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BGH Beschluss v. - 5 StR 394/25

Instanzenzug: Az: 15 KLs 500 Js 23178/20 jug (2)

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die inzwischen 21 Jahre alte Nebenklägerin, die vom Angeklagten zwischen ihrem 7. und 14. Lebensjahr in fast 200 Fällen überwiegend schwer sexuell missbraucht wurde, „aufgrund des laufenden Verfahrens bislang keine therapeutische Hilfe in Anspruch genommen“ hat, obwohl nach Tataufdeckung am bereits am eine ausführliche videodokumentierte polizeiliche Vernehmung und am eine ermittlungsrichterliche Vernehmung nach § 58a Abs. 1 StPO stattgefunden haben.
Weshalb in derartigen Fällen ein Zuwarten mit einer Therapie bis zur Hauptverhandlung geboten sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht (ausführlich zum Thema: Expertinnen- und Expertengruppe „Psychotherapie und Glaubhaftigkeit“ im Bundesministerium der Justiz, Praxishinweise zum Verhältnis von Psychotherapie und Strafverfahren, 2024). Die Tatsache, dass ein Opfer sexuellen Missbrauchs eine Therapie zur Linderung tatverursachter seelischer Schmerzen und Leiden durchführt, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Der Gesetzgeber hat vielmehr anerkannt, dass gerade Opfer sexuellen Missbrauchs (vgl. § 13 Abs. 2 SGB XIV) schnell therapeutische Hilfe benötigen können (vgl. §§ 29 ff. SGB XIV). Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn die Inanspruchnahme solcher Hilfe indiziell gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben von Geschädigten schwerer Straftaten gewertet würde.
Eine Therapie kann lediglich Anlass für das Tatgericht sein, sich in seiner Beweiswürdigung gerade in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen mit möglichen suggestiven Einflüssen auseinanderzusetzen, etwa wenn die Anzeige erst Ausfluss einer Therapie ist oder es nach einer Therapie zu einer signifikanten Veränderung der Aussage kommt (vgl. mwN). Wird aber – was ohnehin vorzugswürdig ist (näher hierzu Mosbacher, NStZ 2024, 263, 268) – eine ausführliche polizeiliche Vernehmung zu Beginn des Ermittlungsverfahrens in Bild und Ton aufgezeichnet, ohne dass zuvor eine Therapie begonnen wurde, steht dem Tatgericht in aller Regel schon eine unbeeinflusste Grundlage für seine Beweiswürdigung zur Verfügung. Dies gilt umso mehr, wenn wie hier in zulässiger Weise am Ende des Ermittlungsverfahrens – um weitere ergänzende Vernehmungen im Laufe des Ermittlungsverfahrens zu vermeiden (vgl. , BGHSt 49, 68, 71) und die vernehmungsersetzende Vorführung nach § 255a Abs. 2 StPO ohne ergänzende Befragung in der Hauptverhandlung zu ermöglichen – eine videoaufgezeichnete ermittlungsrichterliche Vernehmung nach § 58a Abs. 1 StPO durchgeführt wird.
In einer solchen Situation weiterhin für den Therapiebeginn auf den Abschluss der Hauptverhandlung zu warten, ist – wenn nicht aus therapeutischen Gründen geboten – nicht angezeigt. Denn die ermittlungsrichterliche Vernehmung kann in geeigneten Fällen insbesondere aus Gründen des Opferschutzes (vgl. § 255a Abs. 2 Satz 3 StPO) nach § 255a Abs. 2 StPO vernehmungsersetzend in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Dass ein Zeuge daneben in der Hauptverhandlung ergänzend vernommen wird, ist nach dem Gesetz die Ausnahme, nicht die Regel. Damit erweist sich die ermittlungsrichterliche Vernehmung gleichsam als vorweggenommener Teil der Hauptverhandlung (vgl. ), so dass ein weiteres Zuwarten mit dem Therapiebeginn unnötig erscheint.
Mosbacher                            Köhler                            Resch
                        von Häfen                        Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090925B5STR394.25.0

Fundstelle(n):
UAAAK-00212