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BGH Beschluss v. - 2 StR 644/24

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/30 KLs 2/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten H. unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten und den Angeklagten L. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung näher bezeichneter Betäubungsmittel und von Pflanzenmaterial angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel sind unbegründet.

21. Den Verfahrensrügen der Angeklagten bleibt der Erfolg versagt. Neben der Zuschrift des Generalbundesanwalts bedarf es folgender Ausführungen:

3a) Zu den Verfahrensrügen des Angeklagten H.:

4aa) Die Rüge, §§ 261, 267 StPO seien verletzt, weil das Landgericht die „Umstände um die bewusste rechtswidrig erfolgte Durchsuchung“ einer als Drogenbunker genutzten Gartenhütte eines Dritten „nicht in den schriftlichen Urteilsgründen im Rahmen der Strafzumessung erörtert“ habe, „obwohl sie Gegenstand der Hauptverhandlung waren und für die Strafzumessung relevant“ seien, ist unbegründet.

5(1) Der Verfahrensbeanstandung liegt folgendes Geschehen zugrunde, das nach einem Widerspruch gegen die Beweisverwertung Gegenstand der Hauptverhandlung war:

6Mit Beschluss vom ordnete der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Frankfurt am Main gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung einer im Eigentum eines Dritten stehenden Gartenhütte in Frankfurt am Main an. Da die Polizei aufgrund verdeckter Maßnahmen (Telefonüberwachung und Observation) davon ausging, dass am eine größere Menge Rauschgift durch die noch nicht identifizierten Beschuldigten aus den Niederlanden in die ausschließlich als Drogenbunker genutzte Hütte gebracht worden war, entschloss sie sich in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, am nächsten Tag, dem , den Durchsuchungsbeschluss zu vollstrecken. Die Durchsuchung der unverschlossenen Hütte führte zur Sicherstellung von mutmaßlich am Vortag angelieferten rund 4,5 Kilogramm Cannabis, ca. 3,5 Kilogramm Heroinzubereitungen und etwa 30 Gramm Kokain. Dabei unterließ die Polizei − wiederum in Absprache mit der Staatsanwaltschaft − die Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen, die Unterrichtung des Eigentümers der Gartenhütte vor sowie nach der Durchsuchung und die Information der von der Beschlagnahmung betroffenen Beschuldigten, um die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen weiterführen zu können. Der Sachverhalt wurde erst im Zuge der Verhaftung der Angeklagten am aktenkundig gemacht. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts gehen auf diese Vorgänge nicht ein.

7(2) Auf diese Auslassung kann die Revision ihre Ausschöpfungsrüge nicht stützen, da aus dem Schweigen der Urteilsgründe nicht auf eine unzureichende Würdigung strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte geschlossen werden kann. Die Strafkammer war nicht verpflichtet, den von der Rüge vorgetragenen Sachverhalt im Zuge der Strafzumessung zu erörtern, weil sich aus den mitgeteilten Umständen keine schuldmindernde staatliche Mitverantwortung für das strafbare Geschehen als ein bestimmender Strafzumessungsgrund (vgl. , NStZ-RR 2009, 167) ergibt. Eine im Rahmen der Strafzumessung erörterungsbedürftige schuldmindernde Mitverantwortung setzt voraus, dass ein den staatlichen Stellen vorwerfbares Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Täters Einfluss nimmt, etwa, weil er bislang nicht tatgeneigt war oder weil ihm wenigstens durch das Verhalten der staatlichen Stelle die Tat erleichtert wird und den staatlichen Stellen die Tatgenese vorgeworfen werden kann ( − 1 StR 142/14, NStZ 2015, 466 Rn. 42, und vom – 5 StR 542/20, 5 StR 207/21, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 fair trail 2 Rn. 128). Daran fehlt es.

8Dabei ist der Revision zuzugeben, dass die fehlende Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen, die unterbliebene Information des Eigentümers und die unterlassene Mitteilung über die zulässige Beschlagnahme sich als rechtswidrige Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden darstellen. Denn bei einer Durchsuchung handelt es sich ebenso wie bei der Beschlagnahme, sofern bei Letzterer nicht die Voraussetzungen des § 95a StPO gegeben sind, um offene Ermittlungsmaßnahmen, deren Anordnung den davon Betroffenen und Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist (vgl. , NStZ 2015, 704 f.).

9Die mit der Verfahrensrüge benannten Rechtsverstöße provozierten indes − entgegen der Ansicht der Revision − die weiteren Taten des Angeklagten nicht. Vielmehr entschloss sich der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen selbst zur Fortsetzung seines Drogenhandels, ohne dass staatliche Stellen aktiv auf die Begehung dieser Straftaten durch ihn oder seine Tatgenossen hinwirkten. Allein der Umstand, dass der Verlust der beschlagnahmten Drogen den Angeklagten finanziell unter Druck setzte, begründet keine staatliche Tatprovokation.

10(3) Die Strafkammer war auch im Übrigen nicht gehalten, den rechtswidrigen Vollzug des gegen einen Dritten gerichteten Durchsuchungsbeschlusses zugunsten des Angeklagten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Die Folgen, die Verstöße gegen das Verfahrensrecht nach sich ziehen können, sind grundsätzlich in der Strafprozessordnung abschließend geregelt; ein Ausgleich durch einen Strafrabatt ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. , wistra 2021, 441, 447, und vom – 5 StR 203/22, Rn. 19; Beschlüsse vom – 3 StR 97/11, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Verfahrensverstöße 2, und vom – 4 StR 643/10, BGHR WÜK Art. 36 Belehrung, unterbliebene 2 Rn. 27; vgl. auch Schmitt in Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 9j).

11Der rechtsfehlerhafte Vollzug der rechtmäßigen Durchsuchungsanordnung begründet im Lichte des weiteren Verfahrens und des öffentlichen Interesses an der Verfolgung und Ahndung der infrage stehenden schweren Straftaten schließlich keinen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom – 7215/10 [Prade/Deutschland], NJW 2017, 2811, 2812 f.). Insbesondere konnte der Beschwerdeführer die Echtheit der Beweise angreifen und sich ihrer Verwertung widersetzen.

12bb) Die Rüge, die Durchführung des Selbstleseverfahrens habe mit Blick auf den Umfang und die Auswahl der Urkunden gegen § 249 Abs. 2 StPO verstoßen, ist unbegründet. Es obliegt der Bewertung des Tatgerichts, welche Beweismittel zur Sachaufklärung beitragen und daher in die Hauptverhandlung einzuführen sind. Unabhängig davon hat die Strafkammer, wie das von ihr für die Durchführung des Selbstleseverfahrens unter Angabe des jeweiligen Fundorts erstellte Inhaltsverzeichnis belegt, entgegen der Ansicht der Revision eine sorgfältige Auswahl der einzuführenden Urkunden getroffen. Soweit einzelne Dokumente nicht als Urkunden nach § 249 Abs. 1, §§ 250, 251 ff. StPO verlesbar waren, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Selbstleseverfahrens. Denn die Durchführung des Selbstleseverfahrens stellt eine gleichwertige Alternative zum Verlesen jeder einzelnen Urkunde dar (vgl. , BGHSt 65, 155, 157 f.).

13cc) Auch die an das durchgeführte Selbstleseverfahren anknüpfende Verfahrensbeanstandung, das Landgericht habe polizeiliche Ermittlungsberichte und Vermerke im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt und damit gegen § 249 Abs. 1, § 250 Satz 2, § 261 StPO verstoßen, geht fehl.

14(1) Die Rüge genügt, jedenfalls soweit die Einführung der „Instagram-Chats“ gerügt wird, nicht dem Vortragserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zum vollständigen Revisionsvortrag einer Verletzung des § 249 Abs.1, § 250 Satz 2, § 261 StPO zählt die Darlegung der Umstände, aus denen die rechtsfehlerhafte Verwendung der Urkunde zur Ersetzung der Angaben einer erreichbaren Auskunftsperson zum Beweis ihrer Wahrnehmung folgt. Dazu gehört auch, dass die Urkunde nicht neben der Zeugenaussage als ergänzendes Beweismittel verlesen wurde (, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4, und vom – 5 StR 542/20, 5 StR 207/21, Rn. 32). Danach hätte es des Vortrags bedurft, ob und wie sich der als Zeuge vernommene Verfasser des von der Revision beanstandeten Vermerks über die „polizeilich zusammengefassten ‚Instagram-Chats‘“ zum Inhalt des von ihm erstellten Vermerks und seinen hierzu gewonnenen Erkenntnissen geäußert hat. Solchen Vortrag enthält die Revisionsrechtfertigung nicht.

15(2) Der Rüge bleibt aber auch in der Sache der Erfolg versagt.

16(a) Das Landgericht hat zunächst die im Urteil verwerteten Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung in zulässiger Weise im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO eingeführt. Dass in den vom Inhalt der Tonträger hergestellten Niederschriften die Gespräche nicht immer in wörtlicher Rede wiedergegeben sind, steht einer Verlesung nicht entgegen (vgl. , NStZ 2009, 280 f. mwN). Soweit es auf den genauen Wortlaut der Gespräche ankam, ist dieser zudem in den Niederschriften mitgeteilt (vgl. hierzu , Rn. 13). Soweit die Revision beanstandet, es habe angesichts der Verwendung „interpretationsbedürftiger Begriffe […] einer Auseinandersetzung mit dem originalen Material bedurft“, rügt sie inhaltlich eine unzureichende Aufklärung (vgl. hierzu , NStZ 1985, 466). Eine zulässige Verfahrensrüge mit dieser Stoßrichtung hat sie jedoch nicht erhoben. Ungeachtet dessen hat sich die Strafkammer mit der Authentizität und der Integrität des Datenmaterials eingehend befasst.

17(b) Soweit die Revision die Einführung des von dem Ermittlungsbeamten He. gefertigten Vermerks „Zusammenfassung der Chats zw. HA. und H.“ beanstandet, hätte dieser Vermerk zwar nicht gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden dürfen. Denn die Ausführungen des Beamten im Vermerk basieren auf der Befragung eines Dolmetschers. Der gerügte Verstoß gegen § 249 Abs. 1, § 250 Satz 2, § 261 StPO wäre jedoch nur dann bewiesen, wenn auszuschließen wäre, dass der nicht durch Augenscheins- oder Urkundsbeweis in die Hauptverhandlung eingeführte Gesprächsinhalt in Form einer Anknüpfungstatsache in anderer zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde. Hieran fehlt es, da die Strafkammer den Verfasser des Vermerks vernommen hat. Soweit die Strafkammer vereinzelt Details der Chats zum Gegenstand ihrer Beweiswürdigung gemacht hat, können die vom Ermittlungsbeamten wahrgenommenen und diesem von dem eingesetzten Übersetzer vermittelten Chatinhalte mittels Vorhalts bei seiner Vernehmung als Zeuge in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.

18b) Zu den Verfahrensrügen des Angeklagten L.:

19aa) Die Beanstandung, der rechtsfehlerhafte Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses vom am und die heimliche Sicherstellung und Beschlagnahme der Drogen, die jeweils zunächst nicht aktenkundig gemacht wurden, begründe hinsichtlich des Drogenfunds vom Durchsuchungstag sowie hinsichtlich aller anschließenden Beweisergebnisse ein Beweisverwertungsverbot, ist unbegründet.

20(1) Soweit der Angeklagte die heimliche (und verheimlichte) Durchsuchung beanstandet, rügt er die Verletzung von Verfahrensnormen, die nicht seinem Schutz dienen. Ein entsprechender Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren führt ihm gegenüber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot und kann daher nicht erfolgreich mit der Revision gerügt werden, da der Rechtskreis des Angeklagten insoweit nicht betroffen ist (vgl. , NStZ 2021, 59 Rn. 7).

21(2) Soweit dem Angeklagten ohne eine richterlich angeordnete Zurückstellung der Benachrichtigung nach § 95a Abs. 2 Satz 1 StPO die Sicherstellung und Beschlagnahme der Drogen verheimlicht wurde, ist zwar sein Rechtskreis betroffen (vgl. , NStZ 2010, 345 Rn. 19). Das Unterlassen der Benachrichtigung führt aber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme war als solche rechtmäßig. Allein der an die zulässige Beschlagnahme anschließende Gesetzesverstoß der unterlassenen Mitteilung hat – insbesondere vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs – nicht das Gewicht, die rechtmäßig gewonnenen Erkenntnisse für das Verfahren zu sperren (vgl. , NStZ 2015, 704 f.).

22(3) Schließlich kann sich aus dem Umstand, dass die Ermittlungsmaßnahmen zunächst nicht aktenkundig gemacht wurden, schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (vgl. , BGHSt 62, 123, Rn. 53 ff.) kein Beweisverwertungsverbot ergeben, weil im Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung vom ausweislich des vorgelegten und nicht beanstandeten Durchsuchungsbeschlusses eine hinreichende Verdachtslage bestand, weitere Ermittlungsmaßnahmen auch nach dem Vortrag der Revision nicht auf das Durchsuchungsergebnis vom gestützt wurden und im Zeitpunkt der Verhaftung des Angeklagten, mithin dem ersten Zeitpunkt einer möglichen Akteneinsicht, die zutreffende Aktenlage hergestellt war.

23bb) Auch die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, weil sie Ermittlungsrichter nicht vernommen habe, ist jedenfalls unbegründet. Soweit die Revision behauptet, der den Durchsuchungsbeschluss vom erlassende Ermittlungsrichter hätte keine „heimliche Vollstreckung genehmigt“, fehlt es bereits an jedwedem Ansatz, dass der rechtswidrige Vollzug der Durchsuchungsmaßnahme seitens der Ermittlungsbehörden bereits bei der Beantragung des Durchsuchungsbeschlusses geplant war. Vielmehr gründete das verdeckte Vorgehen der Ermittlungsbehörden auf dem Umstand, dass am beobachtet worden war, wie erhebliche Drogenmengen in die zu durchsuchende Gartenhütte transportiert worden waren. Hinsichtlich weiterer richterlich angeordneter Ermittlungsmaßnahmen war die Vernehmung der Ermittlungsrichter nicht geboten, weil keiner der vorgelegten Beschlüsse erkennen lässt, richterliche Anordnungen seien unbeschadet der ohnehin bestehenden Verdachtslage auf das Ergebnis der Durchsuchung vom gestützt worden.

24cc) Die Rüge, die bei der Strafzumessung unterbliebene Erörterung des fehlerhaften Vollzugs der Durchsuchungsanordnung begründe einen Rechtsfehler nach §§ 261267 StPO, ist aus den oben dargestellten Gründen unbegründet.

25dd) Die Beanstandung, die im Ermittlungsverfahren tätige und als Sitzungsvertreterin fungierende Staatsanwältin sei in der Hauptverhandlung als Zeugin vernommen worden, habe aber gleichwohl einen Teil des Schlussvortrags gehalten, Anträge gestellt und an einem (erfolgreichen) Verständigungsgespräch teilgenommen, so dass das Urteil auf einem „Verstoß gegen § 22 Nr. 5 StPO analog, § 258 Abs. 1, § 337 StPO“ beruhe, ist unbegründet.

26(1) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:

27In der Hauptverhandlung vom , an der neben dieser Staatsanwältin auch ein weiterer Staatsanwalt als Beamter der Staatsanwaltschaft teilnahm, widersprach Rechtsanwalt S. als Verteidiger des Angeklagten auf der Grundlage eines von ihm verlesenen Schriftsatzes unter anderem der Verwertung sämtlicher am aufgefundener Beweismittel. Weiter beantragten die Verteidiger, die Staatsanwältin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass zwischen den Nachmittagsstunden des und dem Beginn der Durchsuchung am mit den ermittelnden Polizeibeamten verabredet worden sei, die Durchsuchung der Gartenhütte als Einbruch zu legendieren und alle den Ermittlungsbehörden obliegenden Informationspflichten zu missachten. Nachdem der weiter in der Sitzung anwesende Staatsanwalt zu dem Antrag Stellung genommen und Zurückweisung beantragt hatte, gab die Staatsanwältin eine Erklärung ab. Am nächsten und übernächsten Hauptverhandlungstag nahm die Staatsanwältin nicht als Sitzungsvertreterin teil. Am übernächsten Hauptverhandlungstag wurde sie als Zeugin vernommen. Im Hauptverhandlungstermin vom widersprachen die Verteidiger der Verwertung eines Rauschgiftgutachtens unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom von Rechtsanwalt S. Die Staatsanwältin äußerte sich unter Hinweis auf ihre Erklärung vom . Im Hauptverhandlungstermin vom beantragte Rechtsanwalt S. die Vernehmung namentlich benannter Ermittlungsrichterinnen und Ermittlungsrichter, die nach der Durchsuchung mit Ermittlungsmaßnahmen befasst waren. Daraufhin gab die Staatsanwältin eine Erklärung ab.

28Am fand auf Anregung der Verteidiger aller Angeklagten ein Rechtsgespräch statt, an dem auch die Staatsanwältin teilnahm und in dem sie sich zu der Straferwartung der Staatsanwaltschaft äußerte. Mit dem Beschwerdeführer sowie zwei nicht revidierenden Mitangeklagten kam auf Vorschlag des Gerichts eine Verständigung zustande; der Angeklagte H. lehnte das Verständigungsangebot der Strafkammer ab. Im Hauptverhandlungstermin vom plädierte ein weiterer Staatsanwalt und nahm explizit zu der Frage eines Beweisverwertungsverbots Stellung. Außerdem plädierte die Staatsanwältin, ohne sich zu der Frage eines Beweisverwertungsverbots zu äußern. In den nach nochmaligem Eintritt in die Beweisaufnahme wiederholten Schlussvorträgen vom gleichen Tag plädierte lediglich die Staatsanwältin, ohne zu der Verwertbarkeit von Beweisen Stellung zu nehmen.

29(2) Dieser Verfahrensverlauf begründet keinen revisiblen Rechtsverstoß.

30(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht. Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in untrennbarem Zusammenhang steht und einer gesonderten Wertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund nahe, der zur Aufhebung des Urteils führt, wenn nicht das Beruhen ausgeschlossen werden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 382/17, BGHR StPO § 22 Nr. 5 Ausschluss 2 Rn. 12; vom – 1 StR 235/19, BGHR StPO § 22 Nr. 5 Ausschluss 3 Rn. 10, und vom – 4 StR 550/17, NStZ 2018, 482 f. jeweils mwN; vgl. aber auch , Rn. 27, und , NStZ 2025, 313 Rn. 7 ff.).

31(b) Hieran gemessen war das von der Verteidigung beanstandete Verhalten der Staatsanwältin mit ihrer Stellung als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft vereinbar und daher zulässig. Weder ihre Teilnahme am Rechtsgespräch noch ihre Erklärungen im Verfahren ergeben, dass sie hierbei – wenn auch nur mittelbar – ihre eigene Aussage würdigte. Der Sachverhalt zur Rechtswidrigkeit des Vollzugs der Durchsuchung war zudem bereits vor ihrer Vernehmung aktenkundig. Dass sich aus ihrer Aussage weitergehende Erkenntnisse zur Frage eines Beweisverwertungsverbots ergeben hätten, es mithin auf die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen angekommen wäre, wird von der Revision nicht behauptet. An einem durch den Abschluss der Verständigung zum Ausdruck gebrachten Festhalten an ihrer Rechtsauffassung, der aktenkundige Verstoß begründe kein Beweisverwertungsverbot, war sie nicht gehindert. Hinsichtlich des Schlussvortrags führt die Revision selber aus, die Staatsanwältin habe sich nicht zu der Frage einer Verwertbarkeit von Beweisen geäußert.

322. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zu den Schuld- und Strafaussprüchen sowie zu den Einziehungsentscheidungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer in den Fällen II.2 und II.5 der Urteilsgründe nicht die geringere Gefährlichkeit des vom Angeklagten H. gehandelten CBD-Hanfs bei der Strafzumessung erörtert hat.

33a) Die Strafkammer ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem gehandelten CBD-Hanf um Cannabis im Sinne des Konsumcannabisgesetzes handelt. Die hier gehandelten Drogen unterfallen bereits deshalb nicht der gesetzlichen Privilegierung als Nutzhanf, weil die in § 1 Nr. 9 KCanG vorgesehene Höchstgrenze eines Gehalts von 0,3 Prozent THC in beiden Fällen überschritten ist.

34b) Der Senat kann offenlassen, ob der Handel mit CBD-Hanf innerhalb der von § 1 Nr. 9 KCanG normierten Höchstgrenze, sofern dieser aufgrund eines Fehlens einer weiteren Tatbestandsvoraussetzung der Ausnahmevorschrift dem Regelungsregime des Konsumcannabisgesetzes unterfällt (vgl. hierzu , BGHSt 66, 76 Rn. 13), bei der Anwendung der allgemein auf den Handel mit Cannabis bezogenen Strafnorm des § 34 KCanG als bestimmender Strafzumessungsgrund zu berücksichtigen ist. Denn die in § 1 Nr. 9 KCanG festgelegte Höchstgrenze ist hier (4.517,15 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 22,6 Gramm THC, entspricht 0,5 Prozent im Fall II.2 der Urteilsgründe; 7.872,7 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 32,2 Gramm THC, entspricht 0,41 Prozent im Fall II.5 der Urteilsgründe) überschritten.

35aa) Bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägung im Urteil ist das Tatgericht nur gehalten, die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Bestimmend sind Tatsachen, die ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe für die tatgerichtliche Rechtsfolgenbestimmung tatsächlich von einigem Gewicht sein können und deren Darstellung und Würdigung sich nach den Maßgaben des konkreten Einzelfalls aufdrängen oder unverzichtbar erscheinen (vgl. , Rn. 5 mwN). Eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte ist dagegen weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich. Auswahl und Gewichtung der Strafzumessungsgesichtspunkte obliegen dabei grundsätzlich dem Tatgericht. Es hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden, welchen Umstand es als bestimmenden Strafzumessungsgrund ansieht. Hat das Tatgericht bei seiner Zumessungsentscheidung einen Gesichtspunkt, der nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als bestimmender Strafzumessungsgrund in Betracht kommt, nicht erkennbar erwogen, ist die Strafzumessung in sachlich-rechtlicher Hinsicht rechtsfehlerhaft (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHR StGB § 46 Schuldausgleich 47 Rn. 19 ff., und vom – 2 StR 238/23, Rn. 11).

36bb) Hieran gemessen war die Strafkammer nicht gehalten, den Wirkstoffgehalt des gehandelten CBD-Hanfs und die damit einhergehende Gefährlichkeit als möglichen Strafmilderungsgrund zu erörtern.

37Zwar kommt im Rahmen der Strafzumessung der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu; maßgebend für den Unrechts- und den Schuldgehalt der Tat sind daneben aber insbesondere die Menge der Betäubungsmittel sowie deren Wirkstoffgehalt (vgl. , BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 43 Rn. 12 mwN). Dem Umstand, dass sich der Handel des Angeklagten H. in den Fällen II.2 und II.5 der Urteilsgründe auf CBD-Hanf bezog, der dem Regelungsregime des Konsumcannabisgesetzes unterfiel, hat die Strafkammer aber durch die Anwendung des Grenzwertes für eine nicht geringe Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG Rechnung getragen. Dabei wird die geringere Gefährlichkeit des Cannabis in Form des CBD-Hanfs (vgl. zu dessen Gefährlichkeit , Rn. 20; Beschluss vom – 5 StR 490/21, NStZ-RR 2022, 376) aufgrund des geringen Wirkstoffgehalts bei dem Maß der Überschreitung einer nicht geringen Menge durch die hohe Handelsmenge kompensiert (vgl. hierzu , NStZ 2020, 229 Rn. 12; auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1801).

38Zudem war bereits unter Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes den Tatgerichten beim Handel von Cannabisprodukten lediglich die Möglichkeit eröffnet, die geringere Gefährlichkeit der gehandelten Drogen strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. , Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 332/18, NStZ-RR 2019, 88 f., anders nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes, vgl. hierzu , Rn. 5). Eine Verpflichtung der Tatgerichte, den Handel mit „weichen“ Drogen unter dem Regelungsregime des Betäubungsmittelgesetzes strafmildernd zu berücksichtigen, bestand nicht.

39Angesichts dessen sieht der Senat bei einer Überschreitung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzwerts für die Privilegierung von Nutzhanf in § 1 Nr. 9 KCanG keine Notwendigkeit für eine zwingende Binnendifferenzierung nach der Gefährlichkeit der gehandelten Cannabisprodukte durch die Tatgerichte. Insofern kommt es auch nicht darauf an, dass der Senat ausschließen kann, der Strafkammer könnte bei der Zumessung der beiden moderaten Einzelstrafen aus dem Blick geraten sein, dass der Cannabishandel des Angeklagten H. CBD-Hanf betraf.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150725B2STR644.24.0

Fundstelle(n):
QAAAK-00890