Instanzenzug: Az: 21 KLs 4/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „vorsätzlicher“ Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung mit einem Verbrechen (Fall B.II.2 Tat 1 der Urteilsgründe), Bedrohung in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Fall B.II.2 Tat 2 der Urteilsgründe) sowie Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (Fall B.II.1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt wird. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
21. Die Verfahrensrüge versagt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
32. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen B.II.1 und B.II.2 Tat 2 der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
4a) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht wird von den Feststellungen nicht getragen.
5Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob der Führungsaufsichtsbeschluss einen (eindeutigen) schriftlichen Hinweis darauf enthält, dass ein Verstoß gegen die Abstinenzweisung nach § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist. Der genannte Beschluss wird im Urteil, anders als es sich zumindest dringend empfiehlt, nicht (im Wortlaut) mitgeteilt. Ein solcher unmissverständlicher Hinweis ist jedoch erforderlich, damit der Führungsaufsichtsbeschluss in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann. Eine Information über die Strafbarkeit von Weisungsverstößen allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 151/23, NStZ-RR 2023, 369, und vom – 3 StR 250/24, StV 2025, 10 Rn. 4, jeweils mwN).
6Ausführungen zu Bestimmtheit, Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Weisungen enthält das angegriffene Urteil ebenfalls nicht. Die Rechtmäßigkeit einer strafbewehrten Weisung nach § 68b Abs. 1 StGB ist indes Voraussetzung für eine Strafbarkeit; sie muss sich daher aus den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen (vgl. , BGHSt 58, 136, 137 ff. Rn. 4 ff.; Beschlüsse vom – 5 StR 275/15, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5; vom – 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2 Rn. 8, und vom – 4 StR 590/19, NStZ 2020, 480, 481 Rn. 4).
7b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Fall B.II.2 Tat 2 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
8aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich die Nebenklägerin nach körperlichen Übergriffen des Angeklagten im Badezimmer ein, um eine Nachricht an ihren Sohn zu schreiben. Der Angeklagte nahm eine Schere aus der Küchenschublade, trat vor die Tür und forderte die Nebenklägerin auf herauszukommen. Die Nebenklägerin verweigerte dies und verlangte vom Angeklagten, ihre Wohnung zu verlassen. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Stattdessen trat er mit einem wuchtigen Tritt die Tür zum Badezimmer auf, wodurch die Nebenklägerin zu Boden glitt. In dieser Position hielt der Angeklagte ihr einen Moment lang die Schere vor den Oberkörper, ließ die Schere dann jedoch fallen – ob bewusst oder versehentlich, vermochte die Strafkammer nicht aufzuklären. Die Nebenklägerin ergriff die Schere und hielt sie hinter ihren Rücken. Der Aufforderung des Angeklagten, sie wegzulegen, kam die Nebenklägerin in diesem Moment noch nicht nach, sondern legte sie erst später in der Küche ab. Auf Geheiß des Angeklagten musste die Nebenklägerin sich zurück ins Wohnzimmer begeben und sich hinlegen. Der Angeklagte legte sich neben sie und forderte sie dazu auf, ihn zu streicheln. Er äußerte, dass er sich mehr Respekt von ihr wünsche und dass man nun drei Tage lang zu Hause bleiben werde.
9bb) Dass der Angeklagte zumindest bedingten Vorsatz hatte, der Nebenklägerin ein empfindliches Übel in Form einer rechtswidrigen Tat im Sinne von § 241 Abs. 1 StGB in Aussicht zu stellen, ist den Urteilsgründen mangels näherer Feststellungen zur inneren Tatseite nicht zu entnehmen. Angesichts des nur sehr kurzen Vorgangs folgt dies auch nicht unmittelbar aus dem objektiven Geschehen. In Betracht käme insbesondere auch, dass der Angeklagte die Nebenklägerin körperlich misshandeln oder – im Hinblick auf das Nachtatgeschehen – durch das Vorhalten der Schere zur Rückkehr in das Wohnzimmer nötigen wollte. Wäre eine dieser Varianten zugrundezulegen, wäre zu erörtern gewesen, inwiefern der Angeklagte vom Versuch der Nötigung bzw. der gefährlichen Körperverletzung strafbefreiend zurückgetreten sein könnte.
10c) Mit der Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen B.II.1 und B.II.2 Tat 2 der Urteilsgründe entfällt die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe.
113. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat hingegen Bestand. Das Landgericht hat die rechtsfehlerfreie Verurteilung des Angeklagten in Fall B.II.2 Tat 1 der Urteilsgründe wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung mit einem Verbrechen zu einer Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten zutreffend als Verurteilung im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StGB gewertet und die Anordnung auch im Übrigen ohne Rechtsfehler auf § 66 Abs. 1 StGB gestützt. Es hat zur Begründung der weiteren Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung an keiner Stelle auf die von der Aufhebung betroffenen Taten und die dafür verhängten Einzelstrafen Bezug genommen. Der Senat schließt deshalb aus, dass sich die aufgezeigten Rechtsfehler in den Fällen B.II.1 und B.II.2 Tat 2 der Urteilsgründe auf den Maßregelausspruch ausgewirkt haben.
124. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen mit auf, damit das neue Tatgericht umfassende widerspruchsfreie Feststellungen treffen kann.
Menges Grube Schmidt
Lutz Zimmermann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:280725B2STR613.24.0
Fundstelle(n):
VAAAK-01159