Instanzenzug: Az: 1 U 3769/21vorgehend LG Regensburg Az: 42 O 897/21
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Er erwarb im Januar 2015 von einer dritten Person einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten BMW 525d, der mit einem Dieselmotor der Reihe N 47 ausgerüstet ist.
3Der Kläger verlangt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, zudem die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde und dass sie verpflichtet sei, ihm die Schäden zu ersetzen, die daraus resultierten, dass die Beklagte das Fahrzeug dahingehend beeinflusst habe, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge (hilfsweise: der Stickoxide) im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweise als im regulären Betrieb im Straßenverkehr. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Der Kläger habe schon die objektiven Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nicht dargelegt. Es fehle an greifbaren Anhaltspunkten für ein entsprechendes Verhalten der für die Beklagten handelnden Personen bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeug. Die Klage könne auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 gestützt werden, da es sich dabei nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handle.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die dagegen von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12die erforderlichen
C. Fischer Brenneisen Messing
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:221025UVIAZR210.22.0
Fundstelle(n):
HAAAK-03031