Nichtannahmebeschluss: Mangels hinreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde in einer sorgerechtlichen Sache - allerdings verfassungsrechtliche Zweifel bzgl hinreichender Tatsachengrundlagen im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren (Maßstäbe zur Bedeutung des sog Parental Alienation Syndrome in Sachverständigengutachten)
Gesetze: Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 1666a BGB, § 1666 Abs 1 BGB, § 1666 Abs 3 Nr 6 BGB, § 1671 Abs 1 Nr 2 BGB
Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 4 UF 30/25 Beschlussvorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 4 UF 30/25 Beschluss
Gründe
1Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungs-beschwerde betrifft ein fachgerichtliches einstweiliges Anordnungsverfahren zum Sorge-recht.
I.
2Die Beschwerdeführerin ist Mutter eines im Juli 2020 geborenen Sohnes. Mit dem Vater war sie nicht verheiratet, die Eltern übten das Sorgerecht zunächst gemeinsam aus. Sie trennten sich im Oktober 2022. Der Sohn verblieb bei der Beschwerdeführerin. In der Folgezeit kam es zu einer großen Anzahl familiengerichtlicher Verfahren zum Umgang aber auch zum Sorgerecht.
31. Derzeit ist ein Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge anhängig, in dem Ende Oktober 2024 ein Sachverständigengutachten erstattet wurde, das den Eltern ein hohes Konfliktniveau und der Beschwerdeführerin eine gezielte Beeinflussung des Kindes gegen den Vater attestiert. Die Sachverständige führte weiter aus, die Beeinflussung habe derzeit noch keine Ablehnungshaltung des Kindes gegen den Vater erzeugt. Es handele sich zwar um ein im Elternkonflikt vergleichsweise resilientes Kind. Derartige Beeinflussungen hätten aber perspektivisch eine Beeinträchtigung der Beziehung zu beiden Eltern und damit verbunden eine Kindeswohlgefährdung zur Folge. Dem könne und müsse durch eine Umplatzierung des Kindes begegnet werden. Der Umgang des Kindes mit der Beschwerdeführerin müsse zunächst eingeschränkt werden. Diese hält das Gutachten für falsch und hat die Sachverständige Ende November 2024 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Über den Antrag ist bislang noch nicht entschieden.
42. Im der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahren hat das Familiengericht auf Antrag des Vaters diesem im Wege einstweiliger Anordnung ohne vorherige mündliche Verhandlung mit Beschluss vom das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind einstweilen allein übertragen. Zur Begründung hat das Familiengericht sich rechtlich auf §§ 1666, 1666a BGB und in tatsächlicher Hinsicht auf das zum Hauptsacheverfahren erstattete Sachverständigengutachten gestützt. Es liege Gefahr im Verzug vor, weil der Kindeswohlgefährdung entgegengewirkt werden müsse. In der Folge wechselte das Kind in den Haushalt des Vaters, wo es auch derzeit lebt. Die Beschwerdeführerin hat umfängliche Umgangskontakte.
5Nachdem die Beschwerdeführerin eine erneute Entscheidung nach mündlicher Verhandlung beantragt hatte (vgl. § 54 Abs. 2 FamFG), hat das Familiengericht das Kind im Dezember 2024 im Beisein der Verfahrensbeiständin angehört und die Angelegenheit mit den (Fach-)Beteiligten erörtert. Mit Beschluss vom hat es seine Entscheidung vom dahingehend abgeändert, dass dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht nunmehr nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorläufig übertragen werde. Der Vater verfüge über ein höheres Maß an Bindungstoleranz.
63. a) Dagegen hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. Das Familiengericht gehe selbst nicht weiter von einer Kindeswohlgefährdung durch die Beschwerdeführerin aus; im Übrigen entfremde sie das Kind dem Vater nicht. Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden habe nicht vorgelegen. Der bereits erfolgte Aufenthaltswechsel sei ebenfalls nicht als Begründung tragfähig. Die Kontinuität spreche für die Beschwerdeführerin. Zudem nutze der Vater nun seine gestärkte Position, indem er den Wechsel von Ärzten und des Kindesgartens betreibe.
7b) Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Juni 2025hat das Oberlandesgericht ohne Wiederholung erstinstanzlich bereits vorgenommener Verfahrensschritte (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) die Beschwerde zurückgewiesen. Das Familiengericht habe in seiner zutreffenden Entscheidung zu Recht die Voraussetzungen von § 49 Abs. 1 FamFG und damit einen Anordnungsgrund angenommen. Ein Anordnungsanspruch liege nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vor. Diese Vorschrift setze keine Kindeswohlgefährdung voraus, sondern eine doppelte Kindeswohlprüfung dahingehend, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge geboten sei und, falls ja, ob die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Maßgebliche Kriterien seien der Grundsatz der Kontinuität, der Förderungsgrundsatz, die Bindungen des Kindes sowie ein etwaiger zu beachtender Wille des Kindes. Diese Kriterien seien in ihrer Gesamtschau zu gewichten und dahin abzuwägen, was dem Kindeswohl im Einzelfall am besten entspreche. Diese Abwägung habe keinen Sanktionscharakter gegenüber den Eltern. Eine etwaige Einschränkung der Erziehungsfähigkeit werde derzeit im Hauptsacheverfahren überprüft.
8Die Verfahrensbeiständin habe dem Oberlandesgericht berichtet, das Kind scheine den Wunsch nach gleichwertigem Kontakt zu beiden Eltern zu haben. Das hohe Konfliktniveau zwischen den Eltern und seine Auswirkungen auf das Kindeswohl erforderten zunächst im einstweiligen Anordnungsverfahren wie erfolgt eine Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht. Zudem seien bei einer nur vorläufigen Regelung auch die Folgen zu berücksichtigen, die für das Kind für den Fall einer abweichenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren einträten. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei noch offen. Es sei anerkannt, dass es regelmäßig nicht dem Wohl eines Kindes entspreche, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung des Familiengerichts in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden. Solche schwerwiegenden Gründe seien aber nicht zu erkennen.
94. a) Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge erhoben. Das Oberlandesgericht habe wesentliche Teile des von ihr vorgetragenen Sachverhalts übergangen und hierdurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Zudem habe es seine Entscheidung maßgeblich auf die Folgenabwägung, also darauf gestützt, dass die einstweilige Anordnung bereits vollzogen sei. Hierbei habe das Oberlandesgericht die Umstände des Einzelfalles, namentlich das jahrelange Aufwachsen des Kindes in ihrem Haushalt, das Bestehen regelmäßiger Umgangskontakte mit ihr, das Agieren des Vaters auf der Grundlage seiner gestärkten Position und die voraussichtlich allein aufgrund des bislang nicht beschiedenen Befangenheitsantrags noch erhebliche Dauer des Hauptsacheverfahrens außer Betracht gelassen.
10b) Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge im Wesentlichen unter Verweis auf die Begründung der Ausgangsentscheidung zurückgewiesen. Auch wenn eine Entscheidung in der Hauptsache aufgrund der Ablehnung der Sachverständigen nicht unmittelbar bevorstehe, seien schwerwiegende Gründe nicht ersichtlich, die eine Abänderung der durch das Familiengericht erlassenen einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten.
115. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, durch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts vom 25. Juni und vom in ihren Rechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt zu sein. Ferner beantragt sie, die Entscheidung vom im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.
12Sie sei in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Ihr bereits im Anhörungsrügeverfahren gehaltener Vortrag habe im Rahmen der Folgenabwägung Bedeutung, sei aber vom Oberlandesgericht nicht berücksichtigt worden. Auch ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG sei verletzt, weil die angefochtene Entscheidung vom sich auf die Darstellung des Spannungsverhältnisses zwischen den Eltern und eine Folgenabwägung beschränke, deren Maßstab jedoch nicht durch eine gesetzliche Regelung gestützt werde. Weder seien die maßgeblichen Kindeswohlkriterien abgewogen noch die Umstände des Einzelfalles in den Blick genommen worden. Das Oberlandesgericht habe zudem den Kindeswillen nicht hinreichend berücksichtigt. Die Entscheidung stelle eine Sanktionierung der Beschwerdeführerin dar. Überdies fehle es an einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage zur Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung; eine solche bilde insbesondere nicht das im Hauptsacheverfahren eingeholte Gutachten, weil die Entscheidung über den gegen die Sachverständige gerichteten Befangenheitsantrag derzeit noch ausstehe.
II.
13Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt; sie ist unzulässig (1). Allerdings bestehen Zweifel, ob das Familiengericht und gegebenenfalls das Oberlandesgericht im Hauptsacheverfahren auf der Grundlage der bisher gewonnenen Erkenntnisse eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende fachgerichtliche Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zum Sorgerecht treffen könnten (2).
141. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung lässt nicht in einer den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise die Möglichkeit einer Verletzung der Beschwerdeführerin in den gerügten Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten erkennen.
15a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9>; 157, 300 <310 Rn. 25>; stRspr). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 149, 346 <359 Rn. 23>; 153, 74 <137 Rn. 104>; 158, 210 <230 f. Rn. 51>; 163, 165 <210 Rn. 75>; stRspr). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 108, 370 <386 f.>; 158, 210 <230 f. Rn. 51>; stRspr).
16b) Diesen Anforderungen an die Darlegung einer möglichen Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde zu keiner der gerügten Rechtsverletzungen.
17aa) Bei der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Beschluss vom ist bereits nicht mit der erforderlichen Substanz dargelegt, dass diese Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruhte. Ein Beruhen ist lediglich dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Berücksichtigung des von der Beschwerdeführerin als übergangen gerügten Vorbringens das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, ihr günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 89, 381 <392 f.>; 112, 185 <206>; stRspr). Das zeigt die Beschwerdeführerin nicht hinreichend substantiiert auf.
18Soweit die Beschwerdeführerin sich in ihrem Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG auch durch den verletzt sieht, fehlt es an ausreichenden Darlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis. Dass von dieser Entscheidung über die fachrechtliche Anhörungsrüge (§ 44 FamFG) eine eigenständige, über die Korrektur des vorangegangenen und bereits hinsichtlich der Ausgangsentscheidung gerügten Verstoßes vorhandene Beschwer verbunden ist (vgl. BVerfGE 119, 292 <294 f.>), ist nicht dargelegt. Letztlich erschöpft sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin insoweit in dem Vorwurf, das Oberlandesgericht habe die - nach ihrem Vortrag - Gehörsverletzungen durch den vorausgegangenen Beschluss vom nicht beseitigt. Das begründet aber gerade keine eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Entscheidung über die Anhörungsrüge.
19bb) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde zeigt auch nicht in der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG gebotenen Weise die Möglichkeit einer Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG durch den auf.
20(1) So geht die Beschwerdeführerin bereits nicht darauf ein, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung von fachgerichtlichen Entscheidungen zur elterlichen Sorge, die Streitigkeiten zwischen Eltern zum Gegenstand haben, die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung grundsätzlich nicht nachzuprüfen hat. Danach ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen (vgl. BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr).
21(2) Die Verfassungsbeschwerde legt nicht anhand dieses zurückgenommenen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinreichend dar, dass das Oberlandesgericht die Voraussetzungen für eine vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater zur alleinigen Ausübung unter grundsätzlicher Verkennung des Elterngrundrechts der Beschwerdeführerin angenommen hat.
22Das Oberlandesgericht hat den für die Anwendung von § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zutreffenden fachrechtlichen Maßstab der doppelten Kindeswohlprüfung (vgl. nur Veit/Schmidt, in: BeckOK BGB, 74. Edition, Stand: , § 1671 Rn. 47 m.w.N.) zugrunde gelegt. Dieser Maßstab ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1248/09 -, Rn. 17 m.w.N.). Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch nicht hinreichend substantiiert auf, dass das Oberlandesgericht bei der Anwendung der Vorschrift auf den konkreten Fall die Bedeutung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG grundlegend verkannt hätte, mag die Subsumtion des Gerichts auch fachrechtlich nicht frei von Bedenken sein. So ist das Oberlandesgericht zwar auf die Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Wohle des Kindes näher eingegangen. Die Erwägungen des Oberlandesgerichts dazu, warum die Übertragung dieses Teils des Sorgerechts auf den Vater allein dem Wohl des Sohnes am besten entspreche, sind jedoch - was die Verfassungsbeschwerde insoweit zu Recht geltend macht - bestenfalls kursorisch. Da der angegriffene Beschluss allerdings zumindest auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug nimmt, die sich ihrerseits jedenfalls mit einem der anerkannten Kindeswohlkriterien auseinandersetzt, kann die Beschwerdeführerin daraus nicht die Möglichkeit einer Verletzung ihres Elterngrundrechts ableiten.
23Entsprechendes gilt für die durch die Verfassungsbeschwerde beanstandeten Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Folgenabwägung. Das Gericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass es regelmäßig nicht dem Wohl des Kindes entspreche, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung in der Hauptsache über einen erneuten Aufenthaltswechsel zu befinden. Diese Erwägungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund der Formulierung eines Regelfalls hat das Oberlandesgericht hinreichend deutlich gemacht, vom Regelfall abweichende Entscheidungen im Einzelfall für möglich zu halten. Eine fachrechtlich nicht vorgesehene Selbstbegrenzung des Prüfungsmaßstabs, die die Gefahr birgt, Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 836/20 -, Rn. 32 m.w.N.), lässt sich daher nicht annehmen.
242. Nach den bisher durch die Fachgerichte gewonnenen Erkenntnissen bestehen allerdings mit Blick auf das Hauptsacheverfahren Zweifel daran, dass die Fachgerichte bereits über eine hinreichend zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2333/22 -, Rn. 8 m.w.N.) verfügen. Diese Zweifel rühren vor allem aus dem von der Beschwerdeführerin beanstandeten Sachverständigengutachten her. Die Sachverständige hat darin einerseits aktuell eine Kindeswohlgefährdung verneint. Soweit sie andererseits eine zukünftig eintretende Kindeswohlgefährdung aufgrund des entfremdenden Verhaltens der Beschwerdeführerin prognostiziert, werden die Fachgerichte in den Blick nehmen, ob der fachwissenschaftliche Ansatz der Sachverständigen die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des sogenannten Parental Alienation Syndroms (PAS) aufgestellten Maßstäbe (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1076/23 -, Rn. 34) berücksichtigt. Diesbezüglich dürfte es zumindest methodisch erläuterungsbedürftig sein, wenn die Sachverständige unter teilweiser Bezugnahme auf wissenschaftlich möglicherweise nicht tragfähige Übersichtsarbeiten zu PAS (vgl. dazu Zimmermann/Fichtner/Walper/Lux/Kindler, ZKJ 2023, S. 83 ff. Ziff. 6.2) aus einer der Beschwerdeführerin zugeschriebenen Beeinflussung des als resilient und hiervon bislang unbeeindruckt gebliebenen Kindes ohne Hinzutreten weiterer Umstände auf eine nicht näher definierte Kindeswohlgefährdung schließt, die generell in solchen Fällen zu erwarten sei und der erfolgreich durch eine Umplatzierung zum anderen Elternteil entgegen gewirkt werden könne.
253. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
264. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
27Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250827.1bvr147325
Fundstelle(n):
MAAAK-00219