Tatbestand
1Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. (im Folgenden: der Beigeladene) in seiner Tätigkeit als Lohnbuchhalter bei dem Kläger vom bis zum aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
2Der Beigeladene ist gelernter Steuerfachgehilfe. Im Jahr 1984 hat er ein Gewerbe für "Buchführungsservice" angemeldet. Er ist privat krankenversichert und verfügt über eine private Altersvorsorge. Mit dem Kläger, einem freiberuflichen Steuerberater, schloss er am einen Vertrag über freie Mitarbeit, in dem er sich zur selbstständigen Bearbeitung und Erstellung der laufenden Lohnabrechnungen für 30 in der Anlage zum Vertrag aufgelistete Mandanten des Klägers verpflichtete. Vertraglich unterlag der Beigeladene keinen Weisungen, hatte selbst keine Weisungsbefugnis gegenüber den Angestellten des Klägers und war in der örtlichen und zeitlichen Disposition sowie in der Art und Weise der Auftragsdurchführung frei. Leistungen waren nicht in Person zu erbringen. Als Vergütung wurde ein monatliches, vom Kläger abgerechnetes Pauschalhonorar in Höhe von 35 vom Hundert des mit den zu bearbeitenden Aufträgen erzielten Nettoumsatzes vereinbart. Zusätzlich zu den im Vertrag aufgeführten Mandaten bearbeitete er auch weitere Aufträge des Klägers, wobei er diese ohne Nennung von Gründen ablehnen konnte. Außerdem erledigte er auch die Lohnabrechnungen für die Belegschaft des Klägers gegen eine Pauschale in Höhe von 250 Euro monatlich. Für die Nutzung eines Pool-Bildschirmarbeitsplatzes in den Räumlichkeiten des Klägers sowie dessen IT-Infrastruktur stellte ihm dieser ein pauschaliertes monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 35 Euro (netto) in Rechnung. Bei Arbeiten von zu Hause nutzte der Beigeladene seinen eigenen PC mit einer VPN-Verbindung zum Geschäftsserver. Urlaubszeiten teilte er dem Kläger nicht mit. Er arbeitete bis zum Ende des Auftragsverhältnisses am etwa 50 bis 55 Stunden pro Monat für den Kläger. Im Vertrag wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Beigeladene auch für andere Auftraggeber tätig sein solle. Im Jahr 2018 hatte er mindestens 18 weitere eigene Auftraggeber.
3Auf Antrag des Beigeladenen und des Klägers stellte die Beklagte nach deren Anhörung fest, dass der Beigeladene seit dem aufgrund Beschäftigung bei dem Kläger der Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe (Bescheide vom ; Widerspruchsbescheide vom ).
4Das SG hat die Verwaltungsentscheidung der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen nicht im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG zurückgewiesen. Die Umstände würden gleichermaßen für eine Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, sodass im vorliegenden Einzelfall dem Willen der Vertragsparteien, eine selbstständige Tätigkeit zu vereinbaren, ausnahmsweise eine gewichtige Bedeutung zukomme. Entsprechend einem - SozR 2200 § 1227 Nr 19 - juris RdNr 15) könne als ultima ratio auch auf das bisherige Berufsleben des Beigeladenen als Selbstständiger abgestellt werden. Ein Weisungsrecht sei ausgeschlossen und nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers auch tatsächlich nicht ausgeübt worden. Für die selbstständige Tätigkeit spreche zudem das Entgelt für die Nutzung der Einrichtungen des Klägers sowie die Möglichkeit, frei über den Ort seiner Arbeit zu entscheiden. Der Beigeladene trete in verschiedenen Medien werbend am Markt auf. Er habe selbst entscheiden können, wie viel Arbeitszeit er jeweils für den Auftrag des Klägers und für seine anderen Auftraggeber verwende. Aufgrund der umsatzabhängigen Vergütung habe er das mittelbare Risiko getragen, infolge des Zeitaufwands unwirtschaftlich zu arbeiten. Außerdem sei er berechtigt gewesen, das Auftragsvolumen des Klägers entsprechend einer Teilkündigung mit einer dreimonatigen Frist zu reduzieren, um so gewinnbringendere Aufträge anderer Kunden übernehmen zu können. Der Einsatz freier Mitarbeiter zur Abfederung von Belastungsspitzen sei zwar grundsätzlich ein Indiz für die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Der Beigeladene sei aber nur ausnahmsweise "lückenfüllend" und mit seinem Einvernehmen eingesetzt worden, wenn er - unabhängig von der Auslastung der Mitarbeiter des Klägers - selbst Kapazitäten frei gehabt habe (Urteil vom ).
5Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe keine zutreffende Gesamtabwägung vorgenommen. Der Beigeladene sei in die fremde Betriebsorganisation funktionsgerecht dienend eingegliedert gewesen und habe als Erfüllungsgehilfe die vom Kläger verantwortlich übernommenen Mandate bearbeitet. Es genüge, dass das Arbeitsziel und der betriebliche Rahmen - wie hier - vom Arbeitgeber festgelegt und auf seine Rechnung organisiert werde. Für die Eingliederung des Beigeladenen spreche auch, dass er zur Abfederung von Belastungsspitzen für den Kläger tätig geworden sei. Es komme nicht darauf an, dass er weitere Aufträge des Klägers habe ablehnen können; maßgeblich sei vielmehr, dass er solche tatsächlich zur Entlastung der festangestellten Mitarbeiter mit identischen Arbeitsaufgaben übernommen habe. Für die weisungsabhängige Eingliederung spreche auch - entsprechend der Entscheidung des ) - die praktizierte Abrechnungsstruktur im Sinne einer pauschalen prozentualen Beteiligung in Höhe von 35 vom Hundert. Außerdem habe er gegen eine geringe Gebühr die vom Kläger bereitgestellte und unterhaltene Infrastruktur genutzt. Der Kläger sei für die Abrechnung verantwortlich gewesen, sodass ihm - insoweit vergleichbar mit der Abrechnung pflegerischer Leistungen - auch ein Kontrollrecht zugestanden habe. Unerheblich sei, dass er dieses nur sporadisch ausgeübt habe. Im Fall einer Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation könne Selbstständigkeit nur vorliegen, wenn die Tätigkeit durch typische unternehmerische Freiheiten geprägt werde. Dies sei nicht der Fall. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung und die Abrechnungsstruktur würden auch kein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko begründen. Da nicht gleich viele Indizien für eine Beschäftigung wie für eine selbstständige Tätigkeit sprechen würden, komme es weder auf den Willen der Vertragsparteien noch ergänzend auf den Erwerbsstatus im bisherigen Berufsleben an.
6Die Beklagte beantragt,die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom sowie des Sozialgerichts Gießen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7Der Kläger beantragt,die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
8Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
9Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Gründe
10Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist nicht rechtmäßig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach den für die Statusfeststellung allgemein geltenden Maßstäben (dazu I.) war der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Lohnbuchhalter für den Kläger im Jahr 2018 nicht aufgrund Beschäftigung in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig (dazu II.).
11I. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der Fassung <idF> des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom , BGBl I 926 und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 3710) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 75 RdNr 14, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; - juris RdNr 13 f).
12Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zum Ganzen - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 13 f mwN). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 59 RdNr 22 mwN). Allenfalls wenn nach der Gesamtabwägung aller Umstände diese gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, kann im Einzelfall dem Willen der Vertragsparteien eine gewichtige indizielle Bedeutung zukommen (vgl auch - BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36, RdNr 13).
13Im Rahmen der Eingliederung sind grundsätzlich auch Rahmenvereinbarungen, regulatorische Rahmenbedingungen oder "in der Natur der Sache" liegende Umstände zu berücksichtigen (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 58 RdNr 15 mwN; - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 18). Solchen Bedingungen ist nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (vgl aaO RdNr 15).
14II. Nach diesen Maßstäben und den nicht angefochtenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum weder die für die abhängige Beschäftigung noch die für Selbstständigkeit sprechenden Indizien überwogen haben (dazu 1.). Daher konnte der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Beteiligten als ausschlaggebend herangezogen werden (dazu 2.).
151. Wird ein Auftragnehmer - wie hier - als Erfüllungsgehilfe bei der Durchführung von Verträgen mit Dritten (hier den Mandanten) eingesetzt, können die "regulatorischen Rahmenbedingungen" eine fremdbestimmte Eingliederung bedingen (vgl - zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 78 vorgesehen, juris RdNr 26; - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 79 vorgesehen, juris RdNr 20). Maßgeblich bleibt aber auch in einer solchen rechtlichen Konstellation der im Einzelfall bestehende Grad der Einbindung in die Arbeitsabläufe und die Organisationsstruktur des Auftraggebers. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder sind grundsätzlich nicht - auch nicht im Sinne einer "Regel-Ausnahme-Aussage" möglich (stRspr, vgl zB - SozR 4-2400 § 7 Nr 58 RdNr 15). Ausschlaggebend ist, ob der Rahmen, in den sich die Dienstleistung einfügt, im Einzelfall noch einen für eine selbstständige Tätigkeit typischen Freiraum auch zur Gestaltung der Tätigkeit mit Chancen und Risiken belässt (vgl zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 79 vorgesehen, juris RdNr 15, 38; - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 75 vorgesehen, juris RdNr 25). Hier halten sich die Indizien für Beschäftigung und Selbstständigkeit bei einer Gesamtbetrachtung die Waage, wobei es dafür nicht auf die numerische Anzahl der Indizien ankommt.
16a. Der Beigeladene war insoweit fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert, als dieser zur Erreichung seines Geschäftszwecks nach außen verantwortlich aufgetreten ist (zu diesem Aspekt vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 23), die Mandanten akquiriert und dem Beigeladenen mit einer Mandantennummer zur (teilweisen) Bearbeitung angetragen hat. Außerdem standen ihm Betriebsmittel des Klägers zur Verfügung. Er konnte einen Pool-Arbeitsplatz mit PC und IT-Infrastruktur in der Kanzlei des Klägers nutzen und die Pool-E-Mail-Adresse der Kanzlei verwenden. Als Vergütung erhielt er ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von (nur) 35 vom Hundert des Nettoumsatzes, den der Kläger mit den vom Beigeladenen zu bearbeitenden Aufträgen erzielte (§ 3 Abs 1 des Vertrags) und abrechnete. Insofern war der Beigeladene von der Abrechnung des Klägers gegenüber den Mandanten abhängig und konnte keine konkret aufwandsbezogene Vergütung geltend machen (zu diesem für eine fremdbestimmte Eingliederung sprechenden Indiz vgl - juris RdNr 15).
17b. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens bestand jedoch ein arbeitnehmeruntypischer Freiraum, der gegen eine überwiegend fremdbestimmte Teilhabe spricht, ohne dass die Indizien allein zur Annahme von Selbstständigkeit ausreichen würden: Es gab keine örtlichen oder zeitlichen Vorgaben des Klägers für die Tätigkeit des Beigeladenen (dazu aa). Weisungsrechte hinsichtlich der Durchführung der Tätigkeit wurden nicht vereinbart und auch tatsächlich nicht wahrgenommen (dazu bb). Der Beigeladene war grundsätzlich auch nicht in vom Kläger einseitig gestaltete Arbeitsprozesse einbezogen (dazu cc). Die Betriebsmittel wurden nicht allein vom Kläger zur Verfügung gestellt (dazu dd). Das Auftragsverhältnis war auf die weitere unternehmerische Betätigung des Beigeladenen ausgerichtet und beließ diesem insofern Chancen und Risiken (dazu ee).
18aa) Der Beigeladene war in der örtlichen und zeitlichen Disposition seiner Tätigkeit frei und unterlag insoweit keinen Weisungen (vgl § 2 Abs 2 des Vertrags). Er nutzte entweder den Poolarbeitsplatz oder arbeitete von zu Hause - ohne seine Urlaubszeiten bekannt zu geben. Dabei ist nicht ersichtlich, dass sich diese eingeräumte Gestaltungsfreiheit oder deren Grenzen einseitig an Bedürfnissen des Klägers orientiert hätten (vgl zu diesem einschränkenden Aspekt - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 29). Da der Beigeladene tatsächlich in größerem Umfang für andere Auftraggeber arbeitete, lag die flexible Gestaltung der Tätigkeit auch in seinem eigenem Interesse. Allein die Freiheit von Ort und Zeit der Tätigkeit spricht in der modernen Arbeitswelt allerdings noch nicht zwingend für Selbstständigkeit.
19bb) Weisungen des Klägers bei der Durchführung der dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben waren in der Vereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2 Abs 1 Satz 2 des Vertrags) und wurden nach den Feststellungen des LSG tatsächlich auch nicht erteilt. Anders als zB bei pflegerischen Leistungen, bei denen die regulatorischen (Qualitäts-)Anforderungen des Leistungserbringungsrechts regelmäßig einen hohen Organisationsgrad zur Wahrnehmung der Gesamtverantwortung erfordern (vgl dazu zB - juris RdNr 29 f), folgt hier allein aus der Einbindung in die Abrechnungsstruktur noch kein (konkludentes) vertragliches Weisungsrecht im Innenverhältnis. Die Beteiligten vereinbarten zwar einen Freistellungsanspruch des Klägers in Bezug auf vom Beigeladenen schuldhaft verursachte Schäden (§ 1 Abs 5 des Vertrags), ein vertragliches Weisungsrecht wurde aber ausdrücklich nicht implementiert.
20Die Verantwortung für die vom Beigeladenen übernommenen Aufgaben musste auch nicht aus berufsrechtlichen Gründen durch den Kläger als Steuerberater wahrgenommen werden. Anders als in dem der Entscheidung des Senats vom (B 12 KR 27/19 R - juris) zugrundeliegenden Fall eines Buchführungshelfers durfte der seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Lohnbuchhaltung tätige Beigeladene als gelernter Steuerfachgehilfe die vereinbarten Verrichtungen nach § 6 Nr 4 Steuerberatungsgesetz <StBerG> (idF des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater vom , BGBl I 874) geschäftsmäßig ausüben. Danach gilt das berufsrechtliche Verbot der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht für die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach Bestehen der Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 15 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sind. Geschäftsmäßig in diesem Sinne ist die Hilfeleistung in Steuersachen, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen. Selbständig handelt insoweit, wer sich nach eigenem Willen und in eigener Verantwortung, unabhängig von den Weisungen einer übergeordneten Person betätigt (vgl - BFHE 258, 380 - juris RdNr 12). Die Ausnahmevorschrift geht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, wonach ein Buchführungsprivileg für steuerberatende Berufe hinsichtlich der laufenden Lohnbuchhaltung mit Art 12 Abs 1 GG unvereinbar ist ( - BVerfGE 59, 302 - juris RdNr 53ff). Danach ist kein ausreichender Grund vorhanden, geeigneten Personen Hilfeleistung bei der laufenden Lohnbuchhaltung nur in abhängiger Stellung zu gestatten und sie von der selbstständigen Berufsausübung in diesem Bereich auszuschließen (BVerfG aaO juris RdNr 74). Die laufende Lohnbuchhaltung, die vor allem Routinearbeiten erfasst, ist von anderen abgrenzbaren Abschnitten der Lohnbuchhaltung zu unterscheiden. So sind zB deren erstmalige Einrichtung und die lohnsteuerlichen Abschlussarbeiten zum Jahresende weiterhin den steuerberatenden Berufen vorbehalten. Hilfeleistungen bei solchen Arbeiten waren dem Beigeladenen aber nicht übertragen. Soweit sich der Kläger in Erfüllung seiner eigenen Aufgaben (zB bei Steuer- und Betriebsprüfungen) mit den Arbeitsergebnissen des Beigeladenen befasste und Plausibilitätskontrollen durchführte, wie er sie auch bei Lohnbuchhaltungsunterlagen von in Betrieben anderer Mandaten angestellten Lohnbuchhaltern vorgenommen hat, teilt der Senat die Auffassung des LSG, dass es sich dabei nicht um Weisungen an den Beigeladenen zur Durchführung der von ihm geschuldeten laufenden Lohnabrechnungen handelte.
21Das Fehlen einseitiger Weisungen schließt allerdings noch nicht per se die Annahme einer Beschäftigung aus. Denn die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen (hierzu und zur Abgrenzung zu § 611a BGB näher - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 29 f). Insbesondere bei Dienstleistungen höherer Art - aber auch bei Hilfstätigkeiten - kann weitgehend fachliche Weisungsfreiheit bestehen. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung eines fremden Betriebs erhält. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich dann "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (stRspr, vgl zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 79 vorgesehen, juris RdNr 22). Insofern kommt dem arbeitsteiligen Zusammenwirken mit Personal des Weisungsgebers und der Notwendigkeit der Nutzung von dessen Infrastruktur oder dessen Betriebsmitteln besondere Bedeutung zu ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 71 RdNr 18).
22cc) Die Tätigkeit des Klägers erforderte allerdings auch kein erhebliches Maß an arbeitsteiligem Zusammenwirken. Auch wenn der Beigeladene mit der Lohnbuchhaltung gegebenenfalls nur einen Teil der steuerlichen Belange eines Mandanten des Klägers bearbeitete, war der Gegenstand seiner Tätigkeit grundsätzlich begrenzt und eigenständig bearbeitbar (vgl oben zu bb; zur selbstständigen Erstellung eines Teil-Werks vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28). Vertraglich klar umrissener Gegenstand des Auftrags war die "Bearbeitung und Erstellung der laufenden Lohnabrechnungen, inklusive der Vorbereitung von Lohnsteueranmeldungen, der Erstellung von Meldungen zur Sozialversicherung und Anträgen nach dem AAG, der Unterstützung bei der Führung von Lohnkonten und der Bereitstellung von Auswertungen für die Mandanten und gegenüber betroffenen Institutionen" (§ 1 Abs 1 des Vertrags). Diese Aufgaben erfüllte der Beigeladene nach den vom LSG in Bezug genommenen Feststellungen des SG ohne Inanspruchnahme weiterer Mitarbeiter des Klägers sowie ohne "Abschlussbesprechung" oder Endkontrolle durch den Kläger. Rückfragen und Anfragen der Mandanten wurden selbstständig vom Beigeladenen bearbeitet (§ 1 Abs 3 des Vertrags). Dazu passt, dass der Beigeladene gegenüber Angestellten des Klägers auch keine Weisungsbefugnisse hatte (§ 3 Abs 1 Satz 3 des Vertrags).
23Die Mandanten wurden dem Beigeladenen auch nicht einseitig vom Kläger zugewiesen. Die Mandate wurden entweder bereits bei Vertragsschluss einvernehmlich bestimmt oder nach Absprache (§ 1 Abs 7 des Vertrags) übertragen. Dabei konnte der Beigeladene einen zusätzlichen Auftrag ohne Angabe von Gründen ablehnen, was auch so gehandhabt worden ist. Der Beigeladene hatte außerdem die Möglichkeit, einzelne Aufträge mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen (§ 8 Abs 3 des Vertrags). Dass der Beigeladene Einfluss auf die Zusammensetzung und die Anzahl der zu bearbeitenden Mandate nehmen konnte, spricht hier für einen (wenn auch begrenzten) unternehmerischen Freiraum. Soweit die Beklagte das Recht, einen Auftrag abzulehnen, als unerheblich ansieht, weil es nur auf die tatsächlich übernommenen Mandate ankomme, trifft dies zwar grundsätzlich für die Beurteilung von nacheinander übernommenen Einzelaufträgen innerhalb einer Rahmenvereinbarung zu; dem wird gegebenenfalls dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellung der Versicherungspflicht nicht die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung, sondern nur die angenommenen Einzelaufträge umfasst (vgl - zu Veröffentlichung in BSGE vorgesehen = SozR 4-2400 § 7 Nr 75, juris RdNr 23). Hier geht es jedoch um die (gleichzeitige) Mehrfachbeauftragung. Insoweit ist das Recht, sich einzelne Mandate "auszusuchen", arbeitnehmeruntypisch.
24dd) Die Benutzung der Infrastruktur des Klägers war dem Beigeladenen zwar erlaubt, aber nicht vorgeschrieben. Er hatte keinen personalisierten Arbeitsplatz in dessen Kanzlei. Für die Zurverfügungstellung der Betriebsmittel war auch nicht allein der Kläger verantwortlich. Soweit der Beigeladene von zu Hause arbeitete, verwendete er seinen eigenen PC, wobei er über einen VPN-Anschluss die Software des Klägers nutzte. Dies lag zur Vermeidung eines Import- und Abstimmungsbedarfs von Datenbeständen erkennbar im gegenseitigen Interesse. Für die Nutzung der Büroräume inklusive Softwarenutzung stellte der Kläger dem Beigeladenen außerdem ein pauschaliertes monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 35 Euro netto in Rechnung. Für die eigene Fortbildung sorgte der Beigeladene selbst. Ersatz von Aufwendungen wie zB Fahrtkosten erhielt er nicht. Es kann dahinstehen, ob der Beigeladene seinen eigenen mit PC ausgestatteten Arbeitsplatz gerade im Hinblick auf die Tätigkeit beim Kläger angeschafft hat. Nur dann könnte das dafür aufgewandte Kapital als Teil eines Investitionsrisikos angesehen werden ( - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 43). Jedenfalls das an den Kläger gezahlte pauschale Nutzungsentgelt fiel jedoch für die konkrete Tätigkeit und unabhängig von der Vergütung (und der Nutzung) an.
25ee) Die hier bestehenden Freiheiten erlaubten dem Beigeladenen seine Arbeit so weit selbst zu organisieren, dass er unternehmerische Spielräume auch im Hinblick auf seine weiteren Aufträge nutzen konnte. Anknüpfungstatbestand für die Statuszuordnung ist zwar nur das jeweilige Auftragsverhältnis. Ob daneben noch weitere Auftragsverhältnisse vorliegen, ist grundsätzlich nicht entscheidungserheblich. Denn die Möglichkeit, für andere Auftraggeber tätig zu sein, kann ebenso für Teilzeitbeschäftigte eine Rolle spielen und muss nicht für Selbstständigkeit sprechen. Gewicht erhalten solche Gesichtspunkte regelmäßig erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt (vgl - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 28). Findet eine Tätigkeit für andere Auftraggeber in relevantem Umfang statt, so kann dies aber ein Indiz für eine erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit darstellen ( - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10, RdNr 23). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das Auftragsverhältnis war erkennbar darauf ausgelegt, Raum für unternehmerische Betätigung zu belassen. Gemäß § 5 Abs 1 des Vertrags "darf und soll" der Auftragnehmer auch für andere Auftragnehmer tätig sein. Auch eine Erklärung über das Bestehen weiterer Auftragsverhältnisse ist ausdrücklicher Bestandteil des Vertrags. Diese Regelungen wurden ersichtlich nicht nur zum Schein aufgenommen, sondern auch tatsächlich umgesetzt. Der Beigeladene, der in verschiedenen Medien werbend am Markt auftrat, hatte im streitgegenständlichen Zeitraum mindestens 18 weitere Auftraggeber. Nach den vom LSG in Bezug genommenen Feststellungen des SG brachte der Beigeladene sogar eigene Mandanten in die Kanzlei mit und trat in Konkurrenz zum Kläger, indem er von dessen Mandanten auch direkte Aufträge erhielt. Aufgrund der Möglichkeit, weitere vom Kläger angetragene Mandate abzulehnen oder das bereits beim Kläger bestehende Auftragsvolumen zu reduzieren (vgl oben zu cc), konnte der Beigeladene seine Arbeitszeit auf gewinnbringendere Aufträge ausrichten. Dazu passt auch die vertragliche Absprache (§ 2 Abs 3 des Vertrags), dass der Beigeladene die Leistungen nicht in Person zu erbringen hatte. Als einzelnem Indiz kam der Delegationsbefugnis allerdings keine prägende Bedeutung zu, da der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum über keinen eigenen Mitarbeiter verfügt hat.
26Auch die am erwirtschafteten Umsatz und nicht allein am zeitlichen Aufwand orientierte Vergütung lässt sich hier in Einklang mit den Freiräumen des Beigeladenen bringen. Einerseits gab die Vergütung dem Beigeladenen die Möglichkeit, das Zeitmanagement der gesamten Auftragslage anzupassen. Andererseits trug der Beigeladene auch das unternehmerische Risiko einer ineffektiven oder auch mangelhaften Arbeitsweise, da Überstunden nicht vergütet wurden und die Vergütung bei einer unzureichenden Auftragsdurchführung gekürzt werden konnte (§ 3 Abs 2 des Vertrags). Die Einbindung in die Abrechnungsstruktur des Klägers spricht daher hier nicht ausschlaggebend für die fremdbestimmte Eingliederung wie in dem der Entscheidung des Senats vom (B 12 KR 27/19 R - juris RdNr 15) zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit immer von einem über die Auftraggeberin zustande gekommenen Mandatsverhältnis abhängig war.
27c. Dass der Beigeladene auch die eigene Lohnbuchhaltung des Klägers gegen eine monatliche Pauschale von 250 Euro übernahm und Tätigkeiten für Mandanten ausführte, für die die angestellten Mitarbeiter des Klägers keine Kapazitäten hatten, kommt hier keine besondere Bedeutung zu. Auch wenn Tätigkeiten ausgeführt werden, die ebenso durch Arbeitnehmer des Auftraggebers ausgeführt werden könnten, bleibt für die Statuszuordnung die Ausgestaltung der jeweiligen Auftragsverhältnisse und nicht die Art der Tätigkeit ausschlaggebend. Insoweit ist der Grad der Einbindung des Beigeladenen maßgeblich, der sich hier aber von demjenigen typischer Arbeitnehmer unterschieden hat, die zB zeitlichen Vorgaben und Weisungen unterliegen.
282. Da hier die Umstände bei einer Gesamtabwägung gleichermaßen für eine abhängige Beschäftigung wie für Selbstständigkeit sprechen, durfte das LSG dem Indiz des Parteiwillens ausnahmsweise eine gewichtige Bedeutung beimessen (stRspr, vgl zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 79 vorgesehen, juris RdNr 14; - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 12). Auf das frühere Berufsleben ist hier schon deshalb nicht abzustellen, weil der Wille der Parteien, eine selbstständige Tätigkeit ohne entsprechende Arbeitnehmerrechte wie zB Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung zu vereinbaren, aus dem (gelebten) Vertrag bereits deutlich zum Ausdruck kommt. Einen Rückgriff auf die Erwerbsbiografie hielt der Senat in der vom LSG zitierten Entscheidung aber erst dann für angezeigt, wenn auch die Berücksichtigung des Vertragswillens keine hinreichend sichere Entscheidung erlaubt ( - SozR 2200 § 1227 Nr 19 - juris RdNr 15). Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob an der Erwerbsbiografie als ergänzendem Indiz festzuhalten und wie dieses gegebenenfalls festzustellen wäre.
29III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 bis 3, § 162 Abs 3 VwGO.
30IV. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 iVm § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und bestimmt sich nach dem Auffangstreitwert in Höhe von 5000 Euro.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:220725UB12BA723R0
Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2025 S. 12 Nr. 33
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2025 S. 2109
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2025 S. 2109
UAAAK-02730