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BAG Beschluss v. - 4 ABN 34/25

Nichtzulassungsbeschwerde - Eingruppierung im Einzelhandel - Erfordernis einer einschlägigen Berufsausbildung oder dreijährigen Tätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres

Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 8 BV 7/24 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 6 TaBV 61/24 Beschluss

Gründe

1I. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.

2Die Arbeitgeberin, Mitglied im Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V., betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit mehreren Betrieben. Mit Schreiben vom ersuchte sie den für den Betrieb in B gebildeten Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung einer Arbeitnehmerin in den Bereich Sales und zu deren Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I des Gehalts- und Lohntarifvertrags für den Einzelhandel in Niedersachsen vom (GLTV). Diese habe keine kaufmännische Ausbildung absolviert und werde im ersten Tätigkeitsjahr beschäftigt. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung zu, lehnte jedoch die beabsichtigte Eingruppierung mit der Begründung ab, die Arbeitnehmerin sei allein aufgrund ihrer Tätigkeit als Verkäuferin, die als Tätigkeitsbeispiel in Gehaltsgruppe II GLTV aufgeführt werde, dieser zuzuordnen.

3Das Arbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich der Betriebsrat mit seiner Beschwerde.

4II. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 92a Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) sind nicht gegeben.

51. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist ( - Rn. 6).

62. Nach diesen Grundsätzen ist die durch den Betriebsrat formulierte Rechtsfrage

nicht klärungsbedürftig. Die Rechtslage ist offenkundig. Die aufgezeigte Rechtsfrage lässt sich ohne Weiteres anhand der tariflichen Regelungen (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge sh.  - Rn. 20 mwN) beantworten.

7a) Nach § 6 Ziffer 2 Satz 1 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Niedersachsen vom (MTV) kommt es für die Eingruppierung der Beschäftigten auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an. § 3 GLTV lautet ua.:

8b) Regelmäßig sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals als erfüllt anzusehen, wenn die Tarifvertragsparteien den Tätigkeitsmerkmalen einzelner Entgeltgruppen bestimmte, hinreichend abgegrenzte konkrete Tätigkeiten zuordnen - sog. Tätigkeits-, Regel- oder Richtbeispiele. Damit bringen sie zum Ausdruck, dass Arbeitnehmer, die diese konkrete Tätigkeit verrichten, in der entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert sind. Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Entgeltgruppe fest zuordnen können. Haben die Tarifvertragsparteien Tätigkeitsbeispiele festgelegt, ist ein Rückgriff auf die Obersätze nicht nur überflüssig, sondern unzulässig. Etwas anderes gilt, wenn ausdrücklich geregelt oder aus anderen Bestimmungen des Tarifvertrags zuverlässig zu entnehmen ist, dass diese Wirkung gerade nicht eintreten soll, sondern es auch bei Vorliegen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Erfüllung der in den Oberbegriffen niedergelegten Merkmale ankommt ( - Rn. 23 mwN).

9c) § 3 GLTV lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe II auch bei Erfüllung eines Tätigkeitsbeispiels eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung oder eine dreijährige Tätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Gehaltsgruppe I voraussetzt.

10In Gehaltsgruppe I sind Angestellte ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung oder ohne Berufsausbildung eingruppiert; Tätigkeitsbeispiele sind nicht genannt. Ab dem 4. Tätigkeitsjahr nach vollendetem 18. Lebensjahr in Gehaltsgruppe I erfolgt die Eingruppierung dieser Angestellten in die der Tätigkeit entsprechende Gruppe (Gehaltsgruppe I Abs. 2). Bis dahin sind sie unabhängig von der Tätigkeit demnach in Gehaltsgruppe I eingruppiert. Dem entspricht die unmittelbar darauffolgende Regelung in der Gehaltsgruppe II. Danach sind Angestellte ohne abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung nach dreijähriger Tätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Gehaltsgruppe l in Gehaltsgruppe II eingruppiert. Daraus ergibt sich, dass die Eingruppierung in Gehaltsgruppe II eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung oder eine dreijährige Tätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Gehaltsgruppe I voraussetzt. Würde allein eine Tätigkeit entsprechend einem Tätigkeitsmerkmal ausreichen, wären diese zusammenhängenden tariflichen Regelungen nicht erforderlich; ein Anwendungsbereich wäre nicht ersichtlich.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:200825.B.4ABN34.25.0

Fundstelle(n):
EAAAK-03447