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BGH Urteil v. - VIa ZR 776/22

Instanzenzug: Az: 5 U 940/20vorgehend LG Meiningen Az: (260) 1 O 791/19

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im Februar 2012 einen von der Beklagten hergestellten Audi A7 Sportback 3.0 TDI quattro, der mit einem Dieselmotor V6 Turbo (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

2Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Zahlung der Finanzierungskosten, die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere am fehlenden Drittschutz.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                                Möhring                                Katzenstein

                          Ostwaldt                                Tausch

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240925UVIAZR776.22.0

Fundstelle(n):
HAAAK-00721