Tatbestand
1Die Beteiligten streiten um die Versorgung der Klägerin mit einer stationären Liposuktionsbehandlung der Beine.
2Die 1976 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin schloss mit der Beklagten einen gerichtlichen Vergleich, nach dem letztere den Antrag auf Versorgung mit einer stationären Liposuktionsbehandlung der Beine erneut zu prüfen hatte. Gestützt auf zwei Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ).
3Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin sei nicht in die Erprobungsstudie einbezogen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus der befristet bis zum erfolgten Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium Ill in die Anlage I (Methoden, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind) der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung; im Folgenden: KHMe-RL). Gemäß § 4 Abs 4 der Richtlinie des GBA über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III (Qualitätssicherungsrichtlinie zur Liposuktion bei Lipödem im Stadium III / QS-RL Liposuktion) solle bei einem Body Mass Index (BMI) ab 40 kg/m² keine Liposuktion durchgeführt werden. Jedenfalls scheitere ein Anspruch nach Anlage I der KHMe-RL an § 4 Abs 3 Buchst b QS-RL Liposuktion, wonach bei einem BMI >35 kg/m² Voraussetzung für die Indikationsstellung zur Liposuktion sei, dass eine Behandlung der Adipositas stattfinde. Der MDK habe bei der Klägerin in verschiedenen Gutachten seit 2009 durchgehend eine Adipositas permagna diagnostiziert, zuletzt mit einem BMI von 44 kg/m², deren konsequente Behandlung nicht erfolgt sei. Die Klägerin könne stationäre Liposuktionsbehandlungen auch nicht als Potentialleistung beanspruchen. Dies setze das Fehlen einer Standardbehandlung voraus. Nach den MDK-Gutachten stünden sowohl zur Behandlung des Lipödems als auch zur begleitenden Behandlung der Adipositas der Klägerin noch Standardtherapien zur Verfügung. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V berufen, weil es sich bei einem Lipödem nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handele. Für einen Anspruch aus § 13 Abs 3a SGB V fehle es an einer Selbstbeschaffung der Leistung (Urteil vom ).
4Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 SGB V. Die Voraussetzungen einer Potentialleistung seien ungeachtet der die Liposuktion betreffenden GBA-Richtlinien erfüllt. Bei ihr liege zwar die Indikationsvoraussetzung nach § 4 Abs 4 QS-RL Liposuktion von einem BMI unter 40 kg/m² nicht vor. Dies sei aber nur eine Sollvorschrift. Auch der Ausschluss von Patientinnen mit Adipositas von der Erprobungsstudie nach § 3 Abs 2 der Richtlinie des GBA zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems (Erprobungs-Richtlinie Liposuktion; Erp-RL Liposuktion) sei allein zur Verhinderung von Verfälschungen oder zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse geboten, mithin aus designtechnischen Gründen. Soweit das LSG noch verfügbare Standardtherapien sehe, sei der Sachverhalt weder vollständig noch objektiv ermittelt und die Begründung sei unzureichend. Eine Behandlung der Adipositas könne die lipödembedingten Schmerzen nicht spürbar lindern.
7Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gründe
8Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
9Die Klägerin hat nach § 39 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V keinen Anspruch auf die begehrte vollstationäre Versorgung mit einer Liposuktion der Beine. Die Leistungspflicht der KK für Krankenhausbehandlungen setzt, soweit nicht der Potentialmaßstab des § 137c Abs 3 SGB V oder der des § 2 Abs 1a SGB V Anwendung findet, voraus, dass die begehrte Behandlung dem allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) entspricht. Im Übrigen muss die Behandlung dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entsprechen und die vollstationäre Leistungserbringung muss erforderlich sein (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Voraussetzungen des Qualitätsgebots nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gelten nicht bereits deshalb als erfüllt, weil der GBA die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III in die Anlage I der KHMe-RL aufgenommen hat. Der der Aufnahme zugrunde liegende Beschluss des GBA war rechtswidrig und damit nichtig (hierzu 1.). Der Klägerin steht auch ohne Berücksichtigung der KHMe-RL kein Anspruch zu, weil nach den bindenden Feststellungen des LSG die Liposuktion bei Lipödem nicht dem insoweit maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (hierzu 2.). Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des abgesenkten Qualitätsgebots bei Potentialleistungen, dem Potentialmaßstab, nach § 39 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 137c Abs 3 SGB V, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Buchst b QS-RL nicht erfüllte (hierzu 3.). Die Voraussetzungen, unter denen Versicherte abweichend vom Qualitätsgebot Leistungen nach § 2 Abs 1a SGB V beanspruchen können, liegen nicht vor (hierzu 4.). Der Anspruch auf die von der Klägerin allein begehrte Sachleistung kann von vornherein nicht auf § 13 Abs 3a SGB V gestützt werden (grundlegend hierzu - BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53, RdNr 10 ff; seitdem stRspr, vgl - SozR 4-2500 § 13 Nr 57 RdNr 32).
101. Die Leistungspflicht der Beklagten für die Versorgung der Klägerin mit einer stationären Liposuktion ergibt sich nicht bereits aus der Anlage I Nr 14 zur KHMe-RL.
11Nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordert für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden grundsätzlich den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (stRspr; näher dazu - SozR 4-2500 § 137c Nr 13 RdNr 21 mwN; - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 15 mwN). In der stationären Versorgung gelten die vom GBA in die Anlage I (Methoden, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind) der KHMe-RL aufgenommenen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als dem allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V genügend (hierzu a). Der entsprechende Anerkennungsbeschluss unterliegt aber dem auf Richtlinien des GBA anzuwendenden gerichtlichen Prüfungsmaßstab (hierzu b). Danach ist die vom GBA beschlossene Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium Ill in die Anlage I der KHMe-RL nichtig (hierzu c).
12a) Nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V überprüft der GBA auf entsprechenden Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der KKn im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt werden (sollen), daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode nicht mehr zulasten der KKn erbracht werden darf (§ 137c Abs 1 Satz 2 SGB V). Stellt der GBA nach Überprüfung fest, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt er eine Erp-RL nach § 137c Abs 1 Satz 3, § 137e SGB V. Auch für diesen Fall ist ausdrücklich nur bestimmt, dass der GBA nach Abschluss der Erprobung eine Richtlinie erlässt, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der KKn erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (§ 137c Abs 1 Satz 4 SGB V).
13Nach ihrem Wortlaut regeln § 137c Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V deshalb nur eine Verwerfungskompetenz des GBA, aber - anders als § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V - nicht ausdrücklich eine Kompetenz zur Anerkennung, dass der Nutzen einer Methode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse hinreichend belegt ist. Für eine dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprechende Krankenhausbehandlung besteht zwar auch ohne vorherige Anerkennung durch den GBA eine grundsätzliche Leistungspflicht der GKV (hierzu aa). Regelungssystem und Regelungszweck des Methodenbewertungsverfahrens nach § 137c Abs 1 SGB V setzen aber gleichwohl die Befugnis des GBA voraus, für die KKn, die Leistungserbringer und die Versicherten verbindlich (§ 91 Abs 6 SGB V) festzustellen, ob eine Methode dem allgemeinen Qualitätsgebot entspricht (hierzu bb). Dem steht der Wortlaut des § 137c Abs 1 SGB V nicht entgegen (hierzu cc). Der GBA hat von der Befugnis zur verbindlichen Anerkennung von Methoden der Krankenhausbehandlung generell mit § 1 Abs 3 Satz 1 KHMe-RL iVm Anlage I zur KHMe-RL Gebrauch gemacht (hierzu dd).
14aa) In der vertragsärztlichen Versorgung besteht nach § 135 Abs 1 SGB V eine Leistungspflicht der GKV zur Versorgung mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - auch wenn sie dem allgemeinen Qualitätsgebot genügen - erst dann, wenn eine Empfehlung des GBA vorliegt. Der entsprechende Beschluss des GBA wirkt damit konstitutiv. Dagegen dürfen Methoden, die dem allgemeinen Qualitätsgebot nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V genügen, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung unabhängig von einer Anerkennung durch den GBA zulasten der KK erbracht werden (zur Erlaubnis mit GBA-Verbotsvorbehalt und präventiver Binnenkontrolle durch das Krankenhaus vgl - BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 39 Nr 11, RdNr 51 ff; - BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 23 f; - BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 15 ff; - BSGE 125, 76 = SozR 4-5562 § 6 Nr 1, RdNr 21). Die Anerkennung durch den GBA ist aber für eine einheitliche Versorgungspraxis zugunsten der Versicherten und der Leistungserbringer als institutionalisierte Außenkontrolle von erheblicher Bedeutung. Sie ist geeignet, als deklaratorische Feststellung Klarheit über das Bestehen der Leistungspflicht der KKn zu schaffen und damit die Rechtssicherheit für Versicherte, Krankenhäuser und KKn zu erhöhen.
15Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Anerkennung des Nutzens einer neuen Methode hat der GBA deshalb zu seiner KHMe-RL die Anlage I erstellt, in die er Methoden aufnimmt, die nach seiner Prüfung für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind und deshalb zur Regelversorgung gehören (vgl § 1 Abs 3 KHMe-RL).
16bb) Die Anlage I der KHMe-RL wird als Teil der Richtlinie von der durch § 91 Abs 6 SGB V bewirkten normativen Wirkung umfasst. Auch ohne ausdrückliche Ermächtigung zu einer positiven Entscheidung über Methoden, die im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden (sollen), überschreitet der GBA mit der Anlage I der KHMe-RL nicht seine Regelungsbefugnisse, wenn die Aufnahme nach Durchführung eines Methodenbewertungsverfahrens unter umfassender Einbeziehung der Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgte (aA Knispel, jurisPR-SozR 22/2022 Anm 6; für eine wirksame normative Wirkung nur unter Hinweis auf die Anlage I als Teil der KHMe-RL Leopold in Hauck/Noftz, SGB V, § 137c RdNr 54, Stand Dezember 2019; nur deskriptiv: Pütter in Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl 2018, SGB V § 137c RdNr 18; Legde/Murawski in LPK-SGB V, 6. Aufl 2022, § 137c RdNr 3). Dies wird ungeachtet der aufgezeigten ausdrücklichen Regelungen in § 137c Abs 1 SGB V durch das Regelungssystem und den Regelungszweck des Erprobungsverfahrens nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V gefordert und durch den verpflichtenden Abschluss des Methodenbewertungsverfahrens bestätigt.
17 (1) Das Methodenbewertungsverfahren ist nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V darauf angelegt festzustellen, ob Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der GKV im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden (sollen), für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Die in § 137c SGB V als Grundfall vorausgesetzte Binnenkontrolle durch das Krankenhaus (vgl oben RdNr 14) wird bei Durchführung eines Methodenbewertungsverfahrens zu einer dezidierten, mithilfe des GBA institutionalisierten Außenkontrolle, die zu der krankenhausübergreifenden Feststellung führen soll, ob die Methode dem allgemeinen Qualitätsgebot entspricht oder nicht sowie, ob sie ggf das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.
18 (2) Noch deutlicher wird die Ausrichtung des Methodenbewertungsverfahrens auf eine krankenhausübergreifende Klärung der Qualität der im Krankenhaus anzuwendenden Methoden durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Durchführung eines Erprobungsverfahrens. Denn dieses Verfahren ist nicht allein auf die Klärung, sondern darüber hinaus auf die Erbringung eines positiven Nachweises dafür ausgerichtet, dass die Potentialleistung dem allgemeinen Qualitätsgebot entspricht. Der transitorische Charakter der Potentialleistungen nach § 137c Abs 3 SGB V ist darauf angelegt, im Fall einer Erp-RL eine endgültige Klärung des Evidenzstatus einer Potentialleistung durch den GBA herbeizuführen. Wie aus dem Zusammenspiel von § 137c Abs 3 SGB V und § 137e Abs 1 SGB V hervorgeht, dient die Erprobung dazu, den Nachweis zu erbringen, dass die Methode dem allgemeinen Qualitätsgebot entweder entspricht oder dieses bislang verfehlt (vgl dazu - BSGE 132, 76 = SozR 4-2500 § 137c Nr 15, RdNr 36). Als Ergebnis des mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln der GKV durchgeführten Erprobungsverfahrens kommen nur zwei Optionen in Betracht: Entweder entspricht die Methode dem allgemeinen Qualitätsgebot (noch) nicht, dann ist der (vorläufige) Ausschluss der Methode anzuordnen (§ 137c Abs 1 Satz 4 SGB V). Oder sie entspricht dem allgemeinen Qualitätsgebot und ist damit keine Potentialleistung mehr. Eine dritte Möglichkeit existiert nicht. Das Erprobungsverfahren hat den Zweck, die Prüfung zu konzentrieren und damit das GKV-System einschließlich der gerichtlichen Überprüfung zu entlasten. Die mithilfe des GBA bereits aufgrund des Methodenbewertungsverfahrens institutionalisierte Außenkontrolle ist im Erprobungsverfahren zusätzlich deutlich darauf ausgerichtet, einen positiven Nachweis dafür zu erbringen, dass die Potentialleistung dem allgemeinen Qualitätsgebot bereits entspricht. Dies folgt schon daraus, dass die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass sie im Vergleich zu anderen Methoden eine effektivere Behandlung ermöglichen kann und dass die nach den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin bestehende Evidenzlücke durch eine einzige Studie in einem begrenzten Zeitraum geschlossen werden kann (vgl - BSGE 127, 188 = SozR 4-2500 § 137e Nr 2, RdNr 32). Der GBA wertet im Rahmen eines Erprobungsverfahrens nicht nur vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zu Qualität und Nutzen der Methode aus. Vielmehr beschließt er eine Erp-RL gerade mit dem Ziel, selbst die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen (§ 137e Abs 1 Satz 1 SGB V). Das bedeutet, dass die ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse erst durch eine Erprobungsstudie des GBA generiert werden. Ohne eine solche Möglichkeit hätte der Gesetzgeber an dieser Stelle regeln müssen, dass mangels bislang hinreichend gesicherter Evidenz die Methode bis auf weiteres vom GKV-Leistungskatalog ausgeschlossen bleibt und mit diesem Ergebnis die Prüfung abzuschließen ist. Stattdessen hat der Gesetzgeber mit der Pflicht zur Durchführung eines Erprobungsverfahrens nach § 137c Abs 1 Satz 3 SGB V zur Gewinnung einer zusätzlichen Evidenz den GBA bewusst zum Geburtshelfer bei der Anerkennung der neuen Methode gemacht. Es wäre widersprüchlich, wenn das Gesetz diese von ihm gewollte Frucht der Bemühungen des GBA für das GKV-System rechtlich unverbindlich bleiben lassen wollte. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nicht die Augen davor verschließen konnte, dass ein positiver Ausgang des Erprobungsverfahrens in der Praxis ohnehin die Wirkung einer faktischen Anerkennung der Methode hat. Letztlich folgt die Befugnis des GBA zur Anerkennung einer Methode damit schon aus der Einführung des Erprobungsverfahrens durch Art 1 Nr 54 und 56 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG vom , BGBl I 2983) selbst.
19 (3) Nichts anderes gilt für Methoden, für die bereits ohne Erprobungsverfahren nach § 137c Abs 1 Satz 3, § 137e Abs 1 SGB V festgestellt werden kann, dass sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (§ 137c Abs 1 Satz 1 SGB V). Diese Methoden haben das Stadium des Potentials bereits durchlaufen, weil ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Qualität und Nutzen vorliegen und nicht erst durch eine Erprobungsstudie des GBA generiert werden müssen.
20 (4) Die Befugnis des GBA, den im Methodenbewertungsverfahren bestätigten Nutzen einer Methode durch einen Beschluss zur Aufnahme in die Anlage I KHMe-RL anzuerkennen, wird von der Fristenregelung des § 137 Abs 1 Satz 6 SGB V (bis § 137c Abs 1 Satz 7 SGB V) letztlich auch vorausgesetzt. Die Fristenregelung wurde durch Art 1 Nr 64 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG vom , BGBl I 1211) zum angefügt. Damit hat der Gesetzgeber eine Beschleunigung der Verfahren zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der stationären Versorgung vorgesehen (BT-Drucks 18/4095 S 52, 121; zur ambulanten vgl § 135 Abs 1 Satz 5 SGB V). Danach ist das Methodenbewertungsverfahren nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V in der Regel innerhalb von drei Jahren abzuschließen. Bestätigt sich der Nutzen einer Methode, ggf nach Erprobung, wäre aber der mit der Fristenregelung vorausgesetzte Abschluss des Methodenbewertungsverfahrens ausgeschlossen, wenn der GBA allein über die Nichtanerkennung der Methode einen Beschluss fassen dürfte, nicht aber über die Anerkennung der Methode. Die mit dem GKV-VSG eingeführte Fristenregelung bestätigt damit die bereits mit dem Erprobungsverfahren (hierzu oben RdNr 18) angelegte Befugnis des GBA zur verbindlichen Anerkennung von Methoden auch für die Krankenhausbehandlung.
21cc) Dem steht der Wortlaut des § 137c Abs 1 Satz 4 SGB V nicht entgegen. Er ordnet mit Blick auf die der stationären Versorgung zugrunde liegende Binnenkontrolle der Methoden nur an, dass ein Leistungserbringungsverbot einer ausdrücklichen Regelung des GBA bedarf. Dies schließt aber nicht aus, dass der GBA zugunsten der die Leistungen beanspruchenden Versicherten und der Leistungserbringer eine Methode ausdrücklich positiv in den GKV-Leistungskatalog aufnehmen darf. Auch die Interessen der KKn in Bezug auf ihre Beitragszahler werden schon deswegen nicht berührt, weil die bloße Nichtaufnahme der Methode in Anlage I der KHMe-RL den Leistungsanspruch der Versicherten und damit den Vergütungsanspruch der Krankenhäuser nicht ausschließt, hingegen die Aufnahme in die Anlage I die Durchführung der GKV als Massenverwaltung deutlich erleichtert und damit deren Effizienz fördert.
22dd) Ist der GBA damit gesetzlich ermächtigt, Methoden, die zur Versorgung im Krankenhaus erforderlich sind, mit normativer Wirkung positiv anzuerkennen, hat er mit der Anlage I der KHMe-RL von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. § 1 Abs 3 Satz 1 KHMe-RL in seiner aktuellen, ab geltenden Fassung (Beschluss vom , BAnz AT B6) bestimmt insoweit, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nach Bewertung als für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten erforderlich angesehen wurden, in Anlage I aufgeführt sind. Der GBA beabsichtigte damit eine verbindliche Feststellung, welche der einem Methodenbewertungsverfahren unterzogenen Methoden dem allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) genügen. Dafür spricht schon ein Vergleich mit § 1 Abs 2 Satz 1 KHMe-RL. Danach sind ausgeschlossene Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in § 4 der Richtlinie "aufgeführt". Die Kompetenz, Methoden von der Versorgung zulasten der GKV mit normativer Wirkung auszuschließen, ist dem GBA mit § 137c Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V ausdrücklich zugewiesen. Mit derselben Formulierung - "aufgeführt" - wird hinsichtlich anerkannter Methoden auf die Anlage I verwiesen. Das legt den Schluss nahe, dass der GBA ebenso die Anerkennung von Methoden als Teil der Richtlinie beschließen und damit ihrer normativen Wirkung (§ 91 Abs 6 SGB V) unterstellen wollte.
23Anlass der Änderung des § 1 KHMe-RL mit Beschluss des GBA vom war dessen bereits mit der Einführung des Erprobungsverfahrens angelegte Befugnis zur Anerkennung einer Methode (siehe oben RdNr 16). Der GBA hat in den Tragenden Gründen (S 2) zu seinem Beschluss vom klargestellt, dass mit der Änderung der KHMe-RL der insoweit aufgrund der Neuregelungen in § 137c und § 137e SGB V durch das GKV-VStG (hierzu oben RdNr 18) entstandene Änderungsbedarf umgesetzt wird. Auch daraus ist eindeutig der Wille des GBA zu entnehmen, dass seine Neuregelungen, wozu auch § 1 Abs 3 KHMe-RL zählt, in Einklang mit dem GKV-VStG ausgelegt werden soll. Folglich sollen die durch GBA-Beschlüsse in die Anlage I aufgenommenen Methoden normativ als dem Qualitätsgebot entsprechend gelten. Dies erfasst auch die bereits vor der Änderung des § 1 KHMe-RL in die Anlage I aufgenommenen Methoden.
24Dem steht nicht entgegen, dass der GBA in den Tragenden Gründen zum Beschluss vom von "Information" spricht (S 2, abrufbar unter https://www.g-ba.de/beschluesse/1937/). Er stellt dort klar, dass das Bewertungsverfahren das Ergebnis haben kann, "dass die entsprechende Methode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten erforderlich ist". Der Wortlaut des § 1 Abs 3 KHMe-RL bestätigt dies, wenn dort in Satz 1 und 2 die in Anlage I aufgeführten Methoden als zulasten der GKV erbringbar bezeichnet werden (anders noch uU die Regelung des § 1 Abs 2 in der bis geltenden Ursprungsfassung der KHMe-RL, die die Richtlinie ausdrücklich von den Anlagen abgrenzt: "… werden nicht im Rahmen der Richtlinie benannt, sondern sind separat in Anlage I und II der Richtlinie aufgeführt.").
25b) Beschlüsse des GBA einschließlich Richtlinien, welche unterhalb des Gesetzesrechts stehende normative Regelungen zum Gegenstand haben, unterliegen der formellen und inhaltlichen gerichtlichen Überprüfung, als ob der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen selbst als untergesetzliche Normen erlassen hätte. Bei der Auslegung der gesetzlichen Rechtsbegriffe und bei der Einhaltung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens, einschließlich der Vollständigkeit der zu berücksichtigenden Studienlage, unterliegt der GBA der vollen gerichtlichen Überprüfung. Erst über die weitere Konkretisierung des Gesetzes entscheidet der GBA als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (stRspr, vgl zB - BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; - BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25; - BSGE 127, 188 = SozR 4-2500 § 137e Nr 2, RdNr 14; vgl ferner - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 35a Nr 9, RdNr 17; - BSGE 124, 294 = SozR 4-2500 § 34 Nr 20, RdNr 48, jeweils mwN). Dies gilt auch für die in Anlage I Nr 14 der KHMe-RL geregelte Anerkennung der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III.
26c) Die Befugnis des GBA im Krankenhaus anzuwendende Methoden nach § 137c Abs 1 SGB V mit normativ verbindlicher Wirkung zur stationären Regelversorgung gehörig anzuerkennen, ist auf Methoden begrenzt, bei denen das Bewertungsverfahren nach § 137c Abs 1 SGB V, ggf nach Durchführung einer Erprobung (§ 137c Abs 1 Satz 3, § 137e Abs 1 SGB V), ergeben hat, dass ihr Nutzen nach dem Maßstab des allgemeinen Qualitätsgebots nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hinreichend belegt ist. Diesen Vorgaben ist der GBA hier nicht gerecht geworden. Er hat gleichwohl die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III befristet bis zum in die Anlage I der KHMe-RL aufgenommen (Beschluss vom , BAnz AT B3; BAnz AT B2 - Verlängerung der Anerkennung). Danach ist die (befristete) Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III in die Regelversorgung nach der Anlage I Nr 14 der KHMe-RL rechtswidrig und damit nichtig.
27Der GBA hat bei Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III in die Anlage I der KHMe-RL die Studienlage nicht im gebotenen Maße berücksichtigt und die gesetzliche Vorgabe nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei umgesetzt, nach der eine Methodenanerkennung nur in Betracht kommt, wenn die Überprüfung einen hinreichenden Nutzenbeleg ergeben hat. Als der GBA die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III mit Beschluss vom (BAnz AT B3) - zunächst befristet bis zum - in die Anlage I der KHMe-RL aufnahm, hatte er bereits zuvor - am - die Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems beschlossen (Beschluss vom über eine RL zur Erprobung der Liposuktion beim Lipödem mit Wirkung vom <Erp-RL Liposuktion>; BAnz AT B1). Auf deren Grundlage wurde ein Erprobungsverfahren veranlasst, das am noch nicht abgeschlossen war. Unter Auswertung der Tragenden Gründe zum Beschluss des GBA vom ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher nach dem und bis zum hinzugekommenen wissenschaftlichen Evidenz der GBA die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III unter Vorwegnahme der Ergebnisse aus der Erp-RL Liposuktion befristet zum Gegenstand der Regelversorgung in der GKV gemacht hat. Vielmehr führt der GBA in den Tragenden Gründen zum Beschluss selbst aus, er sehe "auch weiterhin die Erforderlichkeit der Schaffung weiterer Erkenntnisse für eine abschließende Bewertung der Methode. Er hält insofern an der von ihm beschlossenen Erprobung nach § 137e SGB V fest" (Tragende Gründe zum Beschluss des GBA über eine Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III vom , S 5, https://www.g-ba.de/beschluesse/3961/). Ein Nebeneinander der Anerkennung einer Methode zur Regelversorgung und der Durchführung eines Erprobungsverfahrens nach § 137e SGB V zur selben Zeit und zur selben Methode ist ausgeschlossen. Dem GBA liegen entweder ausreichende Erkenntnisse über den Nutzen einer Methode vor, dann bedarf es keiner Erprobung (mehr), oder solche Erkenntnisse liegen (noch) nicht vor, dann darf eine Anerkennung (noch) nicht erfolgen.
28Das Erprobungsverfahren und die Auswertung der Studienlage zur Liposuktion bei Lipödem im Stadium III war auch noch nicht abgeschlossen, als der GBA mit Beschluss vom die Befristung der Anerkennung der Methode bis zum verlängerte (BAnz AT B3). Auch zu diesem Zeitpunkt war die in der Verlängerung der Befristung liegende Entscheidung des GBA, die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III im Katalog der Regelversorgung zu belassen, mangels eines nachvollziehbaren evidenzbasierten Nutzenbelegs rechtswidrig. Der GBA hat auch in den Tragenden Gründen zu dem Verlängerungsbeschluss vom darauf hingewiesen, dass die Ergebnisauswertung der Erprobung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch laufe (hierzu Tragende Gründe zu den Beschlüssen des GBA über eine Änderung der KHMe-RL, der MVV-RL und der QS-RL zur Liposuktion bei Lipödem im Stadium III vom , S 3, nachzulesen unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/6804/).
29Daraus wird deutlich, dass sowohl bei der Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III in die Anlage I der KHMe-RL als auch bei der Verlängerung der Befristung die Studienlage keine hinreichende Berücksichtigung gefunden und der GBA bei der Beschlussfassung jeweils die gesetzlichen Vorgaben nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei beachtet hat. Aus der daher insoweit nichtigen Anlage I der KHMe-RL kann die Klägerin keine Ansprüche herleiten. Es kann daher offenbleiben, ob der Beschluss vom den nichtigen Beschluss vom überhaupt insgesamt durch einen neue Regelung ersetzt hat. Seinem Normbefehl nach hat er jedenfalls nur eine Jahreszahl in der schon ursprünglich nichtigen Regelung geändert, nicht aber den bisherigen Normentext unter Änderung der Jahreszahl wiederholt.
30Unerheblich ist schließlich, dass der GBA bei seiner Entscheidung, die Befristung der Anerkennung bis Ende des Jahres 2025 zu verlängern, davon ausgegangen war, eine abschließende Entscheidung gegen Ende des Jahres 2025 treffen zu können (Tragende Gründe zu den Beschlüssen des GBA über eine Änderung der KHMe-RL, der MVV-RL und der QS-RL vom , S 3, nachzulesen unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/6804/) und dass er inzwischen aufgrund einer positiven Nutzenbewertung nach Auswertung erster Ergebnisse der Erprobungsstudien am beschlossen hat, die Liposuktion unabhängig vom Stadium der Erkrankung unbefristet, aber unter bestimmten Bedingungen in den regulären Leistungskatalog aufzunehmen (Beschluss vom , in Kraft getreten am , BAnz AT B3; https://www.g-ba.de/beschluesse/7338/). Denn maßgeblich ist hier der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BSG am (vgl - BSGE 127, 181 = SozR 4-2500 § 284 Nr 4, RdNr 14; - SozR 4-2500 § 125 Nr 6 RdNr 26; 1 C 5.20 - BVerwGE 171, 210 RdNr 14).
312. Die Klägerin hat nach § 39 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V auch ohne Berücksichtigung der KHMe-RL nach dem allgemeinen Qualitätsgebot keinen Anspruch auf die begehrte Leistung.
32Zwar dürfen - wie bereits ausgeführt - im Rahmen einer Krankenhausbehandlung Methoden, die dem allgemeinen Qualitätsgebot nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gerecht werden, auch ohne eine positive Entscheidung des GBA angewandt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines auf eine noch herbeizuführende Sachleistung gerichteten Leistungsanspruchs ist hinsichtlich der Tatsachenfragen - zu denen auch der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse iS von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gehört - die letzte mündliche Verhandlung vor dem LSG, hier am . Zu dieser Zeit entsprach die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot.
33Unabhängig davon kann bei einem - wie hier - noch andauernden rechtmäßig durchgeführten Erprobungsverfahren die den Versorgungsanspruch (mit) begründende Erfüllung des allgemeinen Qualitätsgebots einer Methode nur dann eingetreten sein, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz außerhalb des Erprobungsverfahrens neue medizinische Erkenntnisse hinzugekommen sind, die diese Annahme rechtfertigen. An entsprechenden Feststellungen fehlt es.
343. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Krankenhausbehandlung zur Liposuktion als Potentialleistung nach § 39 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V iVm § 137c Abs 3 SGB V (in der Fassung durch Art 2 Nr 0 und Nr 4 Buchst b des Gesetzes zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und zu weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Implantateregister-Errichtungsgesetz - EIRD vom , BGBl I 2494).
35a) Zwar gilt insoweit ein abgesenkter Qualitätsmaßstab, da die Liposuktion bei Lipödem Potential hat (vgl nur - juris RdNr 12). Im Anwendungsbereich des § 137c Abs 3 SGB V tritt der Potentialmaßstab als lex specialis an die Stelle des allgemeinen Qualitätsgebots. Das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V wird für Potentialleistungen durch § 137c Abs 3 SGB V partiell eingeschränkt. Potentialleistungen erfordern nicht den vollen Nachweis eines medizinischen Nutzens (ausführlich dazu - BSGE 132, 67 = SozR 4-2500 § 137c Nr 15, RdNr 22 ff, seither stRspr). Der Potentialmaßstab des § 137c Abs 3 SGB V geht aber nur unter den nachfolgend dargestellten Einschränkungen als lex specialis dem allgemeinen Qualitätsgebot vor. Die Klägerin erfüllt nicht alle Einschränkungen (hierzu b).
36aa) Versicherte haben außerhalb eines auf einer Erp-RL beruhenden Erprobungsverfahrens vor dessen inhaltlicher Konkretisierung Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (vgl ausführlich dazu - BSGE 132, 67 = SozR 4-2500 § 137c Nr 15, RdNr 30 ff). Diese einschränkenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Potentialleistung außerhalb eines Erprobungsverfahrens gelten auch nach Erlass einer Erp-RL, wie hier der Erp-RL Liposuktion (vgl - juris RdNr 20 ff).
37bb) Beschließt der GBA gemäß § 137c Abs 1 Satz 3 SGB V eine Erp-RL, weil die Überprüfung im Bewertungsverfahren ein Potential der Methode als erforderliche Behandlungsalternative ergeben hat, kann er für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser Qualitätsanforderungen nach § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V festlegen. Qualitätsanforderungen, die für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser gelten, dienen der Kompensation des Schutzes, der im Rahmen der Erprobung durch das Setting der Studie gewährleistet wird. Sie dürfen im Interesse des Patientenschutzes nicht unterschritten werden. Die Entscheidungen des GBA über die Auswahl und den Zuschnitt der qualitätssichernden Kriterien und Mindestanforderungen sowie deren genaue Festlegung einschließlich ihrer Folgewirkungen unterliegen seinem normativen Gestaltungsspielraum (vgl - SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 15). Im Falle der Potentialleistungen verfügt der GBA wegen des eingeschränkten Nutzennachweises aus Gründen des Patientenschutzes über einen besonders großen Gestaltungsspielraum zur Regelung restriktiver Vorgaben. Der Qualitätsmaßstab für Potentialleistungen wird zwar im Hinblick auf den noch nicht voll erbrachten Nutzennachweis herabgesetzt. Gerade dies ist aber ein Grund dafür, die Patienten besonders vor ungeeigneten Behandlungen zu schützen. Bei der Abwägung von Chancen und Risiken von Innovationen ist dem Patientenschutz grundsätzlich Vorrang einzuräumen (vgl - SozR 4-2500 § 137c Nr 17 RdNr 18 ff).
38b) Die in der QS-RL Liposuktion enthaltenen, auch für die Liposuktion als Potentialleistung maßgeblichen Anforderungen (hierzu aa) an die Indikation einer Liposuktion bei Lipödem im Stadium III (hierzu bb) erfüllt die Klägerin nicht (hierzu cc).
39aa) Der GBA hat mit der QS-RL Liposuktion auf der Grundlage von § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V für die Regelversorgung Anforderungen an die Leistungserbringung geregelt (§ 1 Abs 1 QS-RL Liposuktion). Diese konkretisieren den Versorgungsanspruch der Versicherten und gelten für alle zugelassenen Krankenhäuser (§ 91 Abs 6 SGB V, § 1 Abs 2 QS-RL Liposuktion) und damit auch für alle nicht an der Erprobung teilnehmenden Krankenhäuser. Zwar ist die QS-RL Liposuktion nicht als eine die Erp-RL Liposuktion begleitende Richtlinie iS des § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V ergangen. Diese Regelung bestimmt aber: Für Krankenhäuser, die nicht an der Erprobung teilnehmen, kann der GBA nach den §§ 136 bis 136b SGB V Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. Genau dies hat der GBA getan. Er hat sie zwar als Maßnahme der Qualitätssicherung im Rahmen der Regelversorgung angesehen, sich aber jedenfalls auf § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V gestützt. Mit den inhaltlich für alle nicht an der Erprobung teilnehmenden Krankenhäuser geltenden Qualitätsanforderungen hat der GBA zugleich materiell-rechtlich eine Qualitätssicherungsrichtlinie nach § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V erlassen. Denn soweit die geregelten Qualitätsvorgaben schon für die Regelversorgung gelten sollten, müssen sie zur Kompensation des tatsächlich noch fehlenden vollen Nutzennachweises erst recht gelten, solange sich die Methode noch in der Erprobung befindet. Unerheblich für die formelle Wirksamkeit der Regelung ist dagegen, dass der GBA § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V nicht ausdrücklich als Ermächtigungsgrundlage erwähnt.
40bb) Nach § 4 Abs 1 Satz 1 QS-RL Liposuktion darf die Methode zur Behandlung des Lipödems zulasten der KKn eingesetzt werden, wenn das Vorliegen eines Lipödems im Stadium III diagnostiziert und die Indikation für eine Liposuktion gestellt wurde. Nach § 4 Abs 3 Buchst b QS-RL Liposuktion ist eine Liposuktion bei einem BMI ab 35 kg/m² nur indiziert, wenn die Adipositas behandelt wird.
41Das Erfordernis einer vorrangigen oder begleitenden Behandlung der Adipositas bei einem BMI ab 35 kg/m² ist gemäß § 4 Abs 3 QS-RL Liposuktion für die Indikationsstellung zwingend. Die daneben erlassene Sollvorschrift des § 4 Abs 4 QS-RL Liposuktion, nach der bei einem BMI ab 40 kg/m² keine Liposuktion durchgeführt werden soll, wurde "aufgrund einer erwartbaren Unterminierung des Therapieeffekts durch das in diesen Fällen vorherrschende Beschwerdebild der Adipositas" aufgenommen (vgl Tragende Gründe zum Beschluss über die QS-RL-Liposuktion vom , S 5, nachzulesen unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/3975/). Da eine Indikation für eine Liposuktion nach § 4 Abs 3 QS-RL Liposuktion bereits bei einem BMI ab 35 kg/m² ausgeschlossen ist, wenn die Adipositas nicht vorrangig oder begleitend behandelt wird, kommt die zusätzliche Sollvorschrift des § 4 Abs 4 QS-RL Liposuktion bei einem BMI ab 40 kg/m² nur in den Fällen zum Tragen, in denen die Adipositas behandelt wird.
42Die zwingende Voraussetzung einer begleitenden Adipositasbehandlung bei einem BMI ab 35 kg/m² begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der GBA hat dieses Erfordernis den Empfehlungen verschiedener Autoren und einer S1-Leitlinie entnommen (vgl Tragende Gründe zum Beschluss über die QS-RL Liposuktion vom , S 4 f, nachzulesen unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/3975/). In den Änderungsbeschlüssen zur Verlängerung der Befristungen vom hat er die Anfang 2024 veröffentlichte revidierte Version der S2k-Leitlinie zum Thema Lipödem (S2k Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie eV, AWMF Registernummer 037-12, Version 5.0 vom ) berücksichtigt (vgl Tragende Gründe zu den Beschlüssen des GBA über eine Änderung der KHMe-RL, der MVV-RL und der QS-RL vom , S 3, nachzulesen unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/6804/). Die Indikationsanforderung einer begleitenden Adipositasbehandlung bei einem BMI ab 35 kg/m² ist daher nachvollziehbar, widerspruchsfrei und vom Gestaltungsspielraum des GBA gedeckt.
43Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der GBA mit Beschluss vom (in Kraft getreten am 9.10.205, BAnz AT B6) auch die Qualitätssicherungs-Richtlinie zur Liposuktion bei Lipödem geändert hat. Sie regelt nunmehr für alle Stadien des Lipödems (§ 1 Abs 1, § 3 Abs 1, § 4 Abs 1 und 2 QS-RL Liposuktion, Anlage I) in § 4 Abs 3 QS-RL Liposuktion: "(…) Bei einem BMI-Wert von mehr als 35 kg/m² ist die Liposuktion unzulässig. Bei einer Überschreitung der vorgenannten Grenzwerte des BMI-Werts (…) findet zunächst eine Behandlung der Adipositas statt, bis über einen Zeitraum von 6 Monaten vor der Indikationsstellung zur Liposuktion die Grenzwerte nicht mehr überschritten werden."
44cc) Nach den Feststellungen des LSG lag bei der Klägerin während des gesamten Verfahrens durchgängig bis zur mündlichen Verhandlung am eine Adipositas permagna mit einem BMI > 40 kg/m² vor. Der Senat ist an diese Feststellung gebunden (§ 163 SGG). Sie erfasst den gesamten Streitzeitraum, denn das LSG stützt sich ua auf ein MDK-Gutachten vom , aus dem sich ein BMI von 44 kg/m² ergeben habe, sowie auf die Angaben der Klägerin, nach denen dieser Wert zuletzt sogar noch angestiegen sei. Schließlich räumt die Klägerin einen BMI > 40 kg/m² selbst ein. Das LSG hat darüber hinaus mit bindender Wirkung festgestellt, dass es an einer konsequenten Behandlung der Adipositas fehlt und eine solche auch nicht gemäß § 4 Abs 5 QS-RL Liposuktion dokumentiert wurde.
45Die Klägerin greift diese Feststellungen nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge an. Sie rügt zwar eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Dabei geht es ihr aber allein um die Behandlung der Lipodystrophie und des damit einhergehenden Lipödems während eines zehntägigen stationären Aufenthalts in einer auf Lymphe spezialisierten Klinik im Mathias-Spital Rheine. Im Hinblick auf die Adipositas legt sie keine Behandlungsmaßnahme dar, die vom LSG hätte berücksichtigt werden müssen.
464. Schließlich kann die Klägerin die begehrten Liposuktionen auch nicht nach § 2 Abs 1a SGB V beanspruchen. Das LSG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es sich bei dem Lipödem der Klägerin nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handelt.
475. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:120625UB1KR1023R0
Fundstelle(n):
PAAAK-03598