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BVerwG Beschluss v. - 20 F 7.25

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 27 F 1544/23 Beschlussvorgehend VG Wiesbaden Az: 6 K 138/22.WI Beschluss

Gründe

I

1In dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren begehrt der 20.. nach Deutschland eingereiste und 20.. nach A. abgeschobene Kläger Auskunft über seine beim Beklagten gespeicherten Daten. Dieser hatte im Klageverfahren einen Verwaltungsvorgang vorgelegt, in dem auf zehn Seiten Schwärzungen vorgenommen sowie drei Seiten entnommen und durch Fehlblätter ersetzt wurden.

2Mit Beschluss vom gab das Verwaltungsgericht dem Beklagten auf, die vollständigen ungeschwärzten, den Kläger betreffenden Vorgänge zu dem Vorbringen des Beklagten, einer vollständigen Auskunft, einer teilweisen Akteneinsicht und einer Begründung der Verweigerung der Akteneinsicht stünden Geheimhaltungsinteressen entgegen, vorzulegen.

3Daraufhin gab der Beigeladene unter dem eine Sperrerklärung ab. Der Beklagte sei der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage der Akten nachgekommen, habe allerdings die Dokumente, die Gegenstand der Auskunftsklage seien, entfernt und an deren Stelle Fehlblätter eingefügt. Die zur Auskunft ersuchten Daten stünden im Rahmen eines laufenden Gefahrenabwehrvorganges unter Verschluss. Es sei zu befürchten, dass die ordnungsgemäße polizeiliche Aufgabenerfüllung vereitelt oder wesentlich erschwert und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet würde. Dem Wohl des Landes würden Nachteile bereitet, indem das Bekanntwerden von Maßnahmen der Gefahrenabwehr dazu führe, dass weder Strukturerkenntnisse erlangt noch eine erfolgreiche Gefahrenabwehr betrieben werden könne. Die Effektivität präventiv-polizeilicher Maßnahmen hänge entscheidend davon ab, dass die gespeicherten Daten geheim gehalten würden. Darüber hinaus trete neben die Geheimhaltungsbedürftigkeit nach einem Gesetz auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten ihrem Wesen nach. In der Abwägung seien den Erfordernissen des Geheimhaltungsinteresses des Beklagten Vorrang vor dem Interesse des Klägers an Auskunftserteilung einzuräumen.

4Den Antrag, die Rechtswidrigkeit der Aktenvorlageverweigerung festzustellen, hat der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofes mit Beschluss vom abgelehnt. Der Antrag sei zulässig. Insbesondere habe das Verwaltungsgericht mit dem Beweisbeschluss vom die Entscheidungserheblichkeit der begehrten Auskunft hinreichend dargelegt. Der Antrag sei aber unbegründet. Die Sperrerklärung sei formell nicht zu beanstanden und berufe sich zu Recht auf Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1. und 3. VwGO.

5Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

71. Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen mit dem Beschluss vom in ordnungsgemäßer Form bejaht ( 20 F 7.23 - NVwZ 2024, 175 Rn. 6 m. w. N.). Zwar kann das Hauptsachegericht verpflichtet sein, die Entscheidungserheblichkeit nach Abgabe der Sperrerklärung erneut zu überprüfen (vgl. 20 F 8.17 - juris Rn. 5 m. w. N.). Anlass dazu bestand jedoch nicht, weil die Sperrerklärung keine Informationen enthält, die es dem Verwaltungsgericht auch ohne Kenntnis des konkreten Inhaltes der Akten ermöglicht hätten zu prüfen, ob die fachgesetzlichen Verweigerungsgründe vorliegen.

82. Die Sperrerklärung wird den rechtlichen Darlegungs- und Begründungsanforderungen auch noch gerecht.

9aa) Grundsätzlich muss eine Sperrerklärung eine differenzierende Zuordnung der Geheimhaltungsgründe zu den jeweiligen Aktenbestandteilen enthalten (BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 12, vom - 20 F 1.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 59 Rn. 11, vom - 20 F 7.11 - NVwZ 2012, 1488 Rn. 5, vom - 20 F 11.13 - juris Rn. 11 und vom - 20 F 9.17 - juris Rn. 12 f.). Sie muss hinreichend deutlich erkennen lassen, auf welche Weigerungsgründe die oberste Aufsichtsbehörde sie stützt ( 20 F 11.13 - juris Rn. 11). Eine konkrete Zuordnung von Geheimhaltungsgründen durch die oberste Aufsichtsbehörde ist von zentraler Bedeutung, weil der Fachsenat ausschließlich prüft, ob die von ihr in der Sperrerklärung behaupteten Gründe tatsächlich vorliegen; erst durch die Darlegung der konkreten Gründe wird somit effektiver Rechtsschutz ermöglicht ( 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 12). Eine differenzierende Aufbereitung der Unterlagen - unter Angabe von Blattzahlen, gegebenenfalls auch der Bezifferung von Absätzen oder der Gliederungspunkte eines Dokuments - erweist sich nur ausnahmsweise dann als entbehrlich, wenn der Umfang der Unterlagen überschaubar ist und sich bei Durchsicht der Akte die Zuordnung der Geheimhaltungsgründe ohne Weiteres erschließt ( 20 F 7.21 - juris Rn. 18 m. w. N.) oder die Eigenart der Dokumente keine kleinteilige Zuordnung verlangt ( 20 F 5.22 - juris Rn. 17 ff.).

10bb) Im vorliegenden Fall fehlt es zwar an einer Zuordnung der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe zu konkreten Teilen der gesperrten Akteninhalte. Jedoch ist die Sperrerklärung nach einer Würdigung ihres gesamten Inhaltes und der prozessualen Situation, in der sie ergangen ist, aus der Sicht eines objektiven Empfängers auf die drei Fehlblätter der Seiten 23 bis 25 des Verwaltungsvorganges beschränkt. Denn unter Punkt "1. Sachverhalt" des Schriftsatzes vom ist ausgeführt, die den Gegenstand der Auskunftsklage bildenden Dokumente seien entfernt und durch Fehlblätter ersetzt worden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, die Sperrerklärung solle Aktenteile betreffen, die nicht Gegenstand der Auskunftsklage sind. Dem korrespondiert die Klagebegründung vom , die unter Bezugnahme auf die Fehlblätter der Seiten 23 bis 25 ausführt, ohne Kenntnis dieser Blätter könne das Gericht nicht prüfen, ob die Auskunft zu Recht abgelehnt worden sei. Vor diesem Hintergrund betrifft die Sperrerklärung nicht auch die weiteren Teilschwärzungen im Verwaltungsvorgang, sodass der Umfang der betroffenen Unterlagen überschaubar ist. Nach Einsicht in den vollständigen Originalvorgang erschließt sich die Zuordnung der Geheimhaltungsgründe zudem ohne weiteres. Ausnahmsweise war eine differenzierende Aufbereitung der Unterlagen daher entbehrlich.

113. Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofes hat das Vorliegen des mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgrundes nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO) unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

12aa) Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (vgl. 20 F 6.14 - juris Rn. 7 m. w. N.). Dies kann der Fall sein, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen - vor allem in einer Zusammenschau - Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen geeignet sind z. B. Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. 20 F 4.21 - juris Rn. 7 m. w. N.).

13bb) Ausgehend von diesem Maßstab ist die Entnahme der drei streitgegenständlichen Seiten durch den Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gedeckt. Einer Entscheidung über das Eingreifen der weiter geltend gemachten Geheimhaltungsgründe bedarf es daher nicht. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO). Teilschwärzungen in Bezug auf die entnommenen Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.).

14Die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. dazu 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

154. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:050825B20F7.25.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-99702