Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 3 U 362/21vorgehend LG Würzburg Az: 14 O 840/21
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im November 2017 von einem Händler einen gebrauchten BMW X5 xDrive40d, der mit einem Dieselmotor N57 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
2Die Klägerin hat zuletzt die Rückzahlung des um Nutzungen reduzierten Kaufpreises nebst Verzugszinsen (Berufungsantrag zu 1), die Zahlung von Deliktszinsen (Berufungsantrag zu 2), jeweils Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 3) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 4) begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang weiter.
Gründe
3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Ein Anspruch nach § 826 BGB bestehe nicht. Bezüglich des eingesetzten "Thermofensters" fehlten Anhaltspunkte für ein objektiv sittenwidriges Verhalten und einen Schädigungsvorsatz. Den Vortrag zu weiteren Abschalteinrichtungen habe das Landgericht zu Recht als prozessual unbeachtlich angesehen. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe mangels Schutzgesetzeigenschaft nicht.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff. und III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
10in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
11die erforderlichen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230925UVIAZR544.22.0
Fundstelle(n):
KAAAK-00879