Krankenversicherung - Krankenbehandlung - operative Beseitigung einer Hautschürze nach einer bariatrischen Operation - keine Leistungspflicht der Krankenkasse
Gesetze: § 27 Abs 1 S 1 SGB 5
Instanzenzug: SG Landshut Az: S 4 KR 319/19 Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 5 KR 430/22 Urteil
Gründe
1I. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für eine Brustvergrößerung und eine Bauchdeckenstraffung.
2Die 1995 geborene Klägerin war bis zum Mitglied der Beklagten. Bei ihr wurde im März/April 2018 zu Lasten der Beklagten eine bariatrische Operation durchgeführt. Ihren Antrag vom auf Kostenübernahme einer Bauchdeckenstraffung und einer Brustaugmentation lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Am ließ die Klägerin diese Eingriffe durchführen.
3Das SG hat die Klage auf Erstattung der Kosten in Höhe von 4284,50 Euro nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen, weil die Eingriffe danach weder aus dermatologischen noch aus psychischen Gründen oder wegen einer Entstellung indiziert gewesen, sondern allein aus kosmetischen Gründen vorgenommen worden seien (Gerichtsbescheid vom ). Das LSG hat die Berufung der Klägerin unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe zurückgewiesen (Urteil vom ).
4Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
5II. Die Beschwerde, mit der die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) rügt, ist jedenfalls unbegründet.
61. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache insbesondere nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig ist. Hieran fehlt es.
7Die Klägerin wirft folgende Rechtsfragen auf:
8Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn das BSG die Rechtsfrage zwar nicht unter den dort aufgeworfenen Aspekten ausdrücklich behandelt hat, aber deren Beantwortung nach der klaren Rechtslage nicht ernsthaft in Zweifel steht (vgl auch - jurisRdNr 7 = NZS 2012, 557, 558),weil sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt (hierzu siehe zB - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; - SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl dazu - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mit Nachweisen zu Kammer-Beschlüssen des BVerfG; BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 2597/05 - SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5).
9Die Antwort auf die von der Klägerin formulierten Rechtsfragen lässt sich ohne Weiteres dem Gesetz und der bereits ergangenen Rechtsprechung entnehmen. Die beiden Fragen der Klägerin zielen letztlich auf die Klärung der einen Rechtsfrage ab, ob es für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die operative Beseitigung der Hautschürze keiner erst durch sie verursachten Krankheit bedürfen soll, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung, weil es sich bei der Abdominalplastik zusammen mit der bariatrischen Operation um einen einheitlichen ärztlichen Behandlungsvorgang handele, für den die Beklagte schon deshalb in der Leistungspflicht stehe, weil sie die Magenverkleinerung (aufgrund einer Krankheit) genehmigt habe. Letztlich steht hinter der Rechtsfrage der Klägerin die unzutreffende Rechtsauffassung, dass zur (Gesamt-)Behandlung der Adipositas auch solche chirurgischen Eingriffe gehören, denen für sich genommen keine eigene Behandlungsbedürftigkeit zugrunde liegt und auch nicht zugrunde liegen muss. Nur in diesem engen Bereich ist angesichts der Feststellungen des LSG auch von einer zulässigen, weil klärungsfähigen Rechtsfrage auszugehen.
10Grundsätzlich setzt ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V voraus, dass die Behandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Soweit Versicherte nach einer Mastektomie etwa aufgrund eines Mammakarzinoms Anspruch auf Versorgung mit einer Mamma-Aufbauplastik haben, handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um Fälle, die sich von Eingriffen in einen nicht behandlungsbedürftigen natürlichen Körperzustand zur Änderung des nicht entstellten äußeren Erscheinungsbilds grundlegend unterscheiden. Der Anspruch auf Versorgung mit einer Mamma-Aufbauplastik nach Mastektomie etwa aufgrund eines Mammakarzinoms ist darin begründet, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung durch ärztliches Handeln vorrangig darauf gerichtet ist, Erkrankte unter Wahrung ihrer körperlichen Integrität zu heilen. Wird zur Behandlung in den Körper eingegriffen, ist dieser möglichst - als Teil der einheitlichen ärztlichen Heilbehandlung - wiederherzustellen, sei es mit körpereigenem oder mit körperfremdem Material (vgl - SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 18). Grundsätzlich - so betont der Senat auch in der genannten Entscheidung (BSG aaORdNr 10) - kommt aber nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu.
11Anhand dieser Rechtsprechung lässt sich die aufgeworfene Rechtsfrage ohne Weiteres beantworten. Denn es wird deutlich, dass es sich bei der Annahme einer einheitlichen ärztlichen Heilbehandlung zur Wiederherstellung des Körpers um einen eng begrenzten Ausnahmefall handelt, in dem bis zur Wiederherstellung des vor dem Eingriff liegenden Zustands von einem behandlungsbedürftigen Krankheitszustand ausgegangen wird. Dies erfordert einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Ersteingriff zur Behandlung der Grunderkrankung und dem nachfolgenden Eingriff zur Wiederherstellung des vorhergehenden Zustands oder zumindest zur Annäherung an diesen, wie er zwischen einer Mastektomie und dem Wiederaufbau der Brust gegeben ist (vgl hierzu auch - jurisRdNr 9).
12Die Rechtsfrage lässt sich danach ohne Weiteres dahin gehend beantworten, dass die operative Beseitigung einer Hautschürze auch dann nicht in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen fällt, wenn sie - was die Frage in ihren beiden Varianten als gegeben voraussetzt - zumindest im Einzelfall notwendige Folge einer genehmigten bariatrischen Operation ist. Ziel der bariatrischen Operation ist die dauerhafte Reduzierung des Körpergewichts. Dagegen zielt die Abdominalplastik nicht gleichsam antagonistisch darauf ab, den körperlichen Zustand vor der bariatrischen Operation wiederherzustellen, sondern darauf, sich dem Hautzustand anzunähern, wie er vor der Entwicklung der Adipositas bestanden hat, also lange vor der körperlichen Entwicklung, auf die die bariatrische Operation einwirken soll. Auch ist der Operationsbereich der bariatrischen Operation nicht identisch mit dem Körperbereich, in den mit der Abdominalplastik eingegriffen wird. Es soll gerade die Magenverkleinerung nicht rückgängig gemacht werden.
13Auch die LSG haben es bislang schon - teilweise mit derselben Begründung - durchweg abgelehnt, die genannte BSG-Entscheidung für einen Anspruch auf eine Hautschürzenresektion nach bariatrischer Operation als vergleichbar heranzuziehen (Bayerisches - jurisRdNr 69; Bayerisches - jurisRdNr 32 f; - jurisRdNr 37 ff; - jurisRdNr 32 f; - jurisRdNr 45 f; - jurisRdNr 31; aA, wenngleich aufgrund der Feststellung eines krankhaften Hautbefundes nicht entscheidungstragend, - jurisRdNr 65, 66, 71).
142. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:120625BB1KR1524B0
Fundstelle(n):
DAAAK-02646