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BAG Urteil v. - 7 AZR 138/24

Freigestelltes Personalratsmitglied - Wechselschichtzulage - Zusatzurlaub

Instanzenzug: ArbG Augsburg Az: 4 Ca 2342/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 445/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Zahlung einer Wechselschichtzulage an den Kläger, der freigestelltes Personalratsmitglied ist, sowie über tariflichen Zusatzurlaub.

2Die Beklagte ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Freistaats Bayern und ein Krankenhaus der Maximalversorgung. Sie unterfällt dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz (BayPVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GVBl. S. 349), das zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom (GVBl. S. 251) und § 1 des Gesetzes vom (GVBl. S. 318) geändert worden ist. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem als Krankenpflegehelfer im Bereich Krankenhaustransport beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis kommt aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände maßgebliche durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) zur Anwendung. In § 5 des Arbeitsvertrags vom ist geregelt:

3Nach dem Ergebnis der Wahlen der Personalvertretungen im Jahr 2016 war der Kläger zunächst Ersatzmitglied des bei der Beklagten bestehenden Personalrats; seit 2018 ist er ordentliches Mitglied. Als solches war er zunächst teilweise (drei Tage Personalratstätigkeit, zwei Tage Krankenhaustransport) und seit dem vollständig von der dienstlichen Tätigkeit freigestellt. In den Monaten September, Oktober und November 2019 leistete der Kläger Wechselschichtarbeit. Die Beklagte, die für den Kläger ein Urlaubskonto führt, wies in den Abrechnungen des Arbeitsentgelts für die Monate Dezember 2019 und Januar 2020 die tarifvertraglich vorgesehene Wechselschichtzulage aus. Mit Schreiben vom sowie nochmals mit Schreiben vom machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Zulagen und Gewährung von Zusatzurlaub ab dem geltend.

4Mit seiner Klage hat der Kläger - neben in der Revisionsinstanz nicht mehr anhängigen Zeitzuschlägen - die Zahlung von Wechselschichtzulagen für den Zeitraum Dezember 2019 bis November 2022 nebst Verzugszinsen verlangt sowie wechselschichtbedingten Zusatzurlaub beansprucht. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch während der Freistellung als Personalratsmitglied der tarifvertragliche Zusatzurlaub bei ständiger Wechselschichtarbeit und eine Vergütung zu, die Zulagen für Wechselschicht umfasse. Es sei unerheblich, dass er sein Amt als freigestelltes Personalratsmitglied seit dem ausschließlich zu regulären Arbeitszeiten abgeleistet habe. Es komme allein auf den Umstand an, in welcher Sonderform er, sofern er nicht vollständig freigestelltes Personalratsmitglied wäre, die Arbeit leisten würde. Ohne seine vollständige Freistellung vom Dienst für Personalratstätigkeit hätte er - ebenso wie vergleichbare Kolleginnen und Kollegen - ständig in Wechselschicht - im Sinne der tarifvertraglichen Maßgabe - gearbeitet und vor allem im Durchschnitt drei Nachtdienste pro Monat zu je neun Stunden geleistet.

5Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und darauf verwiesen, dass der Kläger in der Vergangenheit kaum Wechselschichtarbeit geleistet habe. Dem Kläger stünden keine Wechselschichtzulage und kein Zusatzurlaub zu, weil er bei Ausübung seines Amts als freigestelltes Personalratsmitglied nicht den Erschwernissen unterworfen sei, die durch die Gewährung der Wechselschichtzulage und des Zusatzurlaubs ausgeglichen werden sollten. Der Verlust der Wechselschichtzulage beruhe nicht auf der Arbeitsbefreiung, sondern auf der Verschiebung seiner Arbeitszeit.

7Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag iHv. 4.985,00 Euro brutto nebst Zinsen aus 105,00 Euro bzw. 155,00 Euro - jeweils seit näher bezeichneten Monatsersten - stattgegeben und dem Kläger die erstrebte Gutschrift von zusätzlichen Urlaubstagen für Wechselschichtarbeit zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Gründe

8Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage (teilweise) stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klageanträge sind, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, zulässig und begründet.

9A. Die Klageanträge sind zulässig. Das gilt neben dem Zahlungsantrag zu 1. auch für den Leistungsantrag zu 2., mit dem der Kläger eine Gutschrift von Urlaubstagen erstrebt.

10I. Ein Antrag, der auf die Gutschrift von Urlaubstagen auf einem Urlaubskonto gerichtet ist, ist grundsätzlich zulässig (vgl.  - Rn. 7; ähnlich  - Rn. 9, BAGE 138, 58). Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubs- und Arbeitszeitkonto richtig geführt wird ( - aaO). Allerdings kommt eine solche Leistungsklage nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein Urlaubskonto führt und dieses Konto den Anspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt ( - Rn. 14).

11II. Dieser Anforderung genügt der Antrag zu 2. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Beklagte ein Urlaubskonto für den Kläger führt.

12B. Die Klageanträge sind auch begründet.

13I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass der noch streitgegenständliche Zahlungsantrag des Klägers Erfolg hat.

141. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage für den streitbefangenen Zeitraum nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K, § 611a Abs. 2 BGB iVm. Art. 46 Abs. 2 BayPVG. Nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, monatlich eine Wechselschichtzulage in näher bestimmter Höhe. Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger als freigestelltes Personalratsmitglied tatsächlich keine ständige Wechselschichtarbeit geleistet hat.

15a) Nach Art. 46 Abs. 1 BayPVG führen Mitglieder des Personalrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt; nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG hat die Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, keine Minderung der Besoldung oder des Arbeitsentgelts zur Folge. Mit der Vorschrift ist das Benachteiligungsverbot des Art. 8 BayPVG, das generell jede Benachteiligung eines Personalratsmitglieds wegen seiner Tätigkeit als Personalrat untersagt, näher konkretisiert (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber BayPVG Stand März 2025 Art. 46 Rn. 46; vgl. zu § 46 BPersVG aF  - zu 4 der Gründe). Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Personalratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 11). Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn der Arbeitnehmer weiterhin alle Vergütungsbestandteile erhält, die er ohne Freistellung bekommen hätte (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 13).

16b) Die Regelung des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Personalratsmitglieds, indem sie dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt. Die Personalratstätigkeit eines Personalratsmitglieds, das sein Amt unentgeltlich als Ehrenamt ausübt, stellt keinen in Erfüllung des Arbeitsvertrags geleisteten Dienst bzw. Arbeit dar (vgl. zu § 46 Abs. 1 BPersVG aF  - zu 2 der Gründe). Die Vorschrift gilt für alle Personalratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach Art. 46 Abs. 3 BayPVG. Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Personalratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Personalratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen (zu § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG aF:  - Rn. 13;  6 P 5.12 - Rn. 17, BVerwGE 145, 368; vgl. zu § 37 BetrVG  - Rn. 12). Die Berechnung der geschuldeten Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Personalratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte (vgl. zu § 37 BetrVG  - Rn. 12).

17c) Zum Arbeitsentgelt iSv. Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Zu dem Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (vgl. zu § 37 BetrVG  - Rn. 13). Die Tatsache, dass eine bestimmte Tätigkeit von dem freigestellten Personalratsmitglied nicht mehr ausgeübt wird, rechtfertigt nicht den Wegfall der mit der Tätigkeit verbundenen Zulagen. Das freigestellte Personalratsmitglied kann deshalb etwa weiterhin Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten (Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienste) verlangen (vgl. zu § 46 BPersVG aF  - Rn. 16). Nur wenn der Zweck der Zulage in der Abgeltung bestimmter, durch die Dienstleistung entstandener Aufwendungen besteht - die Zulage also nicht Vergütung ist, sondern neben dieser und zusätzlich zu ihr gewährt wird -, entfällt sie mit der Freistellung, sofern das freigestellte Personalratsmitglied diese Aufwendungen nicht mehr hat. Die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten ist keine derartige Aufwandsentschädigung (vgl. zu § 39 NPersVG  2 C 34.00 -).

182. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht die in der Revision noch streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K, § 611a Abs. 2 BGB iVm. Art. 46 Abs. 2 BayPVG zu Recht bejaht.

19a) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, dass der Kläger Personalratstätigkeit zu Zeiten erbringt, für die die Wechselschichtzulage zu gewähren ist. Im Rahmen der hypothetischen Betrachtung („hätte das Personalratsmitglied im streitigen Zeitraum keine Personalratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet“) ist nicht der konkrete Zeitraum, zu dem das Personalratsmitglied die Tätigkeiten für den Personalrat erbracht hat, in den Blick zu nehmen (vgl.  - Rn. 18). Das freigestellte Personalratsmitglied muss sich die entsprechenden Zulagen und Zuschläge gerade nicht „verdienen“. Dies liefe dem Ehrenamtsprinzip nach Art. 46 Abs. 1 BayPVG zuwider (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 25). Dementsprechend stellt der Umstand, dass der Kläger die Personalratstätigkeit tatsächlich nicht in Wechselschicht erbracht hat, keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass er auch dann, wenn er nicht für die Personalratstätigkeit ganz oder teilweise freigestellt worden wäre, seine geschuldete Arbeitsleistung nicht in Wechselschicht erbracht hätte. Zwar wird eine Wechselschichtzulage für die besondere Belastung gewährt, dass die Wechselschichtarbeit erheblich auf den Lebensrhythmus des Arbeitnehmers einwirkt und dabei keine Rücksicht auf die individuellen Erfordernisse der Arbeitnehmer genommen werden kann (zur Wechselschichtzulage nach § 12 Abs. 4 Satz 1 TV-N  - Rn. 32). Diesen Erschwernissen unterliegt der Kläger während seiner Personalratstätigkeit nicht. Bei der Vergütung von Personalratsmitgliedern wird diese Erwägung jedoch von der (landes-)gesetzgeberischen Entscheidung für das Lohnausfallprinzip überlagert (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG Thüsing/Tambour Anm. AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 181).

20aa) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich nichts Anderes aus der Entscheidung des - 6 AZR 298/84 -); vielmehr liegt auch dieser Entscheidung (zur Vergütung des Betriebsratsmitglieds an Schlechtwettertagen im Baugewerbe) das Lohnausfallprinzip zugrunde. In den Fällen, in denen die Arbeit ausfällt, ohne dass dies von dem Arbeitgeber nach den Grundsätzen der sogenannten Betriebsrisikolehre zu vertreten ist und kein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht, folgt aus § 37 Abs. 2 BetrVG kein solcher Anspruch aus dem Umstand, dass ein Betriebsratsmitglied Betriebsratstätigkeit ausübt. Diese wird als solche gerade nicht vergütet. Nichts Anderes gilt für Personalratstätigkeit.

21bb) Es kommt nicht auf die Frage an, ob der Kläger berechtigt war, seine Personalratstätigkeit außerhalb von Wechselschichten abzuleisten. Die Personalratstätigkeit als solche wird nicht vergütet, unabhängig von Zeiten, in denen sie erbracht wird. Auch wenn der Kläger seine Personalratstätigkeit ggf. zur „falschen Zeit“ erbracht haben sollte, wäre die Rechtsfolge nicht eine Kürzung des Entgelts um Zulagen und Zuschläge (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 26; krit. Thüsing/Tambour Anm. AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 181; Roll ArbRAktuell 2025, 42).

22cc) Die Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger im Zeitraum der streitbefangenen Zahlungen (weiterhin) ständig Wechselschichtarbeit geleistet hätte, wenn er nicht als Personalratsmitglied von der Erbringung der Arbeitsleistung nach Art. 46 Abs. 4 BayPVG freigestellt wäre, hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Dabei durfte das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf abheben, dass der Kläger vor seiner Freistellung im Dezember 2019 in den Monaten September, Oktober und November 2019 Wechselschichtarbeit geleistet hat. Es bedurfte insoweit keines bestimmten „Mindest“zeitraums der vom Kläger in der Vergangenheit erbrachten Wechselschichtarbeit. Das Landesarbeitsgericht hat ebenso in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die Beklagte von der arbeitsvertraglichen Regelung, nach der der Kläger zur Ableistung von Schichtarbeit - mithin auch zur Wechselschichtarbeit - verpflichtet ist, Gebrauch gemacht und ihn entsprechend eingesetzt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger nicht weiter Wechselschichtarbeit geleistet hätte, wenn er nicht ab Dezember 2019 als Personalratsmitglied von der Erbringung der Arbeitspflicht freigestellt worden wäre. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit auch von dem, der Gegenstand der Entscheidung des Senats vom (- 7 AZR 401/14 -) war. Der Senat hatte dort einen Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen verneint, weil die Nichtleistung von Nachtarbeit nicht auf der Freistellung als Betriebsrat, sondern auf der im Einvernehmen mit dem Kläger vorgenommenen Verschiebung von dessen Arbeitszeit beruhte ( - Rn. 16).

23dd) Schließlich liegt in dem Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage auch keine Begünstigung iSd. Art. 8 BayPVG. Steht einem Personalratsmitglied ein Anspruch nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K, § 611a Abs. 2 BGB iVm. Art. 46 Abs. 2 BayPVG zu, der eine Konkretisierung des Benachteiligungsverbots nach Art. 8 BayPVG darstellt, kann darin keine unzulässige Begünstigung liegen. Die Gewährung der Wechselschichtzulage stellt die Gleichbehandlung erst her und begünstigt den Kläger nicht unzulässig (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 23).

24b) Der Kläger hat auch Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage in der titulierten Höhe.

25aa) Wechselschichtarbeit ist im Geltungsbereich des TVöD-K die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K). Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-K; vgl.  - Rn. 14, BAGE 134, 34). Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht. Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt werden ( - Rn. 20; - 10 AZR 58/09 - Rn. 16, aaO). Darüber hinaus erfordert § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K für den Bereich der Krankenhäuser, dass der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. Insofern sind die Anforderungen gegenüber dem Allgemeinen Teil des TVöD erhöht ( - Rn. 15, BAGE 163, 47; - 10 AZR 58/09 - Rn. 17, aaO). Die Beschäftigten leisten ständig Wechselschichtarbeit, wenn ihnen diese Tätigkeit dauerhaft vom Arbeitgeber zugewiesen ist und die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird ( - Rn. 13, aaO). Der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung steht es gleich, wenn die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit nur deshalb nicht erfolgt, weil der Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts gemäß § 21 Satz 1 TVöD-K (Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung) in den dort genannten Fällen von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist. In diesen Fällen genügt es, wenn der Beschäftigte ohne die Freistellung von der Arbeitsleistung die erforderlichen Schichten geleistet hätte (zum inhaltsgleichen § 21 Satz 1 TVöD-VKA  - Rn. 25; zu § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K  - Rn. 22). Im Falle der Freistellung als Personalratsmitglied gilt nichts Anderes, denn auch insoweit gilt das Lohnausfallprinzip. Ein anderes Verständnis verstieße gegen das Benachteiligungsverbot des Art. 8 BayPVG.

26bb) Die Beklagte hat dem Kläger in den Monaten September bis November 2019 ständige Wechselschichtarbeit zugewiesen und entsprechende Wechselschichtzulagen in den Entgeltabrechnungen Dezember 2019 und Januar 2020 ausgewiesen. Das Vorliegen der konkreten Voraussetzungen der ständigen Wechselschichtarbeit iSd. § 7 Abs. 1 TVöD-K steht zwischen den Parteien ebenso wenig im Streit wie die Höhe der Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K. Nachdem das Arbeitsgericht die beantragten darüberhinausgehenden Zulagen rechtskräftig abgewiesen hat, hat die Beklagte die Berechnung des zuletzt streitbefangenen Gesamtbetrags nicht in Abrede gestellt.

27cc) Das Arbeitsgericht hat dem Kläger hinsichtlich der Höhe der Wechselschichtzulage allerdings mehr zugesprochen als von ihm beantragt. Der hierin liegende Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Rahmen des Berufungsverfahrens geheilt worden.

28(1) Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht die Zahlung der Wechselschichtzulage für 36 Monate beantragt, konkret für den Zeitraum Dezember 2019 bis November 2022; zugesprochen hat ihm das Arbeitsgericht die Zulage auch für Dezember 2022.

29(a) Hierin liegt ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das ist Ausdruck der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf der klagenden Partei weder quantitativ mehr noch qualitativ etwas Anderes zuerkennen. Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist noch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ( - Rn. 13).

30(b) Die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann geheilt werden, wenn die klagende Partei sich die angefochtene Entscheidung im zweiten Rechtszug durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu eigen macht. Der Kläger muss zum Ausdruck bringen, an dem Nichtbeantragten, aber vom Gericht Zugesprochenen, festhalten zu wollen ( - zu II der Gründe). Eine solche Heilung kann in dem Antrag auf vorbehaltlose Zurückweisung der Berufung liegen (vgl.  - Rn. 15, BAGE 117, 137;  - zu II 2 der Gründe; Musielak/Voit/Wolff 22. Aufl. ZPO § 308 Rn. 20; vgl. aber auch  - Rn. 12, BSGE 118, 294). Die Einlegung einer Anschlussberufung ist insoweit nicht erforderlich, weil der Kläger nicht die Änderung des angefochtenen Urteils zu seinen Gunsten, sondern lediglich die Verwerfung oder Zurückweisung der Hauptberufung begehrt, also die durch das angefochtene Urteil erworbene Rechtsposition behalten möchte (BeckOK ZPO/Elzer Stand ZPO § 308 Rn. 71; Wieczorek/Schütze/Rensen 5. Aufl. § 308 ZPO Rn. 37). Der Kläger und Berufungsbeklagte will nicht mehr erreichen als die Verwerfung oder Zurückweisung der Hauptberufung; hierfür ist jedoch eine Berufungsanschließung für ihn nicht erforderlich (Musielak in FS Schwab 1990 S. 349, 363; MüKoZPO/Musielak/Hüntemann 7. Aufl. ZPO § 308 Rn. 25). Soweit das Reichsgericht der Ansicht war, eine Heilung sei nur als Klageerweiterung im Wege der Anschlussberufung zulässig (RG - VI 276/24 - RGZ 110, 150, 151 f.; zust. Melissinos Die Bindung des Gerichts an die Parteianträge nach § 308 I ZPO S. 173), hat es diese Rechtsprechung später ausdrücklich aufgegeben (RG - VI 220/37 - RGZ 157, 23, 24). Es sei nicht ersichtlich, warum die klägerische Partei beantragen sollte, ihr nochmals etwas zuzuerkennen, was ihr bereits zugebilligt worden sei.

31(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist die Verletzung von § 308 Abs. 1 ZPO geheilt worden. Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht die Zurückweisung der Berufung beantragt und sich damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht.

32c) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger seine Forderungen auch rechtzeitig mit Schreiben vom und vom gegenüber der Beklagten geltend gemacht und damit die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TVöD-K für Ansprüche ab Dezember 2019 eingehalten. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für die später fälligen Leistungen aus.

333. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 TVöD-K. Demnach erfolgt die Zahlung am letzten Tag des Monats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein von der/dem Beschäftigten benanntes Konto innerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union. Fällt der Zahltag auf einen Samstag, einen Wochenfeiertag oder den 31. Dezember, gilt der vorhergehende Werktag, fällt er auf einen Sonntag, gilt der zweite vorhergehende Werktag als Zahltag. Der Kläger hat lediglich Zahlung jeweils ab dem 1. des Folgemonats beantragt.

34II. Auch der Klageantrag zu 2. ist begründet, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Der Kläger hat Anspruch auf die erstrebte Gutschrift von (Zusatz-)Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto.

351. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er diesen Anspruch aber nicht auf Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG stützen. Diese Vorschrift sichert die Vergütung des Personalratsmitglieds; etwaige Ansprüche auf Zusatzurlaub werden hiervon nicht erfasst (ebenso  2 C 15.84 -). Zwar ist die Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsvergütung integraler Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Urlaub ( - Rn. 30; - 9 AZR 468/18 - Rn. 11; MHdB ArbR/Klose 6. Aufl. § 86 Rn. 1; Bayreuther/Kiel/Zimmermann/Zimmermann 3. Aufl. BUrlG § 11 Rn. 1). Hingegen ist dies nur eine Seite des Anspruchs auf bezahlten Urlaub neben dem Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Die Vergütungskomponente des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ist im bestehenden Arbeitsverhältnis fest mit dem Freistellungsanspruch verbunden ( - Rn. 23, BAGE 165, 90). Das rechtfertigt es, in dem streitbefangenen Anspruch kein „Arbeitsentgelt“ iSv. Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG als rein finanzielle Leistung (dazu  2 C 15.84 -) zu sehen.

362. Der Anspruch folgt aber aus § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K iVm. Art. 8 BayPVG. Nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 TVöD-K leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K zusteht, bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate einen Arbeitstag Zusatzurlaub. Dieser Anspruch wird während der Freistellung zur Erfüllung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben durch das Benachteiligungsverbot des Art. 8 BayPVG aufrechterhalten (ebenso zum bundespersonalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot  2 C 15.84 -).

37a) Nach Art. 8 BayPVG dürfen Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach diesem Gesetz wahrnehmen, nicht darin behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Dabei genügt das objektive Vorliegen einer Begünstigung oder Benachteiligung des Funktionsträgers wegen seiner Amtstätigkeit. Auf eine Begünstigungs- oder Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an. Das Benachteiligungsverbot bewirkt, dass ein freigestelltes Personalratsmitglied, dem ohne die Freistellung ein tariflicher Anspruch auf Zusatzurlaub für ständige Wechselschichtarbeit zustünde, auch dann einen Anspruch hierauf erwirbt, wenn es wegen seiner Freistellung den mit der Wechselschichtarbeit verbundenen Erschwernissen nicht ausgesetzt ist. Dies beruht auf dem Grundsatz, dass das Personalratsmitglied während der Freistellung so zu behandeln ist, als übte es seine bisherige arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit weiterhin aus. Es hat deshalb Anspruch auf das, was ihm zur Abgeltung seiner Arbeitsleistung gewährt würde. Hierzu gehört bei einem Personalratsmitglied, das ohne seine Freistellung ständig Wechselschichtarbeit geleistet hätte, der Zusatzurlaub für diese Sonderform der Arbeit. Ein freigestelltes Personalratsmitglied ist aufgrund des Benachteiligungsverbots urlaubsrechtlich so zu behandeln, als wäre es nicht freigestellt (vgl. - zum bundespersonalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot -  - Rn. 24 mwN, BAGE 124, 356).

38b) Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K sind erfüllt. Der Kläger hätte, wäre er nicht als Personalratsmitglied von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt worden, ständig Wechselschichtarbeit geleistet. Der Kläger hat auch, wie bereits ausgeführt, Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K.

39c) Die Anzahl der zusätzlich zu gewährenden Urlaubstage ist zwischen den Parteien nicht streitig.

40aa) Nach § 27 Abs. 1.1 TVöD-K wird ein weiterer Tag Zusatzurlaub gewährt, wenn im Kalenderjahr 2019 Anspruch auf mindestens drei Tage Zusatzurlaub nach Abs. 1 Buchst. a besteht. Im Kalenderjahr 2020 wird bei einem Anspruch auf mindestens drei Tage Zusatzurlaub nach Abs. 1 Buchst. a ein weiterer Tag Zusatzurlaub gewährt; besteht Anspruch auf mindestens vier Tage Zusatzurlaub nach Abs. 1 Buchst. a, wird ein zweiter zusätzlicher Tag Zusatzurlaub gewährt. Ab dem Kalenderjahr 2021 wird je zwei Tage Zusatzurlaubsanspruch nach Abs. 1 Buchst. a ein zusätzlicher Tag Zusatzurlaub gewährt. Nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 TVöD-K leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 TVöD-K zusteht, für je zwei zusammenhängende Monate einen Tag Zusatzurlaub.

41bb) Die konkrete Berechnung der Anzahl von Urlaubstagen hat die Revision nicht gerügt. Dem Kläger stehen für das Kalenderjahr 2020 acht Tage Zusatzurlaub (sechs Tage nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K zzgl. zwei weitere Tage nach § 27 Abs. 1.1 TVöD-K) und für die Jahre 2021 und 2022 jeweils neun Tage (sechs Tage nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-K zzgl. drei weitere Tage nach § 27 Abs. 1.1 TVöD-K), insgesamt also 26 Tage zu.

42d) Entgegen der Ansicht der Revision steht dem nicht Art. 46 Abs. 2 Satz 2 BayPVG entgegen, wonach Personalratsmitgliedern Dienstbefreiung in entsprechender Anwendung des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes zu gewähren ist, wenn sie durch die Erfüllung ihrer Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erheblich mehr beansprucht werden. Diese Regelung ist nicht einschlägig. Es geht nicht darum, dass der Kläger durch seine Personalratsarbeit über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus aufgrund der Aufgaben als Personalrat zeitlich in Anspruch genommen wird. Der Ausgleich wird für ständige Wechselschichtarbeit gewährt, die der Kläger - nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Annahme des Landesarbeitsgerichts - geleistet hätte, wenn er nicht als Personalratsmitglied von der Erbringung der Arbeitspflicht freigestellt wäre.

43C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:180625.U.7AZR138.24.0

Fundstelle(n):
HAAAK-01651