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BGH Beschluss v. - 5 StR 357/25

Instanzenzug: Az: 629 KLs 3/24

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten N.        wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten; den Angeklagten R.     wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revisionen der Angeklagten führen jeweils mit der Sachrüge zur (teilweisen) Korrektur des Schuldspruchs, was auch den zugehörigen Strafaussprüchen die Grundlage entzieht; eine Verfahrensrüge des Angeklagten R.      führt zudem zur Aufhebung der seinem Strafausspruch zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschriften des Generalbundesanwalts).

21. Zu den hier relevanten Fällen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:

3Der nichtrevidierende Mitangeklagte A.     – ein Hafenmitarbeiter – war Ansprechpartner südamerikanischer Drogenhändler, die über den H.           er Hafen hochwertiges Kokain nach Deutschland per Seecontainer einschmuggeln wollten. Er plante und organisierte in deren Auftrag die Bergung des Kokains auf dem Terminalgelände O.            und spannte dazu auf seinen Zuruf die Angeklagten und weitere nichtrevidierende Mitangeklagte ein. Im Falle erfolgreicher Bergung übergab er das Kokain an die von seinen Ansprechpartnern benannten Abnehmer gegen Entgegennahme einer Belohnung. Der Angeklagte N.      wurde von ihm damit betraut, die von den Drogenhändlern bezeichneten Container ausfindig zu machen, zu überwachen und bei der Bergung des Kokains zu helfen. Der Angeklagte R.      hatte die Aufgabe, auf Anforderung dem Mitangeklagten A.     bestimmte Informationen zu den Containern zu liefern, ihn über allgemeine Abläufe zu beraten und im Einzelfall Container zu verstellen, um die Bergung zu ermöglichen. Er erhielt für seine Hilfe von A.     regelmäßig Geldbeträge in Höhe von einigen hundert Euro, insgesamt 2.500 Euro. Der Angeklagte N.       sollte von der dem A.      übergebenen Entlohnung profitieren. Keiner der Angeklagten war in den Abverkauf des Kokains eingebunden oder an dem damit erzielten Gewinn oder Umsatz beteiligt.

4Im Fall 1 der Urteilsgründe ging es um die Bergung zweier in Südamerika mit 80 kg kolumbianischem Kokain bestückten Seecontainer, für die dem Mitangeklagten A.      von den südamerikanischen Drogenhändlern eine Belohnung in Höhe von 2.500 Euro versprochen worden war. In Unkenntnis einer schon durch britische Behörden erfolgten Sicherstellung des Kokains beauftragte A.    den Angeklagten N.      damit, die von anderen vorzunehmende Bergung zu ermöglichen. Hierfür identifizierte N.       den Standort der beiden Container, übersandte A.      Lichtbilder und tauschte sich mit ihm über die Ermöglichung der Kokainbergung aus. Er bekam von A.     auch eine Telefonnummer der Auftraggeberseite, um die Bergung mit dieser abzustimmen. Zudem sollte er eine Person zur Bergung auf das Gelände bringen helfen. Ein Zugriff auf die Container war aber nicht möglich, weil diese in leerem Zustand alsbald nach Polen abtransportiert wurden.

5Im Fall 3 der Urteilsgründe erhielt A.    den Auftrag, aus einem Kühlcontainer 155 kg Kokain zu bergen, wofür er eine Belohnung im Gegenwert von 10 kg Kokain erhalten sollte. Das Kokain sollte so eingebaut sein, dass der Container vor der Bergung geleert sein musste. Der Angeklagte R.        gab A.     auftragsgemäß mehrfach Informationen über den Ladezustand des Containers weiter, sodass dieser mit der Bergung beginnen konnte. Allerdings fand sich kein Kokain an der bezeichneten Stelle.

6Im Fall 5 der Urteilsgründe ging es um die erfolgreiche Bergung von 28 kg Kokain aus zwei Containern. Während der Angeklagte N.         sowohl die Container ausfindig machte als auch an der Bergung des Kokains direkt beteiligt war und hierfür eine Entlohnung in Höhe von 5.000 Euro erhielt, beschränkte sich die Aufgabe des Angeklagten R.      darauf, die Container so umzustellen, dass eine Bergung möglich war. Hierfür versprach sich R.      zumindest, von A.     weiterhin in Kokainbergungen eingebunden zu werden.

72. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen täterschaftlichen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beim Angeklagten N.      im Fall 1 und beim Angeklagten R.       in den Fällen 3 und 5 der Urteilsgründe nicht. Die Angeklagten haben sich in diesen Fällen lediglich der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

8a) Insoweit gilt (vgl. mwN): Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Dabei kann eine Beteiligung am Transport als mittäterschaftliches Handeltreiben einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über diesen hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist, selbständig den Umfang des Geschäfts bestimmt oder sonst ein eigenes Interesse am Gesamtgeschäft hat, weil er einen Anteil am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll.

9b) Hieran gemessen tragen die Feststellungen eine täterschaftliche Begehung des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die Angeklagten in den genannten Fällen nicht, denn das Landgericht hat diese Maßstäbe rechtsfehlerhaft angewendet.

10Im Fall 1 der Urteilsgründe beschränkte sich die Tätigkeit des Angeklagten N.      auf die Kokainbergung vorbereitende Handlungen. Die Bergung selbst als besonders wichtiger Beitrag für die beabsichtigte Handelstätigkeit sollte durch unbekannte Dritte erfolgen, die N.      mit auf das Gelände bringen sollte. Eine Aussicht auf eine Beteiligung an Umsatz oder Gewinn bestand nicht. Angesichts dieser Umstände vermögen die vom Landgericht angestellten Erwägungen zur Notwendigkeit des Tatbeitrags derartiger „Hafeninsider“ für das Gelingen des Kokainweitertransports ins Inland die Annahme täterschaftlichen Handelns nicht zu tragen. Denn für den Tatbeitrag eines Betäubungsmittel lediglich auftragsgemäß transportierenden Kuriers, der sich insoweit regelmäßig nur wegen Beihilfe zum Handeltreiben schuldig macht, gilt zumeist nichts anderes (vgl. mwN).

11In den Fällen 3 und 5 beschränkten sich die Tätigkeiten des Angeklagten R.      ebenfalls auf Hilfstätigkeiten im Vorfeld der geplanten Kokainbergung. Er sollte nicht einmal erfolgsabhängig für seine jeweilige Tätigkeit entlohnt werden, so dass auch sein Tatinteresse am Erfolg des Handeltreibens gering war. Zwar war auch sein Beitrag für das Gelingen der (geplanten) Bergung wichtig. Auch dies rechtfertigt angesichts der Gesamtumstände aber nicht den Schluss, er sei selbst Täter des Handeltreibens mit diesen Betäubungsmitteln (vgl. zur rechtlichen Bewertung solcher Hafen-Fälle auch ; Beschlüsse vom – 5 StR 157/24; vom – 4 StR 74/23; vom – 3 StR 353/22 Rn. 16).

12c) Der Senat ändert in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Schuldsprüche in den betroffenen Fällen jeweils auf Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich die teilgeständigen Angeklagten angesichts der dichten Beweislage insoweit nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

133. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen und damit auch der Gesamtstrafenaussprüche. Während die beim Angeklagten N.        hierzu getroffenen Feststellungen Bestand haben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO), unterliegen diejenigen zum Angeklagten R.      der Aufhebung auf eine weitergehende Verfahrensrüge.

144. Der Angeklagte R.      rügt zu Recht, dass ihm entgegen § 258 Abs. 2 StPO nach konkludentem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme durch Befragung des Mitangeklagten A.     und eine Äußerung des Vorsitzenden hierzu nicht nochmals das letzte Wort gewährt wurde.

15Mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aber angesichts der überaus dichten Beweislage (Teilgeständnis, belastende Angaben von Mitangeklagten, Chatnachrichten, TKÜ-Protokolle) aus, dass sich dieser Fehler im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO auf den Schuldspruch ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 253/12; vom – 5 StR 101/22). Zudem ging es bei der Befragung, nach der das letzte Wort nicht nochmals gewährt worden war, inhaltlich lediglich um ein Thema, das den Schuldumfang betrifft (Druck durch die südamerikanischen Auftraggeber).

16Auf die Verfahrensrüge unterliegt allerdings – weitergehend als auf die Sachrüge hin – der gesamte Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen der Aufhebung. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte R.      – wäre ihm das letzte Wort nochmals gewährt worden – Ausführungen gemacht hätte, die Einfluss auf die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts gehabt hätten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130825B5STR357.25.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-99678