Instanzenzug: Az: 640 KLs 21/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Während die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten C. keinen Erfolg hat, führt das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtmittel des Angeklagten A. zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft.
21. Die Revision des Angeklagten C. ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die rechtliche Würdigung der Strafkammer, der Angeklagte habe auch den Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln täterschaftlich verwirklicht, von den Feststellungen nicht getragen wird. Diese belegen keinen Einfluss des Angeklagten auf den Einfuhrvorgang selbst (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 558/24 Rn. 4 und vom – 5 StR 338/24 Rn. 16 ff., NStZ 2025, 367 jeweils mwN). Der Rechtsfehler hat sich jedoch weder auf den Schuld- noch auf den Strafausspruch ausgewirkt, so dass das Urteil nicht auf ihm beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
32. Der Schuldspruch des Angeklagten A. wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 4 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO).
4a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der mittellose und geschäftsunerfahrene Angeklagte auf Veranlassung eines Familienmitglieds im Januar 2020 eine Gesellschaft, deren Geschäftszweck im Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln sowie deren Im- und Export bestand, und wurde im Februar 2020 zu deren Geschäftsführer bestellt. Der Angeklagte ging hierbei aufgrund einer Vereinbarung mit dem Familienmitglied davon aus, dass seine Strohmannstellung allein dazu dienen sollte, die Gesellschaft für Betrugstaten zu nutzen. Im Gegenzug erhielt er eine monatliche Entlohnung in Höhe von 1.000 Euro. Den Betrieb der Gesellschaft überließ er dem Familienmitglied und weiteren Personen; er wirkte hieran weder mit noch kannte er die Geschäftsvorgänge.
5Nicht identifizierte Personen entwickelten im Sommer 2020 den Plan, die Gesellschaft für den Import von Kokain zu nutzen. Sie bestellten in ihrem Namen im Oktober 2020 Sojabohnenmehl in Paraguay, wobei in der Lieferung – wie mit den Lieferanten verabredet – 2.143 kg zum gewinnbringenden Verkauf bestimmtes Kokaingemisch (Wirkstoffgehalt mindestens 85% KHC) versteckt wurden. Mit der Abwicklung der Lieferung nach Anlandung im H. er Hafen beauftragte die Gesellschaft zudem eine Speditionsfirma, in der weitere Tatbeteiligte beschäftigt waren, die sodann für die Bergung und Weitergabe des Kokains sorgten. Der Angeklagte hielt eine solche Verwicklung seiner Gesellschaft in Drogengeschäfte weder für möglich noch billigte er sie. Er hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aber erkennen können, dass sie auch für den Handel mit Kokain genutzt wurde.
6b) Diese Feststellungen sind nicht geeignet, ein fahrlässiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu belegen.
7Zwar ist trotz der inhaltlichen Anforderungen an die Tathandlung des Handeltreibens fahrlässiges Handeltreiben phänomenologisch möglich und tatbestandlich von § 29 Abs. 4 iVm Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfasst (vgl. Rn. 30, BGHSt 63, 11). Dabei ist aber zu beachten, dass es sich um ein verhaltensgebundenes Delikt handelt, dessen Tathandlung – eine auf Umsatzförderung gerichtete Tätigkeit, die einen Stoff oder eine Zubereitung im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes betrifft – durch den Täter selbst verwirklicht werden muss (vgl. MüKo-StGB/Duttge, 5. Aufl., § 15 Rn. 218; zum fahrlässigen Handeltreiben bei Verkennung der Betäubungsmitteleigenschaft vgl. Rn. 30, BGHSt 63, 11 und vom – 3 StR 254/87, BGHSt 35, 57, 58 f.). Eine strafbare fahrlässige Beihilfe zum Handeltreiben gibt es nicht (vgl. , BGHR BtMG § 29 Abs. 4 Handeltreiben 2; Urteil vom – 3 StR 254/87, BGHSt 35, 57, 58 f.).
8Eine diesen Anforderungen genügende Tatbeteiligung des Angeklagten an dem Handelsgeschäft mit Kokain hat die Strafkammer nicht festgestellt. Den von ihr in den Blick genommenen Tatbeitrag – die Übernahme der Strohmannstellung – erbrachte er, bevor die unbekannt gebliebenen Personen den Plan entwickelten, die Gesellschaft zur Abwicklung einer Kokainlieferung zu nutzen. Seine Tätigkeit war mithin nicht auf den Umsatz des Kokains gerichtet.
9c) Zudem wird die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit dem Familienmitglied vereinbart, dass seine Stellung als Strohmann dazu dienen sollte, die Gesellschaft ausschließlich für Betrugstaten zu nutzen, von der Beweiswürdigung nicht getragen. Weder die vom Landgericht für glaubhaft bewertete Einlassung des Angeklagten noch die weitergehenden Erwägungen des Landgerichts zu dessen Vorstellungsbild ergeben eine derartige Absprache. Damit bleibt ein sowohl für die Annahme fahrlässigen als auch für die Ablehnung bedingt vorsätzlichen Handelns zentraler Umstand ohne Beleg.
10d) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, damit das neue Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zur Rolle und zum Vorstellungsbild des Angeklagten treffen kann.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130825B5STR652.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-99776