Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 43 KLs 5/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen Hausfriedensbruch (Fall II. 1 der Urteilsgründe) kann nicht bestehen bleiben, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
3Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen drang der Angeklagte am zusammen mit einem Mittäter in die Wohnung der Geschädigten ein, indem er die Tür eintrat und dabei beschädigte. Das Landgericht hat diese Tat als Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch bewertet. Dabei hat es übersehen, dass in Bezug auf den Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) bereits Verfolgungsverjährung eingetreten war. Denn die für Vergehen nach § 123 Abs. 1 StGB geltende Verjährungsfrist beträgt aufgrund der Strafdrohung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB lediglich drei Jahre. Diese gemäß § 78a Satz 1 StGB am Tattag angelaufene Frist wurde zwar am durch die staatsanwaltschaftliche Anordnung der Vernehmung des Beschuldigten gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrochen, ist dann aber nach ihrem erneuten Beginn (§ 78c Abs. 3 Satz 1 StGB) ohne weitere Unterbrechung am abgelaufen. Die nächste als Unterbrechungshandlung in Betracht kommende prozessuale Maßnahme ist erst die Anklageerhebung vom . Der Umstand, dass die tateinheitlich begangene Sachbeschädigung noch nicht verjährt ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn die Verjährungsprüfung ist bei tateinheitlichem Zusammentreffen mehrerer Tatbestände gesondert vorzunehmen (vgl. ).
4Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 123 StGB bedingt nicht die Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe. Die Strafkammer hat ihrer Strafzumessung den Strafrahmen des § 303 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Soweit sie dabei dem „widerrechtlichen Eindringen im Sinne des § 123 StGB“ eine strafschärfende Bedeutung beigemessen hat, stellt dies den Einzelstrafausspruch auch nach dem Wegfall der Verurteilung gemäß § 123 Abs. 1 StGB nicht in Frage. Denn auch verjährte tateinheitlich verwirklichte Gesetzesverletzungen dürfen strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 4 StR 588/19 Rn. 3 mwN). Danach vermag der Senat auszuschließen, dass der Wegfall des tateinheitlichen Delikts nach § 123 Abs. 1 StGB zu einer milderen als der verhängten Einzelstrafe von vier Monaten Freiheitsstrafe geführt hätte.
5Soweit der Angeklagte im Fall Il. 1 der Urteilsgründe tatmehrheitlich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer weiteren Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
62. Die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 249 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB im Fall Il. 2 der Urteilsgründe kann dagegen nicht bestehen bleiben.
7a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen begaben sich der Angeklagte und der Zeuge H. zu der Wohnung der Geschädigten, um eine noch offene Geldforderung des Zeugen H. aus einem vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäft einzutreiben. Nachdem sie sich unter einem Vorwand Zugang zu der Wohnung verschafft hatten, forderte der Angeklagte von der Geschädigten und ihrem gleichfalls anwesenden Freund lautstark die Zahlung des noch ausstehenden „Drogengelds“. Als die Geschädigte und ihr Freund beteuerten, dass sie kein Geld in der Wohnung hätten, „drohte der Angeklagte ihnen konkludent mit körperlicher Gewalt“, indem er ankündigte, wenn sie das Geld nicht am Folgetag bezahlten, noch an diesem Tag mit „fünf Libanesen“ zurück zu kommen. Die verängstigten Geschädigten nahmen die Drohung ernst und boten dem Angeklagten statt des Geldes eine Cannabispflanze an, die dieser jedoch zurückwies. Daraufhin verließen der Angeklagte und der Zeuge H. die Wohnung ohne Geld, das auch am Folgetag nicht bezahlt wurde. Bei einem erfolgreichen Eintreiben wäre das Geld letztlich der „gemeinsamen Drogenkasse“ des Angeklagten und des Zeugen H. zugeflossen.
8b) Die auf der Grundlage dieser Feststellungen erfolgte Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, die Frage eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch zu erörtern. Zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – hat sich das Landgericht nicht verhalten. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, stellt dies regelmäßig einen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. Rn. 7 mwN). Das entsprechende Vorstellungsbild erschließt sich hier auch nicht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Dass der Erpressungsversuch fehlgeschlagen war, liegt nicht auf der Hand, denn die Geschädigten waren zumindest bereit und in der Lage, eine Cannabispflanze als Kompensation anzubieten. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass aus Sicht des Angeklagten und seines Begleiters die erfolgte Einschüchterung der Geschädigten bereits ausreichte, um sie zur Zahlung bis zum Folgetag zu veranlassen, mithin ein beendeter Versuch vorlag, vermag der Senat den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Danach bleibt offen, ob nach der Vorstellung des Angeklagten und seines Begleiters ein weiteres Einwirken auf das Tatopfer nötig gewesen wäre, um ihrer Forderung zum Erfolg zu verhelfen, sie aber trotz bestehender Möglichkeiten von weiteren Gewalthandlungen oder Einschüchterungen Abstand nahmen. In diesem Falle läge ein strafbefreiender, weil freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 2 StGB vor.
9c) Die Aufhebung der Verurteilung im Fall Il. 2 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben. Hierzu nicht in Widerspruch tretende ergänzende Feststellungen sind zulässig.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040625B4STR184.25.0
Fundstelle(n):
UAAAK-01826