Ermittlung der Grundlagen der Vorsteuerberichtigung bei fortlaufendem Bau in Bauabschnitten
1. Allgemeines
Eine Vorsteuerberichtigung ist bei Wirtschaftsgütern, die nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, vorzunehmen, wenn sich die Verhältnisse innerhalb des maßgebenden Berichtigungszeitraums ändern (§ 15a Abs. 1 UStG).
Wird ein Wirtschaftsgut, z. B. ein Gebäude, bereits entsprechend dem Baufortschritt verwendet, noch bevor es insgesamt fertiggestellt ist, liegt für jeden gesondert in Verwendung genommenen Teil des Wirtschaftsguts ein besonderer Berichtigungszeitraum vor. Diese Berichtigungszeiträume laufen jeweils ab dem Zeitpunkt, zu dem der einzelne Teil des Wirtschaftsguts erstmalig verwendet wird. Der jeweiligen Berichtigung sind die Vorsteuerbeträge zugrunde zu legen, die auf den entsprechenden Teil des Wirtschaftsguts entfallen (Abschn. 15a.3 Abs. 2 UStAE).
2. Änderung der Verhältnisse innerhalb eines Bauvorhabens
Bei der Herstellung eines Gebäudes werden regelmäßig Voraus- oder Abschlagszahlungen entrichtet.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug im Fall der Anzahlung dem Grunde und der Höhe nach bereits dann, wenn die Zahlung geleistet und eine Rechnung erteilt wurde. Im Rahmen des § 15 Abs. 1b, 2 und 3 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt der Anzahlung die objektiv belegte und im guten Glauben erklärte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Änderungen in der Verwendungsabsicht wirken sich nur auf nachfolgende Anzahlungen und den sich daraus ergebenden Vorsteuerabzug aus. Eine Änderung der Verwendungsabsicht innerhalb des Bauvorhabens wirkt nicht zurück und führt deshalb z. B. nicht dazu, dass Steuerbeträge nachträglich als Vorsteuer abgezogen werden können oder der Vorsteuerabzug nachträglich zu versagen ist (Abschn. 15.12 Abs. 1 Sätze 15 ff UStAE). Vielmehr ist die Vorsteuer nach § 15a UStG ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung zu berichtigen, sofern die Grenzen des § 44 UStDV überschritten werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Vorsteuerabzug so berichtigt wird, dass er den tatsächlichen Verhältnissen bei der Verwendung des Wirtschaftsguts entspricht.
Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist von den gesamten Vorsteuerbeträgen auszugehen, die auf das gesonderte Berichtigungsobjekt entfallen. Dabei ist ein prozentuales Verhältnis des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zum Vorsteuervolumen insgesamt zu Grunde zu legen (sog. Vorsteuerquote, Abschn. 15a.1 Abs. 3 UStAE). Hiervon ausgehend sind für die Vorsteuerberichtigung das Vorsteuervolumen, die abzugsfähige Vorsteuer und die sich hieraus ergebende Vorsteuerquote zu ermitteln.
U hat zu Beginn des Jahres 01 mit der Errichtung eines Bürogebäudes begonnen, welches aus 4 vergleichbar ausgestatteten Mieteinheiten (ME) mit jeweils 100 m2 besteht. Die im Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer beträgt in den Jahren 01 150.000 €, 02 250.000 € und 03 100.000 € (insgesamt 500.000 €). Die jeweils zum Ende eines jeden Quartals erteilten Abschlagsrechnungen werden direkt beglichen (31.03, 30.06, 30.09, 31.12). Die Herstellungskosten verteilen sich gleichmäßig auf das gesamte Gebäude.
U hatte im Jahr 01 die Absicht, das Gebäude zu 100 % steuerpflichtig zu vermieten. Ab dem hat U jedoch aufgrund der Absage des Architekten A als zukünftigen Mieter geplant, diese ME an den Versicherungsvertreter V zu vermieten (ME 1). Die zu vermietende Bürofläche an V wird vorzeitig fertiggestellt und bereits ab dem an ihn vermietet. Die restlichen Gebäudeteile werden zum fertiggestellt.
Lösung:
Im
Jahr 01 hatte U die Absicht, das Gebäude in vollem Umfang für
vorsteuerunschädliche Zwecke zu nutzen. Die in diesem Jahr in Rechnung
gestellte Umsatzsteuer i. H. v. 150.000 € ist mangels
Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 UStG vollumfänglich als Vorsteuer
abzugsfähig.
Da U im Jahr 02 beabsichtigt, ME 1 an V zu vermieten, liegt hierin keine Nutzung mehr zu vorsteuerunschädliche Zwecken vor. Vielmehr wird dieser Gebäudeteil für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG verwendet, die zum Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 UStG führen. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach § 9 Abs. 2 UStG nicht zulässig, da V ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 11 UStG ausführt. Die Vorsteuer ist ab diesem Zeitpunkt nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt hierbei regelmäßig die Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht (Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE). In dem vorliegenden Fall sind demzufolge für die Jahre 02 und 03 lediglich 262.500 € (350.000 € x 75 %) der Vorsteuerbeträge abzugsfähig.
Die Absichtsänderung des U wirkt nicht auf das Jahr 01 zurück. Vielmehr ist die Vorsteuer nach § 15a UStG ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung zu berichtigen, sofern die Grenzen des § 44 UStDV überschritten werden.
ME 1 ist ein gesondertes Berichtigungsobjekt, da sie bereits vor dem Gesamtgebäude fertiggestellt und an V vermietet wird. Für diesen Gebäudeteil beginnt der besondere Berichtigungszeitraum ab dem . Der Berichtigung nach § 15a UStG sind die Vorsteuerbeträge zugrunde zu legen, die auf ME 1 entfallen.
Für die Vorsteuerberichtigung des gesonderten Berichtigungsobjekts ME 1 sind die folgenden Werte zu ermitteln:
Vorsteuervolumen: Grundlage für das Vorsteuervolumen stellt die gesamte nach § 15 Abs. 1 UStG abziehbare Vorsteuer dar, die im Zeitraum bis zur erstmaligen Verwendung des Gebäudeteils ME 1 angefallen ist. Für die Ermittlung ist der Zeitraum von Baubeginn bis zur erstmaligen Verwendung deshalb maßgebend, da nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 UStG eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs erst dann in Betracht kommt, wenn sich die Verhältnisse ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung ändern.
Tabelle in neuem Fenster öffnenAbziehbare Vorsteuer bis zum (Anteil ME 1 – 25 %):Jahr 0137.500 € (150.000 € x 25 %)Jahr 0231.250 € (250.000 € x 2/4 [1] x 25 %)Summe68.750Abzugsfähige Vorsteuer: Es sind diejenigen Vorsteuerbeträge zusammenzurechnen, die während der Bauphase aufgrund einer ausschließlich vorsteuerunschädlich beabsichtigten Nutzung abgezogen werden konnten.
Sofern sich in der Bauphase bereits die Verwendungsabsicht ändert, bleiben diejenigen Vorsteuerbeträge, die auf den Zeitraum nach der Änderung der Verwendungsabsicht und vor der erstmaligen Nutzung des gesonderten Berichtigungsobjekts entfallen, bei der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unberücksichtigt, da diese bereits den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
Tabelle in neuem Fenster öffnenAbzugsfähige Vorsteuer bis zum (Anteil ME 1 – 25 %):Jahr 0137.500 € (150.000 € x 25 %)100 % steuerpflichtige VermietungJahr 020 €100 % steuerfreie VermietungSumme37.500 €Vorsteuerquote: Die abzugsfähige Vorsteuer ist nach Abschn. 15a.1 Abs. 3 UStAE ins Verhältnis zur abziehbaren Vorsteuer zu setzen, um die entsprechende Vorsteuerquote ermitteln zu können. Diese ist immer dann zu ermitteln, wenn sich die Verwendungsabsicht der vorsteuerunschädlichen Nutzung innerhalb des Bauvorhabens und vor der erstmaligen Verwendung ändert. In einem solchen Fall ist zu beachten, dass lediglich der Anteil, der auf das gesonderte Berichtigungsobjekt entfällt, dem Verhältnis zugrunde gelegt wird.
Vorsteuerquote (Anteil ME 1 – 25 %):
37.500 €
68.750 €x 100 = 54,55 % Berichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG: Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist von den gesamten Vorsteuerbeträgen auszugehen, die auf das gesondert in Verwendung genommene Berichtigungsobjekt entfallen. Daher ist für die insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer der prozentuale Anteil der nach § 15 Abs. 1 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge, welcher auf den Gebäudeteil entfällt, maßgebend.
Tabelle in neuem Fenster öffnenVorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG (Anteil ME 1 – 25 %):insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (s. 1)):68.750 €ursprünglicher Vorsteuerabzug (s. 2)):37.500 €Erstmalige Verwendung:Dauer Berichtigungszeitraum:bisVorsteuerabzugsberechtigung :0 %Änderung der Verhältnisse (s. 3)):54,55 %Vorsteuerberichtigungsbetrag pro Jahr:3.750 €(68.750 € x 1/10 x 54,55 %)Vorsteuerberichtigung in den einzelnen Jahren:ab1.875 €03 bis 113.750 €bis1.875 €Berichtigung (insgesamt):37.500 €Der Berichtigungsbetrag i. H. v. insgesamt 37.500 € entspricht dem ursprünglichen Vorsteuerabzug. Hierdurch ist erkennbar, dass § 15a UStG den Vorsteuerabzug so berichtigt, dass er den tatsächlichen Verhältnissen bei der Verwendung des Gebäudeteils ME 1 entspricht.
OFD Baden-Württemberg v. - S 7316
Fundstelle(n):
USt-Kartei
BW UStG § 15a Fach S
7316 Karte Karte 5
LAAAJ-99792
1Quartalsweise Zahlung der Rechnungen