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BGH Urteil v. - IV ZR 161/24

Leitsatz

Die Gefahr des Verlusts bei einer Geldüberweisung geht bei einem unwahrscheinlichen Kausalverlauf (hier: Fälschung einer Kontobezeichnung durch einen unbekannten Dritten) nicht nach dem Rechtsgedanken des § 270 Abs. 3 BGB i.V.m. § 242 BGB auf den Gläubiger über.

Gesetze: § 242 BGB, § 270 Abs 3 BGB

Instanzenzug: Az: 24 U 54/24vorgehend Az: 19 O 43/23

Tatbestand

1    Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Vergleich in Anspruch.

2    Die Parteien sind die Kinder des 2019 verstorbenen Erblassers, der von den Beklagten im Wege der testamentarischen Erbfolge beerbt wurde. Die Klägerin machte gegen die Beklagten vorgerichtlich ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden: Klägervertreterin/Beklagtenvertreter) handelten daraufhin einen Vergleich mit dem Inhalt aus, dass die Beklagten an die Klägerin zur Abgeltung ihres Pflichtteilsanspruchs einen Betrag in Höhe von 30.000 € zahlen, wobei die Zahlung auf das Anderkonto der Klägervertreterin bei der Kreissparkasse K erfolgen sollte.

3    Der Beklagtenvertreter übermittelte der Klägervertreterin in der Folge am eine von ihm gefertigte schriftliche Fassung des zuvor ausgehandelten Vergleichs über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (im Folgenden: beA) zur Prüfung und Unterschrift. Als Empfängerkonto war im Vergleichstext absprachegemäß das Anderkonto der Klägervertreterin unter Angabe einer konkreten IBAN aufgeführt. Die Klägervertreterin druckte das Dokument aus, unterzeichnete es und übersandte es dem Beklagtenvertreter auf dem Postweg. Das Schreiben wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Unterzeichnung durch die Klägervertreterin und vor dessen Eingang am beim Beklagtenvertreter von einer bislang unbekannten Person ohne Kenntnis der Klägerin oder ihrer Vertreterin dahingehend geändert, dass die Angabe des Kontos bei der Kreissparkasse K      nebst IBAN durch die Bezeichnung eines Kontos bei der I               AG mit einer von der ursprünglichen Angabe im Vertragstext abweichenden IBAN ersetzt wurde. Der Inhaber des bei der I               AG geführten Kontos ist unbekannt. In Unkenntnis dieser Fälschung unterzeichnete der Beklagtenvertreter das übermittelte Dokument am und versandte es ohne Hinweis auf etwaige Änderungen an die Klägervertreterin, bei der es am eintraf.

4    Am 17. und überwiesen die Beklagten jeweils 10.000 € auf das im Text des von beiden Vertretern unterzeichneten Vergleichs nunmehr aufgeführte Konto bei der I               AG. In der Folgezeit unternommene Versuche der Beklagten, die überwiesenen Beträge zurückzuerlangen, scheiterten.

5    Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung des vereinbarten Betrags in Höhe von 30.000 € nebst Zinsen sowie Ersatz eines Verzugsschadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil abgeändert und unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 30.000 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Gründe

6    Die Revision hat keinen Erfolg.

7    I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein fälliger Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe aus der Pflichtteilsabfindungsvereinbarung zu. Der Wirksamkeit des durch den Austausch der unterschriebenen Vertragserklärungen erfolgten Vertragsschlusses stehe es gemäß § 155 BGB nicht entgegen, dass die Parteien keine Einigung darüber erzielt hätten, auf welches Konto die vereinbarte Zahlung zu erfolgen habe. Die Parteien hätten sich nicht auf das Konto der Klägervertreterin bei der Kreissparkasse K       als Empfängerkonto geeinigt, da die einer sogenannten "falsa demonstratio" entsprechenden Voraussetzungen hier nicht vorlägen. Nach dem Empfängerhorizont habe der Beklagtenvertreter davon ausgehen müssen, dass die Abfindungszahlung auf ein Anderkonto der Klägervertreterin bei der I               AG erfolgen sollte, denn er habe nicht erkennen können, dass die Bevollmächtigte der Klägerin nicht Inhaberin des nunmehr angegebenen Kontos gewesen und daher die Abänderung gegen ihren Willen vorgenommen worden sei. Die so verstandene Erklärung sei der Klägerin nicht zurechenbar. Sie sei nicht lediglich anfechtbar gemäß § 120 BGB, da diese Vorschrift nur dann zur Anwendung komme, wenn die übermittelte Erklärung noch als eine solche des Auftraggebers gelten könne. Wenn schon eine bewusste Falschübermittlung durch den Boten die Zurechenbarkeit ausschließe, müsse dies erst recht für eine Erklärung gelten, die durch einen Dritten manipuliert worden sei. Eine abweichende Bewertung sei auch nicht etwa deshalb angezeigt, weil die Klägervertreterin den Vertragsentwurf per Briefpost verschickt habe. Die Klägervertreterin habe für die Übersendung mit der Briefpost einen Boten eingesetzt, den sie ohne Weiteres als zuverlässig habe erachten dürfen. Eine aktive Nutzungspflicht des beA im außergerichtlichen Verkehr lasse sich der BRAO nicht entnehmen. Die Manipulation lasse sich damit nicht der Sphäre der Klägervertreterin zuordnen. Die Abfindungsvereinbarung sei mit dem Inhalt zustande gekommen, dass die Abfindungszahlung an die Klägervertreterin zu leisten sei.

8    Die Forderung der Klägerin sei nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Denn die Beklagten hätten unstreitig weder auf ein Geschäftskonto der Bevollmächtigten der Klägerin noch auf ein Konto der Klägerin selbst geleistet. Die Beklagten könnten auch weder mit einem eigenen Schadensersatzanspruch aufrechnen noch der Klägerin die dolo-agit-Einrede entgegenhalten.

9    II. Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

10    Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin aus dem mit den Beklagten geschlossenen Vergleich (§ 779 BGB) gegen diese als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 30.000 € zusteht, der durch die Überweisungen der Beklagten vom 17. und auf das Konto bei der I               AG nicht erloschen ist.

11    1. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass zwischen den Parteien ein (schriftlicher) Vergleich zustande gekommen ist, in dem sich die Beklagten zur Zahlung von 30.000 € an die Klägerin verpflichteten, und dieser nicht aufgrund eines versteckten Einigungsmangels gemäß § 155 BGB unwirksam ist. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Kundenkennung des Kontos, auf das der geschuldete Betrag überwiesen werden sollte, nach dem Willen der Parteien überhaupt Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sein sollte. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte ein versteckter Dissens nicht die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge, da nach dem hypothetischen Parteiwillen der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Die Angabe der Kundenkennung eines Kontos ist für Begründung und Inhalt eines Schuldverhältnisses irrelevant, sondern betrifft lediglich dessen Erlöschen. Sie kann gegebenenfalls auch erst nach Vertragsschluss erfolgen.

12    2. Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Anspruch der Klägerin nicht durch Erfüllung erloschen ist.

13    a) Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Bewirkt ist die Leistung im Sinne des § 362 BGB in der Regel noch nicht mit der Vornahme der Leistungshandlung, sondern erst mit dem Eintritt des Leistungserfolges (vgl. , NJW-RR 2024, 288 Rn. 12; vom - III ZR 115/08, BGHZ 179, 298 Rn. 5 m.w.N.; vom - VIII ZR 157/97, NJW 1999, 210 [juris Rn. 9]; vom - V ZR 168/81, BGHZ 87, 156 [juris Rn. 21] m.w.N.).

14    aa) Eine Geldschuld kann anstatt durch Barzahlung auch im Wege einer Banküberweisung getilgt werden, wenn die Parteien dies vereinbart haben. Der geschuldete Leistungserfolg ist vorbehaltlich einer - hier nicht getroffenen - anderweitigen Vereinbarung der Parteien erst dann herbeigeführt, wenn der geschuldete Betrag dem Konto des Gläubigers vorbehaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält (vgl. , NJW 2019, 2544 Rn. 25; Urteile vom - VIII ZR 222/15, BGHZ 212, 140 Rn. 23; vom - XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 22 f.; vom - VIII ZR 157/97, NJW 1999, 210 [juris Rn. 9]; jeweils m.w.N.).

15    bb) Die Parteien können auch vereinbaren, dass die geschuldete Leistung mit befreiender Wirkung auf das Konto eines Dritten zu überweisen ist, der nicht Vertreter des Gläubigers ist. Eine solche Leistung hat gemäß § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB Erfüllungswirkung, wenn der Dritte vom Gläubiger rechtsgeschäftlich ermächtigt ist, die Leistung (mit befreiender Wirkung) in Empfang zu nehmen oder wenn der Schuldner vom Gläubiger ermächtigt ist, die Leistung (mit befreiender Wirkung) an den Dritten zu erbringen (vgl. , BGHZ 236, 132 Rn. 29 m.w.N.; vom - V ZR 168/81, BGHZ 87, 156 [juris Rn. 21]). Die Ermächtigung braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden; sie kann sich auch aus einer Auslegung des Vertrags nach §§ 133, 157 BGB (vgl. , NJW 1994, 2947 [juris Rn. 24]) oder aus schlüssigem Verhalten ergeben, das den redlichen Empfänger berechtigterweise auf ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein schließen lässt (vgl. aaO; vom - IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171 [juris Rn. 17] m.w.N.). Die Leistung an einen nichtberechtigten Dritten erlangt - von gesetzlich besonders geregelten Fällen (vgl. etwa §§ 169, 370, 407, 408 BGB) abgesehen - nur dann befreiende Wirkung, wenn der Gläubiger sie nachträglich genehmigt, einer der beiden anderen Fälle des § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB eintritt oder der nicht empfangsbefugte Dritte die Leistung entsprechend den Weisungen des Schuldners an den Gläubiger weiterleitet. Dass der Schuldner den Nichtberechtigten gutgläubig für empfangsberechtigt hält, führt demgegenüber - sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen bestehen - allein nicht zum Freiwerden des Schuldners (vgl. aaO).

16    b) Nach dieser Maßgabe ist Erfüllung weder nach § 362 Abs. 1 BGB noch nach § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB eingetreten. Denn durch die Überweisungen der Beklagten auf das Konto des Dritten bei der I              AG wurde die Leistung weder unmittelbar an die Klägerin bewirkt noch haben die Beklagten mit befreiender Wirkung an den Inhaber dieses Kontos geleistet. Für eine erfüllungswirksame Leistung an diesen fehlt es an einer Ermächtigung nach den eingangs aufgeführten Grundsätzen.

17    aa) Eine Ermächtigung der Beklagten, die Zahlung schuldbefreiend an den Inhaber des Kontos bei der I               AG zu erbringen, ergibt sich insbesondere nicht schon aus der Angabe der IBAN im Vertragstext selbst. Dies folgt aus der Auslegung der Vereinbarung der Parteien über die Tilgung der Geldschuld im Wege der Banküberweisung gemäß §§ 133, 157 BGB.

18    (1) Dass allein in der Angabe einer bestimmten Kundenkennung im Sinne des § 675r Abs. 2 BGB eine Ermächtigung durch die Klägerin liegen soll, an den Inhaber des Kontos, dem die Kundenkennung zuzuordnen ist, schuldbefreiend zu leisten, durften die Beklagten bei vernünftiger Beurteilung aller ihnen erkennbarer Umstände nicht annehmen. Denn es fehlt an konkreten Anhaltspunkten, welche die Beklagten berechtigterweise auf einen dahingehenden Willen der Klägerin schließen lassen könnten. Bereits dem Hinweis im Vertragstext darauf, dass es sich bei dem angegebenen Konto um ein Anderkonto der Klägervertreterin handeln soll, ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entnehmen, dass allein eine Leistung an diese dem Willen der Klägerin entspricht.

19    (2) Hierzu steht es nicht im Widerspruch, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Überweisung auf ein anderes als das angegebene Konto des Gläubigers grundsätzlich keine Tilgungswirkung hat (, NJW-RR 2004, 1281 [juris Rn. 17]; vom - II ZR 150/85, BGHZ 98, 24 [juris Rn. 16]). Daraus kann nicht geschlossen werden, dass in jedem Fall einer Überweisung auf ein scheinbar vom Gläubiger dem Schuldner mitgeteiltes Konto Erfüllung eintritt. Denn anders als im hier zu entscheidenden Fall lagen der eingangs zitierten Rechtsprechung Fallgestaltungen zugrunde, in denen der Gläubiger Inhaber des von ihm benannten Kontos war, sodass eine Zahlung auf dieses Konto gemäß § 362 Abs. 1 BGB schuldbefreiend gewirkt hätte, ohne dass - wie hier - noch eine Ermächtigung zur Leistung an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung erforderlich gewesen wäre.

20    (3) Angesichts dieses Auslegungsergebnisses kommt es auf die vom Berufungsgericht für zulassungsrelevant erachtete Frage einer Anwendbarkeit des § 120 BGB nicht an. Eine solche käme nur in Betracht, wenn die Auslegung ergäbe, dass an den Inhaber des Kontos bei der I               AG, dem die im Vertragstext genannte IBAN zugeordnet war, unabhängig von dessen Identität allein aufgrund des Umstands, dass er Inhaber dieses Kontos war, schuldbefreiend hätte geleistet werden können. Dies ist jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall.

21    bb) Eine Ermächtigung im Sinne des § 185 BGB ergibt sich ferner nicht aus dem Umstand, dass weder die Klägerin noch ihre Vertreterin nach Zuleitung des unterzeichneten Vertrags, der die geänderte Kontoverbindung enthielt, die Angaben zum Empfängerkonto gegenüber den Beklagten oder deren Vertreter korrigierten. Zwar kann auch Schweigen ausnahmsweise ein - durch Auslegung im Einzelnen zu bestimmender - Erklärungswert zukommen. Das ist der Fall, wenn das Schweigen bei verständiger Würdigung aller Umstände nur die Bedeutung einer Willenserklärung haben kann (, NJW 2018, 296 Rn. 21; Beschluss vom - V ZB 37/02, BGHZ 152, 63 [juris Rn. 11] m.w.N.). Auf eine Willenserklärung mit bestimmtem Inhalt kann geschlossen werden, wenn der Erklärungsempfänger angesichts der Gesamtumstände nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine gegenteilige Äußerung des Schweigenden erwarten durfte ( aaO m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, denn der schlichten Nichtäußerung auf die Zuleitung eines bereits von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Vertrags kommt keinerlei Erklärungswert zu. Dies gilt umso mehr, als der Beklagtenvertreter die Klägerin und ihre Vertreterin im Zuge der Übersendung des Vertrags nicht auf die geänderte Kontoverbindung hingewiesen hat und demzufolge für diese auch keine Veranlassung bestand, nach entsprechender Überprüfung eine Richtigstellung vorzunehmen.

22    cc) Schließlich ist Erfüllung auch nicht aufgrund einer Genehmigung der Leistung an den Dritten durch die Klägerin gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB oder nach einer der weiteren Alternativen des § 185 Abs. 2 BGB eingetreten. Auch eine Weiterleitung der Leistung durch den nicht empfangsbefugten Dritten an die Klägerin ist nicht erfolgt.

23    3. Ist Erfüllung mithin nicht eingetreten, sind die Beklagten auch nach den allgemeinen Gefahrtragungsregeln weiterhin zur Leistung an die Klägerin verpflichtet, denn sie tragen die Verlustgefahr.

24    a) Gemäß § 270 Abs. 1 BGB hat der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Damit obliegt dem Schuldner bei Geldleistungen bis zur Erfüllung grundsätzlich das Verlustrisiko. Dies ist nicht anders zu bewerten, wenn im Wege der Überweisung erfüllt wird (vgl. , WM 1982, 291 [juris Rn. 17]; Kolbe in Staudinger, BGB (2025) § 270 Rn. 26; Canaris, Bankvertragsrecht 4. Aufl. Rn. 477; Hopt in Hopt, HGB 44. Aufl. 2. Teil VI. (7) Rn. C109; Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl. § 14 IV. c); wohl auch Forster in Soergel, BGB 13. Aufl. § 270 Rn. 13).

25    b) Die Zweifelsregel des § 270 Abs. 1 BGB kommt auch zur Anwendung, da es an einer vorrangigen ausdrücklichen oder auch nur konkludenten Parteivereinbarung darüber, wer die Verlustgefahr zu tragen hat, fehlt. Eine solche ist weder dem Vertragstext selbst noch den sonstigen Umständen des Vertragsschlusses zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem vereinbarten Übermittlungsweg (vgl. hierzu Kolbe in Staudinger, BGB (2025) § 270 Rn. 6; Forster in Soergel, BGB 13. Aufl. § 270 Rn. 15). Zwar wird dem Schuldner hierdurch eine bestimmte Art der Geldübermittlung bindend vorgeschrieben. Daraus folgt aber nicht der Übergang der Verlustgefahr auf den Gläubiger (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 157/51, BGHZ 6, 121 [juris Rn. 15 f.]; a.A. Forster aaO). Denn allein der Verweisung des Schuldners auf die - gerade bei hohen Geldbeträgen - nach den allgemeinen Gepflogenheiten übliche und im Grundsatz risikoarme Schuldtilgung mittels Überweisung kann nicht zugleich im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB der übereinstimmende Wille der Parteien entnommen werden, die Gefahrtragung abweichend von der Konzeption des Gesetzgebers zu regeln. Dass es nicht im Interesse des Gläubigers liegt, bei Vereinbarung eines ohnehin naheliegenden Übermittlungswegs letzte Restrisiken eines zufälligen Verlusts zu übernehmen, und seine Willenserklärung damit nicht in diesem Sinne zu verstehen ist, ist auch für den Schuldner erkennbar. Der Gläubiger wiederum muss aus den gleichen Gründen nicht davon ausgehen, dass sich der Schuldner nur unter der Voraussetzung des Übergangs der Verlustgefahr mit der bindenden Vereinbarung einer Überweisung als Übermittlungsart einverstanden erklärt.

26    c) Auch die Vorschrift des § 270 Abs. 3 BGB, wonach der Gläubiger die Gefahr zu tragen hat, wenn sich infolge einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Änderung des Wohnsitzes oder der gewerblichen Niederlassung des Gläubigers die Gefahr der Übermittlung erhöht, führt hier zu keiner abweichenden Verteilung der Verlustgefahr. Dies folgt auch nicht aus dem dieser Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedanken.

27    aa) Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass nach dem Rechtsgedanken des § 270 Abs. 3 BGB i.V.m. § 242 BGB in Ausnahmefällen, in denen es unangemessen wäre, den Schuldner für Gefahren haften zu lassen, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten geschaffen hat, die Gefahr des Verlusts bei der Geldübermittlung auf den Gläubiger übergeht (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom - 4 U 113/05, juris Rn. 32; , juris Rn. 8; BFHE 151, 123 [juris Rn. 11]; , juris Rn. 23;  M 3 K 06.4768, juris Rn. 34; Kolbe in Staudinger, BGB (2025) § 270 Rn. 28; Forster in Soergel, BGB 13. Aufl. § 270 Rn. 14; Grüneberg in Grüneberg, BGB 84. Aufl. § 270 Rn. 8; Kerwer in jurisPK-BGB, 10. Aufl. § 270 Rn. 11; Krüger in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 270 Rn. 15; Schwab in NK-BGB, 4. Aufl. § 270 Rn. 3; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl., S. 43; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 3 Rn. 56; Schmieder in Ellenberger/Bunte, BankR-HdB, 6. Aufl. § 28 Rn. 187). Nach anderer Auffassung ist der Übergang der Verlustgefahr in solchen Fällen auf eine analoge Anwendung der §§ 170 ff. BGB zu stützen, da der Gläubiger einen Rechtsschein geschaffen habe, weshalb der Schuldner, sofern er nicht bösgläubig gewesen sei, von seiner Schuld befreit werde (vgl. , BeckRS 1983, 5974 Rn. 24; Canaris, Bankvertragsrecht 4. Aufl. Rn. 485; vgl. auch BFHE 151, 123 [juris Rn. 12]). Bisweilen wird die Erfüllungswirksamkeit einer Überweisung bei Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Mitteilung einer unzutreffenden Kontonummer ohne nähere Begründung bejaht (OLG Köln NJW 1990, 2261 [juris Rn. 4]; LG Hannover NJW-RR 1993, 175; Herresthal in MünchKomm-HGB, Band 6 5. Aufl. Teil 1 B. Rn. 653; Langenbucher in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar 3. Aufl. 4. Kapitel § 675r Rn. 8; Looschelders in BeckOGK-BGB, § 362 Rn. 159 [Stand: ]). Welche der Auffassungen zutrifft, kann offenbleiben, denn die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls liegen hier nicht vor.

28    bb) (1) Von einem solchen ist insbesondere nicht deswegen auszugehen, weil die Änderung der IBAN durch einen Dritten vor Übergabe der Sendung an die Post und damit zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden wäre, zu dem die Klägerin oder ihre Vertreterin den Eingriff des Dritten durch entsprechende Vorkehrungen in ihrem Machtbereich noch hätten verhindern können. Denn dies haben die hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten schon nicht vorgetragen. Soweit die Revision geltend macht, die Beklagten hätten bereits im landgerichtlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass ein Austausch der zweiten Seite des Vergleichstextes noch im Büro der Klägervertreterin - anders als nach Zugang des Dokuments beim Beklagtenvertreter - nicht ausgeschlossen sei, stellt dies nur eine von mehreren Sachverhaltsalternativen in den Raum. Denn auch die Beklagten schließen nicht aus, dass sich der Eingriff erst auf dem Postweg ereignet haben könnte. Für den Übergang der Verlustgefahr nach den vorgenannten Grundsätzen reicht es indes nicht aus, dass eine Fälschung im Machtbereich der Klägerin oder ihrer Vertreterin nur möglich ist; diese muss vielmehr feststehen und auf der Klägerin zuzurechnendem Verhalten beruhen.

29    (2) Sollte das Dokument nach Übergabe an das Postbeförderungsunternehmen und vor Zugang beim Beklagtenvertreter gefälscht worden sein, hätte auch dies nicht den Übergang der Verlustgefahr nach den vorgenannten Grundsätzen zur Folge. Zwar hätte die Klägervertreterin in diesem Fall die konkrete Fälschung verhindern können, wenn sie das Dokument nicht auf dem Postweg, sondern mittels beA übermittelt hätte. Hierzu war sie aber nicht verpflichtet, denn § 31a Abs. 6 BRAO normiert nur eine passive Nutzungspflicht; eine aktive Nutzungspflicht besteht nach § 130d Satz 1 ZPO nur im Falle der Einreichung bei Gericht. Durch die Entscheidung für die Übermittlung auf dem Postweg wäre zwar ein der Sphäre der Klägerin zuzuordnendes Verhalten jedenfalls mitursächlich für die Fälschung geworden. Dieser Ursachenzusammenhang würde aber mangels Zurechnung des gefahrerhöhenden Umstands der Fälschung nicht zu einem Übergang des Verlustrisikos führen.

30    (a) Die Berücksichtigung sämtlicher äquivalent kausaler Verhaltensweisen des Gläubigers bei der Beantwortung der Frage, ob der Gläubiger einen gefahrerhöhenden Umstand geschaffen hat, hätte zur Folge, dass auch gänzlich fernliegende Ursachen zu einem Gefahrübergang führen würden. Die Auferlegung des hiermit einhergehenden Rechtsnachteils auf den Gläubiger ist in Anlehnung an die im Schadensersatzrecht geltenden Grundsätze zur Zurechnung von Schadensfolgen aber dann nicht gerechtfertigt, wenn die durch das Verhalten des Gläubigers geschaffene Gefahrerhöhung auf einem gänzlich unwahrscheinlichen Kausalverlauf beruht. Denn wie im Schadensersatzrecht dem Schädiger können derartige Kausalverläufe im Anwendungsbereich der Gefahrtragungsregeln dem Gläubiger billigerweise rechtlich nicht mehr zugeordnet werden (vgl. zum Schadensersatzrecht , NJW 2021, 925 Rn. 23; Brand in BeckOGK-BGB, § 249 Rn. 244 f. [Stand: ]; Grüneberg in Grüneberg, BGB 84. Aufl. Vorb v § 249 Rn. 26 f.; Oetker in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 249 Rn. 109). Das Ereignis muss demnach im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art - hier die Fälschung der Urkunde - herbeizuführen (vgl. zum Schadensersatzrecht , BGHZ 241, 127 Rn. 81; vom  - VIII ZR 238/18, WuM 2021, 116 Rn. 23 m.w.N.; vom aaO m.w.N.).

31    (b) Nach dieser Maßgabe wäre die Fälschung nicht der Sphäre der Klägerin zuzurechnen. Denn es entspricht nicht dem gewöhnlichen, sondern stellt vielmehr einen unwahrscheinlichen Kausalverlauf dar, dass nach Übergabe einer verschlossenen Postsendung an ein Postbeförderungsunternehmen diese unter Verletzung des Briefgeheimnisses geöffnet und ihr Inhalt im Wege der Urkundenfälschung in betrügerischer Absicht verändert wird. Dies folgt bereits aus der Lebenserfahrung, aber auch aus dem Umstand, dass Anbieter von Postdienstleistungen - auch mit Blick auf die hier in Rede stehenden Straftatbestände (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 d) PostG) - eine für diese Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit (vgl. § 4 Abs. 4 Nr. 1, § 5 Abs. 1 PostG) und darüber hinaus auch Leistungsfähigkeit oder Fachkunde (vgl. § 4 Abs. 4 Nr. 2, § 5 Abs. 2, 3 PostG) besitzen müssen. Zwar verhindert auch die Überprüfung dieser Kriterien durch die Bundesnetzagentur nach § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1, 2, § 7 PostG nicht mit letzter Sicherheit die Begehung von Straftaten nach §§ 202, 263, 267 StGB durch Beschäftigte eines Postbeförderungsunternehmens oder unternehmensfremde Dritte anlässlich der Postbeförderung. Sie gewährleistet aber ein allgemein hohes Niveau an Zuverlässigkeit bei der Beförderung von Postsendungen, das Eingriffe der vorliegenden Art eher unwahrscheinlich macht.

32    (3) Auch der Umstand, dass die Klägervertreterin die ihr am zugegangene Fassung des Vergleichs nicht auf die Übereinstimmung mit der von ihr unterzeichneten Version hin überprüft hat, rechtfertigt keinen Übergang der Verlustgefahr. Denn abgesehen davon, dass sie mit einer Fälschung der Kontoverbindung nicht rechnen musste, ergaben sich für sie auch keinerlei sonstige Anhaltspunkte, die eine Durchsicht des übermittelten Dokuments auf die Richtigkeit der Kontoverbindung hin erforderlich gemacht hätten.

33    4. Dem Anspruch der Klägerin kann auch kein Schadensersatzanspruch der Beklagten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Zwar verbietet dieser Grundsatz die Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner herauszugeben hätte (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est; vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 37/23, juris Rn. 33 m.w.N.; st. Rspr.). Den Beklagten stünde aber - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - im Falle einer erneuten Zahlung an die Klägerin kein Schadensersatzanspruch zu, denn es fehlt an einer Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Führt das der Leistungshandlung vorausgegangene Verhalten der Klägerin und ihrer Vertreterin - wie hier - nicht zum Übergang der Verlustgefahr, kann hierauf erst recht keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gestützt werden.

34    5. Der Anspruch der Klägerin ist - anders als die Revision meint - auch nicht gemindert. Zwar wird in der Literatur unter Bezugnahme auf Entscheidungen des , BGHZ 10, 319; vom - I ZR 47/51, BGHZ 3, 156; vom - I ZR 65/50, BGHZ 2, 218) vertreten, dass nach § 242 BGB eine Aufteilung des Verlustrisikos auf Schuldner und Gläubiger in Betracht kommen kann, wenn der Verlust auf einer für beide Parteien völlig unvorhersehbaren außergewöhnlichen Störung der Übermittlung beruht (vgl. Beurskens in BeckOGK-BGB, § 270 Rn. 30 [Stand: ]; Grüneberg in Grüneberg, BGB 84. Aufl. § 270 Rn. 8; Kerwer in jurisPK, BGB 10. Aufl. § 270 Rn. 11; Krüger in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 270 Rn. 14; Lorenz in BeckOK-BGB, § 270 Rn. 14 [Stand: ]). Abgesehen davon, dass der Bundesgerichtshof in seinen in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen eine derartige Aufteilung nach den Grundsätzen des § 242 BGB schon nicht im Ansatz thematisiert hat, widerspräche eine solche in Fällen wie dem vorliegenden aber auch der gesetzgeberischen Konzeption der Verteilung der Verlustgefahr. Denn § 270 Abs. 1 BGB regelt gerade den zufälligen, mithin den von keiner Partei zu vertretenden Untergang (Beurskens aaO; Kerwer aaO; Krüger aaO Rn. 15).

35    Soweit die Revision einwendet, es sei unbillig, den Beklagten das alleinige Verlustrisiko aufzubürden, weil es gerade nicht der Übermittlungsvorgang sei, der sich als risikobehaftet darstelle und für den der Schuldner einzustehen habe, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Denn setzt der Schuldner bei der Vornahme der Leistungshandlung - wenn auch schuldlos - die Ursache für den anschließenden Verlust, indem er eine falsche Kundenkennung angibt, ist auch dies ein dem Übermittlungsvorgang innewohnendes Risiko.

Prof. Dr. Karczewski              Harsdorf-Gebhardt              Dr. Brockmöller

                                Götz                                 Piontek

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:081025UIVZR161.24.0

Fundstelle(n):
OAAAK-03461