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BGH Beschluss v. - 6 AR 1/25

Instanzenzug: Az: 128 OWiLG 1/21

Gründe

I.

1Die Landesbeauftragte für den Datenschutz des Landes Niedersachsen hat gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid vom wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung eine Geldbuße von 10.417.000 Euro verhängt. Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt, über den eine Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Hannover nach § 72 Abs. 1 OWiG entschieden und die Betroffene wegen „Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage mit Videokameras und angeschlossenen Speichermedien“ zu einer Geldbuße in Höhe von 700.000 Euro verurteilt hat. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Der Generalbundesanwalt hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt und beantragt zu beschließen, dass der Bundesgerichtshof für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nicht zuständig sei; zuständiges Rechtsbeschwerdegericht sei vielmehr das Oberlandesgericht Celle.

II.

2Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegen den auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG, § 72 Abs. 1 OWiG ergangenen nicht zuständig. Zuständiges Rechtsbeschwerdegericht ist das Oberlandesgericht Celle.

3Dies folgt aus § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG, der für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens auf die Vorschriften des GVG und der StPO verweist und sie für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Vorschrift ist dahin auszulegen, dass das GVG mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden ist, dass die Rechtsbeschwerdezuständigkeit des Oberlandesgerichts in Bußgeldverfahren auch in den Fällen des § 41 Abs.  1 Satz 3 BDSG gegeben ist, in denen wegen der Höhe der Geldbuße in erster Instanz anstelle des Amtsgerichts das Landgericht entschieden hat (so auch Krenberger/Krumm, OWiG, 8. Aufl., § 79 Rn. 123; BeckOK Datenschutzrecht/Brodowski, BDSG § 41 Rn. 38; Klaas/Momsen/Wybitul/Thiel, Datenschutzsanktionenrecht, § 4 Rn. 29).

41. Zwar hat der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG abweichend von der allgemeinen Regel des § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG, nach der eine Entscheidung über den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid grundsätzlich dem Amtsgericht obliegt, in datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Landgerichte für Entscheidungen über Einsprüche in Fällen eingeführt, in denen die festgesetzte Geldbuße den Betrag von 100.000 Euro übersteigt. § 68 OWiG findet in diesen Fällen mit der Maßgabe Anwendung, dass bei Verstößen nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von 100.000 Euro übersteigt (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG). Eine Regelung für den weiteren Instanzenzug in Fällen, in denen nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht über einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entschieden hat, ist aber nicht getroffen worden. Vielmehr verweist § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG für das (Rechtsbeschwerde-)Verfahren einheitlich auf die Vorschriften des OWiG, der StPO und des GVG, die – soweit das BDSG nichts anderes bestimmt – entsprechend gelten sollen.

52. § 41 Abs. 2 BDSG, der die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz für entsprechend anwendbar erklärt, ist unter Berücksichtigung seines Wortlauts, der Gesetzessystematik, der historischen Entwicklung der Regelungen zum Instanzenzug in Bußgeldsachen und des Sinn und Zwecks der Vorschrift dahin auszulegen, dass für Rechtsbeschwerden in datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren losgelöst von der Frage, ob erstinstanzlich das Amtsgericht oder das Landgericht entschieden hat, zuständiges Rechtsbeschwerdegericht das Oberlandesgericht ist.

6a) Einem solchen Verständnis steht ‒ entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Celle und eines Teils des Schrifttums (vgl. Adelberg/Spittka/Zapf, CB 2021, 149, 154; Specht/Mantz/Born, Europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 8 Rn. 95) ‒ der Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 135 Abs. 1 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht entgegen.

7aa) Zwar kann die Norm bei einer eng am Wortlaut der in Bezug genommenen Normen des § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 135 Abs. 1 GVG orientierten Auslegung (vgl. Beaucamp/Beaucamp, Methoden und Technik der Rechtsanwendung, 2023, Rn.  169; Wank/Maties, Die Auslegung von Gesetzen, 7. Aufl., S. 46) dahin verstanden werden, dass eine Verschiebung der erstinstanzlichen Zuständigkeit vom Amtsgericht auf das Landgericht zugleich zu einer Verschiebung der Rechtsbeschwerdezuständigkeit vom Oberlandesgericht auf den Bundesgerichtshof führt. Jedoch griffe eine solche Gesetzesauslegung methodisch zu kurz.

8bb) Der Gesetzgeber hat sich sowohl für die Bestimmung der anwendbaren Verfahrensvorschriften als auch des Instanzenzugs gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVG und mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG einer besonderen Verweisungstechnik bedient, die – statt einer direkten, sich streng am Wortlaut orientierenden Auslegung der maßgeblichen Vorschriften – eine analoge Anwendung der in Bezug genommenen Vorschriften fordert. Für die Gesetzesauslegung ist in einem solchen Fall von Bedeutung, ob es durch eine Verweisung zu einer unveränderten oder veränderten Übernahme des Verweisungsobjekts kommt. Verweist eine Norm ‒ ohne eigenen Regelungsgehalt ‒ auf andere Vorschriften, so erstreckt sich der gesamte normative Kern des Verweisungsobjekts unverändert auf die ergänzte Rechtsnorm. § 41 BDSG regelt, anders als andere Normen, die keinen eigenen Regelungsgehalt aufweisen, einen Teil der zu regelnden Rechtsmaterie ‒ die erstinstanzliche Zuständigkeit der Amtsgerichte einerseits und der Landgerichte andererseits ‒ selbst und verweist lediglich ergänzend auf die Normen der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes. Bei einer solchen Verweisungsanalogie (vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., S. 24; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 78; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 55; Stodt, Dynamische Verweisungen, 2023, S. 5) wird das Verweisungsobjekt in veränderter Form übernommen (vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl., S. 178; Budde, Jura 1984, 578, 579). Eine solche Verweisung fordert vom Rechtsanwender, die in Bezug genommene und nicht unmittelbar anwendbare Bezugsnorm gedanklich so umzuformulieren, dass sie für die Verweisungsnorm passt und nutzbar gemacht werden kann (vgl. BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 4. Aufl., Rn. 102; Maties, JR 2007, 265, 267 ff.). Es ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie das Verweisungsobjekt unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Verweisungsnorm und dem verwiesenen Rechtsbereich inhaltlich abzuändern ist, damit es sich in den Tatbestand der Verweisungsnorm einfügt (vgl. , Rn. 15; BFHE 158, 185, Rn.  12).

9cc) Die Verweisung in § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG stellt eine Verweisungsanalogie in diesem Sinne dar, weil die Vorschriften des OWiG, der StPO und des GVG für „entsprechend“ anwendbar erklärt werden. Dies bedeutet, dass die Rechtsbeschwerdezuständigkeit aus der Perspektive der verweisenden Vorschrift (§ 41 BDSG) im Wege einer entsprechenden Anwendung der Verweisungsobjekte (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 135 Abs. 1 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) ermittelt werden muss und der Wortlaut der in Bezug genommenen Vorschriften nicht die Auslegungsgrenze markiert (vgl. Canaris, aaO, S. 24; Debus, aaO, S. 57; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät bei Straftatbeständen, 2016, S. 455 ff.). Der Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 BDSG ist daher offen und lässt ohne Weiteres ein Verständnis zu, wonach zuständiges Rechtsbeschwerdegericht einheitlich und losgelöst von der Frage, ob erstinstanzlich das Amtsgericht oder das Landgericht entschieden hat, in allen Fällen ein Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts (vgl. § 80a OWiG) ist.

10b) Auch systematische Erwägungen sprechen dafür, dass das GVG mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden ist, dass das Oberlandesgericht auch dann für Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen zuständig ist, wenn erstinstanzlich das Landgericht über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entschieden hat.

11aa) Zur Entscheidung über Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen sind die Oberlandesgerichte berufen. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG verweist hinsichtlich der Rechtsbeschwerde auf die Vorschriften der StPO und des GVG über die Revision, die für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren entsprechend gelten. Demzufolge sind für Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVG die Oberlandesgerichte zuständig (vgl. KK-OWiG/Hadamitzky, 6. Aufl., § 79 Rn. 149; KK-StPO/Feilcke, 9. Aufl., GVG § 121 Rn.  3; Krenberger/Krumm, OWiG, 8. Aufl., § 79 Rn. 123; BeckOK OWiG/Bär, § 79 Rn. 59). Vor diesem Hintergrund wäre die originäre Begründung einer Rechtsbeschwerdezuständigkeit des Bundesgerichtshofs eine ‒ begründungsbedürftige ‒ Ausnahme, für die es hier an Anhaltspunkten fehlt.

12bb) Außerdem belegt die systematische Stellung der Ausnahmeregelung des § 41 Abs. 1 BDSG, dass es sich um eine von den allgemeinen Regelungen abweichende Zuständigkeitsregelung für die erste Instanz ohne Folgen für den weiteren Instanzenzug handelt. Denn sie ist nicht in § 41 Abs. 2 BDSG – also im Zusammenhang mit der Verweisung hinsichtlich des Verfahrens –, sondern in § 41 Abs. 1 BDSG geregelt, der in Satz 1 einen eigenen Verweis auf die Vorschriften des OWiG enthält. Diese Verweisung wird wiederum durch § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG dahin eingeschränkt, dass § 68 OWiG mit der Maßgabe Anwendung findet, dass das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von 100.000 Euro übersteigt. Eine damit einhergehende Auswirkung auf die in Absatz 2 der Vorschrift geregelte und das Bußgeldverfahren betreffende Verweisungsnorm lässt sich dieser Regelungstechnik nicht entnehmen. Vielmehr stellt sich die in § 41 Abs. 1 BDSG normierte Ausnahmeregelung vor diesem Hintergrund als abschließender gesetzgeberischer Eingriff in den Instanzenzug dar.

13cc) Weiterhin spricht – worauf der Generalbundesanwalt hingewiesen hat – für eine enge Auslegung der Norm, dass der Gesetzgeber in anderen Fällen, in denen er eine von § 68 OWiG abweichende erstinstanzliche Zuständigkeit in Bußgeldverfahren bestimmt hat, die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für Rechtsbeschwerden ausdrücklich geregelt hat.

14So entscheidet der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs gemäß §§ 84, 94  Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Bußgeldverfahren über die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte nach §§ 81, 83 Abs. 1 Satz 1 GWB. Die Regelung des § 84 GWB wurde auch in § 99 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnergiewirtschaftsgesetzEnWG) übernommen (vgl. BT-Drucks. 15/3917, S. 75). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 63 Satz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) ausdrücklich „abweichend von der für allgemeine Bußgeldsachen geltenden Regelung“ eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für Rechtsbeschwerden gegen die nach § 62 WpÜG von den Oberlandesgerichten getroffenen Entscheidungen angeordnet (vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 69). Der Umstand, dass der Gesetzgeber mehrfach eine bundesgerichtliche Rechtsbeschwerdezuständigkeit ausdrücklich angeordnet hat, spricht mit Gewicht dafür, dass es beim Fehlen einer entsprechenden klaren Kodifizierung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass die Oberlandesgerichte ihren Status als bußgeldrechtliches Rechtsbeschwerdegericht nicht an den Bundesgerichtshof verlieren sollen.

15c) Dieser Befund wird durch die historische Entwicklung der Regelungen zum Instanzenzug in Bußgeldsachen gestützt.

16aa) Eine der Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG ähnliche Regelung sah bereits das Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz; nachfolgend WiStG 1949) vom (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 193) vor. Nach § 82 Abs. 1 WiStG 1949 war bei Geldbußen bis 5.000 DM das Amtsgericht, bei höheren Geldbußen hingegen das Landgericht zuständig. Gleichwohl war für die hiergegen unter bestimmten Voraussetzungen zulässige Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 4 Satz 1 WiStG 1949 stets das Oberlandesgericht zuständig. Zwar kam eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zu dieser Zeit nicht in Betracht, weil dieser erst durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom (BGBl. I S. 455) errichtet wurde. Es existierte aber bereits der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone, dessen Zuständigkeit sich auch auf Revisionen in Strafsachen bezog (vgl. § 34 der Durchführungsverordnung des Zentral-Justizamts für die Britische Zone vom , Verordnungsblatt Nr. 25 S. 149) und der damit als weiteres Rechtsbeschwerdegericht für die von den Landgerichten getroffenen Entscheidungen in Bußgeldsachen zur Verfügung gestanden hätte.

17bb) Darüber hinaus war eine der Vorschrift des § 82 Abs. 1 WiStG 1949 entsprechende Regelung auch im Gesetzentwurf für die Einführung eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten aus dem Jahr 1951 vorgesehen (vgl. BT-Drucks. I/2100, S. 9 f.). Unabhängig von der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Amts- oder Landgerichts sollte gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzentwurfs weiterhin ausschließlich das Oberlandesgericht über die Rechtsbeschwerden entscheiden.

18Wenngleich die vorgenannte Differenzierung bei der erstinstanzlichen Zuständigkeit letztlich keinen Eingang in das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom (BGBl. I S. 177; nachfolgend OWiG 1952) gefunden hat, zeigt der ursprüngliche Entwurf, dass auch der historische Gesetzgeber nicht von einer Verknüpfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte mit der Rechtsbeschwerdezuständigkeit der Oberlandesgerichte, sondern von einer davon unabhängigen, originären Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen ausgegangen ist.

19cc) Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Zuge der Reform des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten im Jahr 1968 die Rechtsbeschwerde in § 79 OWiG neu geregelt und dabei auf eine ausdrückliche Zuständigkeitszuweisung an die Oberlandesgerichte – wie sie noch in § 56 Abs. 4 Satz 1 OWiG 1952 enthalten war – verzichtet hat (vgl. § 79 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom , BGBl. I S. 481). Denn durch die noch heute gleichlautende Verweisung in § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG auf die Vorschriften der StPO und des GVG sollte lediglich eine Generalklausel geschaffen werden, um den Verweis auf zahlreiche einzelne Vorschriften der genannten Gesetze zu vermeiden (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses vom zu BT-Drucks. V/2600 und V/2601, S. 11). Dass der Gesetzgeber damit bewusst eine Möglichkeit für die Verschiebung der Zuständigkeit für Rechtsbeschwerdeverfahren schaffen wollte, erscheint bereits deshalb fernliegend, weil das Gesetz für das gerichtliche Bußgeldverfahren auch nach der Reform lediglich eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Amtsgerichte vorsah.

20d) Die Entstehungsgeschichte der Norm sowie der mit ihr verfolgte begrenzte gesetzgeberische Zweck stützen dieses Auslegungsergebnis und bestätigen, dass es sich bei § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG um eine isolierte Sonderregelung für die erste Instanz ohne Auswirkungen auf den weiteren Instanzenzug handelt.

21aa) Zwar sind die wenig aussagekräftigen Gesetzesmaterialien auf den Hinweis beschränkt, dass der Entwurf angesichts der nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO möglichen hohen Geldbußen in Anlehnung an die für Zivilsachen geltende Zuständigkeitsnorm des § 23 Nr. 1 GVG eine Zuständigkeit auch der Landgerichte vorsehe, wenn die Geldbuße die Summe von 100.000 Euro übersteige (vgl. BT-Drucks. 18/12144, S. 6). Demnach verfolgte der Gesetzgeber mit der Regelung das ‒ isolierte ‒ Ziel, die Amtsgerichte nicht mit Entscheidungen über hohe Bußgelder zu belasten (vgl. insoweit auch die Wortmeldung von Mayer, Plenarprotokoll 18/231, S. 23305). Ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber einen tiefgreifenden Eingriff in den weiteren Instanzenzug bezweckte und in datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren eine gespaltene Zuständigkeit zwischen den Oberlandesgerichten einerseits und dem Bundesgerichtshof andererseits schaffen wollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Das mit der Regelung des § 41 Abs. 1 BDSG verfolgte beschränkte gesetzgeberische Ziel spricht für die Annahme, dass der Gesetzgeber nicht ohne ausdrückliche Regelung und in Abkehr von den sonstigen Regelungen über den Instanzenzug eine gespaltene Rechtsbeschwerdezuständigkeit begründen wollte. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Schaffung einer Bundeszuständigkeit in einem Teilbereich des Ordnungswidrigkeitenrechts mit den damit verbundenen zusätzlichen Belastungen erörtert worden wäre, wenn dies tatsächlich beabsichtigt gewesen wäre.

22bb) Darüber hinaus stellt die Vorschrift des § 41 Abs. 1 BDSG eine Sonderregelung dar. Sowohl das OWiG als auch Bußgeldvorschriften in anderen Gesetzen (vgl. insbesondere § 30 Abs. 2 OWiG, § 130 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 334 Abs. 3 und Abs. 3a HGB sowie § 14 Abs. 3 DüngeG) sehen die Möglichkeit vor, hohe Geldbußen zu verhängen, ohne dass damit eine Abweichung vom üblichen Instanzenzug verbunden wäre (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, DSGVO BDSG, 3. Aufl., BDSG § 41 Rn. 8; Gola/Heckmann/Ehmann, DSGVO - BDSG, 3. Aufl., BDSG § 41 Rn. 26; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Burkhardt, DSGVO/ BDSG, 3. Aufl., BDSG § 41 Rn. 35). Schließlich zeigt auch die Zuständigkeitsregelung des § 80a Abs. 2 OWiG, nach der die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte bei einer Geldbuße von mehr als 5.000 Euro nicht nur mit einem, sondern mit drei Berufsrichtern besetzt sind, dass der Gesetzgeber besondere Anforderungen an die Besetzung der Richterbank der Rechtsbeschwerdegerichte in Fällen bedacht hat, in denen hohe Geldbußen verhängt worden sind.

233. Das Recht der Europäischen Union steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die als Unionsverordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar und verbindlich in Deutschland geltende DSGVO (vgl. , Rn. 16; Urteil vom – VI ZR 576/19, WM 2021, 1376 Rn. 17) enthält keine Vorgaben zur prozessualen Umsetzung und zum Instanzenzug; beides obliegt allein den Mitgliedstaaten. Die unionsrechtlich geforderte effektive prozessuale Sanktionsdurchsetzung ist im Falle einer Rechtsbeschwerdezuständigkeit der Oberlandesgerichte nicht berührt.

244. Das Auslegungsergebnis steht schließlich im Einklang mit der Verfassung und verletzt insbesondere nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (krit. in Bezug auf die Frage der Besetzung des zuständigen Spruchkörpers BeckOK StGB/Bieber, BDSG § 41 Rn. 32; Sydow/Marsch/Heghmanns, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., BDSG § 41 Rn. 26; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Burkhardt, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., BDSG § 41 Rn. 36; Lamsfuß, NZWiSt 2021, 98; Kiparksi/Zirfas, CR 2021, 108, 112).

25a) Die Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst werden kann, gleichgültig, von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht (vgl. BVerfGE 95, 322, 327). Deshalb muss sich der für den Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben (BVerfGE 19, 52, 59; 22, 254, 258). Der Gesetzgeber muss die fundamentalen Zuständigkeitsregeln selbst aufstellen, also durch die Prozessgesetze bestimmen, welche Gerichte mit welchen Spruchkörpern für welche Verfahren sachlich, örtlich und instanziell zuständig sind (BVerfGE 95, 322, 328).

26Allerdings erfordert dieser Grundsatz nicht, dass der Richter jeweils durch das Gesetz endgültig bestimmt sein muss (vgl. BVerfGE 9, 223, 226; 22, 254, 259). Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht schon dann vor, wenn zur Bestimmung des gesetzlichen Richters auslegungsbedürftige Begriffe verwendet werden. Auslegungszweifel in Bezug auf die zur Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters verwendeten Kriterien sind deshalb unschädlich (vgl. BVerfGE 95, 322, 330).

27b) Gemessen hieran ist die Auslegung des § 41 Abs. 2 BDSG dahin, dass es bei der Rechtsbeschwerdezuständigkeit der Oberlandesgerichte verbleibt, mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Der Wortlaut, die Systematik, die historische Entwicklung der Regelungen zum Instanzenzug in Bußgeldverfahren und Sinn und Zweck des § 41 Abs. 2 BDSG ergeben, dass mit der Einführung des § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG lediglich in Bezug auf die erstinstanzliche Zuständigkeit eine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach der neben den Amtsgerichten auch die Landgerichte erstinstanzlich zuständig sein sollen. Daraus folgt, dass das zuständige Rechtsbeschwerdegericht über die Verweisungsanalogien des § 41 BDSG ohne Weiteres bestimmt werden kann.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240625B6AR1.25.0

Fundstelle(n):
XAAAK-03591