Instanzenzug: LG Stendal Az: 502 Ks 7/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit wissentlicher schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Diese hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den Feststellungen geriet der Angeklagte mit seinem alkoholisierten Mitbewohner in Streit. Aus Verachtung über seinen Alkoholkonsum übergoss der Angeklagte ihn großflächig mit Benzin und zündete ihn an. Dessen Tod hielt er ebenso für möglich und nahm dies billigend in Kauf wie mit dem Brand einhergehende unermessliche Schmerzen. Er wusste weiterhin, dass er im Falle seines Überlebens durch eine Vielzahl auffälliger Narben entstellt sein würde. Der Mitbewohner erlitt großflächige Verbrennungen und überlebte nur dank umgehender ärztlicher Behandlung. Er musste sich 22 Operationen unterziehen und schwebte mehrmals in Lebensgefahr. Durch die erlittenen Brandnarben und die hierdurch veränderte Hautstruktur ist sein äußeres Erscheinungsbild entstellt.
II.
31. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
42. Indes hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5a) Das Landgericht hat zwar geprüft, ob eine Milderung der absoluten Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB aufgrund des Versuchs nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Bei der insoweit gebotenen Gesamtschau aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters (vgl. , Rn. 14) hat die Strafkammer aber nicht berücksichtigt, dass der zur Tatzeit 58-jährige Angeklagte ausweislich der Urteilsfeststellungen nicht vorbestraft ist.
6aa) Zwar ist eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich. Ein der Strafzumessung in sachlich-rechtlicher Hinsicht anhaftender Rechtsfehler liegt aber vor, wenn das Tatgericht bei seiner Zumessungsentscheidung einen Gesichtspunkt, der nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in Betracht kommt, nicht erkennbar erwogen hat (vgl. , Rn. 5). Eine besonders sorgfältige Abwägung ist geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 258/24, Rn. 14; vom – 4 StR 286/23, Rn. 12).
7bb) Gemessen hieran sind die Erwägungen lückenhaft. Das Tatgericht hat die ‒ nach den Urteilsfeststellungen zu bejahende ‒ Unbestraftheit nicht erkennbar strafmildernd berücksichtigt, obwohl es sich dabei um einen gewichtigen Strafzumessungsgrund handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 185/22, Rn. 3; vom ‒ 4 StR 211/23, Rn. 8). Die Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Gütersloh ist nach den tatgerichtlichen Feststellungen im Bundeszentralregister bereits getilgt. Weder die Tat noch die Verurteilung durfte daher zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. ‒ 5 StR 585/10, Rn. 6). Darauf, dass die Vorverurteilung im lettischen Zentralregister noch eingetragen ist, kommt es nicht an. Für die Tilgungsreife, Tilgung und damit Verwertbarkeit deutscher Vorstrafen ist ausschließlich das deutsche Recht maßgeblich (ebenso bei ausländischen Vorstrafen, vgl. ).
8b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
93. Im Hinblick auf den Strafausspruch bedarf die Sache deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen werden durch den Rechtsfehler nicht berührt; sie können aufrechterhalten (vgl. § 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Bartel Fritsche von Schmettau
Arnoldi Dietsch
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260625B6STR203.25.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-99889