Gründe
1I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine weitere Entschädigung wegen unangemessener Dauer des vor dem SG Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 135 AS 439/18 geführten Verfahrens.
2Das LSG als Entschädigungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer weiteren Entschädigung von 300 Euro nebst Zinsen verurteilt. Dabei hat es unter anderem in der Zeit von April 2020 bis Januar 2022 20 Kalendermonate als entschädigungsrelevant bewertet. Die vom BSG anerkannte dreimonatige "Schutzfrist" aufgrund der Corona-Pandemie, während der von einer dem Beklagten nicht anzulastenden Verzögerung auszugehen sei, sei mit den Monaten März bis Mai 2020 abgegolten. Insgesamt sei es in 23 Kalendermonaten zu dem Staat zurechenbaren Verzögerungen gekommen, von denen eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten abzuziehen sei. Da der Beklagte der Klägerin bereits eine Entschädigung von 800 Euro gewährt habe, seien ihr lediglich weitere 300 Euro zuzusprechen (Urteil vom ).
3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch eine Divergenz ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
51. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG als Entschädigungsgericht eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht fehlerhaft angewandt hat, sondern erst, wenn das Entschädigungsgericht Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das Entschädigungsgericht weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BVerfG oder des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BVerfG oder des BSG entgegensteht und dem Inhalt der Entscheidung des Entschädigungsgerichts tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in dem oder den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher in der Entscheidung des Entschädigungsgerichts enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (stRspr; vgl zB B 10 ÜG 3/20 B - juris RdNr 6; B 10 ÜG 17/19 B - juris RdNr 11). Diese Anforderungen erfüllt der Beschwerdevortrag des Beklagten nicht.
6Die Beschwerde meint, das Entschädigungsgericht sei von der Entscheidung des (B 10 ÜG 3/23 R - BSGE <vorgesehen> = SozR 4-1720 § 198 Nr 26) abgewichen. Das LSG habe zu Unrecht angenommen, es sei höchstrichterlich geklärt, dass lediglich Inaktivitätszeiten während des Lockdowns von März bis Mai 2020 in der frühen Phase der Corona-Pandemie keine dem Staat zurechenbare Verzögerungen darstellten. Indes waren Streitgegenstand der vom LSG zitierten Entscheidung des Senats ausdrücklich nur die Monate März bis Mai 2020 in der Zeit des so genannten ersten Corona-Lockdowns (BSG aaO RdNr 22). Die Beschwerde räumt selbst ein, der Revisionssenat habe daher in der angeführten Entscheidung gerade offengelassen, ob auch in nach Mai 2020 liegenden Zeiträumen, wie sie hier im Verfahren vor dem Entschädigungsgericht umstritten waren, eine Exkulpation der Justizverwaltung wegen der andauernden Corona-Pandemie möglich sei. Sie kann daher nicht darlegen, warum die Annahme von entschädigungsrelevanter Untätigkeit in diesen späteren Zeiträumen durch das LSG gleichwohl einem tragenden Rechtssatz des zitierten Urteils widersprechen könnte.
72. Ebenso wenig dargelegt hat der Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB B 10 ÜG 4/21 B - juris RdNr 7 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
8Entgegen diesen Anforderungen hat der Beklagte schon keine eindeutige Rechtsfrage zum konkreten Tatbestandsmerkmal einer revisiblen Norm formuliert. Allein die Behauptung "die Entscheidung über den Umgang mit den pandemiebedingten Einschränkungen im Zeitraum Januar und Februar 2021" sei grundsätzlich bedeutsam, genügt dafür nicht. Nichts anderes gilt für den bloßen Verweis auf die Frage "aus der dem Revisionssenat zu B 10 ÜG 1/24 R vorliegenden Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom zu L 11 SF 269/22 EK AS". Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist grundsätzlich eigenständig zu begründen. Eine Bezugnahme auf Schriftsätze in einem anderen Verfahren - und hier sogar nur auf ein instanzgerichtliches Urteil - reicht deshalb zur Begründung regelmäßig nicht aus (vgl B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 12; = BFH/NV 2005, 1852 RdNr 11-12). Es hätte zumindest der Darlegung bedurft, welche Rechtsfrage das vom Kläger zitierte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen und die dagegen eingelegte Revision betrifft und warum dieselbe Rechtsfrage im vorliegenden Fall für die Entscheidung erheblich wäre.
9Unabhängig davon fehlt es zudem wiederum auch an der erforderlichen vertieften Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere im von der Beschwerde lediglich zitierten (B 10 ÜG 4/23 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 28 <vorgesehen>).
10Schließlich hat die Beschwerde auch nicht dargelegt, warum 4,5 Jahre nach Ende der Coronaepidemie die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage zu einem eng umrissenen Zeitraum während der Epidemie bis heute noch fallübergreifende grundsätzliche Bedeutung haben sollte und weiterhin für eine Vielzahl von Fällen von Belang sein könnte (so genannte Breitenwirkung, vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Dafür genügt jedenfalls nicht die pauschale Behauptung, die Rechtsfrage sei bedeutsam "für eine Vielzahl von Verfahren, die allein beim LSG Berlin-Brandenburg anhängig oder kürzlich entschieden worden sind" unter Benennung eines einzigen Aktenzeichens (vgl - juris RdNr 11 mwN ; B 10 ÜG 13/15 B - juris RdNr 7 mwN).
11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
123. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
134. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
145. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Betrag, mit dem der Beklagte vor dem LSG unterlegen ist und den er zum Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:060825BB10UEG225B0
Fundstelle(n):
OAAAK-01841