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BGH Urteil v. - VIa ZR 202/22

Instanzenzug: Az: 17 U 5824/21vorgehend LG Ingolstadt Az: 51 O 4650/20 Die

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Oktober 2016 von einem Dritten kreditfinanziert einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Audi A6 Avant 3.0 TDI, der mit einem V6-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

2Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Rückabwicklung von Kauf- und Darlehensvertrag gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten abzüglich einer nach einer vorgegebenen Formel zu berechnenden Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die Feststellung des Annahmeverzugs begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB stehe dem Kläger nicht zu. Die Beklagte habe ihn nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Sein Vortrag, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer "Aufheizstrategie" implementiert sei, sei mangels greifbarer Anhaltspunkte prozessual unbeachtlich. Im Hinblick auf das eingebaute "Thermofenster" lägen keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung seitens der Beklagten vor. Soweit der Kläger behaupte, dass Thermofenster sei mit mindestens einem weiteren Parameter kombiniert in Form einer Umschaltlogik, fehlten hierfür jegliche Anhaltspunkte.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB abgelehnt hat. Die von der Revision dagegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

                                                            

                                                       

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240925UVIAZR202.22.0

Fundstelle(n):
AAAAK-00651