Leitsatz
Die Anerkennung der Infektion mit einem Virus als Dienstunfall i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzt voraus, dass sich Ort und Zeitpunkt des Unfallereignisses bestimmen und der Dienstausübung zuordnen lassen. Es genügt nicht, dass eine Infektion während des Dienstes - lediglich - plausibel erscheint.
Tatbestand
1Der Kläger erstrebt die Anerkennung einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 als Dienstunfall.
2Der Kläger ist Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 BBesO) im Dienst der Beklagten und wird beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet. Während einer Auslandsdienstreise im Oktober 2022 traten bei ihm coronatypische Erkrankungssymptome auf. In den folgenden Tagen durchgeführte Corona-Schnelltests wiesen eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 aus, ebenso ein nach Rückkehr im Inland durchgeführter PCR-Test. Im Rahmen seiner Dienstunfallanzeige führte der Kläger die Infektion auf eine vor Antritt der Dienstreise am im Dienstzimmer seines Vorgesetzten durchgeführte Videokonferenz zurück, an der er - ebenso wie sein im Anschluss positiv auf das Corona-Virus getesteter Vorgesetzter - ohne FFP2-Maske teilgenommen hatte.
3Mit Bescheid vom lehnte der BND die Anerkennung der Infektion des Klägers mit dem Corona-Virus als Dienstunfall ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom zurück.
4Mit der im November 2024 erhobenen Klage macht der Kläger insbesondere geltend, die Infektion beruhe mit hinreichender Sicherheit auf der Teilnahme an der Videokonferenz. Eine Ansteckung im privaten Bereich könne ausgeschlossen werden. Die Beklagte habe keinen plausiblen alternativen Ansteckungsweg aufgezeigt.
5Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesnachrichtendienstes vom und dessen Widerspruchsbescheid vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die am erfolgte Infektion des Klägers mit dem Virus SARS-CoV-2 als Dienstunfall anzuerkennen.
6Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7Sie trägt im Wesentlichen vor, das behauptete Unfallereignis sei nicht von anderen Geschehnissen abgrenzbar. Die Infektion mit dem Corona-Virus könne auf vielfältige Weise auch außerhalb des Dienstes erfolgt sein.
8Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des behördlichen Verfahrens verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Gründe
9Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zu entscheiden hat (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist unbegründet. Der Bescheid des BND vom und dessen Widerspruchsbescheid vom sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat weder nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (1.) noch nach § 31 Abs. 3 Satz 1 und 3 BeamtVG (2.) einen Anspruch auf Anerkennung der Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 als Dienstunfall.
101. Die Infektion des Klägers mit dem Virus SARS-CoV-2 ist nicht als Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG anzuerkennen.
11a) Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der im Zeitpunkt des (behaupteten) Unfallereignisses geltenden und damit maßgeblichen (stRspr, vgl. zuletzt 2 C 3.22 - BVerwGE 179, 322 Rn. 8 und vom - 2 C 8.24 - IÖD 2025, 122 <123>) sowie unverändert aktuellen Fassung ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Dabei setzt der Begriff des Dienstunfalls i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht voraus, dass der Beamte bei seiner Tätigkeit einer höheren Gefährdung als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist oder sich in dem Körperschaden eine der konkreten dienstlichen Verrichtung innewohnende typische Gefahr realisiert hat (vgl. 2 C 81.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 23 Rn. 11).
12aa) Das gesetzliche Merkmal "in Ausübung des Dienstes" verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst (vgl. 2 C 17.16 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 14 m. w. N. und vom - 2 C 8.24 - IÖD 2025, 122 <123>). Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird (vgl. 2 C 1.12 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 25 Rn. 10 f., vom - 2 C 17.16 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 14, vom - 2 C 3.22 - BVerwGE 179, 322 Rn. 9 und vom - 2 C 8.24 - IÖD 2025, 122 <123>).
13Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft (vgl. 2 A 3.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 21 Rn. 14, vom - 2 C 1.12 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 25 Rn. 11, vom - 2 C 17.16 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 15, vom - 2 C 3.22 - BVerwGE 179, 322 Rn. 10 und vom - 2 C 8.24 - IÖD 2025, 122 <123> m. w. N.).
14bb) Das Merkmal "plötzlich" dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen. Es kommen nur einmalige, kurzzeitige Begebenheiten in Betracht, die sich allerdings häufen können. Schädliche Dauereinwirkungen sind grundsätzlich kein plötzliches Ereignis. Die Abgrenzung von der Dauersituation bedarf einer wertenden Betrachtung (vgl. 2 A 1.19 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 32 Rn. 23; Beschluss vom - 2 B 46.05 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17 Rn. 6).
15cc) Hingegen ist die örtliche und zeitliche Konkretisierung Bezugsrahmen und Voraussetzung für die Zurechnung zum Dienst. Ort und Zeitpunkt des Unfallereignisses müssen feststehen. Dies setzt bei Infektionen die Feststellung voraus, dass der Beamte sich an einem bestimmten Ort zu einem konkret bestimmbaren Zeitpunkt infiziert hat. Für die zeitliche Bestimmbarkeit genügt es demnach nicht, dass sich ein über mehrere Tage erstreckender Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt. Erst die eindeutige Bestimmung des Ereignisses ermöglicht es, sicher festzustellen, ob und inwieweit Veränderungen des Gesundheitszustands des Beamten auf einen Dienstunfall zurückzuführen sind und von der Dienstunfallfürsorge nach §§ 32 ff. BeamtVG umfasst werden. Deshalb müssen die Angaben zu den Umständen des konkreten Ereignisses so bestimmt sein, dass es Konturen erhält, aufgrund derer es von anderen Geschehnissen eindeutig abgegrenzt werden kann. Jede Verwechslung mit einem anderen Ereignis muss ausgeschlossen sein (vgl. 2 C 22.90 - juris Rn. 8 und vom - 2 C 81.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 23 Rn. 14; Beschluss vom - 2 B 46.05 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17 Rn. 6).
16Auch bei Infektionen reichen die bloße Eingrenzbarkeit des Zeitraums der Infektion oder die abstrakte Bestimmbarkeit ihres Zeitpunkts sowie die Kenntnis der Orte, an denen sich der Beamte während dieser Zeit bzw. der nach ärztlicher Erfahrung zu vermutenden Inkubationszeit aufgehalten hat, nicht aus (vgl. 6 C 144.58 - BVerwGE 11, 229 <231>, vom - 2 C 22.90 - juris Rn. 8 und vom - 2 C 81.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 23 Rn. 16; Beschlüsse vom - 2 B 46.05 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17 Rn. 6 und vom - 2 B 72.08 - juris Rn. 5). Dies hat zwar regelmäßig zur Konsequenz, dass sich der Zeitpunkt der Ansteckung mit einer Infektionskrankheit nicht mit der nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erforderlichen Genauigkeit feststellen lässt. Dieser Schwierigkeit hat der Gesetzgeber aber dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Infektionskrankheiten, die in der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung i. d. F. vom (BGBl. I S. 2623) aufgeführt sind, gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfälle gelten, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (vgl. 2 C 81.08 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 23 Rn. 15; Beschluss vom - 2 B 46.05 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17 Rn. 6).
17b) Unter Anwendung dieses Maßstabs kommt eine Anerkennung der Infektion des Klägers mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht in Betracht.
18aa) Die Infektion des Klägers mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 lässt sich nach Ort und Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Genauigkeit bestimmen und der Dienstausübung zuordnen. Dies geht zu Lasten des Klägers, der die materielle Beweislast (vgl. 2 C 22.90 - juris Rn. 8) für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, weil auch im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten (vgl. 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 12). Entgegen der Auffassung des Klägers oblag es der Beklagten mithin nicht, alternative Infektionsquellen aufzuzeigen.
19Insbesondere genügt der Kläger mit der Vermutung, sich bei seinem Vorgesetzten infiziert zu haben, seiner Beweispflicht nicht. Für den Nachweis der Ansteckung in Ausübung des Dienstes reicht es nicht aus, dass eine Ansteckung während des Dienstes lediglich plausibel erscheint.
20Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger sich im privaten Bereich mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infiziert hat. Der Kläger hat zwar angegeben, sich aufgrund einer bronchialen Vorerkrankung "ausgesprochen vorsichtig" verhalten zu haben. Er hat jedoch selbst nicht behauptet, sich vollständig in "Isolation" befunden zu haben; vielmehr hat er etwa öffentliche Verkehrsmittel nur "weitgehend" gemieden. Kommen aber andere, im privaten Bereich wurzelnde Geschehensabläufe ebenfalls als Ursache einer Infektion in Betracht, fehlt es an einem Nachweis dafür, dass die Infektion "in Ausübung des Dienstes" erfolgt ist (vgl. - juris Rn. 26 f.).
21bb) Dem Kläger steht auch nicht der Beweis des ersten Anscheins zur Seite, der im Rahmen der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zu einer Beweiserleichterung führt (vgl. 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 15).
22Der Beweis des ersten Anscheins (prima facie Beweis) erlaubt es, gestützt auf Erfahrungssätze Schlüsse von bewiesenen auf zu beweisende Tatsachen zu ziehen. Es muss sich um einen Erfahrungssatz handeln, der stark genug ist, die volle Überzeugung des Gerichts von einem bestimmten Geschehensablauf selbst dann zu begründen, wenn nicht alle Einzelheiten des Sachverhaltsgeschehens ermittelt werden konnten. Vorausgesetzt wird damit regelmäßig eine gewisse Typizität des zu beweisenden Geschehensablaufs (vgl. 9 B 3.19 - juris Rn. 13). In diesem Fall kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (vgl. - juris Rn. 16 und vom - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 30).
23Im vorliegenden Fall kann lediglich als bewiesen gelten, dass beim Kläger im Rahmen einer Auslandsdienstreise coronatypische Erkrankungssymptome auftraten und er sich im Nachgang positiv auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 getestet hat. Gestützt hierauf lässt sich nicht der Schluss ziehen, der Kläger habe sich "in Ausübung des Dienstes" infiziert. Weitere Beweiserleichterungen können dem Kläger nicht zugebilligt werden. Insbesondere gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass sich eine Person, die sich während einer Videokonferenz mit einer anderen, später positiv getesteten Person in einem Raum befindet, typischerweise mit dem Corona-Virus infiziert bzw. dass Mitarbeiter des BND sich generell bei Ausübung ihrer Tätigkeit typischerweise mit dem Corona-Virus infiziert haben.
242. Die Infektion des Klägers mit dem Virus SARS-CoV-2 gilt zudem nicht als Dienstunfall i. S. d. § 31 Abs. 3 Satz 1 und 3 BeamtVG, weil die Voraussetzungen für eine Anerkennung auch insoweit nicht vorliegen.
25a) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen (nur) die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (- BKV -) vom (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht (§ 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG). Die Vorschrift soll nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 17 und vom - 2 C 46.13 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 29 Rn. 10).
26Nach § 1 Abs. 1 BKV i. V. m. Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV liegt eine Berufskrankheit bei Infektionskrankheiten vor, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Die allein in Betracht kommende Tatbestandsalternative "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" geht auf die Siebente Berufskrankheiten-Verordnung (7. BKVO) vom (BGBl. I S. 721) zurück. Während nach dem davor geltenden Recht Infektionskrankheiten nur dann Berufskrankheiten waren, wenn sie durch berufliche Beschäftigung in bestimmten Unternehmen verursacht wurden, sind mit der 7. BKVO in den Tatbestand der Berufskrankheit der Infektionskrankheiten die mit den früher bezeichneten Unternehmen vergleichbaren Tätigkeitsbereiche Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege und Laboratorium aufgenommen worden. Darüber hinaus ist die Alternative "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" mit der Begründung eingeführt worden (vgl. BR-Drucks 128/68 Allgemeiner Teil S. 1), dass die Beschränkung auf bestimmte Unternehmen in einigen Einzelfällen zu Härten geführt habe und es angezeigt erscheine, den Versicherungsschutz über den bisher schon erfassten Personenkreis auf Versicherte auszudehnen, die im Einzelfall durch ihre Tätigkeit der Ansteckungsgefahr besonders ausgesetzt sind (vgl. - juris Rn. 15).
27Der Verordnungsgeber geht bei der Regelung in Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV typisierend davon aus, dass gerade im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in einem Laboratorium eine abstrakte Gefahrenlage und für die betroffenen Beschäftigten ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Durch die von ihm beabsichtigte Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der bezeichneten Gefährdungsbereiche tätige "Versicherte" - hier Beamte -, die "der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" sind, wird deutlich, dass die besondere Gefahrenlage im Sinne der 4. Regelungsalternative derjenigen entsprechen muss, die im Fall der anderen drei Regelungsalternativen des Gesundheitsdienstes, der Wohlfahrtspflege und des Laboratoriums angenommen wird. Auch die 4. Regelungsalternative setzt daher voraus, dass die versicherte Tätigkeit eine abstrakte Gefahrenlage in sich birgt. Ist unter Berücksichtigung der Art der versicherten Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung nicht denkbar, scheidet schon deshalb die Annahme der Voraussetzungen aus Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV aus. Liegt hingegen eine mit der versicherten Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Versicherte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet (vgl. - juris Rn. 16 und vom - B 2 U 9/21 R - juris Rn. 15).
28§ 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG setzt dementsprechend nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet; vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, sofern sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt. Maßgeblich ist, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Erkrankung in sich birgt (vgl. 2 C 74.62 - ZBR 1965, 181 <182> und vom - 2 C 22.90 - juris Rn. 12; Beschluss vom - 2 B 106.95 - juris Rn. 6; s. a. - juris Rn. 18 f.; OVG Magdeburg, Beschluss vom - 1 L 123/22.Z - juris Rn. 7; 3 BV 21.3116 - juris Rn. 22; Beschluss vom - 3 ZB 24.1398 - juris Rn. 8).
29b) Gemessen hieran war der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit beim BND einem Infektionsrisiko im Sinne einer abstrakten Gefährdung nicht besonders ausgesetzt. Die Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 kann nicht als typische Folge des Dienstes angesehen werden. Mit der hier in Rede stehenden Tätigkeit in Gestalt der Teilnahme an einer Videokonferenz im Beisein einer anderen, später positiv auf das Corona-Virus getesteten Person ist offensichtlich keine abstrakte Gefahrenlage verbunden, die einer solchen bei einer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium entspricht.
30Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus SARS-CoV-2 war im vorliegenden Fall nicht deshalb abstrakt erhöht, weil die Teilnahme an Besprechungen zu Corona-Zeiten in Präsenz besonders "gefahrgeneigt" war. Vielmehr hat der Kläger bei der konkreten Ausübung seiner Tätigkeit einfachste Verhaltensregeln im Umgang mit dem Corona-Virus nicht beachtet, die sich ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Vorbelastung in besonderer Weise aufdrängen mussten. Beinahe zwei Jahre nach dem Ausbruch des Corona-Virus in Deutschland war das Erfordernis des Tragens einer FFP2-Maske eingeübt und zudem durch entsprechende Vorgaben des BND zur dienstlichen Verpflichtung erhoben. Die Teilnahme an der Videokonferenz ohne das Tragen einer FFP2-Maske stand folglich nicht nur in Widerspruch zu dem ausgesprochen vorsichtigen Verhalten, das der Kläger an den Tag gelegt haben will, sondern lief zudem dem wohlverstandenen Interesse des Dienstherrn zuwider.
313. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U2A10.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-99697