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BVerwG Beschluss v. - 5 B 12.25

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 22 D 104/24.EK Urteil

Gründe

11. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zu verwerfen, weil sie den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht in einer den Darlegungsanforderungen entsprechenden Weise aufzeigt.

2Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m. w. N. und vom - 5 B 24.23 - juris Rn. 12).

3Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. etwa BVerfG, u. a. - BVerfGE 86, 133 <146>; 5 B 53.09 - juris Rn. 2 m. w. N.). Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält. Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen. Wird die Gehörsrüge darauf gestützt, dass das Tatsachengericht relevantes Vorbringen übergangen habe, bedarf es der Darlegung, welches Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt ausgehend vom Rechtsstandpunkt der Vorinstanz (vgl. 5 B 30.19 D - juris Rn. 37) das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 24.23 - juris Rn. 15 und vom - 5 B 1.25 - juris Rn. 7, jeweils m. w. N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

4Sie beruft sich auf eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) im Zusammenhang mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Entschädigungsklage sei nicht rechtzeitig erhoben worden, weil die mehr als drei Wochen nach Ablauf der 6-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erfolgte Zustellung der Klage nicht mehr als "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO angesehen werden könne. Sie macht insoweit unter Angabe zahlreicher Einzelheiten zum tatsächlichen und dem aus ihrer Sicht anzunehmenden Soll-Verlauf insbesondere der Postbeförderung (wie auch einer verzögernden Behandlung durch das Oberverwaltungsgericht selbst) geltend, die Vorinstanz habe den Tatbestand einer "Zustellung demnächst" im Sinne von § 167 ZPO unzutreffend angewandt. Das Oberverwaltungsgericht habe den für die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zu Verzögerungen der Briefbeförderung im Verantwortungsbereich der Post relevanten Sachverhalt und den Sachvortrag des Klägers übergangen, wie er sich aus seinem an das Oberverwaltungsgericht übermittelten Schriftsatz vom und der Gerichtsakte ergebe. Insbesondere habe sich das Oberverwaltungsgericht nicht mit dem Verschulden der Post und deren Verantwortungssphäre befasst. Aus einem Vergleich des in der Beschwerdebegründung vom Kläger dargestellten "Abwicklungs-Ist" mit dem "Abwicklungs-Soll" unter Einschluss der nicht zustellungsfähigen Adresse in der Klageschrift sei ersichtlich, "dass die Tatsache einer Zustellung der Klageschrift vom am des Abwicklungs-Ist anstatt schon am gemäß dem Abwicklungs-Soll bzw. anstatt schon am gemäß dem Abwicklungs-Soll bei einer Klageschrift ohne fehlerhafte Adresse", was einer "Zeitüberschreitung von 45 bis 50 Tagen" entspreche, fast ausschließlich nicht schuldhaft kausal von dem Kläger verursacht worden sei, "sondern im Wesentlichen von der Post und im Übrigen von dem OVG selbst" (Beschwerdebegründung S. 8).

5Mit diesem Beschwerdevorbringen ist ein Gehörsverstoß, der darin liege, dass das Oberverwaltungsgericht sein Vorbringen im Schriftsatz vom nicht gewürdigt bzw. nicht in den Gründen seiner Entscheidung aufgegriffen habe, schon insofern nicht dargetan, als sich dem Schriftsatz des Klägers vom weder Ausführungen zu dem in der Beschwerdebegründung bezeichneten "Abwicklungs-Ist" und "Abwicklungs-Soll" noch dazu entnehmen lassen, dass - wie es der Kläger erst in der Beschwerdebegründung (S. 9) bezeichnet hat - die "wesentliche Ursache für die Verzögerung [...] in einem Verschulden der Post als von dem OVG ausgesuchte[n] Zusteller für die Zustellung der Klageschrift, deren Verschulden sich das OVG zurechnen lassen" müsse, liege. Im Schriftsatz vom hat der Kläger dies jedoch nicht in der im Nachhinein dargestellten Weise vorgetragen. Vielmehr hat er dort (S. 2 f.) im Wesentlichen beanstandet, die "Aktivität der Gerichtskasse" sei "dergestalt abgewickelt worden, dass mit dem Versand der Gerichtskostenrechnung an den Kläger keine Zweitschrift an den Anwalt des Klägers" versandt worden sei und "dass nach Eingang des Rückbriefes der Post mit dem Unzustellbarkeitsvermerk der Anwalt des Klägers von der Gerichtskasse davon nicht unterrichtet worden" sei. Wäre diese Unterrichtung erfolgt, so heißt es im Schriftsatz vom weiter, hätte der Unterzeichner die Einzahlung des Vorschusses bei der Gerichtskasse selbst veranlasst. Auf dieses Vorbringen ist das Oberverwaltungsgericht jedoch insofern explizit in seinen Entscheidungsgründen eingegangen, als es dazu ausgeführt hat (UA S. 11), entgegen der nicht weiter begründeten Ansicht des Klägers sei das Gericht insbesondere nicht gehalten gewesen, die Kostenrechnung unmittelbar oder zumindest in Kopie seinem Prozessbevollmächtigten zu übermitteln. Dies gelte zumindest dann, wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte nicht zu erkennen gegeben habe, für diese Kosten selbst einstehen zu wollen. Kostenschuldner sei damit allein der Kläger gewesen.

6Auch im Übrigen zeigt die Beschwerde nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Klägers - insbesondere aus dem Schriftsatz vom - in einer das rechtliche Gehör verletzenden Weise übergangen hat. Insbesondere setzt sich die Beschwerde - obgleich sie die entsprechende Urteilspassage des Oberverwaltungsgerichts wörtlich zitiert (Beschwerdebegründung S. 8) - insoweit nicht damit auseinander, dass das Oberverwaltungsgericht den Schriftsatz vom in den Entscheidungsgründen (UA S. 12) ausdrücklich mit dem Hinweis erwähnt hat, mit Blick auf seine vorhergehenden Ausführungen ("Auch wenn schon deshalb [...]") gehe die vom Kläger "versuchte Verantwortungsverlagerung auf das beklagte Land im Ansatz fehl". Damit hat das Oberverwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, insbesondere den Schriftsatz vom wie auch das sonstige Vorbringen des Klägers zur Rechtzeitigkeit der Klagezustellung zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aber als nicht entscheidungserheblich bewertet zu haben.

7Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht das entsprechende Vorbringen des Klägers ergänzend ("weist der Senat darauf hin, dass [...]") mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Rücksendung der Kostenanforderung das Gericht erst nach Ablauf der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erreicht habe und eine etwaige verzögerte Reaktion des Gerichts, für die nichts erkennbar sei, daran nichts mehr habe ändern können. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11) auch das vom Kläger erst in der Beschwerdebegründung hervorgehobene - (NJW-RR 2024, 1569) verwertet, in dessen (vom Oberverwaltungsgericht ausdrücklich zitierter) Rn. 28 ausgeführt ist, dass bei der Berechnung des Zeitraums des § 167 ZPO ("demnächst") der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts oder der Post zurückzuführende Zeitraum nicht angerechnet wird, und zwar auch dann nicht, wenn der fehlerhaften Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung vorausgegangen ist.

8Auch mit ihrem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe auf der Grundlage seiner Sachverhaltsfeststellungen bzw. des "relevanten Sachverhalt[s]" das "Verschulden der Post und deren Verantwortungssphäre" berücksichtigen müssen und deshalb die Klage nicht wegen Versäumung der Ausschlussfrist abweisen dürfen (Beschwerdebegründung S. 10), zeigt die Beschwerde einen Gehörsverstoß nicht auf. So betrifft auch ihr Einwand, der darauf hinausläuft, die für die Beförderung der gerichtlichen Kostenanforderung durch die Post benötigte Zeit hätte nicht in die Berechnung des Zeitraums von 14 Tagen einbezogen werden dürfen, weshalb die Zustellung der Entschädigungsklage diesen gewahrt habe, der Sache nach einen vermeintlichen Rechtsanwendungsfehler des Oberverwaltungsgerichts. Selbst wenn ein solcher vorläge, könnte damit ein auf die Gehörsrüge gestützter Verfahrensmangel nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Mit der Rüge, die Vorinstanz habe das materielle Recht fehlerhaft ausgelegt und/oder angewandt, lässt sich ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in zulässiger Weise begründen ( 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12). Daher bleibt auch aus diesem Grunde der in seiner Beschwerdebegründung (S. 7) vorgebrachten Rüge des Klägers, aufgrund seines - so schon nicht zutreffenden - Vorbringens im Schriftsatz vom und des "aus der Gerichtsakte ersichtliche[n] Abwicklungs-Ist der Zustellung der Klageschrift" habe das Oberverwaltungsgericht die ihm bekannte ständige Rechtsprechung zu dem Tatbestand einer "Zustellung demnächst" im Sinne von § 167 ZPO anwenden müssen (bzw. diese fehlerhaft nicht angewendet), der Erfolg versagt.

92. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

103. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:050925B5B12.25.0

Fundstelle(n):
CAAAK-01845