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BSG Beschluss v. - B 1 KR 33/24 BH

Sozialgerichtliches Verfahren - Leistungsklage - Entscheidung durch Verwaltungsakt - Unzulässigkeit einer vor Erlass des Verwaltungsakts erhobenen Klage

Gesetze: § 54 Abs 4 SGG, § 96 Abs 1 SGG, § 99 Abs 3 Nr 2 SGG

Instanzenzug: Az: S 29 KR 147/22 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 4 KR 299/22 Urteil

Gründe

1I. Die beklagte Krankenkasse stellte gegenüber dem bei ihr versicherten Kläger das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen Beitragsrückständen mit Wirkung ab fest (Bescheid vom ). Der Kläger hat im Wege der Klage, eingegangen beim SG am , von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Zahnbehandlung mit Zahnersatz bei bestehendem Lückengebiss mit nicht erhaltungswürdigen Zähnen begehrt. Hierzu hat er beantragt: "Die Beklagte bewilligt unverzüglich nach Einreichung eines Heil- und Kostenplans die dringend notwendige Zahnersatz-Behandlung …". Ergänzend hierzu hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, jegliche Drohungen gegenüber und jeden Kontakt mit Ärzten des Klägers, insbesondere Zahnärzten, zu unterlassen. Während des Klageverfahrens erstellte der Zahnarzt S einen Heil- und Kostenplan - HKP - (), den der Kläger der Beklagten erfolglos zur Genehmigung vorlegte. Diese lehnte den Antrag wegen der ausstehenden Beitragszahlungen ab (Bescheid vom , von der Beklagten an das Gericht übersandt, Bekanntgabe vom Kläger bestritten). Das SG hat die Klage abgewiesen. Eine Anfechtungs- und Leistungsklage hinsichtlich der Genehmigung des HKP sei unzulässig, weil es an einem Vorverfahren fehle. Eine unmittelbare Leistungsklage scheitere daran, dass selbst bei Eintritt der Genehmigungsfiktion nur Anspruch auf Kostenerstattung bestehe, die Genehmigungsfiktion aber keinen Sachleistungsanspruch vermittele. Die vorbeugende Unterlassungsklage sei jedenfalls unbegründet (). Im Berufungsverfahren hat der Kläger weitere Anträge "zur Klarstellung" gestellt. Sie betreffen ua seine Einbeziehung in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR), das Ruhen nach § 16 Abs 3a SGB V, die sich aus § 13 Abs 3a SGB V ergebenden Rechtsfolgen sowie einen Anspruch auf Auskunft, welcher "Helfershelfer" der Beklagten den "Terroranruf" bei dem Zahnarzt getätigt habe, mit dem sämtliche Untersuchungen, zahnmedizinischen Versorgungen bis hin zur Erstellung eines HKP untersagt worden seien. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Ablehnung des als Vorsitzender nach § 153 Abs 5 SGG an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichters sei offensichtlich unzulässig. Die ergänzenden Anträge seien nur Begründungselemente. In der Sache werde auf die Gründe des Gerichtsbescheides verwiesen. Die Versagung eines Naturalleistungsanspruchs nach § 13 Abs 3a SGB V sei verfassungsgemäß. Sofern der Auskunftsanspruch doch ein eigenständiges Klagebegehren sein sollte, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis (Urteil vom ).

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde eingelegt und für dieses Beschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

3II. 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.

4Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten und unter Würdigung des Vorbringens des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend machen könnte.

5Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

6a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich und durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (vgl hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 6 ffmwN). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist, mithin ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (stRspr; vgl nur  - jurisRdNr 6 mwN).

7Dass danach die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl  - jurisRdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen.

8aa) § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V regelt, dass eine beantragte Leistung nach Ablauf der Fristen aus § 13 Abs 3a Satz 1 oder Satz 4 SGB V als genehmigt gilt. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V keinen Sachleistungsanspruch begründet und darin keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG liegt (vglzB  - BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53;  - BSGE 130, 219 = SozR 4-2500 § 13 Nr 52).

9Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vglzB  - SozR 4-1500 § 160a Nr 32;  - jurisRdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl  - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2;  - jurisRdNr 6, jeweils mwN).

10Der Nachweis des Vorliegens dieser Voraussetzungen für die Wirkung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V dürfte auch jetzt nicht zu erbringen sein (vgl dazu für frühere Zeiträume  - jurisRdNr 9; die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen,  - juris; vgl auch zu noch offenen, hier aber nicht relevanten Fragen der Genehmigungsfiktion Mrozynski, SGb 2022, 202 ff; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 13 RdNr 161 ff, Stand ).

11bb) Soweit der Kläger die Voraussetzungen der KVdR (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V) für verfassungswidrig erachtet, ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Prozessbevollmächtigter - ungeachtet der vom Kläger genannten Entscheidung des BVerfG (vom - 1 BvL 16/96 - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) - die Klärungsfähigkeit einer in diesem Kontext formulierten Rechtsfrage darlegen könnte.

12Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl  - jurisRdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs  - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = jurisRdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl  - jurisRdNr 10 mwN).

13Die Voraussetzungen des Zugangs zur KVdR wären in einer späteren Revisionsentscheidung nicht entscheidungserheblich. Der mit der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf Kostenübernahme für eine Zahnbehandlung scheitert unabhängig von einer Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR bereits daran, dass die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V keinen Sachleistungsanspruch begründet (siehe dazu oben RdNr 8).

14Soweit der Kläger neben einer auf § 13 Abs 3a SGB V gestützten Leistungsklage weiterhin die Genehmigung des HKP mit vollständiger Übernahme der dort ausgewiesenen Kosten begehrt, ist davon auszugehen, dass die Klage schon deswegen unzulässig ist, weil der zu den Gerichtsakten gereichte und jedenfalls dadurch wirksam gewordene ablehnende Bescheid der Beklagten nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist und eine isolierte Leistungsklage unzulässig ist. Denn ist - wie hier beim HKP - über einen Antrag durch Verwaltungsakt zu entscheiden, der den Weg zur kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG eröffnet, bleibt eine vor Erlass des Verwaltungsakts erhobene Leistungsklage grundsätzlich auch dann unzulässig, wenn später ein ablehnender Bescheid ergeht. § 96 Abs 1 SGG bestimmt insoweit, dass nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens wird, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Unerheblich ist insoweit, ob eine wirksame Bekanntgabe des Bescheides erfolgt ist. Mangels zulässiger Anfechtungsklage ist auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Ob hingegen eine nach Erlass des Verwaltungsakts später erhobene Anfechtungsklage mit einer zunächst unzulässigen isolierten Leistungsklage zu einer dann insgesamt zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verbunden werden kann, kann offenbleiben. Denn der Kläger hat den die Genehmigung des HKP ablehnenden Bescheid der Beklagten nicht angefochten. Insoweit dürfte auch das Vorverfahrenserfordernis nach § 78 SGG nicht erfüllt sein. § 99 Abs 3 Nr 2 SGG findet dagegen keine Anwendung, weil die Aufhebung einer ablehnenden Verwaltungsentscheidung nur den Weg für eine Leistungsklage eröffnet. Es handelt sich nicht um eine bloße Erweiterung des ursprünglichen Klagegegenstands. Denn im Subordinationsverhältnis kann die allgemeine Leistungsklage nur darauf gestützt werden, dass ein Anspruch bereits zuerkannt ist, insbesondere durch einen Verwaltungsakt. Die Anfechtungsklage bringt aber gerade zum Ausdruck, dass ein solcher versagt wurde und hierüber noch zu entscheiden ist.

15cc) Ungeachtet dessen, ob der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch und der Auskunftsanspruch eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwerfen könnte, ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Beschwerdebegründung die Klärungsfähigkeit darlegen könnte. Insoweit fehlt es bereits an Feststellungen des LSG, dass die Beklagte sich an den Zahnarzt S gewandt und ihm untersagt habe, den Kläger zu behandeln (zur Erfolgsaussicht einer möglichen Aufklärungsrüge siehe RdNr 24 f).

16b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) dürfte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es sind keine tragenden Rechtssätze im Urteil des LSG ersichtlich, die von tragenden Rechtssätzen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweichen.

17aa) Dies gilt insbesondere für die vom Kläger benannten Entscheidungen des BVerfG. Zu den Voraussetzungen für die Einbeziehung in die KVdR (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V; hierzu  - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) hat das LSG nicht - auch nicht implizit - entschieden und keine Rechtssätze aufgestellt. Nach der Rechtsauffassung des LSG kam es auf die Frage des Zugangs zur KVdR nicht an. Die Frage nach der Berücksichtigung von Art 19 Abs 4 GG (effektiver Rechtsschutz) und der Grundrechte, insbesondere Art 1 Abs 1 GG (Menschenwürde) bei den Anforderungen an die Erfolgsaussichten für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ( - juris;  - BVerfGK 5, 237) stellte sich im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht. Eine Abweichung von der Entscheidung des <Nikolaus-Beschluss> - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) liegt schon deshalb fern, weil die einen Zahnersatz erforderlich machende Schädigung des Kauapparates keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung ist.

18bb) Auch zu den weiteren vom Kläger benannten Entscheidungen des BSG zur Beweislast für den Zugang eines Bescheides oder eines sonstigen behördlichen Schreibens ( - SozR 4-2600 § 115 Nr 2) und zum Ruhen des Leistungsanspruchs von säumigen versicherten Beitragszahlern ( - SozR 4-2500 § 16 Nr 2) sind tragende Rechtssätze des LSG im Urteil nicht feststellbar. Das LSG hat den Zugang des Bescheides der Beklagten vom beim Kläger nicht festgestellt und das diesbezügliche Bestreiten des Klägers im Tatbestand des Urteils wiedergegeben.

19cc) Auch hinsichtlich der Ablehnung des Auskunftsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte, welche bzw welcher Bedienstete dem Zahnarzt des Klägers dessen Untersuchung und Behandlung untersagt hat, ist eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erkennbar. Soweit der Kläger auf eine Entscheidung des BGH (vom - X ZR 56/09 - juris) hinweist, könnte darauf keine Divergenzrüge gestützt werden. Denn die Abweichung von einer Entscheidung des BGH wäre zum einen nicht der Divergenzrüge zugänglich, zum anderen behandelte diese Entscheidung das Bestehen eines Feststellungsinteresses als Sachurteilsvoraussetzung für eine Feststellungsklage, nicht den vom LSG zur Begründung herangezogenen Grundsatz der Subsidiarität der Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Im Übrigen dürfte es auch schon an der Entscheidungserheblichkeit bei unterstellter Divergenz fehlen (vgl dazu RdNr 12 und RdNr 25).

20c) Aus dem Vortrag des Klägers und aus den Akten ist auch kein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens ersichtlich, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

21aa) Ein Verfahrensmangel dürfte nicht deshalb mit Erfolg rügbar sein, weil das LSG erst mit der Entscheidung in der Hauptsache auch über das Ablehnungsgesuch des Klägers entschieden hat. Nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG erkennt indes zur Verfahrensbeschleunigung und Missbrauchsabwehr eine ungeschriebene Ausnahme von dieser Regel an. Danach kann das Gericht über rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise in geschäftsplanmäßiger Besetzung unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden. Lehnt ein Beteiligter - wie hier - mehrere Richter pauschal wegen der Beteiligung an Entscheidungen in der Vergangenheit ab, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit der abgelehnten Richter vorzutragen, ist ein solcher Fall anzunehmen (stRspr; zB  - SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 11;  - jurisRdNr 10;  BH - jurisRdNr 4). Hierauf hat sich das LSG bei der Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig auch gestützt.

22bb) Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger gestellten Anträge zur Schädigung seiner Herzgesundheit durch den zerstörten Kauapparat, zu den verfassungswidrigen Zugangsvoraussetzungen der KVdR und zur Nichtzustellung des Bescheides vom zulässig oder für die vom Kläger begehrte Kostenübernahme oder Kostenerstattung entscheidungserheblich waren (vglRdNr 12 f).

23cc) Schließlich ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Auskunfts- und Unterlassungsanspruchs nicht zu erwarten, dass ein Prozessbevollmächtigter die Verletzung der Amtsermittlungspflicht begründet darlegen könnte.

24Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr; vglzB  - jurisRdNr 5 mwN;  - jurisRdNr 3 mwN;  - jurisRdNr 5). Dazu muss bei einem anwaltlich oder ähnlich rechtskundig vertretenen Beteiligten aufgezeigt werden, dass er zu Protokoll einen formellen Beweisantrag iS von §§ 373, 404 ZPO iVm § 118 SGG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt oder noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt. Der Tatsacheninstanz soll durch einen Beweisantrag vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (stRspr; vgl  - SozR 1500 § 160 Nr 67 S 73 f = jurisRdNr 4;  B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Bei einem - wie hier dem Kläger - nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind geringere Anforderungen zu stellen. Hier genügt es, dass dem Vorbringen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Beteiligte überhaupt in einer bestimmten Richtung noch eine Aufklärung für erforderlich gehalten hat (vgl  - jurisRdNr 11 mwN).

25Schon in seiner Berufungsschrift vom verweist der Kläger nur kursorisch auf das "Beispiel des Terroranrufs beim Zahnarzt". Selbst wenn dem inzident zunächst ein Beweisantrag zu entnehmen gewesen sein sollte, ist der Kläger in den folgenden zwei Jahren des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung seiner zahlreichen Anträge auf dieses Begehren nicht zurückgekommen. Vielmehr hat er zuletzt ausdrücklich nur noch verlangt, das LSG habe sich unverzüglich mit seinen förmlichen Beweisanträgen aus seinen Schriftsätzen vom , sowie den im Schriftsatz vom formulierten Anträgen zu beschäftigen und die notwendigen Schritte einzuleiten.

26dd) Auch hinsichtlich einer sinngemäß gerügten überlangen Verfahrensdauer ist nicht ersichtlich, dass sich daraus ein entscheidungserheblicher, nämlich zu einem Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem von ihm begehrten Zahnersatz führender Verfahrensfehler ergeben könnte (vglzB  BH - jurisRdNr 21 mwN).

27d) Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr; vgl  - SozR 1500 § 160a Nr 7;  - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18;  - jurisRdNr 21;  - jurisRdNr 6).

28e) Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

292. Die vom Kläger privatschriftlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht von einem vor dem BSG nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Die Verwerfung erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG).

303. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:030625BB1KR3324BH0

Fundstelle(n):
KAAAK-02097