Gründe
1I. Der Kläger wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag in der Hauptsache unmittelbar gegen die von der Beklagten erlassene Regelung des § 3 Abs 1 Nr 6 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV).
2Das zunächst angerufene LSG Berlin-Brandenburg hat den Anwendungsbereich des speziellen Verfahrens nach § 55a SGG verneint und den Rechtsstreit an das SG verwiesen. Daraufhin hat der Kläger sein Begehren, den Halbsatz "wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt", für unwirksam zu erklären, mit einer allgemeinen Feststellungsklage weiter verfolgt. Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig angesehen; zwischen den Beteiligten liege kein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Vereinbarkeit der angegriffenen Regelung mit höherrangigem Recht sei inzident in dem auf Zuerkennung des Merkzeichens 1. Kl geführten Verfahren des Klägers zu prüfen.
3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend gemacht.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin keinen Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG) ordnungsgemäß dargetan.
51. Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.
6Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Frage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 14; - juris RdNr 6).
7Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:"Ist § 3 Absatz 1 Nummer 6 Schwerbehindertenausweisverordnung insoweit unwirksam, als dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens '1. Kl.' nicht durch den demokratisch legitimierten Normgeber, sondern allein durch die Eisenbahnunternehmen tariflich und damit privatrechtlich festgelegt werden?"
8Die Beschwerdebegründung lässt aber die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht erkennen. Sie übersieht, dass eine Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des materiellen Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht von vornherein nicht entscheidungserheblich sein kann, wenn die Klage unzulässig ist, sodass ausschließlich ein Prozessurteil zu ergehen hat.
9Der Kläger legt indes weder dar, dass die Klage nach § 55a SGG statthaft ist, noch dass die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 55 SGG erfüllt sind. Die bloße Behauptung, zwischen ihm und der Beklagten bestehe ein Rechtsverhältnis und ein Feststellungsinteresse sei gegeben, reicht zur Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht aus. Vielmehr hätte der Kläger substantiiert aufzeigen müssen, dass seine Klage entgegen der Ansicht der Vorinstanzen zulässig ist. Soweit insofern in der Beschwerdebegründung auf das dort in indirekter Rede wiedergegebene Klage- und Berufungsvorbringen Bezug genommen wird, beschränken sich die Ausführungen auf die Wiedergabe höchstrichterlicher Rechtsprechung, wonach wegen des im Vergleich zu § 47 VwGO beschränkten Anwendungsbereichs des § 55a SGG ausnahmsweise eine allgemeine Feststellungsklage zur Überprüfung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm zulässig ist (§ 55 SGG). Dies setzt allerdings voraus, dass anders der durch Art 19 Abs 4 GG garantierte Rechtsschutz nicht gewährleistet wäre. Warum dies hier der Fall sein sollte, legt der Kläger indes nicht dar. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass es ihm nicht zumutbar ist, die behauptete Unwirksamkeit der in § 3 Abs 1 Nr 6 SchwbAwV formulierten Tatbestandsvoraussetzungen mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Zuerkennung des Merkzeichens 1. Kl geltend zu machen, was die zuständigen Gerichte - wie von den Vorinstanzen zutreffend ausgeführt - zu einer Inzidentprüfung verpflichtet (vgl ua - BVerfGE 115, 81 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3, juris RdNr 41; - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 29).
102. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel bezeichnet, auf dem das LSG-Urteil beruhen kann.
11Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
12a) Der Kläger rügt ausdrücklich (nur), dass das Urteil des LSG aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ergangen ist, in der der Kläger weder anwesend noch vertreten war. Der Vorsitzende des LSG-Senats habe es verabsäumt, vor dem Termin über den rechtzeitig gestellten Terminverlegungsantrag seines Prozessbevollmächtigten zu entscheiden.
13Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass ein Antrag auf Terminaufhebung bzw -verlegung noch vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung kurz zu bescheiden ist, sofern dies technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist. Geschieht dies nicht, leidet das Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG bereits deswegen aufgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) an einem wesentlichen Mangel, unabhängig davon, ob dem Antrag zu entsprechen gewesen wäre (siehe nur - juris RdNr 7 ff; - juris RdNr 15 ff mwN).
14Auch bei diesem Verfahrensfehler muss die Beschwerdebegründung indes, weil es sich nicht um einen absoluten Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO) handelt, darlegen, dass die Entscheidung des LSG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stehende Verletzung des rechtlichen Gehörs die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat ( - RdNr 10; - RdNr 7 mwN; vgl aber - juris RdNr 20). Ausnahmsweise kann es jedoch Umstände geben, die ein Beruhen-Können des Verfahrensergebnisses auf dem Fehlen einer ordnungsgemäßen mündlichen Verhandlung als fernliegend oder geradezu ausgeschlossen erscheinen lassen. Dann ist es erforderlich, dass die Beschwerdebegründung aufzeigt, warum ein verfahrensfehlerfreies Vorgehen des Gerichts zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen können ( - juris RdNr 6). Wie bei anderen Gehörsrügen ist dazu insbesondere vorzutragen, welches in der mündliche Verhandlung beabsichtigte Vorbringen das LSG durch seine Vorgehensweise verhindert hat und inwieweit dieses dessen Urteil hätte beeinflussen können (vgl - juris RdNr 14 mwN).
15Von einem solchen Ausnahmefall ist im vorliegenden Verfahren auszugehen, weil das LSG die Klage - ebenso wie bereits das SG - als unzulässig angesehen hat (vgl auch - juris RdNr 8 zu mangelnder Einhaltung der Klagefrist als fehlender Sachurteilsvoraussetzung). Die daher erforderlichen näheren Ausführungen, welcher Sach- und Rechtsvortrag dem Kläger im Berufungsverfahren abgeschnitten worden ist, und warum dieser dessen konkreten Normenkontrollantrag entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung als zulässige Feststellungsklage hätte erscheinen lassen können, fehlen in der Beschwerdebegründung vollständig.
16b) Darüber hinaus lässt das Vorbringen des Klägers inzident erkennen, dass er davon ausgeht, das LSG habe zu Unrecht ein Prozessurteil anstelle eines Sachurteils erlassen (dazu etwa - juris RdNr 7, - juris RdNr 4), indem es auf die Begründung des SG, die Klage sei unzulässig, Bezug genommen hat. Auch ein solcher Verfahrensmangel wird aber nicht schlüssig bezeichnet. Wie bereits ausgeführt zeigt die Beschwerdebegründung die Zulässigkeit des klägerischen Feststellungsantrags nicht nachvollziehbar auf.
173. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
184. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
195. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:200825BB9SB1325B0
Fundstelle(n):
TAAAK-00662