Diskriminierungsschutz - Befristung auf Regelaltersgrenze
Leitsatz
Der Schutz des Diskriminierungsverbots für befristet beschäftigte Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 2 TzBfG erstreckt sich nach Sinn und Zweck nicht auf Arbeitsverhältnisse, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden.
Instanzenzug: Az: 22 Ca 8930/23 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 12 Sa 379/24 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Zahlung einer Erschwerniszulage.
2Die Klägerin ist seit dem bei dem beklagten Land beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom ist die Geltung ua. des Tarifwerks für den öffentlichen Dienst der Länder in der jeweiligen Fassung vereinbart. Seit Dezember 2022 ist die Klägerin in einer Observationsgruppe des Nachrichtendienstes eingesetzt. Diese Gruppe besteht aus Arbeitnehmern und Beamten, deren Tätigkeiten inhaltsgleich sind.
3Die Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen (Erschwerniszulagenverordnung - EZulV) des beklagten Landes in der seit dem geltenden Fassung regelt gemäß § 1 Satz 1 die Gewährung von Zulagen zur Abgeltung besonderer, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Regelung der Anwärterbezüge nicht berücksichtigter Erschwernisse für Empfängerinnen und Empfänger von Dienst- und Anwärterbezügen. Beamtinnen und Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes erhalten gemäß § 9b EZulV eine Zulage von 5,00 Euro für jede berichtspflichtige Alarmierung, wenn sie Rettungsmittel nach § 9 Abs. 1 des Rettungsdienstgesetzes des beklagten Landes besetzen. Das beklagte Land zahlt diese Zulage seit dem auch seinen Tarifbeschäftigten im Rettungsdienst der Feuerwehr. Nach § 22 Abs. 1 EZulV erhalten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte eine Zulage, wenn sie für besondere polizeiliche Einsätze in bestimmten Einheiten verwendet werden. Bei Verwendung als Einsatzbeamtin für den Einsatz in einer Observationsgruppe beim Nachrichtendienst beträgt die Zulage nach § 22 Abs. 3 Alt. 2 EZulV monatlich 388,00 Euro. Diese Zulage erhalten Tarifbeschäftigte wie die Klägerin nicht.
4Die Klägerin hat - zunächst außergerichtlich erfolglos - die Zahlung der Erschwerniszulage, zuletzt für die Monate Dezember 2022 bis Oktober 2024, und die Feststellung einer entsprechenden Zahlungspflicht gerichtlich geltend gemacht.
5Sie hat die Auffassung vertreten, der von ihr geltend gemachte Anspruch folge aus der Verletzung von Gleichbehandlungsgeboten bzw. Diskriminierungsverboten. Hierzu hat sie auf § 22 EZulV iVm. Gleichbehandlungsgrundsätzen und dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung von befristet Beschäftigten sowie auf Art. 3 Abs. 1 GG abgestellt. Aufgrund der tarifvertraglichen Befristung des Arbeitsverhältnisses auf das Erreichen der Regelaltersgrenze sei der Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG eröffnet. Die auf Lebenszeit eingestellten Beamten seien als vergleichbare Dauerbeschäftigte zu berücksichtigen. Die Ungleichbehandlung gegenüber den Beamten sei durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Art. 20 der Europäischen Grundrechtecharta (GRC) finde Anwendung. Das beklagte Land sei daher zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den unbefristet beschäftigten Beamten verpflichtet, die befristet Beschäftigten in die Gewährung der Zulage einzubeziehen. Hilfsweise ergebe sich ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es handele sich um ein Unterlassen einer Gleichbehandlung im Verhältnis zu den tarifbeschäftigten Mitarbeitern im feuerwehrtechnischen Dienst des beklagten Landes, denen übertariflich eine auch den verbeamteten Mitarbeitern gezahlte Zulage gewährt werde.
6Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
7Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
8Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin werde nicht befristet beschäftigt. Jedenfalls ergäben sich sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung von Tarifbeschäftigten und Beamten aus den grundlegenden strukturellen Unterschieden zwischen Beamten- und Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst. Die Nichtregelung einer einschlägigen Erschwerniszulage im TV-L sei von der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht einschlägig.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin - einschließlich der im Berufungsverfahren erfolgten Klageerweiterungen des Zahlungsantrags - unter Klarstellung des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungs- und Feststellungsantrag weiter. Mit dem Feststellungsantrag hat sie in der Revision zunächst eine Zahlungsverpflichtung ab dem Monat Oktober 2024 begehrt, diesen aber noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist dahingehend korrigiert, dass eine solche Verpflichtung erst ab November 2024 festgestellt werden soll.
10Die Parteien haben am 5. bzw. einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
Gründe
11Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Erschwerniszulage.
12I. Die auslegungsbedürftigen Revisionsanträge sind dahingehend zu verstehen, dass der Feststellungsantrag der Klägerin auf eine Zahlungsverpflichtung erst ab dem Monat November 2024 gerichtet ist. Auch Prozesshandlungen sind auslegungsfähig und -bedürftig. Insoweit sind die Auslegungsregeln des materiellen Rechts grundsätzlich entsprechend anzuwenden. Entscheidend ist also der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. - Rn. 14, BAGE 164, 168; - 2 AZR 505/13 - Rn. 14 f., BAGE 149, 1). Danach ist aufgrund der Korrektur des Feststellungsantrags mit Schriftsatz der Klägerin vom zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass sie die Feststellung des Beginns einer Zahlungspflicht ab November 2024 begehrt, weil sie eine Überschneidung von Zahlungs- und Feststellungsklage vermeiden will. Das hat sie mit der Revisionsbegründung deutlich gemacht und dementsprechend den Feststellungsantrag noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist korrigiert.
13Weiter ist zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass sie mit dem Ziel einer zulässigen Revision deren Umfang (konkludent) auf die Streitgegenstände eines Anspruchs aus Diskriminierungsverboten einerseits und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz andererseits beschränkt hat (vgl. zu dieser Maßgabe zB - Rn. 76; - 6 AZR 94/12 - Rn. 12 ff.) und deshalb keine Ausführungen zur Abweisung des von ihr in den Tatsacheninstanzen noch verfolgten eigenständigen Klagegrundes eines Anspruchs aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen macht.
14II. Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Erschwerniszulage.
151. Die Klage ist zulässig.
16a) Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin erhebt eine abschließende Gesamtklage (vgl. dazu - Rn. 12 mwN, BAGE 179, 372). Sie macht die monatlichen Erschwerniszulagen für die Zeit von Dezember 2022 bis Oktober 2024, mithin insgesamt für 23 Monate geltend. Sie beziffert den monatlichen Betrag mit 388,00 Euro und errechnet daraus - zutreffend - einen Gesamtbetrag von 8.924,00 Euro.
17b) Die Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig. Der Antrag genügt den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Er betrifft den Bestand eines streitigen Anspruchs aus einem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen. Sie kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage, vgl. - Rn. 37 mwN). Das Begehren der Klägerin, ihr die Zulage nach § 22 EZulV zu zahlen, kann deshalb mit einer Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. - Rn. 24). Das besondere Feststellungsinteresse ist in einem solchen Fall gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Antrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (vgl. - Rn. 13; - 7 AZR 141/23 - Rn. 19 mwN). Das ist vorliegend der Fall. Das beklagte Land beruft sich nur darauf, dass der Klägerin als Tarifangestellter kein Anspruch aus § 22 EZulV zustehe. Andere Gründe, der Klägerin die Zahlung zu verweigern, stehen zwischen den Parteien nicht im Streit. Mit der Entscheidung wird der Zulagenanspruch auch für die Zukunft dem Streit der Parteien entzogen.
18c) Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren nicht im Wege einer unzulässigen alternativen Klagehäufung. Eine alternative Klagehäufung, bei der die Klagepartei ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen (vgl. - Rn. 62, BAGE 182, 318). Deshalb muss, was auch konkludent möglich ist, eine Rangfolge gebildet werden. Diese ist grundsätzlich bereits in der Klage anzugeben. Es ist jedoch auch möglich, noch im Lauf des Verfahrens von der (unzulässigen) alternativen auf die (zulässige) eventuelle Klagehäufung überzugehen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der die prozessualen Ansprüche geltend gemacht werden sollen (vgl. - Rn. 18 mwN). Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Auf Hinweis des Senats hat die Klägerin im Revisionsverfahren die erforderliche Reihenfolge gebildet. Sie stützt die Klage vorrangig auf die Verletzung von Diskriminierungsverboten und hilfsweise auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
192. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die Nichteinbeziehung in den Anwendungsbereich des § 22 EZulV weder iSd. § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG diskriminiert noch ist dadurch Art. 20 GRC oder Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
20a) Aus § 22 EZulV iVm. § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG folgt kein Anspruch auf die Erschwerniszulage. Das Diskriminierungsverbot gebietet die Anwendung des § 22 Abs. 3 Alt. 2 EZulV auf die tarifbeschäftigte Klägerin nicht. Der Schutz des § 4 Abs. 2 TzBfG für befristet beschäftigte Arbeitnehmer erstreckt sich nach Sinn und Zweck der Regelung nicht auf Arbeitsverhältnisse, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den auf Lebenszeit eingestellten Beamten, die nach Auffassung der Klägerin als vergleichbare Dauerbeschäftigte heranzuziehen wären, liegt daher nicht vor.
21aa) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
22bb) Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet. Die Diskriminierungsverbote des § 4 TzBfG beziehen sich auf das gesamte rechtserhebliche Handeln des Arbeitgebers. Dementsprechend finden sie auch auf Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften Anwendung (vgl. BeckOK ArbR/Bayreuther Stand TzBfG § 4 Rn. 2 unter Verweis auf - zu B II 3 der Gründe, BAGE 104, 272).
23cc) Grundsätzlich ist auch der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Die Klägerin ist eine befristet beschäftigte Arbeitnehmerin iSv. § 3 Abs. 1 TzBfG. Ihr Arbeitsverhältnis ist gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) kalendermäßig iSv. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 TzBfG befristet. Bei einer Vereinbarung, nach der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats eintritt, in dem der Arbeitnehmer das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat, handelt es sich um eine kalendermäßige Befristung dieses Arbeitsverhältnisses, weil der Beendigungszeitpunkt hinreichend bestimmbar ist. Aus der Sicht der Parteien ist die Vollendung eines bestimmten Lebensjahres ein zukünftiges Ereignis, dessen Eintritt sie als feststehend ansehen. Allein durch die Möglichkeit einer vorherigen anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die vereinbarte Altersgrenze nicht zu einer auflösenden Bedingung (vgl. - zu 2 c aa der Gründe, BAGE 115, 265; - 7 AZR 469/01 - zu I der Gründe, BAGE 102, 174).
24dd) Sinn und Zweck der Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes schließen jedoch eine Erstreckung des Diskriminierungsschutzes des § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG auf solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristet ist, aus.
25(1) Ausweislich der Gesetzesbegründung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes soll durch § 4 Abs. 2 TzBfG das bereits bestehende Verbot einer Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer, das bis dahin von der Rechtsprechung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet wurde, aufgrund der Richtlinie 1999/70/EG gesetzlich geregelt und an deren Vorgaben angepasst werden (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 13). Die Norm setzt damit die Regelung des § 4 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG (im Folgenden Rahmenvereinbarung) um und soll verhindern, dass ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrags schlechter behandelt wird als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. Er darf wegen der Befristung weder geringer entlohnt noch hinsichtlich anderer Beschäftigungsbedingungen benachteiligt werden (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 16). Damit konkretisiert § 4 Abs. 2 TzBfG zugleich den nunmehr in Art. 20 GRC kodifizierten allgemeinen Gleichheitssatz (vgl. für das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter - [Lufthansa CityLine] Rn. 37; - C-265/20 - [Universiteit Antwerpen ua.] Rn. 42). Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben soll das auf § 4 der Rahmenvereinbarung beruhende Benachteiligungsverbot verhindern, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt - Rn. 42 mwN).
26(2) Nach diesem Sinn und Zweck ist der Diskriminierungsschutz des § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht auf Arbeitnehmer zu erstrecken, deren Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Anspruch auf eine Regelaltersrente enden wird.
27(a) Das befristete Arbeitsverhältnis zählt zu den atypischen Arbeitsverhältnissen. Befristet Beschäftigte haben in der Regel im Vergleich zu unbefristet Beschäftigten ein erhöhtes Schutzbedürfnis. Dem liegt die Annahme zugrunde, befristet Beschäftigte hätten eine besonders schwache Verhandlungsposition und seien deshalb für ein Diktat der Arbeitsbedingungen durch einen überlegenen Vertragspartner besonders anfällig, was durch den Diskriminierungsschutz verhindert werden solle (vgl. - Rn. 33 mwN). Eines solchen Schutzes bedarf ein Arbeitnehmer mit einem auf das Erreichen der Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente befristeten Arbeitsvertrag nicht. Verträge mit derartigen Befristungsregelungen haben den Charakter von konsolidierten „Normalarbeitsverhältnissen“. Sie werden häufig als „auf unbestimmte Zeit geschlossen“ bezeichnet, ohne dass damit die Altersgrenze abbedungen wäre (vgl. - Rn. 30, BAGE 139, 357; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge 25. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 56a). Entsprechende Arbeitsverhältnisse können mehrere Jahrzehnte Bestand haben und bringen den Arbeitnehmer ungeachtet der formal vorliegenden Befristung der Sache nach in den Genuss eines festen Beschäftigungsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer, der die Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente erreicht hat, befindet sich zudem regelmäßig am Ende seines Berufslebens (vgl. - [John] Rn. 43 f.). Stellen sich diese Arbeitsverhältnisse der Sache nach als unbefristete Normalarbeitsverhältnisse dar, bedürfen sie eines Schutzes vor einer Vorenthaltung von Rechten, welche „Dauerbeschäftigten“ zuerkannt werden, nicht.
28(b) Der Herausnahme von auf das Erreichen der Altersgrenze zum Bezug einer Regelaltersrente befristeten Arbeitsverhältnissen aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 TzBfG steht Unionsrecht nicht entgegen. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom ist geklärt, dass eine Befristung auf die Regelaltersgrenze keine Befristung iSd. Rahmenvereinbarung darstellt (vgl. - [John] Rn. 34 ff.). Das Ziel der Rahmenvereinbarung, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge, der als Quelle potenziellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzudämmen (vgl. hierzu - [John] Rn. 40), ist mit einer solchen Vertragsgestaltung nicht gefährdet. Vielmehr ist die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt der Rentenberechtigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vielfach üblich und stellt einen angemessenen Ausgleich der in Betracht kommenden Interessen dar (vgl. - [John] Rn. 24, 42). Mit dieser Rechtsprechung sind die Fragen des Unionsrechts als hinreichend geklärt anzusehen („acte éclairé“, vgl. hierzu st. Rspr. - [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 36).
29b) Das von der Klägerin herangezogene Diskriminierungsverbot des Art. 20 GRC führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Verbot der Diskriminierung befristet Beschäftigter in § 4 Abs. 2 TzBfG stellt, wie in Rn. 25 ausgeführt, lediglich eine Konkretisierung des primärrechtlichen allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 20 GRC) dar (vgl. zum Verbot der Altersdiskriminierung (A) - Rn. 16, BAGE 134, 311).
30c) Die Nichteinbeziehung der Klägerin in den Kreis der von § 22 EZulV Begünstigten verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte ist im Verhältnis der Polizeivollzugsbeamten, die bei Verwendung als Einsatzbeamte für den Einsatz in einer Observationsgruppe beim Nachrichtendienst eine Erschwerniszulage nach § 22 Abs. 3 Alt. 2 EZulV erhalten, zu den angestellten Beschäftigten, die einen solchen Einsatz leisten, jedoch keine solche Zulage bekommen, nicht gegeben.
31aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen vergleichbaren Personenkreis dagegen vorenthalten wird. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reicht er vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (vgl. für die st. Rspr. - Rn. 16 und 19; - Rn. 30 mwN, BAGE 182, 73). Der Gleichheitssatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl. - zu II 3 a der Gründe; vgl. auch -).
32bb) Die Differenzierung der Zulagengewährung zwischen Beamten und Arbeitnehmern des Nachrichtendienstes beruht auf der Zugehörigkeit zu verschiedenen Berufsgruppen. Die Ungleichbehandlung betrifft Landesbeamte zum einen und Tarifangestellte des beklagten Landes zum anderen. Die Regelungen in Bezug auf die Ausübung des Amtes bzw. der Erbringung der Arbeitsleistung sind für Beamte und Angestellte in voneinander zu trennenden Normbereichen zu finden. Die der jeweiligen Gruppe angehörenden Personen üben nicht dieselben Berufe aus. Für jede dieser Gruppen gibt es im Hinblick auf die Ausübung des Amtes bzw. die Erbringung der Arbeitsleistung eigene Voraussetzungen. Damit beruht die Ungleichbehandlung auf dem von den unterschiedlichen Personengruppen jeweils ausgeübten Beruf (vgl. zu einer Ungleichbehandlung zwischen Bundesrichtern und Bundesbeamten - [Zetschek] Rn. 27 bis 29). Darum besteht entgegen der Annahme der Klägerin auch keine Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Verpflichtung, den Tarifbeschäftigten übertariflich eine § 22 EZulV entsprechende Zulage zu zahlen.
333. Ein Anspruch auf Zahlung der Erschwerniszulage folgt auch nicht aus dem hilfsweise geltend gemachten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Unterlassen des beklagten Landes, den tarifbeschäftigten Mitarbeitern der Observationsgruppe beim Nachrichtendienst eine Zulage nach § 22 Abs. 3 Alt. 2 EZulV zu zahlen, obwohl es den Tarifbeschäftigten im feuerwehrtechnischen Dienst eine Zulage nach § 9b EZulV für Tätigkeiten im Rettungsdienst, wie sie auch Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes erhalten, gewährt, bedingt nicht die Anwendung dieses Grundsatzes.
34a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, das verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift dieser Grundsatz nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normvollzug (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 35 mwN). Ein solch gestaltendes Verhalten liegt nicht vor.
35b) Nach § 47 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 TV-L findet auf die Beschäftigten im feuerwehrtechnischen Dienst des beklagten Landes die Regelung des § 19 TV-L, nach dessen Abs. 1 Erschwerniszuschläge für Arbeiten gezahlt werden, die außergewöhnliche Erschwernisse beinhalten, keine Anwendung. Vielmehr gelten für diese über die wirksame Blankettverweisung des § 47 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TV-L als inkorporiertes Tarifrecht (vgl. - Rn. 19 f.) ausschließlich die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Das sind die Regelungen der Erschwerniszulagenverordnung, soweit sie auf diese Beamten Anwendung finden (vgl. BeckOK TV-L/Sieberts Stand § 47 Nr. 2 Rn. 7). Dazu gehört auch die Bestimmung in § 9b EZulV. Dort hat der Landesverordnungsgeber eine Zulage für die Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes geregelt (vgl. - Rn. 15). Das beklagte Land ist deshalb verpflichtet, den von § 47 Nr. 2 TV-L erfassten Tarifbeschäftigten, zu denen die Klägerin nicht gehört, die beamtenrechtlich vorgesehenen Erschwerniszulagen zu zahlen. Damit liegt bloßer Normvollzug vor. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kommt nicht zur Anwendung, weil das beklagte Land insoweit keine eigene Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt. Eine solche liegt somit entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht darin, die Zahlung einer übertariflichen Vergütung an Tarifangestellte zu unterlassen. Vielmehr gibt es mangels gestaltenden Verhaltens des beklagten Landes keinen Anknüpfungspunkt für ein Eingreifen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.
36III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:310725.U.6AZR18.25.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-99759