verstöße gegen Qualitätsvorgaben des GBA verband der Gesetzgeber die Erwartung, dass damit Transparenz und Rechtssicherheit gestärkt werden (BT-Drucks 18/5372 S 93). Dem Gestaltungsspielraum des GBA sind bei der Ausgestaltung des Systems mit § 137 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB V nur wenige Grenzen gesetzt. Er hat zwischen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Durchsetzungsmaßnahmen zu unterscheiden (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V). Durchsetzungsmaßnahmen sind auf wesentliche Qualitätsverstöße beschränkt und verhältnismäßig anzuwenden (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V), wobei die in Betracht kommenden Durchsetzungsmaßnahmen nur beispielhaft genannt sind (§ 137 Abs 1 Satz 3 SGB V). Der Vergütungswegfall ist in dieser beispielhaften Aufzählung nur im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V genannt.
21Dem Regelungsauftrag zur grundsätzlichen Festlegung eines gestuften Rechtsfolgensystems ist der GBA mit der zum in Kraft getretenen QFD-RL nachgekommen (BAnz AT B1).
22bb) Nach § 137 Abs 1 Satz 6 SGB V sind die grundsätzlichen Festlegungen des gestuften Rechtsfolgensystems (§ 137 Abs 1 Satz 5 SGB V) vom GBA in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Die Notwendigkeit der Konkretisierung schließt die unmittelbare Geltung der in der QFD-RL in grundsätzlicher Weise festgelegten Rechtsfolgen gegenüber den Leistungserbringern aus. Durchsetzungsmaßnahmen nach §§ 3, 5 QFD-RL bedürfen der Umsetzung in den Qualitätssicherungs-RL nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (so auch ausdrücklich § 2 Abs 5 Satz 1 QFD-RL). Den dort geregelten Qualitätsanforderungen sind jeweils die anzuwendenden, in der QFD-RL abstrakt beschriebenen Durchsetzungsmaßnahmen zuzuordnen. Dabei ist in den themenbezogenen Festlegungen in Bezug auf unterschiedlich schwere Verstöße gegen Qualitätsanforderungen das gestufte Vorgehen nach § 137 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V zu beachten (BT-Drucks 18/5372 S 93).
23cc) Auch die Umsetzung der in der QFD-RL abstrakt beschriebenen Maßnahmen in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL hat unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zu erfolgen. Die Maßnahmen des vom GBA festzulegenden gestuften Rechtsfolgensystems sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V).
24Der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass staatliches Handeln zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen bzw verhältnismäßig im engeren Sinne ist (vgl ua - BVerfGE 65, 1, 44 und 54 = juris RdNr 151 und 175; - BVerfGE 117, 163, 182 = juris RdNr 60). Vorbedingung der von § 137 Abs 1 Satz 4 SGB V geforderten verhältnismäßigen Gestaltung und Anwendung von Rechtsfolgen ist daher die Klärung, welchem Zweck die in Richtlinien und Beschlüssen des GBA festgelegten Qualitätsanforderungen jeweils dienen. In Betracht kommen neben der Erhöhung der Patientensicherheit durch risikomindernde Vorgaben auch die mit der angestrebten Verbesserung der Ergebnisqualität verbundene Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Die vom GBA vorzunehmende, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einem Stufensystem (§ 137 Abs 1 Satz 1 SGB V) konkretisierende Rechtsfolgenbewertung ist durch vier Vorgaben in § 137 Abs 1 Satz 2 bis 4 und 7 SGB V vorgezeichnet. Die Maßnahmen müssen bei Nichteinhaltung der Schwere des Verstoßes angemessen sein. Für nicht wesentliche Qualitätsanforderungen, bei denen aber auch Beratung und Unterstützung angezeigt sind, sind keine sanktionierenden Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen, für wesentliche Qualitätsanforderungen hingegen schon (Satz 2). Bei den - insbesondere - aufgezählten sanktionierenden Maßnahmen ist der Wegfall des Vergütungsanspruchs nur für die Nichteinhaltung von Mindestanforderungen vorgesehen, nicht aber für sämtliche wesentlichen Qualitätsanforderungen (Satz 3). Sämtliche Maßnahmen, auch die Anordnung des Vergütungswegfalls, sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden (Satz 4). Für schwere oder wiederholte Verstöße darf der GBA von dem gestuften Verfahren abweichende Regelungen vorsehen (Satz 7).
25Daraus ergibt sich für die nach § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V vorgesehene Rechtsfolge des Vergütungswegfalls für einen Verstoß gegen eine vom GBA festgesetzte Mindestanforderung, dass diese zwar eine zulässige und im Regelfall gebotene, aber nicht grundsätzlich zwingende Rechtsfolge ist (so auch Penner/Büscher, GuP 2016, 121, 124 "nur die Möglichkeit"; Deister, MedR 2024, 383, 384). Auch hinsichtlich der Mindestanforderungen ist § 137 Abs 1 SGB V kein Automatismus zwischen der Nichteinhaltung und dem Wegfall des Vergütungsanspruchs zu entnehmen. Dem GBA ist insbesondere bei der Umsetzung des gestuften Systems in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL die Abwägung zugewiesen, ob der Vergütungswegfall für die Nichteinhaltung der konkreten Mindestanforderung die zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignete, erforderliche, angemessene und im engeren Sinne verhältnismäßige Rechtsfolge ist (siehe dazu auch unten RdNr 36 ff). Das erfordert bereits bei der Festlegung der Qualitätsanforderung als Mindestanforderung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V eine klare Vorstellung über den Zweck und die Grundlage der Mindestanforderung, etwa welchen Risiken mit der Qualitätsvorgabe vorgebeugt werden soll und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts und den Möglichkeiten der Vorbeugung bestehen (näher dazu unten RdNr 28; ähnlich Heberlein in BeckOK, Stand , § 137 SGB V RdNr 8; kritisch zur unterschiedslosen Festlegung von über 50 Mindestanforderungen in der MHI-RL auch Deister, MedR 2024, 383, 385).
26d) Der GBA ist bei der Festlegung von Qualitätskriterien und qualitätssichernden Anforderungen nicht auf eine nur deklaratorisch wirkende Festlegung derjenigen Anforderungen beschränkt, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Er ist befugt, in Qualitätssicherungs-RL Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Leistungen festzulegen, die über das zur Einhaltung des allgemeinen Qualitätsgebots Erforderliche hinausgehen. Anders ist das mit den Regelungen des GBA zur Qualitätssicherung angestrebte Ziel der Risikovorsorge und -minimierung nicht erreichbar (dazu aa). Die Befugnis zur Regelung von nach Validität der medizinischen Erkenntnisse und nach Notwendigkeit abgestuften Qualitätsanforderungen ist in der Systematik der § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 SGB V angelegt (dazu bb).
27aa) Auch bei Fundierung der Richtlinien im allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) ist der dortige Maßstab des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, der im Regelfall wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über den Zusammenhang zwischen qualitätssichernden Vorgaben und dem Ergebnis einer Behandlung verlangt, nicht als starrer Rahmen unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz zu verstehen (vgl zur Methodenbewertung - BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21). Die zum Zweck der Risikovorsorge und -minimierung im SGB V angelegten Regelungsbefugnisse des GBA im Bereich der Qualitätssicherung (zum Präventionszweck der Qualitätssicherungs-RL siehe auch Deister, Qualitätssicherung im Krankenhaus, 2018, S 51, 198 ff; zur Risikominimierung im Zusammenhang mit Mindestmengen-Regelungen - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 46; - BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 38 ff) wären erheblich eingeschränkt, wenn er mit den festzulegenden Qualitätsvorgaben nur den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abbilden dürfte. Wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu den Risiken medizinischer Leistungen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Vorbeugung im Sinne des Schutzes der Patienten vor vermeidbaren Risiken sind in unterschiedlichem Umfang verfügbar (zu den Schwierigkeiten vgl Roters, GesR 2012, 604, 608; siehe auch - juris RdNr 58 ff, für BSGE und SozR vorgesehen, zum Fehlen von Evidenz zu Personalvorgaben für stationäre psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen), ganz besonders im Bereich nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V schon anerkannter, aber insbesondere mit Blick auf die Prozessqualität gleichwohl noch neuer Methoden. Erst recht gilt dies für den Bereich der Potentialleistungen nach § 137c Abs 3 SGB V. Bekannten oder zu erwartenden Risiken diagnostischer oder therapeutischer Leistungen könnte nicht begegnet werden, soweit den festzulegenden Maßnahmen evidenzbasierte Belege für ihre Wirksamkeit fehlen. Die Befugnis zur Regelung anderer, sich nicht schon allein aus dem allgemeinen Qualitätsgebot evidenzbasiert zwingend ergebenden Anforderungen entspricht dem präventiven Gedanken der Qualitätssicherung und kommt mit der Differenzierung der Qualitätsanforderungen und Rechtsfolgen in § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 Satz 2 SGB V auch deutlich zum Ausdruck (vgl auch Heberlein, GuP 2019, 167, 171; Deister in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 5/2021, § 136 RdNr 9).
28bb) Die nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V festzulegenden Qualitätsanforderungen und die nach § 137 Abs 1 SGB V als gestuftes System zu regelnden Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen sind aufeinander bezogen. Die in § 137 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V beispielhaft genannten Rechtsfolgen gehen - wie oben dargelegt - von dreistufig angelegten Anforderungen an die Prozess- und Strukturqualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen aus: Für einfache, etwa allein der Qualitätsverbesserung dienende Anforderungen sind Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung vorgesehen. Die in § 137 Abs 1 Satz 3 SGB V beispielhaft genannten Durchsetzungsmaßnahmen setzen einen Verstoß gegen wesentliche Qualitätsanforderungen voraus. Hinsichtlich der Durchsetzungsmaßnahme ist zu unterscheiden zwischen den Verstößen gegen (nur) wesentliche Qualitätsanforderungen und der in § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V genannten Nichterfüllung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V.
29Spiegelbildlich dazu ist in § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V eine Abstufung nach "Kriterien" für die Qualität der durchgeführten Leistungen und nach "Mindestanforderungen" an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität angelegt (so auch schon § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF). Mindestanforderungen sind diejenigen Vorgaben, die nach der Beurteilung des GBA unverzichtbar sind, um eine Versorgung im Einklang mit dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) zu gewährleisten (vgl - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 11, 14, 17 <Bauchaortenaneurysma>; - juris RdNr 98, für BSGE und SozR vorgesehen).
30Auch die Festlegung der Mindestanforderungen ist nicht auf die nur deklaratorisch wirkende Festlegung der sich ohnehin aus dem Qualitätsgebot ergebenden, dem wissenschaftlich allgemein anerkannten Stand entsprechenden Vorgaben beschränkt. Bei Nichteinhaltung der vom GBA festgelegten Mindestanforderungen sieht § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V aber den Wegfall des Vergütungsanspruchs als grundsätzlich verhältnismäßige Rechtsfolge vor (dazu oben RdNr 25). Das setzt voraus, dass der Vergütungsanspruch grundsätzlich entsteht, die Behandlung also im Einklang mit dem allgemeinen Qualitätsgebot erfolgt. Denn für Behandlungen, die nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und damit gegen das allgemeine Qualitätsgebot verstoßen, entsteht nach der Rechtsprechung des Senats kein Vergütungsanspruch (siehe oben RdNr 14), sodass es der ausdrücklichen Regelung dieser Rechtsfolge nicht bedurft hätte.
31Dieses Regelungssystem zeigt, dass die vom GBA zu regelnden Qualitätsanforderungen über das nach dem allgemeinen Qualitätsgebot Erforderliche hinausgehen sollen. Sofern die Ermächtigungsgrundlage keine strengeren Anforderungen vorsieht (etwa für die Festlegung von Mindestmengen nach § 136b Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 3 SGB V <§ 137 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB V aF> vgl - SozR 4-2500 § 137 Nr 6, RdNr 28 ff), sind auch weiterhin Qualitätsanforderungen zulässig, zu denen es einen gesicherten medizinischen Erkenntnisstand (noch) nicht gibt, für deren Notwendigkeit aber etwa im Hinblick auf die Sicherheit oder die Wirksamkeit der Behandlung (Verbesserung der Ergebnisqualität) plausible Daten zugrunde gelegt werden können (zur Plausibilität der Anforderungen vgl Wenner, GuP 2013, 41, 48; zur Nachvollziehbarkeit als Willkürfreiheit Roters, GesR 2012, 604, 607). Mit solchen Anforderungen darf auch auf eine prognostizierbare schrittweise Verbesserung der Qualität hingewirkt werden (so bereits zu den Mindestvorgaben nach § 136a Abs 2 Satz 2 ff SGB V - juris RdNr 62, für BSGE und SozR vorgesehen). Der GBA hat aber die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, bestehende Risiken der diagnostischen oder therapeutischen Leistungen für die Patienten und valide Erkenntnisse zur Minimierung dieser Risiken oder zur Verbesserung der Ergebnisqualität der Leistungen einzubeziehen. Er hat abzuwägen, ob Vorgaben danach für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung aus medizinischen Gründen unverzichtbar oder nur aus gesundheitspolitischen Erwägungen geboten oder jedenfalls erwünscht sind (vgl Hasselbach/Reinhold, KH 2023, 140, 142).
32Die von § 137 Abs 1 Satz 4 SGB V vorgegebene verhältnismäßige Gestaltung und Anwendung der Durchsetzungsmaßnahmen erfordert es auch, den der Qualitätsanforderung zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand bei der Festlegung der Rechtsfolgen der Nichteinhaltung zu berücksichtigen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann ein Absehen von der Rechtsfolge des regelhaften Vergütungswegfalls als Folge der Nichteinhaltung von Mindestanforderungen insbesondere dann geboten sein, wenn festgesetzte Anforderungen auf einem niedrigen Evidenzgrad oder auf nur empirisch tragfähigen oder sonst plausiblen Annahmen beruhen. Je schwächer die Erkenntnisgrundlage ist, desto weniger belastend dürfen die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Anforderungen sein (so bereits - juris RdNr 105, für BSGE und SozR vorgesehen).
33e) Der Senat hält aufgrund dieser aufgezeigten Gesetzesänderung mit ihrem differenzierten Regelungssystem an seiner Rechtsprechung zum Nichtentstehen des Vergütungsanspruchs nach der Rechtslage bis nicht fest. Der Vergütungswegfall ist bei Nichteinhaltung von zwingenden Mindestanforderungen (auch als "zwingende Qualitätsvorgaben" bezeichnet; - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 12 und 14) nicht länger die zwangsläufige, sondern nur noch die regelmäßige und zudem vom GBA erst noch anzuordnende Rechtsfolge.
34Nach der Rechtsprechung zur Rechtslage bis war eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter wegen Verstoßes gegen das Qualitätsgebot und das Wirtschaftlichkeitsgebot im Rechtssinne nicht "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür nie eine Vergütung beanspruchen konnte ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 10 ff; - SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 13; kritisch dazu ua Kuhla, NZS 2015, 561 ff; Bielitz, NZS 2015, 606 ff; Felix, SGb 2017, 259, 261). Als zwingende normative Vorgabe hat der Senat dabei den vom GBA in den Qualitätssicherungs-RL angeordneten Ausschluss zugelassener Krankenhäuser von der Versorgung sämtlicher Patienten im Hinblick auf bestimmte Krankheiten und Prozeduren angesehen, die vom GBA für unverzichtbar angesehene Qualitätssicherungsanforderungen nicht erfüllen ( aaO, RdNr 17). Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung von § 137 Abs 1 SGB V zwar ausdrücklich auf diese Rechtsprechung des Senats Bezug genommen (BT-Drucks 18/5372 S 92), sie aber bei Einräumung eines Gestaltungsspielraums (BT-Drucks 18/5372 S 92) unter Betonung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V) nicht in vollem Umfang übernehmen wollen. Er hat von dem mit der bisherigen Senatsrechtsprechung verbundenen Automatismus zwischen Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen und Entfallen des Vergütungsanspruchs erkennbar Abstand genommen (so schon ua Penner/Büscher, GuP 2016, 121, 124 f; Gerlach, NZS 2019, 724, 730, Deister/Felix, MedR 2024, 307, 311). Das zeigt sich insbesondere an der geforderten Differenzierung der Rechtsfolgen nach Art und Schwere des Verstoßes (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V) und der ausdrücklich dem GBA zugewiesenen Regelung sowohl eines grundsätzlich gestuften Rechtsfolgensystems als auch der Umsetzung dieses Systems durch Anordnung von Rechtsfolgen in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL (§ 137 Abs 1 Satz 1, 5, 6 SGB V). Dies steht einer unveränderten Fortführung der bisherigen Rechtsprechung für die Rechtslage ab entgegen (vgl bereits - juris RdNr 102, für BSGE und SozR vorgesehen).
35Durchsetzungsmaßnahmen wie Vergütungsabschläge oder der Wegfall des Vergütungsanspruchs bedürfen daher auch für die Nichteinhaltung von Mindestanforderungen iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V ab der Regelung des GBA, soweit sie nicht bereits nach dem evidenzbasierten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) zwingend einzuhalten sind. Der GBA muss die Durchsetzungsmaßnahme sowohl grundsätzlich als Teil des gestuften Systems als auch konkret in der Qualitätssicherungs-RL für die nichteingehaltene Qualitätsanforderung vorgesehen haben.
362. Allein aus einem Verstoß gegen die Vorgaben der MHI-RL (dazu a) ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nicht zu begründen. Selbst wenn das Krankenhaus der Klägerin bei der Behandlung der Versicherten im Jahr 2016 einzelne dieser Anforderungen nicht eingehalten haben sollte, fehlt es an einer im Jahr 2016 geltenden, den Vergütungswegfall zwingend anordnenden Rechtsfolgenregelung. Die Rechtsfolge des Vergütungswegfalls ergibt sich nicht unmittelbar aus § 137 Abs 1 SGB V (siehe dazu oben RdNr 22). Es fehlte an Regelungen des GBA zur Festlegung des nach § 137 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V erforderlichen gestuften Systems von Rechtsfolgen (dazu b) und zu der nach § 137 Abs 1 Satz 6 SGB V erforderlichen Bestimmung von Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die in der MHI-RL enthaltenen Qualitätsanforderungen (dazu c). Der Vergütungsanspruch der Klägerin würde auch nicht nach der noch am geltenden Rechtslage und der darauf beruhenden Rechtsprechung des Senats an der Nichteinhaltung von Anforderungen der MHI-RL scheitern (dazu d).
37a) Es kann dahinstehen, ob im Krankenhaus der Klägerin nach § 5 Abs 10 MHI-RL (in der Fassung des Beschlusses vom , in Kraft ab , BAnz AT B6) bei Fehlen einer herzchirurgischen Abteilung die permanente Präsenz eines Operationsteams mit herzchirurgischer Erfahrung auch für Clipverfahren an der Mitralklappe erforderlich war und ob diese vorgehalten wurde. Ebenso kann dahinstehen, ob im Krankenhaus der Klägerin die weiteren strukturellen sowie personellen und fachlichen Anforderungen nach §§ 4, 5 MHI-RL erfüllt waren.
38b) Dem Auftrag zur Regelung eines gestuften Systems von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen in grundsätzlicher Weise (§ 137 Abs 1 Satz 1 bis 5 SGB V) ist der GBA mit der zum in Kraft getretenen QFD-RL (BAnz AT B1) nachgekommen. Damit fehlte es zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Behandlung im Januar 2016 noch an einer grundsätzlichen Regelung eines Systems von Rechtsfolgen (§ 137 Abs 1 Satz 1, 5 SGB V).
39Aufgrund des Inkrafttretens erst im Jahr 2019 kann hier offenbleiben, ob die fehlende unmittelbare Wirkung der in der QFD-RL vorgesehenen Maßnahmen durch § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 QFD-RL überspielt wird. Danach ist bei der Festlegung von Durchsetzungsmaßnahmen zu beachten, dass bei Nichteinhaltung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V der Wegfall des Vergütungsanspruchs festzulegen ist. Ob damit der GBA die Rechtsfolge des Vergütungswegfalls bereits abschließend für alle in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL festgelegten Mindestanforderungen geregelt oder eine dahingehende Selbstbindung bewirkt hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Es kann auch offenbleiben, ob § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 QFD-RL mit diesem Inhalt im Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 1 SGB V stehen würde.
40c) In der MHI-RL sind Rechtsfolgen für Verstöße gegen die dort geregelten Anforderungen nicht ausdrücklich festgelegt. Der GBA hat mit der MHI-RL zwar Mindestanforderungen iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (bzw § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF) festgesetzt (vgl TrG zum Beschluss vom zu § 1 Abs 2, § 3 Abs 1). Es kann dahinstehen, ob jede einzelne der in der MHI-RL geregelten strukturellen, personellen und fachlichen Anforderungen für die Sicherheit und Wirksamkeit der hier durchgeführten Mitraclip-Implantation unverzichtbar war (zu dieser Voraussetzung einer Mindestanforderung iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V siehe oben RdNr 29).
41Der GBA hat aber jedenfalls keine Rechtsfolgen für deren Nichteinhaltung geregelt. Die Rechtsfolge des Vergütungswegfalls ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 3 Abs 1 MHI-RL kathetergestützte Interventionen an der Aorten- und Mitralklappe nach Anlage 1 der MHI-RL nur in solchen Krankenhäusern erbracht werden dürfen, die die jeweils erforderlichen und in der MHI-RL festgelegten Anforderungen erfüllen. Dieser Vorschrift ist unter Berücksichtigung der Regelungen in § 7 Abs 1 MHI-RL kein absolutes Leistungsverbot zu entnehmen, welches der Anordnung des Vergütungswegfalls gleichstehen würde (vgl auch Kronenberger in jurisPK-SGB V, GBA, Stand , § 3 MHI-RL RdNr 16; zweifelnd zur Annahme eines Vergütungswegfalls auch Deister, Qualitätssicherung im Krankenhaus, 2018, S 56). § 7 Abs 2 MHI-RL hält das Krankenhaus dazu an, nicht erfüllte Anforderungen schnellstmöglich wieder zu erfüllen. Soweit dafür voraussichtlich mehr als 31 Tage benötigt werden, ist dies nach § 7 Abs 3 MHI-RL schnellstmöglich den Partnern der Pflegesatzvereinbarung (§ 18 KHG) mitzuteilen. Mit diesen ist eine Frist zur Wiedererfüllung der Voraussetzungen von drei bzw sechs Monaten zu vereinbaren. Diese Fristenregelung lässt nur den Schluss zu, dass der GBA jedenfalls ein ausdrückliches und für jeden Behandlungsfall geltendes Leistungsverbot nicht geregelt und vielmehr die Leistungserbringung auch für den Fall der vorübergehenden Nichterfüllung der Anforderungen als zulässig angesehen hat (auf die mit Ausnahme- und Übergangsregelungen verbundene Unschärfe eines Leistungsverbots hinweisend Deister, aaO, S 55).
42Es bedarf daher schon mangels einer zum geltenden Rechtsfolgenregelung in der MHI-RL sowie der erst nach der hier streitigen Behandlung zum in Kraft getretenen QFD-RL keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang der GBA mit § 2 Abs 5 Satz 2 QFD-RL die weitere Anwendung der bisher geltenden Rechtsfolgen bis zur Konkretisierung der in der QFD-RL als gestuftes System angelegten Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen in der MHI-RL anordnen durfte.
43d) Es kann hier auch dahinstehen, ob für eine Übergangszeit ab dem die Rechtsprechung des Senats (siehe oben RdNr 33 ff) zum Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs für eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Behandlung weiterhin Anwendung finden konnte (siehe dazu Urteil des Senats vom - B 1 KR 26/24 R - juris RdNr 43 f). Diese Rechtsprechung leitete die zwingende normative Vorgabe von qualitätssichernden Anforderungen daraus ab, dass § 3 Abs 1 der QBAA-RL ein Leistungsverbot bei Nichteinhaltung der in der QBAA-RL enthaltenen Vorgaben regelte ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 12; vgl dazu oben bereits RdNr 31). Fehlt es jedoch wie in § 3 Abs 1, § 7 Abs 1 MHI-RL an der Regelung eines uneingeschränkten Leistungsverbots, stellen die Vorgaben der MHI-RL keine zwingenden normativen Anforderungen an die Leistungserbringung dar, deren Nichteinhaltung zu einer dem Vergütungsanspruch entgegenstehenden Ungeeignetheit der Behandlung führt. Der Verstoß gegen Vorgaben der MHI-RL allein hätte damit auch nach der zur Rechtslage vor dem ergangenen Rechtsprechung des Senats das Entstehen des Vergütungsanspruchs nicht gehindert.
443. Ob das Krankenhaus der Klägerin bei der Behandlung gegen das allgemeine Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) verstoßen hat (dazu a) und ein Vergütungsanspruch deshalb nicht entstanden ist, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden. Hierzu sind weitere Feststellungen des LSG erforderlich (dazu b).
45a) Das allgemeine Qualitätsgebot als Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses ist erfüllt, wenn während der Behandlung des Versicherten die sich aus dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ergebenden Anforderungen erfüllt werden. Die bloße Nichteinhaltung genereller Strukturvoraussetzungen ohne Bezug zu den notwendigen Vorkehrungen im individuellen Behandlungsfall verstößt noch nicht gegen das allgemeine Qualitätsgebot. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Krankenhaus gegen das Gebot aus § 5 Abs 10 MHI-RL, die permanente Präsenz eines Operationsdienstes mit herzchirurgischer Erfahrung sicherzustellen, verstoßen hat. Maßgebend ist, ob das durchgeführte Clipverfahren an der Mitralklappe nach dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nur bei permanenter Präsenz eines Operationsdienstes mit herzchirurgischer Erfahrung während der gesamten Dauer der Krankenhausbehandlung oder zumindest während eines bestimmten postoperativen Zeitraums durchgeführt werden durfte. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse wird dabei durch die Gesamtheit aller international zugänglichen Studien gekennzeichnet. Besondere Bedeutung kommt bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften zu, insbesondere, wenn sich diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen niedergeschlagen haben und auf diese Weise geeignet sind, medizinische "Standards" zu definieren (vgl - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 25).
46b) Das LSG wird daher festzustellen haben, ob und für welchen postoperativen Zeitraum diese Präsenz nach dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich war. Das LSG wird auch festzustellen haben, während welcher Zeiträume der Behandlung des Versicherten die bisher von der Beklagten allein als fehlend gerügte Präsenz eines Operationsdienstes mit herzchirurgischer Erfahrung gewährleistet war. In diesem Zusammenhang wird ggf als Grundlage einer Beweiserhebung (vgl - BSGE 134, 172 = SozR 4-2500 § 275 Nr 39, RdNr 33; - RdNr 22) auch festzustellen sein, ob ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Absatz 1c SGB V (in der bis geltenden Fassung) durchgeführt wurde und welche Unterlagen die Klägerin in diesem Verfahren vorgelegt hat.
474. Das LSG wird für den Fall, dass ein Erstattungsanspruch der Beklagten nicht bestand und der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht durch Aufrechnung erloschen ist, auch Feststellungen zur Fälligkeit der sich ggf aus mehreren, zeitlich unterschiedlich fällig gewordenen Einzelforderungen zusammensetzenden Hauptforderung, gegenüber der die Aufrechnung erklärt wurde und die Streitgegenstand ist, zu treffen haben. In Abhängigkeit davon wird das LSG auch Feststellungen zum Eintritt des ggf unterschiedlichen Verzugsbeginns zu treffen haben.
48Das LSG hat der Klägerin antragsgemäß Zinsen ab dem Tag nach der durchgeführten Aufrechnung ab dem auf der Grundlage von § 288 Abs 1 Satz 1 BGB iVm § 8 Abs 1 der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2016 zugesprochen. Nach § 8 Abs 1 dieser Vereinbarung sind Rechnungsbeträge spätestens am 21. Kalendertag nach Eingang der Rechnung zu überweisen und tritt deren Fälligkeit am 24. Kalendertag unter Berücksichtigung eines Post- und Banklaufweges von drei Tagen ab Rechnungsdatum ein. Verzugszinsen können ab Überschreiten des Fälligkeitstermins ohne Mahnung erhoben werden. Das LSG hat bisher keine Feststellung zu den Fälligkeitsterminen der am aufgerechneten Vergütungsforderung(en) getroffen. Dies ist im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen.
495. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
506. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:120625UB1KR3023R0
Fundstelle(n):
ZAAAK-03599